Phytotherapeutische Optionen bei Harnwegsinfekten - SMGP
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Zertifikatsarbeit zur Erlangung des Fähigkeitsausweises Phytotherapie SMGP Phytotherapeutische Optionen bei Harnwegsinfekten – Evidenz häufig eingesetzter Arzneipflanzen – gut dokumentierte pflanzliche Urologika bei HWI – eine Alternative im Zeitalter der Antibiotikaresistenzen vorgelegt von: Dorothea Staub-Helg Eidg. dipl. Apothekerin Ricketwilerstrasse 15 8405 Winterthur Mentorin: Dr. sc. nat. Beatrix Falch Winterthur, den 21. Januar 2021
Inhalt 1. ZUSAMMENFASSUNG.......................................................................................1 2. FRAGESTELLUNG UND ZIELSETZUNG......................................................2 3. EINLEITUNG.......................................................................................................3 4. METHODEN, VORGEHENSWEISE.................................................................6 5. RESULTATE / BEURTEILUNG DER PFLANZEN.........................................7 5.1. ISOTHIOCYANATE (SENFÖLE) ENTHALTENDE PFLANZEN DER FAMILIEN CRUCIFERAE/BRASSICACEAE UND TROPAEOLACEAE............................................................................................................7 5.1.1. Einleitung.............................................................................................................7 5.1.2. Nomenklatur.........................................................................................................8 5.1.3. Inhaltsstoffe..........................................................................................................8 5.1.4. Wirkmechanismus, Pharmakologie.......................................................................9 5.1.5. Traditionelle Anwendung...................................................................................12 5.1.6. Klinische Datenlage...........................................................................................12 5.1.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen............................................................14 5.2. SOLIDAGO VIRGAUREA / ECHTE GOLDRUTE............................................................................15 5.2.1. Nomenklatur.......................................................................................................15 5.2.2. Inhaltsstoffe........................................................................................................16 5.2.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie.....................................................................16 5.2.4. Pharmakokinetik, Toxizität.................................................................................18 5.2.5. Traditionelle Anwendung...................................................................................18 5.2.6. Klinische Datenlage...........................................................................................18 5.2.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen............................................................19 5.3. ARCTOSTAPHYLOS UVA-URSI / BÄRENTRAUBE..........................................................................20 5.3.1. Nomenklatur.......................................................................................................20 5.3.2. Inhaltsstoffe........................................................................................................21 5.3.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie.....................................................................21 5.3.4. Pharmakokinetik, Toxizität.................................................................................23 5.3.5. Traditionelle Anwendung...................................................................................24 5.3.6. Klinische Datenlage...........................................................................................24 5.3.