Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz

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Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
2 19                              Berichte und Hintergründe aus Israel und dem Nahen Osten

                                                                                         Magazin

Beziehungen im Wandel
Wie sich arabische Länder für Israel öffnen

HASS VON OBEN                                      LUFT NACH OBEN
Das iranische Regime hat es auf Israel abgesehen   Die Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien
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    LANDKARTE                                    FRIEDE MIT ÄGYPTEN                                ISRAEL UND DER IRAN
    So steht der Nahe Osten                      UND JORDANIEN                                     Staatlich organisierter Israelhass
    zu Israel                                    Ebenso kalt wie nützlich

Iranische Musiker schicken                                            hassen niemanden. Wir wären sehr glücklich, wenn unsere Ge-
Liebesbotschaft nach Israel                                           schichte in den israelischen Medien veröffentlicht wird“, schrie-
                                                                      ben die Iraner laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“.

D   ie iranischen Musiker Mohammad und Ali Nasiri lieben Israel.
    Das zeigen die beiden Brüder auch öffentlich. Auf Instagram
haben sie ein Video veröffentlicht, in dem sie auf Hebräisch das
                                                                        Der israelische Sänger Banai zeigte sich von der Aktion der
                                                                      Amateurmusiker gerührt. „Das ist großartig und bewegend“,
                                                                      schrieb er an seine iranischen Fans.

                                                                                                                                             Fotos: picture alliance | Library of Congress | shutterstock, danielo | Instagram, Screenshot Israelnetz
Lied „Jotzeh LaOr“ des israelischen Künstlers Ehud Banai singen.        Während das Regime in Teheran immer wieder gegen Israel
                                                                      hetzt und offen zur Vernichtung des jüdischen Staates aufruft,
                                                                      sind aus dem Volk auch andere Stimmen zu hören. Scharona
                                                                      Abginsas, Verantwortliche für die persischsprachigen Nutzer in
                                                                      den Sozialen Medien beim israelischen Außenministerium, sagte
                                                                      dazu: „Wir erhalten täglich Hunderte Nachrichten von Iranern,
                                                                      die uns wissen lassen, dass sie eine andere Haltung zu Israel ha-
                                                                      ben als ihre Regierung.“ Diese Iraner sähen Israel als künftigen
                                                                      Verbündeten, wenn das Regime falle. | Dana Nowak

                                                                      VAE-Außenminister:
                                                                      Beziehungen zu Israel sind notwendig
Scheuen nicht davor zurück, ihre Liebe zu Israel öffentlich
zu zeigen: die Amateurmusiker Mohammad und Ali Nasiri                 V   or vielen Jahren entschieden die Araber, keine Beziehungen
                                                                          zu Israel zu pflegen. Im Rückblick war das eine sehr, sehr fal-
                                                                      sche Entscheidung.“ Dies sagte der Außenminister der Vereinigten
Mohammad Resa Nasiri schrieb zu dem Video: „Mein Bruder und           Arabischen Emirate (VAE) Anwar Gargasch im Gespräch mit der
ich lieben das jüdische Volk und Israel sehr, und das Bündnis zwi-    Tageszeitung „The National“ (Abu Dhabi). Die arabischen Staaten
schen den beiden Völkern wird niemals getrennt werden. Wenn           sollten offener für Israel sein. Ihr Boykott habe es erschwert, eine
wir, Gott bewahre, deswegen verhaftet werden sollten, dann tei-       Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden,
len Sie einfach unsere Stimme mit der Welt.“                          sagte Gargasch weiter. Diplomatische Beziehungen hat Israel bis-
   Die beiden Brüder wandten sich mit ihrem Video zudem an das        her nur mit Ägypten und Jordanien. Ein großer Erfolg für Israel war
israelische Außenministerium und baten um Veröffentlichung in         die Einladung der Kulturministerin Miri Regev in die Scheich-Said-
Israel. „Wir tun nichts Politisches, wir sind alle Menschen und wir   Bin-­Sultan-Moschee in Abu Dhabi 2018. | Timo König

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Magazin 2|19

                                             Liebe Leserin, lieber Leser,
                                             das Jahr 2019 gibt Anlass zum Rückblick, nicht zuletzt „runden“ sich die Friedensverträ-
                                             ge Israels mit zwei wichtigen Nachbarstaaten.

10 ERFÜLLUNG                                 1979 wurde der Kriegszustand zwischen Ägypten und Israel beendet und der Friede
DER PROPHETIE                                besiegelt. Noch wenige Jahre zuvor, im Oktober 1973, standen sich die Armeen beider
Straße der Hoffnung                          Staaten auf Schlachtfeldern im Sinai und am Suezkanal feindlich gegenüber. 1994 lag der
                                             letzte Krieg zwischen Jordanien und Israel schon länger zurück. Das waren Kämpfe im
12 ISRAEL UND                                Jordantal und in Jerusalem während des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967. Jahrzehnte des
ARABISCHE LÄNDER                             gedeihlichen Miteinanders folgten, die in einen offiziellen Friedensvertrag mündeten.
Verstohlene Annäherung                       Diese Ausgabe beleuchtet diesen Frieden in der Geschichte und der Gegenwart.

 14 ZEITZEUGEN                               Ganz anders hat sich die einst gute Beziehung Israels zum Iran entwickelt. 1979 wurde
ERINNERN SICH                                der Nahe Osten durch die „Islamische Revolution“ in Teheran erschüttert und dauer-
„Als Sadat kam, waren die                    haft verändert. Experten sprachen seinerzeit von der „Chomeinisierung“ im Orient, der
Straßen voll“                                Rückkehr des religiösen Islam in die Politik. Vor allem Israel ist Zielscheibe von Hassti-
                                             raden und mehr. Die Hisbollah im Libanon wird vom Iran gesteuert und aufgerüstet. Mit
                                             den Kämpfen in Syrien sind iranische Truppen fast in Sichtweite nahegerückt. Israel hat
                                             wiederholt mit Worten und zuletzt auch mit ausgedehnten Luftangriffen auf iranische
                                             Stellungen in Syrien deutlich gemacht, dass es nicht zulassen wird, dass der Iran es in
                                             seiner Existenz bedroht. Im vergangenen Jahr hat der israelische Geheimdienst einen
                                             Coup gelandet, als er unbemerkt eine halbe Tonne geheime Akten über das iranische
                                             Atomprogramm aus ihrem Versteck im Iran holte und der Weltöffentlichkeit präsentier-
                                             te. Mehr dazu ab Seite 4.

                                             Ganz anders blickt der Prophet Jesaja auf den Orient und beschreibt Friedensstraßen der
 IMPRESSUM                                   Zukunft. Diese Zukunft hat schon begonnen, im Kleinen und doch sichtbar. Lesen Sie von
                                             der Initiative „Straße der Hoffnung“ ab Seite 10. Mitarbeiter bekennen: „Unsere Kontakte
 Herausgeber                                 führten uns nach Ägypten, in die Türkei und den Nordirak, um mit den aufkommenden
 Christlicher Medienverbund KEP e.V.         Gemeinschaften der Muslime zu arbeiten, die Jeschua-gläubig geworden waren.“
 Charlotte-Bamberg-Straße 2
 D-35578 Wetzlar                             Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet Arye Sharuz Shalicar die Lage im Nahen Os-
 Telefon +49 (64 41) 5 66 77 00              ten. Er ist ein deutsch-iranisch-israelischer Publizist. Der in Berlin aufgewachsene ehe-
 Telefax +49 (64 41) 5 66 77 33              malige Sprecher der Israelischen Streitkräfte erklärt anhand von direkten Begegnungen
 israelnetz.com                              in den Golfstaaten die Annäherung zwischen Israel und Teilen der arabischen Welt. Le-
 info@israelnetz.com                         sen Sie selbst ab Seite 12.
 Vorsitzender Michael Voß
 Geschäftsführer Christoph Irion             Frieden im Nahen Osten, Frieden in und um Israel. Diese spezielle Ausgabe will Antwor-
 Büro Wetzlar Dana Nowak                     ten geben und Hintergründe beleuchten, damit Sie zu einer eigenen Beurteilung der Lage
 (Redaktions­leitung), Martina Blatt,        kommen können.
 Daniel Frick, Elisabeth Hausen, Timo
 König, Michael Müller, Egmond Prill         Ich wünsche namens der Israelnetz-Redaktion eine spannende Lektüre.
 Büro Jerusalem mh                           Schalom
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 Titelfoto
 Omans Sultan Qabus Ibn Said (l.)            PS: Gerne senden wir kostenfrei weitere Exemplare
 empfängt Israels Premier Benjamin           dieser Ausgabe zum Weitergeben an Bekannte und in
 Netanjahu                                   den Gemeinden.
 Quelle: picture alliance/AP Photo
 Redaktionsschluss dieser Ausgabe:
 27. März 2019

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ISRAEL UND DER IRAN

Staatlich organisierter Israelhass
Israel sieht im Iran die größte Bedrohung seiner Sicherheit. Angesichts des iranischen Atomprogramms und
der Vernichtungsdrohungen gegen Israel könnte ein furchtbarer Krieg ausbrechen – aber es könnte auch
ganz anders kommen.
Carmen Shamsianpur