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen............................................................26 5.4. JUNIPERUS COMMUNIS / WACHOLDER...................................................................................27 5.4.1. Nomenklatur.......................................................................................................27 5.4.2. Inhaltsstoffe........................................................................................................28 5.4.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie.....................................................................28 5.4.4. Traditionelle Anwendung...................................................................................29 5.4.5. Klinische Datenlage...........................................................................................30 5.4.6. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen............................................................30 5.5. VACCINIUM MACROCARPON / CRANBERRY UND VACCINIUM VITIS-IDAEA L. / PREISELBEERE.............31 5.5.1. Nomenklatur.......................................................................................................31 5.5.2. Inhaltsstoffe........................................................................................................32 5.5.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie.....................................................................32 5.5.4. Traditionelle Anwendung...................................................................................33 5.5.5. Klinische Datenlage...........................................................................................33 5.5.6. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen............................................................35 5.6. ÜBERSICHT ÜBER DEN EVIDENZLEVEL / EMPFEHLUNGSGRAD....................................................35 6. FAZIT / AUSBLICK / DISKUSSION...............................................................36 ii
7. LITERATURVERZEICHNIS............................................................................42 8. ANHANG.............................................................................................................48 iii
Zusammenfassung 1. Zusammenfassung Unkomplizierte Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen und damit zu den Spitzenreitern bezüglich der Verschreibung von Antibiotika, was den Selektionsdruck auf die Bakterien erhöht. Die schnell steigenden Raten an antibiotikaresistenten Keimen sind alarmierend, auch im ambulanten Bereich. In dieser Arbeit wurden Arzneipflanzen, welche häufig und auch traditionell breit abgestützt zur Prophylaxe und Therapie von Zystitiden eingesetzt werden, auf ihre pharmakologische und klinische Datenlage untersucht und nach Evidenzlevel beurteilt. Mit klinischen Studien gut dokumentiert ist die Kombination der beiden isothiocyanathaltigen Pflanzen Tropaeolum majus (Kapuzinerkresse) und Armoracia rusticana (Meerrettich) in der Prophylaxe und Therapie von Infekten der Harn- und Atemwege, signifikante Wirkung konnte insbesondere zur Prophylaxe nachgewiesen werden. Solidago virgaurea (Echte Goldrute) hat sich durch die Kombination von diuretischen, antiphlogistischen und immunmodulatorischen Wirkprinzipien als Ergänzung zu rein antiseptisch wirkenden Pflanzen traditionell bewährt. Zur in vitro nachgewiesenen antibakteriellen Wirkung von Arctostaphylos uva-ursi (Bärentraube) können neben dem Arbutin auch die zahlreichen Tannine beitragen. Klinisch kann die Wirkung nur zur Prophylaxe als erhärtet bezeichnet werden. Die in vitro bestens belegte antibakterielle Wirkung von ätherischen Ölen konnte am Beispiel des traditionell bei Harnwegsinfekten angewandten Juniperi aetheroleum (Wacholderöl) nicht mit klinischen Studien belegt werden. Andere ätherische Öle, wie beispielsweise dasjenige des Oregano, scheinen besser dokumentiert, auch in Kombination mit Antibiotika. Die proanthocyanidinhaltigen Früchte der nordamerikanischen Vaccinium macrocarpon (Cranberry) und der europäischen Vaccinium vitis-idaea (Preiselbeere) können begrenzt zur Prophylaxe empfohlen werden. Es hat sich gezeigt, dass bei ausreichender Dosierung der pflanzlichen Vielstoffgemische nicht nur eine gute antibakterielle, sondern auch eine die Virulenzfaktoren und die Biofilmbildung der Bakterien beeinträchtigende Wirkung erwartet werden kann, was sich auch in Kombination mit Antibiotika in einer besseren Eradikation der pathogenen Bakterien äussert. 1