D
       ie Aufkündigung aller Verträge mit Israel auf politischer      oder Karikaturenwettbewerbe zur Holocaustleugnung oder Ver-
       und wirtschaftlicher Ebene gehörte zu den ersten Amts-         nichtung Israels machen den Hass zur Unterhaltung für das Volk.
       handlungen von Ruhollah Musawi Chomeini, als er 1979
nach der Revolution den Schah als neues Staatsoberhaupt des           Jahrtausendealte jüdische Geschichte
Iran ablöste. Im selben Jahr installierte er den „Al-Quds-Tag“, der
im Iran gesetzlicher Feiertag ist. Am letzten Freitag des Fastenmo-   Dabei hat der Iran eine jahrtausendealte Geschichte fruchtbarer
nats Ramadan gehen inzwischen in vielen Städten weltweit mus-         Beziehungen zu Juden. Viele Bücher der Bibel wie Daniel, Ester und
limische, linke, rechte und sonstige Antisemiten gemeinsam auf        Esra stehen mit dem Gebiet in direktem Zusammenhang. Sogar der
die Straße, um ihrem Hass auf Israel freien Lauf zu lassen. Dem       nach der Bibel wichtigste Text des Judentums, der Babylonische
ersten Demonstrationsaufruf in Teheran im Revolutionsjahr sol-        Talmud, ist dort entstanden. Einst lebten Zehntausende Juden im
len über drei Millionen Menschen gefolgt sein.                        Iran. Viele von ihnen sind heute in Israel. Fast alle Souvenirge-
   Unter den ersten Zivilisten, die noch im selben Jahr hingerich-    schäfte in der Ben-Jehuda-Straße und fast alle Schuhgeschäfte in
tet wurden, war auch der Vorsitzende der Jüdischen Gesellschaft       der Jaffa-Straße in Jerusalem gehören Juden aus Isfahan, Teheran
Teherans, Habib Elghanian. Die Juden verließen den Iran zu            oder Schiras. Während viele aus der älteren Generation noch ger-
Zehntausenden. Zwar wurde ungefähr ein Jahrzehnt lang – sogar         ne an die guten Zeiten vor der Revolution im Iran zurückdenken,
auf militärischem Gebiet – eine gewisse Zusammenarbeit auf-           spricht aus der jüngeren Generation kaum noch jemand Persisch
rechterhalten, aber nach und nach brachen auch die inoffiziellen      – obwohl der Mossad dringend persische Muttersprachler ge-
                                                                                                                                             Foto: shutterstock/danielo

Kontakte ab. Aus einer geschichtsträchtigen Freundschaft wurde        brauchen könnte. Denn der Iran erhält einen Großteil der Auf-
erbitterte Feindschaft.                                               merksamkeit des israelischen Auslandsgeheimdienstes.
   2015 sagte Ajatollah Ali Chamenei die Zerstörung Israels inner-       Kein Regime auf der Welt leugnet den Holocaust wie das ira-
halb der nächsten 25 Jahre voraus. Daraufhin wurden in Teheran        nische, keines droht so offen mit Vernichtung wie das iranische,
und andernorts große Digitaluhren aufgestellt, die öffentlich den     und keines investiert mehr in Terror gegen Israel als das iranische.
Countdown bis zum Jahr 2040 zählen. „Kulturevents“ wie Kunst-         Auf der internationalen Bühne wird dieser Bedrohung – dank des

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Magazin 2|19

                                                                                                                               Unaufhaltbarer Zusammenbruch
                                                                                                                               Die letzten 40 Jahre sind im Verhältnis zur jahrtausendealten jüdi-
                                                                                                                               schen Geschichte im Iran nur eine kurze Zeit. Es sind schon größe-
                                                                                                                               re und mächtigere Regime als das iranische über Nacht zusammen-
                                                                                                                               gebrochen. Es könnte sehr schnell gehen. Aber auch wenn es noch
                                                                                                                               eine Weile dauert, ist der Zusammenbruch, der schon begonnen
                                                                                                                               hat, nicht mehr aufzuhalten. Im Zuge der Unruhen der letzten Jah-
                                                                                                                               re haben viele Mullahs bereits Vorsorge getroffen: Sie haben ihre
                                                                                                                               Kinder und mit ihnen große Teile ihres Vermögens ins Ausland,
                                                                                                                               vorzugsweise die USA, geschickt und sind bereit, ihre Koffer zu pa-
                                                                                                                               cken. So zumindest berichten es nicht-staatliche persische Medien.

                                                        Juni 2018: Demonstranten verbrennen in Teheran eine
                                                        Puppe, die US-Präsident Donald Trump darstellen soll

                                                        iranischen Ölreichtums – nur wenig Beachtung geschenkt. Dabei
                                                        ergießt sich das Regime ununterbrochen in genozidaler Kriegs­
                                                        rhetorik und lässt seinen Worten Taten folgen. Radikal-­islamische
                                                        Gruppen wie Hisbollah, Hamas und Islamischer Dschihad wer-
                                                        den maßgeblich vom Iran finanziert. Die Bürgerkriege in Syrien
                                                        und dem Irak wurden geschickt genutzt, um die dortige Machtba-
                                                        sis weiter auszubauen und Israel auch geographisch immer wei-
                                                        ter auf die Pelle zu rücken.
                                                           Israel hat wiederholt mit Worten und zuletzt auch mit ausge-
                                                        dehnten Luftangriffen auf iranische Stellungen in Syrien deutlich
                                                        gemacht, dass es die Bedrohung durch den Iran nicht akzeptiert.
                                                        Im letzten Jahr hat der israelische Geheimdienst einen Coup ge-        Juni 1950: Israels Premier David Ben-Gurion (l.) plaudert auf
                                                        landet, als er unbemerkt eine halbe Tonne geheime Akten über           einer Party mit dem iranischen Gesandten für Israel, Reza
                                                        das iranische Atomprogramm aus ihrem Versteck im Iran holte            Saffinia (3.v.l.)
                                                        und der Weltöffentlichkeit präsentierte.
                                                           Gleichzeitig ist sich die israelische Regierung bewusst, dass die      Der älteste Sohn des einst gestürzten Schahs mit dem bezeich-
                                                        iranische Bevölkerung Israel längst nicht so feindlich gegenüber-      nenden Namen „Kyros“ Reza Pahlavi steht bereit, um auf jede
                                                        steht wie ihre Führung. Laut einer Studie der Anti-Defamation-­        erdenkliche Weise den Wiederaufbau seines Landes zu unter-
                                                        League verzeichnet der Iran von allen islamischen Ländern die          stützen. Der persische König Kyros ermöglichte es den Juden im
                                                        geringsten Zustimmungswerte zu antisemitischen Aussagen. Die           5. Jahrhundert vor Christus, zurück in ihr eigenes Land zu ziehen.
                                                        meisten Iraner dürften ihrer eigenen Regierung kritischer gegen-       Der aktuelle Kyros vernetzt die nicht-islamistischen Oppositions-
                                                        überstehen als der israelischen. Immer wieder hat sich Israels         gruppen im In- und Ausland und sagt, dass er bei der Befreiung
                                                        Premier Benjamin Netanjahu in den vergangenen Jahren in Vi-            des Iran alle verfügbare Hilfe annehmen wird – sei es von den
                                                        deobotschaften mit persischen Untertiteln an das iranische Volk        USA, Saudi-Arabien oder Israel. Laut neueren Umfragen im Iran,
                                                        gerichtet und ihm Freundschaft und Respekt versichert. Eines           wen sich die Menschen am besten als neues Staatsoberhaupt vor-
                                                        Tages werde das Mullahregime, unter dem vor allem die Iraner           stellen können, vereint Kyros Reza Pahlavi mit fast 38 Prozent mit
                                                        zu leiden hätten, fallen, und dann würden die guten Beziehungen        Abstand die meisten Stimmen auf sich. Nur sehr wenige glauben,
                                                        zwischen den beiden Ländern wiederbelebt werden.                       dass das bestehende System reformierbar sei.
                                                           Der Iran, der sich zu einer Großmacht entwickelt hat und               Mit dem Vernichtungskurs gegen Israel schaufelt sich die Isla-
                                                        dessen außenpolitische Einflusssphäre bis nach Lateinamerika           mische Republik ihr eigenes Grab. Das ist nicht nur biblisch be-
Fotos: picture alliance | Teddy Brauner, GPO | privat

                                                        reicht, steht innenpolitisch geschwächt dar. Die Sprechchöre auf       trachtet so zu deuten, sondern auch an den wirtschaftlichen und
                                                        den Straßen, die seit den letzten größeren Ausschreitungen 2018        innenpolitischen Entwicklungen zu beobachten. |
                                                        bis heute nicht ganz verstummt sind, prangern soziale Missstän-
                                                        de an. Die Menschen im Iran wollen nicht länger hinnehmen,
                                                        dass ihre Regierung jährlich mehrere Milliarden Dollar für Terror                                   Carmen Shamsianpur, ehem. Matus-
                                                        gegen Israel ausgibt, während die eigene Bevölkerung vom Reich-                                     sek, arbeitet als freie Journalistin,
                                                        tum ihres Landes nichts abbekommt. Dabei stellen viele sich                                         Publizistin und Übersetzerin für Per-
                                                        nicht nur gegen die iranische Führung, sondern auch zu Israel.                                      sisch-Deutsch in Tübingen. Sie hat
                                                        Auf die israelische Social-Media-Initiative „Israel-Loves-Iran“ gab                                 Islamwissenschaft und Geschichte
                                                        es unter dem Titel „Iran-Loves-Israel“ ein überwältigendes Echo                                     studiert und forscht schwerpunkt-
                                                        von Iranern, die sich auf der ganzen Welt aus dem Exil, aber auch                                   mäßig zu Antisemitismus. Seit 2017
                                                        aus dem Iran selbst als Freunde Israels zu erkennen geben.                                          ist sie mit einem Iraner verheiratet.