Fragestellung und Zielsetzung 2. Fragestellung und Zielsetzung Mit der Indikation „Infekte der ableitenden Harnwege“ steht eine lange Liste von Arzneipflanzen im Einsatz. Im Rahmen dieser Arbeit werden Arzneipflanzen ausgewählt und insbesondere bezüglich ihrer klinischen Evidenz verglichen. Die Auswahl der Arzneipflanzen kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Für die vorliegende Arbeit wurden in der Praxis häufig verwendete Arzneipflanzen ausgewählt, weil man davon ausgehen kann, dass sie entweder traditionell breit abgestützt sind oder über eine mehr oder weniger gute klinische Datenlage verfügen. Basierend auf dem Wissen und der Erfahrung, dass sowohl die alleinige Gabe eines antiphlogistisch wirksamen Analgetikums eine positive Wirkung zeigt, als auch ergänzend zu Antibiotika einen zusätzlichen Nutzen bringt, wurden bewusst Arzneipflanzen mit verschiedenen pharmakologischen Schwerpunkten in die Untersuchung einbezogen. So lautet die Fragestellung dieser Arbeit: Welche Arzneipflanzen können aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage und damit des Evidenzlevels alleine oder in Kombination zur Prophylaxe und Therapie bei unkomplizierten Infekten der unteren Harnwege eingesetzt werden? 2
Einleitung 3. Einleitung Antibiotikaresistenzen gelten heute als eine der grössten Herausforderungen und Bedrohungen im Gesundheitswesen (WHO 2015). Antibiotika gehören zu den meistverschriebenen Medikamenten. Oft werden Antibiotika, teilweise auch auf Druck der Patienten1, ohne strenge Indikationsstellung, mit zu breitem Spektrum oder mit zu langer Therapiedauer eingesetzt. Resistenzentwicklungen sind grundsätzlich ein natürliches Phänomen auf Grund von zufälligen Mutationen, auch unter den unseren Darm bevölkernden E. coli-Keimen (Schwenke 2018). Allerdings übt der Einsatz von Antibiotika einen starken Selektionsdruck auf die Vermehrung dieser Keime aus. Je länger die Antibiotikatherapie dauert, desto länger hält dieser Selektionsdruck in Richtung Resistenzentwicklung an. Antibiotika sollten, entgegen früherer Empfehlungen, also nicht länger als nötig gegeben werden (Llewelyn 2017). Die weltweite Antibiotikaresistenzsituation verschlechtert sich Jahr für Jahr, auch regional eng korrelierend mit übermässigem Antibiotikaeinsatz in der Humanmedizin und Tiermast (Schwenke 2018). Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt seit 2014 vor einer post-antibiotischen Ära als realistischem Szenario im 21. Jahrhundert. In ihrem globalen Aktionsplan gegen Antibiotikaresistenzen appelliert sie für die Förderung des Bewusstseins und der Forschung zum Thema Resistenzbildung, die Prävention von Infektionen, sowie für den optimierten Einsatz von Antibiotika in der Veterinär- und Humanmedizin (WHO 2015). Durch den weltweiten übermässigen Einsatz von Antibiotika in der Tiermast gelangen resistente Keime in die Nahrungskette. Ebenso tragen Reisende in Gebiete mit hohen Resistenzraten (z.B. Balkan, Türkei, Indien) bei ihrer Rückkehr oft multiresistente E. coli-Bakterien im Darm, welche oft monatelang im Darm persistieren (Schwenke 2018). Im Raum Zürich waren im Jahre 2010 28 % der häufigsten Harnwegsinfektions- Erreger (E. coli) gegen Cotrimoxazol und 16 % gegen Quinolone, wie Ciprofloxacin oder Norfloxacin, resistent. Am Universitätsspital Zürich erwiesen sich 2010 sogar 30 % als resistent gegen Quinolone. 2004 waren es schweizweit erst 10 %. Die Resistenzbildung betrifft nicht nur die Spitäler. Die Zunahme von sogenannten Extended Spectrum Beta-Lactamasen (ESBL)-bildenden Keimen ist in den letzten zehn Jahren im ambulanten Bereich ähnlich stark angestiegen wie in den Spitälern. So 1 Zur Verbesserung der Lesbarkeit wurde auf die weibliche Form verzichtet. 3