                                                                                                                                                                                                5
Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
FRIEDE MIT ÄGYPTEN UND JORDANIEN

Ebenso kalt wie nützlich
Israel hat bislang mit zwei arabischen Staaten Frieden geschlossen. Von Herzlichkeit ist er in beiden
Fällen nicht geprägt. Es liegt schlicht im Interesse der Länder, das Gewonnene nicht aufzugeben.
Egmond Prill

E
     s war ein Paukenschlag, wie ihn die     Ägypten: Land für Frieden                   war eine Neugründung kurz nach dem
     Geschichte nicht oft hören lässt. Im                                                israelischen Sieg 1967, eine Stadt mit gut
     Kalender steht der 6. Oktober 1981:     Das Friedensabkommen brachte Ägyp-          3.000 Einwohnern, Juden mit dem Willen
Während einer Militärparade in Kairo         ten bis 1982 die Sinai-Halbinsel zurück     zu bleiben und Plänen für eine Großstadt
wird der ägyptische Präsident Anwar          und bescherte Israel Frieden und die An-    von zig Tausend Menschen. Und dann
as-Sadat erschossen. Das Attentat vor lau-   erkennung seiner Existenz. So gesehen       kam über Nacht das Ende. War anfangs
fenden Kameras sprengt eine Lücke in die     ein Hauptgewinn für jede Seite. In Israel   noch eine Übergabe an Ägypten und
Regierung und wirft eine Frage auf: Wird     freilich weckte das nicht nur Freude. Vor   ein finanzieller Ausgleich für Israel im
der Friede überleben?
   Es war eine Rede, die nicht weniger
aufhorchen ließ, als im November 1977
As-Sadat nach Jerusalem reiste und im
israelischen Parlament über Frieden
sprach. Ägypten brach nach Jahrzehn-
ten voller Kampf und Krieg gegen Israel
aus der arabischen Front und reichte die
Hand zum Frieden. Kurz darauf began-
nen die Verhandlungen, die, begleitet
vom US-Präsidenten Jimmy Carter, 1979
in den Camp-David-Frieden mündeten.
Für Ägypten bedeutete das eine Front
weniger, die gegen Israel. Und viele neue
Fronten und Gegner in der arabisch-­
islamischen Staatengemeinschaft. Alge-
rien, Libyen, Syrien und der Irak brachen
sofort die diplomatischen Beziehungen
zu Kairo ab. Die Palästinensische Be-
freiungsorganisation (PLO) kippte alle
Kontakte und verurteilte scharf den
„Separatfrieden“. Auch im eigenen Land       In neuer Verbundenheit: Der ägyptische Präsident Sadat (l.) und Israels Premier
schlug As-Sadat Feindschaft entgegen.        Begin am 18. September 1978 im amerikanischen Kongress
In den Reihen der Muslimbrüder wuchs
der Hass, obwohl As-Sadat sein Land aus
dem sozialistischen Lager gelöst hatte       allem in der Fraktion des damaligen Pre-    Gespräch, ließ Begin letztlich die Stadt
und in Ägypten mit der neuen Verfas-         mierministers Menachem Begin blieben        schleifen. Die letzten rund 1.000 Ein-
sung von 1971 die Gesetze der Scharia zur    Widerstände. Allen voran war es der da-     wohner wurden vom Militär evakuiert.
Quelle der Rechtsprechung festgeschrie-      malige Knessetsprecher und spätere Pre-     Viele Leute aus Jamit fanden im nahen
ben hatte. Doch der vielen verhasste         mier Jitzchak Schamir, der den Vertrag      Gazastreifen ein neues Zuhause – doch
Friede mit Israel und eine Verhaftungs-      ablehnte. Es wurde an der Ehrlichkeit       nicht dauerhaft, denn im Sommer 2005
                                                                                                                                      Foto: Library of Congress, Wikipedia

welle unter den Muslimbrüdern rechtfer-      der Ägypter gezweifelt. Der Preis für ein   verfügte Premierminister Ariel Scharon
tigte in deren Reihen das Mordkomplott.      Stück Papier war die komplette Aufgabe      den kompletten israelischen Rückzug aus
As-Sadat und sieben hochrangige Ver-         des Landpuffers als Sicherheitszone für     diesem Gebiet und die zum Teil zwangs-
treter der Administration starben, der       Israel und noch mehr: Militäreinrichtun-    weise Räumung.
Vizepräsident Hosni Mubarak überleb-         gen, Erdölförderanlagen und Siedlungen        Im Rückblick auf vier Jahrzehnte Frie-
te verletzt und am Ende überlebte der        wurden übergeben beziehungsweise ge-        den ist die Erkenntnis gewachsen: Der
Friede. Mubarak setzte das Vermächtnis       räumt. Am bekanntesten ist das Schicksal    Preis war nicht zu hoch. Der Friede auf
As-Sadats fort.                              der Stadt Jamit im nördlichen Sinai. Das    Ebene der Staaten hielt auch in den Stür-

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Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
Magazin 2|19

                                               men der Zeit mit globalen Zerwürfnis-        1982 und die Präsidentschaft des isla-          Zeitleiste
                                               sen und regionalen Umbrüchen wie dem         mistischen Politikers Mohammed Mursi            Ereignisse in den Beziehungen
                                               „Arabischen Frühling“, dem Ende des          von 2012–2013. Gelegentlich rief Ägyp-          zu Ägypten und Jordanien
                                               Machthabers Muammar al-Gaddafi in            ten seinen Botschafter zurück, um da-
                                               Libyen und dem Krieg in Syrien.              mit gegen die israelischen Maßnahmen            24.02.1949 Waffenstillstand mit Ägypten.
                                                 Doch mit Blick auf die Völker ist es ein   im Libanon, dem Gazastreifen oder dem           Der erste mit einem arabischen Land nach
                                               kalter Friede geblieben. Vergleichbares      Westjordanland zu protestieren. Die Bot-        dem Unabhängigkeitskrieg.
                                               wie die deutsch-französische Freund-         schafter kehrten jedoch letzten Endes           03.04.1949 Waffenstillstand mit Jordanien.
                                               schaft nach 1945 oder die deutsch-­          immer wieder zurück und die diplomati-          Regelt auch den Abzug irakischer Truppen.
                                                                                                                                            24.04.1950 Jordanien annektiert das
                                                                                                                                            Westjordanland. International wird das
                                                                                                                                            (außer bei den Briten, Irak und Pakistan)
                                                                                                                                            nicht anerkannt.
                                                                                                                                            16.07.1951 Attentat auf Riad as-Solh in
                                                                                                                                            Amman. Der frühere libanesische Premier
                                                                                                                                            wurde durch drei Syrer erschossen. Es
                                                                                                                                            kursierten Gerüchte, dass Libanon und
                                                                                                                                            Jordanien gemeinsame Friedensgespräche
                                                                                                                                            mit Israel hielten.
                                                                                                                                            20.07.1951 Attentat auf Abdullah I. von
                                                                                                                                            Jordanien. Ein Palästinenser des Husseini-­
                                                                                                                                            Klans erschießt ihn vor der Al-Aqsa-­
                                                                                                                                            Moschee. Er wollte sich wenig später mit
                                                                                                                                            dem ersten Leiter des Mossad, Reuven
                                                                                                                                            Schiloach, treffen. Eine Medaille auf der
                                                                                                                                            Uniform seines Enkels Hussein lenkte eine
                                                                                                                                            Kugel ab, so dass dieser überlebte.
                                                                                                                                            23.07.1952 Staatsstreich in Ägypten. Die
                                                                                                                                            Freien Offiziere stürzen König Faruk I. Ga-
                                               15 Jahre nach Ägypten schloss auch Jordanien Frieden mit Israel. König Hussein               mel Abdel Nasser kommt an die Macht.
                                               (l.) und Premier Rabin genehmigten sich aus diesem Anlass eine Zigarette.                    11.08.1952 Hussein wird zum König von
                                                                                                                                            Jordanien ausgerufen. Er ist erst 16 Jahre
                                                                                                                                            alt. Sein Vater litt an Geistesschwäche und
                                               polnische Aussöhnung mit der Begegnung       schen Beziehungen wurden nie vollstän-          musste abdanken.
                                               der Menschen und vor allem der Jugend        dig abgebrochen.“                               28.02.1955 Operation „Schwarzer Pfeil“.
                                               gibt es höchstens in Ansätzen. Die Völker      Noch mehr, der heute als politischer          Das israelische Militär greift ägyptische
                                               blieben sich fremd. Die israelische Jugend   Kommentator beim israelischen TV-Sen-           Truppen im Gazastreifen an. Seit 1954 hat-
                                               eroberte für einige Jahre touristisch den    der „Kanal 1“ tätige Journalist unterstreicht   te Ägypten angefangen, palästinensische
                                               Sinai, nicht zuletzt wegen der günstigen     die Bedeutung des Vertragswerkes: „Kurz         Flüchtlinge mit Waffen zu unterstützen.
                                               Preise dort, aber der zunehmende isla-       gesagt, das Camp-David-Abkommen war             Kriegsgrund war der Mord ein einem Israe-
                                               mistische Terror brachte den Tourismus       ein Meisterstück von diplomatischer Aus-        li in Rechovot durch arabische Infiltranten
                                               zum Erliegen. Auch auf wirtschaftlichen      gewogenheit, von Weitsicht und Verzicht.        am 25.02.1955.
                                               Gebieten blieben die Beziehungen in den      Was noch besser war, das Abkommen               29.10.1956 Beginn von Kampfhandlungen
                                               Kinderschuhen. Aus der Euphorie des An-      funktionierte tatsächlich und tut es im-        wegen Suezkrise. Ende Juli hatte Nasser
                                               fangs, finanziell gefördert von den USA,     mer noch, bis zum heutigen Tag.“                die Suezkanal-Gesellschaft verstaatlicht.
                                               sind nur zaghafte Pflänzchen gewachsen.        Israels Staatspräsident Reuven Rivlin         05.–10.06.1967 Sechs-Tage-Krieg. Israel
                                               Die Wüste war und ist stärker. Und den-      erklärte im März bei einer Tagung an-           erobert den Sinai, das Westjordanland und
Foto: Government Press Office (CC BY-SA 3.0)

                                               noch: Es gibt regelmäßig Gespräche der       lässlich des seit 40 Jahren bestehenden         den Golan.
                                               Geheimdienste und Militärs. Das Projekt      Friedens: „Der Frieden zwischen Israel          07.08.1970 Waffenstillstand mit Ägypten.
                                               „Sicherheit“ hat beiden Seiten den Frie-     und Ägypten hat sich bewährt – auch,            Seit Juni 1968 hatte es einen Abnutzungs-
                                               den erhalten und genau das war das Ziel      wenn es noch keine offenen Grenzen oder         krieg gegeben, den Ägypten initiierte, um
                                               des Abkommens von 1979.                      Gemeinschaft der Völker gibt.“ Und wei-         den Sinai zurückzuerobern. Auf 3 Monate
                                                  Kürzlich notierte Amotz Asa-El, ehe-      ter sagte das Staatsoberhaupt: „Aber wir        angelegt.
                                               maliger Chefredakteur der Tageszeitung       sollten nicht auch nur für einen Moment         28.09.1970 Gamel Abdel Nasser stirbt.
                                               „Jerusalem Post“: „Der ägyptisch-isra-       getäuscht werden: ,Die Schwierigkeiten          Anwar as-Sadat wird sein Nachfolger.
                                               elische Frieden hat großen Herausfor-        des Friedens‘, wie Premierminister Me-          04.02.1971 Sadat erklärt, er sei bereit für
                                               derungen standgehalten, darunter der         nachem Begin schrieb, ,sind den Qualen          einen Friedensvertrag für Ägypten. Er
                                               israelische Einmarsch in den Libanon         des Krieges vorzuziehen‘.“                      zeigte sich aber nicht zu Kompromissen

                                                                                                                                                                                     7
Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
bereit, daher scheiterten diplomatisch            Jordanien:                                    das Königshaus und auch gegen den
Initiativen der Amerikaner und der Israelis.      Wasser für Frieden                            jordanisch-­israelischen Ausgleich. Auch
06.–25.10.1973 Jom-Kippur-Krieg. Ägypten                                                        Landfragen sind erneut auf den Verhand-
startet einen Überraschungsangriff, um            Der Friede zwischen Israel und Jordani-       lungstisch gekommen. Im Vertragswerk
verlorene Gebiete zurückzuerobern. Israel         en darf in gleicher Weise gewürdigt wer-      von 1994 war eine Pacht über 25 Jahre für
kann sich wehren. Beide Seiten unter-             den. Als im Herbst 1994, vermittelt durch     zwei jordanische Gebiete festgeschrie-
zeichnen am 18.07.1974 ein Abzugsabkom-           die US-Regierung unter Bill Clinton, der      ben worden, die Israel landwirtschaftlich
men (Sinai I).                                    jordanische König Hussein I. und der          nutzt. Fixiert war die automatische Ver-
04.09.1975 Sinai-Interims-Abkommen
(Sinai II). Vereinbarung, Konflikte nicht
mit Krieg, sondern diplomatisch zu lösen.
Brachte Ägypten Ansehen im Westen, aber
Misstrauen bei Syrien und den Palästinen-
sern.
20.11.1977 Sadat spricht in der Knesset. Er
erklärte, dass er bis ans Ende der Welt ge-
hen würde, selbst nach Israel in die Knes-
set, wenn er so den Tod eines einzigen
ägyptischen Soldaten vermeiden könne.
17.09.1978 Camp-David-Abkommen. Zwei
Rahmenvereinbarungen zum „Frieden in
Nahost“ und „Friedensvertrag mit Ägyp-
ten“. In ersterem ging es um Palästinenser,
wurde von den UN verurteilt.
26.03.1979 Friedensvertrag mit Ägypten.           Premier Rabin (l.) und König Hussein 1994 am See Genezareth: Israelische
Ägypten und Israel erhalten dafür umfang-         Wasserlieferungen an Jordanien sind ein Kernelement des Friedensvertrages
reiche Militärhilfen von den USA.
06.10.1981 Attentat auf Sadat, durch die
Terrorgruppe Al-Dschihad, die spätere             israelische Premier Jitzchak Rabin den        längerung der Vereinbarung, falls kei-
Al-Qaida.                                         Friedensvertrag unterschrieben, war die       ne Seite kündigt. Doch im Oktober 2018
26.04.1982 Israel zieht die letzten Truppen       Verständigung beider Staaten schon weit       kündigte König Abdullah an, er werde das
aus dem Sinai ab. Die Soldaten weinen             fortgeschritten. War das Abkommen mit         Abkommen 2019 beenden. Jordanien wol-
und singen ein letztes Mal die HaTikva.           Ägypten ein Ausgangspunkt für Frieden,        le wieder die gesamte Souveränität über
31.07.1988 Jordanien zieht Souveränitäts-         so war der Vertrag zwischen Jordanien         Al-Bakura und Al-Ghamr, im Hebräischen
anspruch über Westjordanland zurück.              und Israel eher ein Schlusspunkt. Ein         Naharajim und Zofar. Konkrete Gründe für
30.10.–01.11.1991 Madrider Konferenz. Die         Schlusspunkt in dem Sinne, dass in den        die Entscheidung gab der König nicht an.
Verhandlungen mündeten unter anderem in           Jahren zuvor beide Seiten bereits militäri-      Das Verhältnis zwischen Israel und Jor-
den Friedensvertrag mit Jordanien von 1994.       sche und wirtschaftliche Absprachen hat-      danien ist angespannt. Im Juli 2017 hatte
25.07.1994 Washingtoner Erklärung. Been-          ten, vor allem in Bezug auf Wasser- und       ein Wachmann der israelischen Botschaft
det Krieg zwischen Israel und Jordanien.          Landwirtschaft.                               in Amman einen Jordanier erschossen, der
26.10.1994 Friedensvertrag mit Jordani-              Die Zusammenarbeit israelischer Kib-       versucht hatte, ihn mit einem Schrauben-
en. Zentraler Bestandteil sind israelische        butzim mit benachbarten Dörfern auf           zieher zu erstechen. Ein weiterer Mann
Wasserlieferungen an das Nachbarland.             jordanischer Seite hatte schon lange vor      war ins Kreuzfeuer geraten und ebenfalls
Für Hussein war dabei wichtig, dass               dem offiziellen Frieden begonnen und vor      ums Leben gekommen. Der Vorfall hatte
Palästinenserführer Jassir Arafat schon           allem Jordanien viel Fachwissen in Berei-     zu einer diplomatischen Krise zwischen
1993 das erste Oslo-Abkommen mit Israel           chen moderner Landwirtschaft gebracht.        den beiden Ländern geführt.
                                                                                                                                             Foto: Government Press Office (CC BY-NC-SA 2.0)

geschlossen hat.                                  Doch spektakuläre Projekte, wie ein ge-          Als 1997 südlich vom See Genezareth
13.03.1997 Friedensinsel-Massaker. Ein            meinsamer Flughafen in der Arava-Wüste        ein jordanischer Soldat sieben israeli-
jordanischer Soldat erschießt an der              nördlich von Akaba und der Bau eines Ka-      sche Schülerinnen erschoss, war das ein
Grenze sieben israelische Schulkinder.            nals vom Roten Meer zum Toten Meer, um        Schock für beide Seiten, der aber den
König Hussein besuchte anschließend die           dessen Austrocknung zu bremsen, sind          Frieden nicht beschädigte. Unvergessen
Familien, die Geste weckte Sympathien.            versandet. Dabei ging es nicht nur um Fi-     die Versöhnungsgeste des Königs Hussein,
07.02.1999 König Hussein stirbt. Sein             nanzfragen, sondern auch um Grundzüge         der die Familien in Israel besuchte und um
Sohn Abdullah II. folgt ihm nach.                 des Vertrauens.                               Vergebung bat. Dem heutigen König ist
21.10.2018 Abdullah II. teilt Israel mit, Teile      In den vergangenen Jahren geriet der       Weitsicht zu wünschen. Denn der Auftrag
des Friedensvertrages nicht zu erneuern.          jordanische König Abdullah II. innen-         nach 40 Jahren Frieden mit Ägypten und
Es geht um die Pacht zweier landwirt-             politisch unter Druck. Wiederholt gab         25 Jahren Frieden mit Jordanien heißt:
schaftlicher Einheiten im Grenzgebiet.            es Demonstrationen und Terror gegen           Frieden halten. |