Einleitung sind heute ca. 10 % aller untersuchten E. coli ESBL-bildend, 2004 waren es erst knapp 1 % (Savaria 2012). Antibiotikatherapien schädigen unsere Normalflora und erleichtern so die Kolonisation mit resistenten Keimen, wodurch möglicherweise das Rezidivrisiko erhöht wird (Schwenke 2018). Neben der Prävention steht die Suche nach alternativen antimikrobiellen Substanzen im Fokus. Angestrebt werden ebenso wirksame Prinzipien ohne das Risiko, Resistenzbildung zu induzieren. Das Konzept der Antivirulenz-Behandlung zielt auf die wichtigsten Virulenzfaktoren der pathogenen Keime. Dabei sollen stark abgeschwächte Bakterien zurückbleiben, welchen das Immunsystem gewachsen ist (Marcon 2019). Zu den Virulenzfaktoren wird auch die sogenannte Internalisierung der Bakterien, d.h. Adhäsion und anschliessendes Eindringen ins Zellinnere, gezählt. Diese Internalisierung erlaubt den Bakterien möglicherweise, eine Antibiotikatherapie zu überdauern und Rezidive auszulösen (Kropidlowski 2015). Harnwegsinfekte gehören ambulant und im Spital zu den häufigsten Infekten (Foxman 2002), entsprechend gehören sie zu den Spitzenreitern bezüglich Antibiotikaverordnungen. Die Deutschen S3-Leitlinien zu Harnwegsinfekten (Wagenlehner 2017) widmen sich der Prävention, Diagnose und der evidenzbasierten Therapie von unkomplizierten, bakteriellen, ambulant erworbenenen Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen. Hauptziel dabei ist, die klinischen Symptome rascher zum Abklingen zu bringen. Gemäss diesen Leitlinien kann bei Patientinnen mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden die alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Bei der Prophylaxe steht als erste Empfehlung die Beratung zur Vermeidung von Risikoverhalten. Gemäss S3- Leitlinien soll eine Immuntherapie über drei Monate angewendet werden, empfohlen werden können auch Mannose oder Phytotherapeutika wie Bärentraubenblätter (maximal für einen Monat), Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel (Wagenlehner 2017). Aus der Sicht, dass der Therapiefokus nicht nur auf den Erreger gelegt werden soll, sondern auf die Entzündungsreaktion des Körpers, ist die randomisierte, kontrollierte Studie von Interesse, welche Fosfomycin (3 g einmalig) gegen Ibuprofen (3 × 400 mg, 3 d) bei unkomplizierten Harnwegsentzündungen bei Frauen verglich. Zwei Drittel der Frauen erholten sich unter Ibuprofen ohne Antibiotikagabe, die Symptome dauerten 4
Einleitung länger. Es entwickelten aber mehr Frauen eine Pyelonephritis als in der Fosfomycin - Gruppe (Gágyor, 2015). Im Rahmen dieser Arbeit soll der Stellenwert von Phytotherapeutika in Prophylaxe und Therapie evaluiert werden. 5
Methoden, Vorgehensweise 4. Methoden, Vorgehensweise Für die vorliegende Arbeit wurden in der Praxis häufig verwendete Arzneipflanzen ausgewählt, weil man davon ausgehen kann, dass sie entweder traditionell breit abgestützt sind oder über eine mehr oder weniger gute klinische Datenlage verfügen. Der Evidenzlevel der klinischen Wirksamkeit wurde nach den RCOG-Guidelines beurteilt (s. Schema). 6
Resultate / Beurteilung der Pflanzen 5. Resultate / Beurteilung der Pflanzen 5.1. Isothiocyanate (Senföle) enthaltende Pflanzen der Familien Cruciferae/Brassicaceae und Tropaeolaceae 5.1.1. Einleitung In den intakten Pflanzen der Familien Cruciferae/Brassicaceae (Kreuzblütler) und Tropaeolaceae (Kapuzinerkressengewächse) finden wir in separaten Kompartimenten einerseits die inaktiven Vorstufen der Senföle, die Glucosinolate, andererseits das Enzym Myrosinase, das zur enzymatischen Spaltung der Glucosinolate in die aktiven und als aggressiv empfundenen Isothiocyanate (Senföle) notwendig ist. Wird das pflanzliche Gewebe durch einen Schädling oder durch Mikroorganismen zerstört, werden die Glucosinulate hydrolisiert und die aktiven Isothiocyanate freigesetzt, welche Schädlinge abwehren, Pilze und Bakterien abtöten sollen. Sie dienen der Pflanze sozusagen als Frassschutz (Kropidlowski 2015). Die Isothiocyanate werden im Dünndarm rasch resorbiert und nach Bindung an Glutathion über die Nieren als Merkapturonsäure ausgeschieden (Fintelmann 2017). Zumindest teilweise wurde eine Rückverstoffwechselung zu den freien Isothiocyanaten beschrieben (Márton 2013). Wir kennen die flüchtigen Senföle mit ihrem stechenden Geruch und beissenden Geschmack aus der Nahrung von verschiedenen Kohlarten, Senfkörnern, Meerrettich und Kapuzinerkresse. Die antiinfektiöse Wirkung der Isothiocyanate wurde schon in den 1950er-Jahren untersucht. In Fertigpräparaten erhältlich ist die Kombination des Krautes von Tropaeolum majus (Grosse Kapuzinerkresse) und der Wurzel von Armoracia rusticana (Meerrettich), weshalb die Mehrzahl der klinischen Daten sich auf diese Kombination (Angocin®-Tabletten) bezieht. Exemplarisch für die Isothiocyanate enthaltenden Pflanzen wird in der Folge Tropaeolum majus genauer betrachtet, im Wissen, dass sich die Profile an Senfölderivaten unterscheiden. Leider wurde bis anhin weder zu Meerrettich noch zu Kapuzinerkresse eine HMPC- oder eine ESCOP-Monographie erarbeitet, wohl mangels Monopräparat und entsprechenden Einzelstudien. 7
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Abbildung 1: Tropaeolum majus / Grosse Kapuzinerkresse (Foto: Beat Baumgartner, Herborama GmbH) 5.1.2. Nomenklatur Lateinischer Name: Tropaeolum majus L. Deutscher Name: Grosse Kapuzinerkresse Volkstümliche Namen: Blumenkresse, Jelängerjelieber Pflanzenfamilie: Tropaeolaceae Verwendete Pflanzenteile: Blühendes Kraut Geschmack: leicht scharf Zubereitungen: Tinkturen, Urtinkturen, Trockenpulver Standardisierung: - Monographien: Positiv-Monographie der Kommssion E HMPC-Monographie: keine Pharmakopoe-Monographie: keine WHO-Monographie: keine 5.1.3. Inhaltsstoffe Glucosinulate (Glucotropaeolin ca. 0.1 %, Vorstufe des Benzylisothiocyanates) Carotinoide, Anthocyanidine v.a. Blüten 8
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Polyphenole, Chlorogensäure, Flavonoide (Isoquercetin) Ascorbinsäure (frische Blätter bis 320 mg / 100 g) (Bäumler 2007, Schilcher 2016) 5.1.4. Wirkmechanismus, Pharmakologie Isothiocyanate sind die am häufigsten vorkommenden Produkte der Hydrolyse. Sie zeigen im Gegensatz zu den inaktiven Glucosinulaten eine signifikante antimikrobielle Aktivität gegen grampositive und gramnegative Bakterien aus dem menschlichen Darm (Aires 2009). Bereits in den 1950er-Jahren konnte in vitro insbesondere für die flüchtigen Inhaltsstoffe von Tropaeoli majori herba eine breite antibakterielle Wirkung im grampositiven und gramnegativen Spektrum gezeigt werden. Diese lag teilweise über der Wirkung des isolierten Benzylsenföls. Nachgewiesen werden konnte auch, dass nach Verzehr des Salates von Kapuzinerkresse etwa 40 % der antibakteriellen Aktivität im Urin wieder zu finden war (Winter 1954, Halbeisen 1954). Aus Armoraciae rusticanae radix ist für das Allylsenföl eine gute Wirksamkeit im grampositiven Spektrum beschrieben, 2-Phenylethylsenföl soll das Spektrum im gramnegativen Bereich erweitern (Conrad 2006). Mittels einer in vitro-Untersuchung wurde die Empfindlichkeit von 13 klinisch relevanten Bakterienspezies gegenüber den gasförmigen Inhaltsstoffen (flüchtige Senföle) einer Mischung von Tropaeolum majus und Armoracia rusticana geprüft. Die früheren positiven Ergebnisse konnten bestätigt werden. Am Beispiel von Pseudomonas aeruginosa konnte gezeigt werden, dass die Kombination beider Pflanzen Vorteile bietet gegenüber den Einzelpflanzen. Auch ein Methicillin- resistenter S. aureus und E. coli zeigten sich besonders empfindlich. Insbesondere initial konnte eine ausgeprägte Wachstumshemmung beobachtet werden, nach 92 Stunden war die Elimination nur begrenzt. Die Autoren der Studie mutmassen, dass das Immunsystem die initial geschwächten Erreger anschliessend besser zu bekämpfen vermag, die repetitive Einnahme möglicherweise ebenfalls zu einer vollständigen Elimination der Erreger führen könnte (Conrad 2006). Die isolierten Isothiocyanate Benzylsenföl, Allylsenföl und 2-Phenylethylsenföl wurden in einem dem zugelassenen Produkt Angocin® entsprechenden Mischungsverhältnis in vitro gegen klinisch relevante und teilweise antibiotikaresistente grampositive und gramnegative Bakterien sowie Candida spp. 9