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Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
Magazin 2|19

                     LANDKARTE

                     So steht der Nahe Osten zu Israel
                                                                            Türkei
                                                                            Israel als Staat anerkannt,
                                    Tunesien                                                                                                Syrien
                                                                            diplomatische Beziehungen
                                    Diplomatische Beziehungen                                                                               Kriegszustand, keine Anerkennung Israels. 1992
                                    bis zum Ausbruch der soge-                                                                              Friedensgespräche unter der Schirmherrschaft
                                    nannten zweiten palästinen-
                                    sischen Intifada 2000, keine
                                                                                   Libanon                                                  der USA, diese und weitere Verhandlungen schei-
                                                                                   Kriegszustand,                                           terten am Status der Golanhöhen.
                                    Anerkennung Israels
                                                                                   keine Anerken-
                                                                                   nung Israels                                                                       Irak
                         Marokko                                                                                                                                      Kriegszustand, keine
                         Diplomatische Beziehungen bis zum                                                                                                            Anerkennung Israels
                         Ausbruch der sogenannten zweiten                Ägypten
                         palästinensischen Intifada 2000,                Frieden seit
                                                                                                                      15.000
                         keine Anerkennung Israels                       1979                                      1948: 120.000

                                                                       1.000                                                                                                    Kuwait
                                                                   1948: 100.000                    Jordanien              1947:                        Iran*                   Keine diplomati-
                                                                                                                          15.000                         8.500
                                     2.000                                                          Frieden seit                       1947:                                    schen Beziehun-
                                 1948: 265.000                                                                                                       1948: 140.000
                                                                                                    1994                             136.000                                    gen, keine Aner-
                                                                                                                                                                                kennung Israels

                                                                                                     1948: 75.000
                                                                                                                                                                               Bahrain
                                                                                                                                                                               Keine diplomatischen
                                                                                                                                                                               Beziehungen, keine
                                                                                                                                                                               Anerkennung Israels,
                                                                                                                                                                               seit einigen Jahren
                                       Katar                                             Saudi-Arabien                                                                         Annäherung
                                       Keine diplomatischen Beziehungen. Ab 1996       Keine diplomatischen Beziehungen,                       1948: 85.000
                                       beherbergte Katar ein israelisches Handelsbüro. keine Anerkennung Israels, seit
                                       2009 wurde es wegen der israelischen Offensive einigen Jahren Annäherung                                                         Vereinigte Ara-
                                       gegen die Hamas im Gazastreifen geschlossen.                                                                                     bische Emirate
                                                                                                                                                                        Keine diplomatischen
                         Iran*                                                          Jemen                                      Oman                                 Beziehungen, keine
                                                                                        Keine diplomatischen Beziehun-             Keine diplomatischen Beziehun-       Anerkennung Israels,
                         Der Iran war 1950 nach der Türkei der zweite mus-
                                                                                        gen, keine Anerkennung Israels             gen, Israel als Staat anerkannt.     seit einigen Jahren
                         limische Staat, der Israel anerkannte. Bis zum Sturz
                                                                                                                                   Zwischen 1996 und bis zur            Annäherung
                         des Schahs Mohammad Reza Pahlavi 1979 pflegten
                                                                                                                                   sogenannten zweiten palästi-
                         der Iran und Israel enge Beziehungen. Nach der
                                                                                                                                   nensischen Intifada 2000 gab es
                         Islamischen Revolution brach der Iran unter Ajatollah
                                                                                                                                   Handelsvertretungen im jeweils
                         Chomeini sämtliche Kontakte zu Israel ab und hob
                                                                                                                                   anderen Land.
                         die Anerkennung auf.

                                                                                                          Die Zahlen geben die aktuelle Größe der jüdischen Gemeinschaft
                                                                                                          in den jeweiligen Ländern an, soweit vorhanden. Zum Vergleich
                                                                                                          die Zahlen aus dem Jahre der Staatsgründung Israels.

                     Juden in arabischen Ländern

                     I
                       srael muss seit der Staatsgründung mit einem feindlichen Um-                       wieder ist in den Medien die Rede von einer Handvoll alter Men-
                       feld zurechtkommen. Die Anfeindungen wirkten sich auch auf                         schen, die in diesen Ländern verblieben sind. Der ägyptische Prä-
                       die jüdischen Gemeinschaften aus: Etwa 800.000 Juden aus                           sident Abdel Fattah al-Sisi sagte Ende Februar 2019, er würde Sy-
                     arabischen Ländern flohen nach Israel. Heute leben in den ara-                       nagogen und andere benötigte Einrichtungen wieder aufbauen,
Grafik: Israelnetz

                     bischen und muslimischen Ländern noch etwa 27.000 Juden. Das                         sollten Juden daran interessiert sein, wieder eine Gemeinschaft
                     schätzt der Demograph Sergio Della Pergola von der Hebräischen                       in Ägypten zu bilden. Bereits im Dezember hatte Al-Sisi angekün-
                     Universität Jerusalem. Für den Jemen, Syrien, Ägypten und den                        digt, umgerechnet mehr als 62 Millionen Euro für die Renovie-
                     Irak gibt es keine genauen Angaben zur aktuellen Lage. Immer                         rung von Synagogen bereitzustellen. | Israelnetz

                                                                                                                                                                                              9
Beziehungen im Wandel - 2 19 LUFT NACH OBEN - Israelnetz
ERFÜLLUNG DER PROPHETIE?

Straße der Hoffnung –
ein messianischer Jude
berichtet
Politische Umbrüche bedeuten auch geistliche Veränderungen: Es
bieten sich Chancen, den Glauben der Bibel in die muslimische Welt zu
tragen. Eine Kapitel beim Propheten Jesaja gibt dabei Orientierung.
Michael Kerem, aus dem Englischen übersetzt von mh

A
        uf die Vision der Straße, die in Jesaja 19 beschrieben wird,   schützen. Die Arbeit mit internationalen Hilfsorganisationen war
        sowie auf das Gericht über Ägypten wurde ich erstmals          für uns eine Gelegenheit, nicht nur den Kurden zu helfen, sondern
        von einem Freund hingewiesen. Dieser bereitete sich            auch offen unseren Glauben an den Messias zu bekunden. Viele
darauf vor, Gott in Ägypten zu dienen. Er wusste, dass ich ein         hatten noch nie von Jeschua und der Guten Nachricht gehört.
Jeschua-­gläubiger Jude bin und meine Frau türkische Armenier-           Nach dem Fall der Berliner Mauer begannen Juden aus der
in ist. Nachdem wir in der Bibel Jesaja 19 gelesen hatten, sah er      ehemaligen Sowjetunion in großen Zahlen nach Israel einzu-
mich an und sagte: „Du bist aus Israel, deine Frau ist aus dem al-     wandern. Damals wussten wir nicht, dass auch Jeschua-gläubige
ten Assyrien und ich gehe nach Ägypten – lass uns eine Straße          Juden aus vielen westlichen Nationen nach Israel einwanderten.
bauen.“                                                                Aufgrund unseres Rufes in die muslimische Welt hatten wir Is-
  Damals wusste ich noch nicht, dass diese Begegnung einen gro-        rael bisher nicht als Option für uns gesehen. Doch mit den gra-
ßen Teil unserer künftigen Arbeit in der Region prägen würde.          vierenden geistlichen Veränderungen, die in Europa und dem
Ich hatte einen Ruf zu türkisch- und kurdisch-sprechenden Mus-         Nahen Osten vor sich gingen, verstanden wir, dass Gott uns tat-
limen erhalten. Obwohl ich Jude bin, wusste ich nicht, wie Israel      sächlich nach Israel führen würde, als Ausgangspunkt für un-
in unsere Vision und Arbeit passen würde. In der antiken Stadt         seren Dienst und als Antwort auf die Verheißungen aus Jesaja
Izmir spürten wir, dass Gott unsere Herzen in den östlichen Teil       19. Als 1992 die Türkei und Israel diplomatische Beziehungen
der Türkei führte, also genau in jene Gegend, die einmal das Zen-      aufnahmen, zogen wir vom türkischen Izmir nach Israel. 1992
trum des Assyrischen Reiches gewesen war. Wir mussten noch             markierte auch den 500. Jahrestag der Vertreibung der Juden
lernen, wie Israel, Gottes Ruf an das jüdische Volk und die Vision     aus Spanien. Damals wurden sie vom türkischen Sultan aufge-
der Straße zu unserer Zukunft passen würden.                           nommen. Die Juden waren im Osmanischen Reich viel besser
  Der Golfkrieg 1991 stellt eine entscheidende Wende in der jün-       aufgehoben als in Europa. Diesen Teil der Geschichte lernte ich
geren Geschichte des Nahen Ostens dar. In der gesamten Region          vor allem, als ich mit den Juden in Istanbul lebte. Doch ich hatte
stellten sich Nationen neu auf, alte Bündnisse wurden aufgelöst        keine Ahnung, wie dieser Umstand unsere Zukunft beeinflus-
und neue geformt. Im Nordirak waren Menschen erstmals nach             sen würde.
40 Jahren offen für das Evangelium. Dort war das Zentrum der
Bemühungen um einen kurdischen Nationalstaat und 2.700 Jahre           Juden bringen Muslimen das Evangelium
Heimat für die Juden aus Kurdistan, die aus Nordisrael in das As-
syrische Reich vertrieben wurden (2. Könige 17,1–6).                   Als wir nach Israel zogen, war sich der größte Teil der messianisch-­
  Im gesamten Nordirak befanden sich an der türkischen Gren-           jüdischen Gemeinschaft nicht der Versprechen aus Jesaja 19 be-
ze Flüchtlingslager für Kurden, um diese vor Saddam Hussein zu         wusst. Viele wussten nicht, dass Gottes Berufung des jüdischen