Resultate / Beurteilung der Pflanzen geprüft. Die minimale Hemmkonzentration und die minimale bakterizide Konzentration wurden bestimmt. Es bestätigte sich, dass die Isothiocyanate verantwortlich sind für die bereits früh beschriebene breite antimikrobielle Wirkung von Kapuzinerkresse und Meerrettich. Interessanterweise zeigten sich antibiotikaempfindliche und multiresistente Keime derselben Spezies als vergleichbar empfindlich gegenüber den Isothiocyanaten (Conrad 2013). Pseudomonas aeruginosa gilt als gefürchteter Keim wegen seiner Biofilmaktivität und Multiresistenzen insbesondere bei nosokomialen Infekten. Isolate von biofilmbildenden Pseudomonas aeruginosa-Stämmen wurden mit den einzelnen Isothiocyanaten Benzylsenföl, Allylsenföl und 2-Phenylethylsenföl und ihrer Mischung geprüft bezüglich ihrer Aktivität gegen die Proliferation planktonischer (freischwimmender) Bakterien, Biofilmbildung, metabolische Aktivität eines reifen Biofilmes und Synergismus mit einem Antibiotikum (Meropenem). Alle eingesetzten Isothiocyanate zeigten eine antimikrobielle Wirkung gegen Pseudomonas aeruginosa und vermochten die metabolische Aktivität des reifen Biofilmes signifikant zu reduzieren. Sowohl die Senfölmischung als auch 2-Phenylethylsenföl vermochten in Konzentrationen unter der minimalen Hemmkonzentration die Biofilmbildung signifikant zu inhibieren. In Kombination mit dem Antibiotikum Meropenem konnte eine synergistische Wirkung gegen die biofilmbildenden Pseudomonas aeruginosa- Stämme nachgewiesen werden (Kaiser 2017). Bereits in einer früheren Studie konnte gezeigt werden, dass die Isothiocyanate im Stande sind, das zur Biofilmbildung notwendige bakterielle Kommunikationssystem Quorum sensing zu inhibieren (Borges 2014). Im Rahmen einer Dissertationsarbeit wurde untersucht, ob Isothiocyanate aus Tropaeolum majus und Armoracia rusticana die sogenannte Internalisierung von verschiedenen uropathogenen E. coli-Stämmen in humanen Uroepithelzellen zu verhindern mögen (Kropidlowski 2015). Bei der sogenannten Internalisierung oder Invasion in die Zelle gelingt dem Bakterium durch stammspezifische Virulenzfaktoren das Anheften an der Oberfläche der Wirtszelle und anschliessende Eindringen. Im Inneren der Zelle scheint das Bakterium sozusagen geschützt. Abwehrmechanismen des Organismus oder verabreichte Antibiotika sind oft nicht effektiv, da sie bis zum internalisierten Bakterium nicht vorzudringen vermögen. Dieses intrazelluläre Überdauern der internalisierten Bakterien scheint auch im Zusammenhang mit 10
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Antibiotikaresistenzen und rezidivierenden HWI von Bedeutung zu sein (Kropidlowski 2015). Bei der zitierten in vitro-Untersuchung wurde in Anwesenheit von Isothiocyanaten aus Tropaeolum majus und Armoracia rusticana bei fünf der sieben untersuchten E. coli-Stämme die Internalisierung gehemmt, bei zwei Stämmen eher gefördert. Eine verstärkte Internalisierungsrate bei allen sieben Stämmen wurde auch für Cranberryextrakt gezeigt (Kropidlowski 2015). Isothiocyanate zeigten in einer anderen in vitro-Studie an uropathogenen Stämmen von E. coli, sowohl multiresistenten Keimen als auch antibiotikaempfindlichen, eine starke antimikrobielle Aktivität, wobei die minimale Hemmkonzentration MIC bei den multiresistenten Keimen etwas erhöht war. Die Internalisierungsrate von E. coli in humane Uroepithelialzellen konnte durch Zugabe von Isothiocyanaten um durchschnittlich 31.9 % gesenkt werden, mit beträchtlicher Variabilität zwischen den verschiedenen Stämmen (Mutters 2018). Eine weitere aktuelle in vitro-Untersuchung mit 40 verschiedenen uropathogenen gramnegativen (komplizierte und unkomplizierte HWIs verursachenden) Keimstämmen verglich die Wirkung von D-Mannose, Proanthocyanidinen (Cranberry), Rosmarinextrakt sowie Isothiocyanaten einzeln und in der Angocin® entsprechenden Mischung auf Virulenzfaktoren. Als entscheidende Virulenzfaktoren für uropathogene Keime wurde die Adhäsionsfähigkeit mittels Typ-1-Fimbrien, flagellenbasierte Motilität und das Bakterienwachstum getestet. Bezüglich Hemmung der Adhäsion schnitt D-Mannose bei allen Typ-1-Fimbrien tragenden Bakterienstämmen bereits in tiefen Konzentrationen sehr gut ab, zeigte jedoch keine wachstumshemmende Wirkung. Proanthocyanidine, Benzylisothiocyanat und 2- Phenylehtylisothiocyanat konnten keimspezifisch meist erst in höheren Konzentrationen, Allylisothiocyanat und die Mischung der Isothiocyanate jedoch bereits in tiefen Konzentrationen eine gute Adhäsionshemmung bei Typ-1-Fimbrien tragenden Bakterienstämmen zeigen. Die sogenannte flagellenvermittelte Motilität, die den Bakterien ein Aufsteigen und die Kolonisation der Harnwege ermöglicht, konnte durch die Zugabe von Isothiocyanaten stark gehemmt werden. Rosmarinextrakt zeigte einen starken bakteriostatischen Effekt beim Bakterienwachstumstest, die Isothiocyanate wurden diesbezüglich nicht getestet (Marcon 2019). Für die Kapuzinerkresse konnte tierexperimentell sowohl für den ethanolischen Extrakt aus Tropaeolum majus als auch für das isolierte Flavonoid Isoquercitrin ein 11
Resultate / Beurteilung der Pflanzen diuretischer Effekt nachgewiesen werden, welcher auf einem ähnlichen Mechanismus zu basieren scheint, wie derjenige der ACE-Hemmer (Gasparotto 2012). Ein wässriger Auszug aus Tropaeolum majus zeigte in vitro an menschlichen Immunzellen konzentrationsabhängig gute entzündungshemmende Eigenschaften, wobei unter anderem das Enzym COX-2 in seiner Protein-Expression gehemmt wurde, also nicht in seiner Aktivität wie es von den NSAR bekannt ist (Tran 2016). Ferner wurde auch für die Meerrettichwurzel eine von Allylisothiocyanat unabhängige antiphlogistische Wirkung in Immunzellen nachgewiesen (Herz 2017). In vitro konnte ausserdem für Allylisothiocyanat aus Wasabia japonica (Wasabi) eine neuroprotektive Wirkung auf Microgliazellen nachgewiesen werden (Subedi 2017). Voraussetzung für eine pharmakologische Wirkung ist, dass die p.o. eingenommenen Glucosinolate in ausreichender Menge zu Isothiocyanaten metabolisiert werden. Demnach soll nach einer einmaligen Gabe von fünf Tabletten Angocin® eine Menge an Isothiocyanaten im Urin gemessen worden sein, welche als bioaktiv angesehen werden kann (Márton 2013). 5.1.5. Traditionelle Anwendung R. Kalbermatten charakterisiert Tropaeolum majus folgendermassen: Durchwärmung des Wässrigen und Lichtdurchdringung des Feuchten und Dunkeln. Anwendung bei Infektionen der Harnwege und der Atemwege, grippalen Infekten, Bronchitis, zur unterstützenden Behandlung von verschiedenen Mykosen, bei Vaginalmykosen innerlich und äusserlich (Kalbermatten 2012). Aktivierung der körpereigenen Abwehrkraft wird ebenfalls diskutiert. Aufgrund hyperämisierender Eigenschaften auch äusserlich bei Prellungen und Muskelschmerzen einsetzbar. Speziell in ihrer Heimat Peru wird Kapuzinerkresse auch bei infizierten und schlecht heilenden Wunden angewandt (Bäumler 2007). 5.1.6. Klinische Datenlage Siehe auch Tabelle 1, Anhang I. In einer doppelblind randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde die Kombination Kapuzinerkresse / Meerrettich (zwei mal zwei Tabl. Angocin® pro Tag) 12
Resultate / Beurteilung der Pflanzen prophylaktisch bei chronisch rezidivierenden Harnwegsinfekten erfolgreich geprüft (Albrecht 2007). Analog wurde auch die Prophylaxe von Atemwegsinfekten getestet. Die Infektionsinzidenz konnte mit der Tagesdosis von drei mal zwei Tabletten von 24.3 % auf 12.7 % gesenkt werden (Fintelmann 2012). Eine offene prospektive Kohortenstudie bei Patienten mit akuter Sinusitis, Bronchitis oder Zystitis zeigte mit Angocin® gegenüber Standardtherapie mit Antibiotika eine Nicht-Unterlegenheit für die Indikationen Sinusitis und Bronchitis (Schwelle: −10 %) (Goos 2006). In einer analog angelegten Kohortenstudie bei Kindern und Jugendlichen gegenüber Standard-Antibiotika-Therapie zeigte sich Angocin® als nicht unterlegen. Es wird jedoch eingeräumt, dass der behandelnde Arzt bei schwerer Erkrankung das Antibiotikum bevorzugt einsetzte. Die Verträglichkeit wurde als besser beurteilt als diejenige des Antibiotikums (Goos 2007). Eine doppelblinde Vergleichsstudie von Angocin® mit Cotrimoxazol bei akuter Zystitis wurde wegen Problemen mit der Patientenrekrutierung vorzeitig beendet. Obwohl beide Studienarme ein Ansprechen bei etwa der