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Magazin 2|19

                                                         „Zu der Zeit wird eine Straße                                   In Jesaja 19,23–25 bezieht Gott andere Nationen in seinen Plan für
                                                                                                                      Israel und das jüdische Volk mit ein. Die Straße aus Jesaja 19 folgte
                                                       sein von Ägypten nach Assyrien,
                                                                                                                      im Wesentlichen dem alten Pfad Abrahams. Er brach in Mesopota-
                                                        dass die Assyrer nach Ägypten                                 mien auf, reiste in das Land Kanaan, ging während der Hungersnot
                                                        und die Ägypter nach Assyrien                                 weiter nach Ägypten, bis sein Leben in Hebron endete. Abgesehen
                                                                                                                      davon, dass Abraham der Vater unseres Glaubens ist, wird er in der
                                                       kommen, und die Ägypter samt                                   Schrift mit dem Ehrentitel „Freund Gottes“ bedacht. Das Bundes-
                                                       den Assyrern werden dem Herrn                                  versprechen, das Gott an Abraham gibt, wird fast mit den gleichen
                                                        dienen. Zu der Zeit wird Israel                               Worten in Jesaja 19,24 wiederholt. Ist es vielleicht Gottes Wunsch,
                                                                                                                      seinen Bund zu bestätigen, indem er Abraham und den von ihm zu-
                                                       der Dritte sein mit Ägypten und                                rückgelegten Glaubenspfad ehrt? Versöhnte er vielleicht die Söhne
                                                        Assyrien, ein Segen mitten auf                                Hagars und Keturas mit den Nachkommen Isaaks und Jakobs, um
                                                        Erden; denn der Herr Zebaoth                                  seinen Versöhnungsplan auf der Erde zu vollenden?
                                                                                                                         Die Umwälzungen, die der „Arabische Frühling“, der syrische
                                                        wird sie segnen und sprechen:                                 Bürgerkrieg, der Aufstieg und Fall des Islamischen Staates und
                                                       Gesegnet bist du, Ägypten, mein                                der sich daraus ergebende Flüchtlingsstrom nach Europa mit sich
                                                          Volk, und du, Assur, meiner                                 gebracht haben, formen den Nahen Osten in vielerlei Hinsicht
                                                                                                                      neu. Die anschließende Verlagerung von Verbündeten in der Re-
                                                          Hände Werk, und du, Israel,                                 gion, erst mit dem Iran, der Türkei und Russland, nun mit Israel
                                                                  mein Erbe!“                                         und den sunnitisch-arabischen Staaten bewegen viele von uns zu
                                                                                                                      der Frage, ob wir Zeuge einer weiteren gravierenden geistlichen
                                                                     Jesaja 19,23–25                                  Veränderung in der Region sind. In all diesem Hin und Her sind
                                                                                                                      Muslime heute viel offener für den Glauben der Bibel und lesen
                                                                                                                      die Schriften des Neuen Testaments. Unzählige erklären ihren
                                                                                                                      Glauben an Jeschua, wie es der Nahe Osten seit der Eroberung des
                                                                                                                      Islam nicht erlebt hat.

                                                                                                                      Die Kirche im Nahen Osten verändert sich
                                                    Volkes, ein Licht für die Nationen zu sein, vielleicht bedeuten   Es bleibt das Ergebnis: Die Kirche im Nahen Osten verändert sich
                                                    könnte, die Botschaft in die muslimische Welt zu tragen.          rasant. Neue Gemeinschaften von Gläubigen bilden sich vom
                                                       In den folgenden Jahren trafen wir weitere Menschen, die von   Iran bis Ägypten, geführt von Pastoren, deren Namen Ahmad und
                                                    Gott die Vision Jesajas erhielten, eine Straße aus Versöhnung,    Muhammad sind. Klingt das neu und seltsam? Das sollte es, denn
                                                    Lobpreis und Segen zu bauen. Unsere Kontakte führten uns nach     genau das ist es, doch dies ist erst der Anfang. Diese neuen Nach-
                                                    Ägypten, in die Türkei und den Nordirak, um mit den aufkom-       folger Jeschuas wollen ihren Glauben zusammen mit jüdischen
                                                    menden Gemeinschaften der Muslime zu arbeiten, die Jeschua-­      Jeschua-Gläubigen leben und Israel besuchen, wo nicht nur Je-
                                                    gläubig geworden waren.                                           schua gelebt hat, sondern auch ihre Glaubensväter, die Propheten
                                                       Wir begannen zu verstehen, dass der moderne Nahe Osten         und die frühen Nachfolger des Messias. Tatsächlich könnten sie
                                                    ein Ergebnis des Ersten Weltkriegs ist und eine der vom Evange-   ein Teil von Gottes Plan sein, sein altehrwürdiges Volk, die Juden,
                                                    lium am wenigsten erreichten Gegenden der Welt. Gleichzeitig      zur Eifersucht zu reizen. In Römer 11,13–15 lesen wir: „Euch Hei-
                                                    war es die Heimat vieler biblischer Prophetien zu Gottes Ab-      den aber sage ich: Weil ich Apostel der Heiden bin, preise ich mei-
                                                    sicht, nicht nur das jüdische Volk wieder in seine alte Heimat    nen Dienst, ob ich vielleicht meine Stammverwandten eifersüch-
                                                    zu führen, sondern auch den Bund Abrahams zu erfüllen und         tig machen und einige von ihnen retten könnte. Denn wenn ihr
                                                    alle Nationen der Erde zu segnen. Als wir uns näher mit Jesaja    Verlust Versöhnung der Welt ist, was wird ihre Annahme anderes
                                                    19 und seinem historischen und geopolitischen Kontext in der      sein als Leben aus den Toten!“ Diese alte Straße ist nicht nur eine
                                                    Welt in dieser Zeit beschäftigten, entdeckten wir interessante    Prophetie, die darauf wartet, erfüllt zu werden, sondern bietet
                                                    Parallelen zur jüngeren Geschichte des Nahen Ostens. Abgese-      auch einen Rahmen für Evangeliumsdienst im Nahen Osten. |
Fotos: Epipheo for Highway 19 Ministries | privat

                                                    hen davon, dass Bündnisse um gemeinsame Feinde geschlossen
                                                    wurden („Der Feind meines Feindes ist mein Freund“), wurden                                    Michael Kerem ist Teil des Leitungs-
                                                    nationale Identitäten ziemlich stark mit religiösen Identitäten                                teams von „An der Kreuzung“, eine
                                                    verbunden. Politische Kräfte schufen Gesetze rund um diese                                     Allianz von Verkündigungsdiensten
                                                    starren Identitäten, die Staatslenker zu statischen Personen                                   zu Jesaja 19. Er leitet das israeli-
                                                    machten. Im Nahen Osten werden Politik und Gesetze um den                                      sche Werk „Abrahams Weg“, das
                                                    „Status quo“ herum gesponnen. Das bedeutet: Wie du geboren                                     israelische, palästinensische und
                                                    bist, wirst du bis zu deinem Tod bleiben. Das hält Menschen an                                 arabische Gläubige auf „die Straße“
                                                    ihrem Ort, hält Nationen gespalten und erlaubt Regierungen                                     senden und sie für diesen Dienst zu-
                                                    ihre Kontrolle auszuüben, während man die Angst vor den an-                                    rüsten möchte. Mehr lesen Sie auf:
                                                    deren aufrecht erhält.                                                                         www.atcmiddleeast.org

                                                                                                                                                                                        11
ISRAEL UND ARABISCHE LÄNDER

Verstohlene Annäherung
                            E
Durch die iranische              s war eine der abenteuerlichsten und auf-      kreise veranschaulicht wurde. In meinen Au-
Bedrohung gewinnen               regendsten Erfahrungen, die ich in mei-        gen war sie eine Sache, wenn nicht gar nur eine
arabische Länder einen           nem Leben machen durfte: Im November           Wunschvorstellung, die fast vollständig unter
                            vergangenen Jahres konnte ich den israelischen      dem Teppich ablief. Sie hätte sich auch genau so
neuen Blick auf Israel.
                            Minister für Verkehrswesen, Nachrichtendiens-       schnell wieder in Luft auflösen können, wie sie
Sie wollen dadurch auch     te und seit Februar dieses Jahres amtierenden       in unser Bewusstsein gekommen war.
von der Erfahrung Isra-     Außenminister, Israel Katz, in den Wüstenstaat         Doch vier Tage Oman änderten meine Sicht-
els in Sicherheitsfragen    Oman begleiten. Am Abend vor dem Abflug sag-        weise. Plötzlich fühlte ich, dass es keine über-
profitieren.                te ein guter Freund zu mir: „Arye, ich bin stolz    triebenen Darstellungen meiner Kollegen in der
Arye Sharuz Shalicar        auf dich, du schreibst Geschichte“. Und so fühl-    Regierung waren, dass Israel und die arabische
                            te es sich vom ersten Moment an, als ich als Teil   Welt tatsächlich in eine neue Phase eingetre-
                            einer achtköpfigen israelischen Delegation in       ten sind. Eine Phase, die dazu führen kann,
                            Muskat aus dem Flugzeug stieg.                      dass sich der Staat Israel und die muslimisch-­
                                                                                arabisch dominierte Region des Nahen und
                                                                                Mittleren Ostens so nahe kommen, dass wir
                                                                                über 70 Jahre Konflikt hinter uns lassen können.

                                                                                „Der Feind meines Feindes
                                                                                ist mein Freund“
                                                                                Ich will nicht zu euphorisch und ganz bestimmt
                                                                                nicht naiv klingen. Mir ist klar, dass es sich hier-
                                                                                bei nicht um eine „Liebesbeziehung“ handelt.
                                                                                Es entwickelt sich vielmehr eine Interessenge-
                                                                                meinschaft zwischen dem jüdischen Staat und
                                                                                den sunnitisch-arabischen Staaten der Golfre-
                                                                                gion. Dabei stehen wir alle einem gemeinsamen
                                                                                Feind gegenüber: dem persisch-schiitischen
                                                                                Ajatollah-Regime in Teheran. Es scheint ganz
                                                                                so, als ob das Sprichwort „Der Feind meines
                                                                                Feindes ist mein Freund“ in diesem Fall den Na-
                                                                                gel auf den Kopf trifft. Denn so wie Israel eine
                                                                                existenzielle Bedrohung in Bezug auf die Ma-
                                                                                chenschaften des Iran wahrnimmt, so tun dies
                                                                                auch die arabischen Staaten: Unter anderen se-
                                                                                hen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen
                                                                                Emirate und Bahrain die radikale Expansionspo-
                                                                                litik der schiitisch-islamischen Republik nicht
                                                                                nur als eine existenzielle Gefahr für ihre eigene
                                                                                Herrschaft, sondern auch für die Vormachtstel-
                                                                                lung der sunnitischen Ausrichtung des Islam
                                                                                über die muslimische Weltgemeinschaft.
                                                                                   Es geht um sehr viel mehr, als manchem Be-
Arye Sharuz Shalicar (l.)                                                       obachter in Europa bewusst ist. In Worten ist
und Geheimdienstminister                                                        kaum zu beschreiben, wie dramatisch sich die
Israel Katz im Oman         Bis zu jenem Zeitpunkt war die sogenannte „An-      Realität bestimmter Länder der Region auf ei-
                            näherung“ zwischen Israel und der arabischen        nen Schlag verändern würde, wenn sie nicht
                            Welt für mich eine eher theoretische, sporadi-      jetzt und sofort alle Verteidigungsmaßnahmen
                            sche und nicht ganz stabile Angelegenheit. Eine,    ergriffen, um sich vor einem durch den Iran
                            die durch Teile der Medienlandschaft eventuell      initiierten zukünftigen Umsturz im eigenen
                                                                                                                                       Foto: privat

                            übertrieben und größtenteils vom Hören-Sagen        Haus zu wappnen. Ein Blick in die Geschichte
                            durch bestimmte Sicherheits- und Wirtschafts-       der Konflikte seit der Entstehung des Islam vor

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Magazin 2|19

etwa 1.400 Jahren lässt keinen Zweifel daran        Agenden der arabischen Staaten stehen sollte,          Jüngste Annäherungen -
übrig, dass das letzte Wort noch nicht gespro-      sondern die iranische Bedrohung.                       ein Auszug
chen ist: Da gibt es zunächst eine nach wie vor       Israel ist seit dem ersten Tag der Staatsgrün-       November 2017 Eine nicht-
heftige und blutige Rivalität zwischen Arabern,     dung (und davor) in einer Situation des Dauer-         politische Delegation aus
Persern, Türken und Kurden einerseits sowie         konfliktes, mal gegen mehrere Armeen gleich-           Bahrain besucht Israel
Sunniten und Schiiten andererseits. Es genügt       zeitig, mal gegen eine Terror-Organisation im          April 2018 Saudi-Arabiens
ein Blick nach Syrien, wo mehr als 500.000          Libanon oder Gaza, mal konfrontiert mit einer          Kronprinz Mohammed Bin
Muslime durch andere Muslime ermordet wur-          Welle von Selbstmordanschlägen. Doch das               Salman erkennt Israels Exis-
den. Rund zwölf Millionen Menschen wurden           Land hat sich im Laufe der Zeit zu einem Zen-          tenzrecht an
wegen des in erster Linie internen muslimi-         trum für Innovation der Sicherheitsindustrie           Oktober 2018 Israels Premier
schen Machtkampfes um Syrien entwurzelt.            entwickelt. Dies ist einfach zu erklären: Wer          Netanjahu ist auf Staatsbe-
Auch ein Blick in den Jemen, dem kaum be-           ständig unter Bedrohung steht und Angst um             such im Oman
achteten Hinterhof der Arabischen Halbinsel,        seine Existenz hat, entwickelt Fähigkeiten und         Oktober 2018 In den Verei-
veranschaulicht deutlich, dass Krieg herrscht       Know-How, insbesondere im Bereich der Vertei-          nigten Arabischen Emiraten
zwischen Muslimen – zwischen Persern, Ara-          digung, aber auch des Angriffes. Die Golfstaaten       erklingt anlässlich eines Judo-
bern, Türken und Kurden, zwischen Sunniten          haben diese Wehrhaftigkeit des kleinen jüdi-           wettbewerbs erstmals offiziell
und Schiiten.                                       schen Staates zur Kenntnis genommen und so             die israelische Nationalhym-
   Die regionale Entfaltung des schiitischen        führt das eine zum anderen.                            ne. Israels Kulturministerin
Iran tritt immer aggressiver zum Vorschein:                                                                Miri Regev ist zu Gast.
durch seine Islamischen Revolutionsgarden,          Kalkulierte Win-win-Situation                          November 2018 Israels
seine Al-Quds-Brigaden, durch schiitische Mi-                                                              Verkehrs- und Geheimdienst­
lizen und Söldner, durch die Hisbollah im Li-       Mittlerweile tritt immer öfter ans Licht, dass         minister Israel Katz besucht
banon und durch die Huthis im Jemen. Zudem          sowohl israelische Sport- als auch Politikerdele-      den Oman, der omanische
unterstützt Teheran auch sunnitische Terror-­       gationen in den Golfstaaten sowie arabische            Außenminister plädiert für
Organisationen wie die Taliban, Al-Qaida, die       Delegationen in Jerusalem und Tel Aviv zu Be-          normale Beziehungen zu Israel
Hamas und den palästinensischen Islamischen         such sind. Der Sicherheitsaspekt hat auch sehr         Februar 2019 Vertreter aus
Dschihad im Gazastreifen. Es wurde etwas in         viel mit wirtschaftlicher Kooperation zu tun           Israel und arabischen Staa-
Bewegung gesetzt, das bis vor wenigen Jahren        und ist eine ganz klare Win-win-Situation, für         ten treffen sich in Warschau
unvorstellbar schien.                               Israel, und auch für die Golfstaaten. Jetzt gilt es,   zu einer Nahost-Konferenz,
   Der Hauptgrund für die Annäherung zwi-           geduldig abzuwarten, ob der noch größtenteils          Bahrain spricht sich für eine
schen den Golfstaaten und Israel ist somit ganz     verdeckte Kontakt langsam immer offener statt-         Normalisierung der Beziehun-
klar der Iran, der sowohl eine nukleare und bal-    finden wird. Vielleicht führt er sogar dazu, dass      gen zu Israel aus
listische Bedrohung als auch eine Terrorbedro-      offizielle Gesandte benannt werden.                    März 2019 Der Außenminister
hung von außen und von innen darstellt. Israel         Während unseres Aufenthaltes im Oman wur-           der Vereinigten Arabischen
ist höchstwahrscheinlich der einzige Staat in der   den wir rund um die Uhr von omanischen Si-             Emirate Anwar Gargasch
Region, der in der Lage ist, dem Iran militärisch   cherheitsmännern beschützt. Es ist nun einmal          plädiert für Beziehungen mit
auf Augenhöhe zu begegnen und der sich zu           nicht alltäglich, dass Vertreter des Staates Israel    Israel
verteidigen weiß. Die Golfstaaten hingegen sind     dort unterwegs sind und es war mir somit kein
weiterhin schlecht ausgerüstet beziehungswei-       Dorn im Auge. Jedoch wünschte ich, dass dies
se schlecht vorbereitet auf einen Krieg mit dem     nicht nötig wäre und wir uns gegenseitig besu-
um einiges mächtigeren Iran. Es ist unter ande-     chen könnten, ohne Sorge vor Angriffen von ra-
ren den Amerikanern zu verdanken, dass sich         dikalisierten Fanatikern haben zu müssen.
der Iran den Golfstaaten gegenüber noch relativ        Doch an einem Abend, an dem ich mit drei
zurückhält und eine direkte Konfrontation mei-      Kollegen von einem Sicherheitsmann durch
det. Dies heißt jedoch nicht, dass er nicht seine   Muskat gefahren wurde, bat ich den Fahrer, bei
Stellvertreter unter anderem in Syrien, im Liba-    McDonald‘s anzuhalten. Zu meinem Erstaunen
non, im Irak, dem Gazastreifen, in Afghanistan      tat er das und so saßen wir vier Israelis kurze
und im Jemen einsetzt, um diese Länder und          Zeit darauf um einen Tisch, mitten im Restau-
Gebiete intern zu schwächen und letztendlich        rant. Wir aßen und tranken und sprachen laut           Arye Sharuz Shalicar ist ein
dem schiitischen Machtbereich unterzuordnen.        auf Hebräisch. Es gab teils verstörte Blicke, teil-    deutsch-iranisch-israeli-
Es kommt nicht von ungefähr, dass allein Saudi-­    weise lächelte man uns an. Wir wussten nicht,          scher Publizist. Der in Berlin
Arabien zwischen den Jahren 2014 und 2018           ob irgendjemand uns als Israelis einordnen             aufgewachsene ehemalige
zum Importeur Nummer 1 moderner Waffen              konnte, deshalb fällt es mir schwer, die Situation     Sprecher der israelischen
aus den USA, aus England, der Schweiz, Schwe-       konkret einzuschätzen. Jedoch berührte mich            Armee ist Abteilungsleiter für
den und Kanada aufgestiegen ist. Mittlerweile       diese eine Stunde im McDonald‘s am meisten an          Auswärtige Angelegenheiten
haben alle „Spieler“ verstanden, dass nicht Is-     unserem Besuch im Oman, denn er hatte etwas            im Nachrichtendienstministe-
rael das Problem der Region ist und dass nicht      von Freundschaft, von Gleichheit, von Vernunft,        rium im Büro des israelischen
„die palästinensische Sache“ an erster Stelle der   von Freiheit. Ja, und von Frieden. |                   Premierministers.

                                                                                                                                       13
ZEITZEUGEN ERINNERN SICH

                                    „Als Sadat kam,
                                    waren die Straßen voll“
                                    Zwischen Kairo, Jerusalem                          Ägypten hat, ist eine gute Errungenschaft und
                                    und Teheran                                        definitiv besser als Krieg.
                                    Charles Weiss
                                                                                       Plötzlich war der Frieden so nah

                                    A
                                           ls Reporter der Tageszeitung „Jerusalem     Sara Pragier
                                           Post“ wurde ich 1964 zur Eröffnung einer

                                                                                       D
                                           neuen Fluglinie zwischen Israel und Dä-            er Jom-Kippur-Krieg 1973 war ein großer
                                    nemark eingeladen. Dort traf ich auf Dan, einen           Schock für das ganze Land gewesen. Da-
                                    jüdischen Dänen, der mir vorschlug, spontan mit           mals war ich noch keine Reiseleiterin,
                                    ihm nach Ägypten zu fahren. In der Botschaft       aber zwischen 1967 und 1973 war ich öfter mit
Charles Weiss ist 1948 zum          von Kopenhagen besorgte ich mir einen Pass und     Freunden auf der Sinai-Halbinsel. Nach dem
ersten Mal nach Israel ge-          nahm alle Zeichen von mir, die mich als Israeli    Sechs-Tage-Krieg war nicht klar, ob die Ägyp-
kommen, wo er heiratete und         auswiesen – so fuhren wir gemeinsam nach           ter nochmal angreifen würden. Später, ich war
seine Kinder großzog. Offiziell     Ägypten. Das war ein Abenteuer: In einer Woche     schon Reiseleiterin, war ein Teil des Sinai immer
nach Israel eingewandert ist        besuchten wir Luxor, Alexandria und in Kairo am    noch in unseren Händen. Es war eine schöne
er erst 2018, im Alter von 90       Schabbat einen Synagogengottesdienst. Von den      Zeit: Wir schliefen am Strand, gingen morgens
Jahren.                             etwa 20 Besuchern konnte einer sogar Hebräisch,    schnorcheln und trafen viele junge Israelis. Nach
                                    er ließ Grüße an seinen Bruder in Petach Tikva     dem Jom-Kippur-Krieg gab Israel Teile der Halb-
                                    ausrichten. Damals war an einen Friedensver-       insel zurück: erst das Gebiet mit dem Öl, danach
                                    trag mit Israel nicht zu denken. Die Zustände in   den Strand, danach die Hotels in Taba. Als Anwar
                                    Ägypten waren allgemein schrecklich, ich habe      as-Sadat dann 1977 nach Jerusalem kam, waren
                                    nirgendwo so viel Armut gesehen. Sadats Besuch     die Straßen in Jerusalem voll. Das King-David-­
                                    in Jerusalem, 13 Jahre später, war überwältigend   Hotel war damals DAS Hotel, und natürlich
                                    – nur vier Jahre nach diesem schrecklichen Krieg   war er dort untergebracht. Ich besuchte meine
                                    von 1973 – das schien unmöglich!                   Freundin, die in der Keren-Ha­Yesod-Straße, also
                                       Inzwischen arbeitete ich als Korrespondent      direkt nebenan, wohnte. Ob ich das Auto von
                                    für die „Voice of America“, den staatlichen        Sadat mit der Kolonne mit eigenen Augen gese-
                                    Auslandssender der USA, der Nachrichten-,          hen habe oder in den Nachrichten im Kino, weiß
                                    Informations- und Kultursendungen produ-           ich heute nicht mehr. Die Euphorie der Straße
                                    ziert. Im September 1978 schickten sie mich        habe ich aber ganz sicher erlebt. Wir haben uns
                                    nach Teheran. Es war das erste Mal, dass ich       alle so gefreut, der Besuch war ein Zeichen des
                                    eine echte Revolution erlebte. Man muss sich       guten Willens und der Frieden war plötzlich so
                                    das mal vorstellen: Das Volk steht gegen den       nah. Im Kino sahen wir auch das Abendessen mit
                                    Schah, also die Regierung, auf und ist auch        Golda Meir und Sadat, es wirkte so natürlich und
                                    noch erfolgreich! Die Armee stand zum großen       gemütlich, dass es kommentiert wurde: „Ein Ge-
                                    Teil loyal hinter dem Schah, sie schlugen die      spräch von Oma zu Opa“.
                                    Proteste brutal nieder. Chomeini sandte perma-        Als es dann 1979 endlich Frieden gab, fuhren
                                    nent Kassetten aus Paris, in denen er vom „gro-    so viele Israelis nach Ägypten, dass die Ägypter
                                    ßen Satan USA“ und dem „kleinen Satan Israel“      nicht glauben wollten, dass Israel nur gute drei-
                                    sprach. Und mittendrin war ich, ein amerikani-     einhalb Millionen Einwohner hatte. So ist das
Sara Pragier ist 1944 in Uru-       scher Reporter, und – o weh! – auch noch ein       bis heute im Sinai. Ich bin damals nicht nach
guay geboren und wuchs in           Jude. Wirkliche Anfeindungen habe ich aber in      Ägypten gefahren, weil ich dachte, so ein nahes
Argentinien auf. 1961 machte        der Zeit nicht erlebt, dafür aber sehr viel Neu-   Ziel könnte ich noch mein ganzes Leben lang be-
sie Alija nach Israel, wo sie Ar-   gier. Die Leute wollten wissen, wie das Leben in   suchen. Leider begannen dann später die Angrif-
chitektur studierte und später      Amerika und Israel wirklich ist. Ich berichtete    fe auf Touristen aus aller Welt, sodass wir nicht
Reiseleiterin wurde.                damals über das Verfassungsreferendum, die         mehr fahren konnten. Und dann sahen wir 1981
                                    Flucht des Schah. Im April 1979 musste ich dann    in den Nachrichten, wie Sadat erschossen wor-
                                    aber gehen, da wurde es für mich zu gefährlich.    den war. Danach kam Mubarak und keiner wuss-
                                       Der Friedensvertrag, den Israel heute mit       te, was aus dem Friedensvertrag werden würde.

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