Hälfte der Patienten zeigten, konnte die Nicht-Unterlegenheit von Angocin statistisch nicht belegt werden (Stange 2017). In einer offenen dreiarmigen Studie zu katheterassoziierten nosokomialen Harnwegsinfekten bei Patienten mit neurogener Blasenfunktionsstörung waren Antibiotika (gemäss Antibiogramm) und Antibiotika plus Angocin® ebenbürtig, Angocin® als Monotherapie jedoch klar unterlegen, die Rate an unerwünschten Wirkungen jedoch klar tiefer. Die Rezidivrate konnte mit der Angocin®-Add-on- Therapie (50 %) statistisch signifikant gesenkt werden gegenüber der Antibiotika- Monotherapie (79.3 %) (Lau 2018). Zu einer in Lehrbüchern erwähnten Warnung vor einer Albuminurie infolge Überdosierung (vermutlich durch Schädigung des Glomerulum- und Tubulussystems) (Bäumler 2007, Schilcher 2016) konnten keine neueren Daten gefunden werden. Als Nebenwirkung werden Haut- und Schleimhautirritationen, Magen-Darm-Beschwerden verursacht durch das freie Benzylsenföl erwähnt, weshalb eine Einnahme zu den Mahlzeiten und in magensaftresistenter Form empfohlen wird. Ebenfalls erwähnt wird, 13
Resultate / Beurteilung der Pflanzen dass Benzylsenföl die Alkoholtoleranz verringern könne (Schilcher 2016). In den klinischen Studien wird durchwegs eine sehr gute Verträglichkeit beschrieben. Die Kommission E beurteilt die Kapuzinerkresse positiv, mit folgender Begründung: Auf Grund der pharmakologischen Eigenschaften kann qualitativ ein positiver Beitrag zur Wirksamkeit in Kombinationen zur unterstützenden Behandlung von Infekten der ableitenden Harnwege, Katarrhen der Luftwege sowie äusserlich bei leichten Muskelschmerzen angenommen werden (Kommission E 1992). Evidenzlevel / Empfehlungsgrad: Prophylaxe: I b / A (Kombination von Tropaeolum majus und Armoracia rusticana bei Infekten der Harnwege und des Respirationstraktes) Therapie: II b / B (akute Zystitis doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studie mit zu vielen Drop-outs) 5.1.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen • Angocin® Filmtabletten • A. Vogel Zink-Complex® Tabletten (Nahrungsergänzungsmittel) • Alpinamed Capucin Immun® • Ceres Tropaeolum-Urtinktur • Kernosan Meerrettich-Elixir (Details siehe Anhang II) 14
Resultate / Beurteilung der Pflanzen 5.2. Solidago virgaurea / Echte Goldrute Abbildung 2: Solidago virgaurea / Echte Goldrute (Foto: Beat Baumgartner, Herborama GmbH) 5.2.1. Nomenklatur Lateinischer Name: Solidago virgaurea L. Deutscher Name: Echte Goldrute Volkstümliche Namen: Edelwundkraut, Heidnisch Wundkraut Pflanzenfamilie: Asteraceae, Körbchenblütler Verwendete Pflanzenteile: Herba, die getrockneten, ganzen oder zerkleinerten, blühenden, oberirdischen Teile (Ph. Eur. 10) Geschmack: herb, etwas adstringierend Zubereitungen: Tee, Tinkturen, Urtinkturen, Trockenextrakte (Ethanol-Wasser-Extrakt) Standardisierung: 0.5–1.5 % Flavonoide, berechnet als Hyperosid bezogen auf die getrocknete Droge (Ph. Eur. 10) Differenzierung: Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) Riesengoldrute (Solidago gigantea) Monographien: Ph. Eur. 10: 15
Resultate / Beurteilung der Pflanzen „Echtes Goldrutenkraut“, Solidaginis virgaureae herba „Goldrutenkraut“, Solidaginis herba erlaubt als Stammpflanzen auch S. canadensis und S. gigantea Kommssion E: Gleichstellung von Solidago canadensis und Solidago gigantea mit Solidago virgaurea HMPC (HMPC Solidago virgaurea 2008) ESCOP 5.2.2. Inhaltsstoffe • Flavonoide (Rutin, Hyperosid, Isoquercitrin Nicotiflorin u.a.) 1.1–2 % • Triterpensaponine (Virgaureasaponine) 0.2–0.3 % • Phenolglukoside (u.a. Leiocarposid, Virgaureosid A, beide nur in S. virgaurea) • Kaffeesäureester • Gerbstoffe • ätherische Öle (Mono- und Sesquiterpene) 0.4–0.5 %, getrocknete Droge < 0.2 % (Jänicke 2003, Fintelmann 2017, Melzig 2004, Schilcher 2016) 5.2.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie Antiinflammatorische Wirkung An Ratten konnte ein antiinflammatorischer Effekt nachgewiesen werden, insbesondere auch in der Kombination Phytodolor® mit Fraxinus excelsior (Gemeine Esche) und Populus tremula (Zitter-Pappel) (Okpanyi 1989). Für die Flavonoide und Kaffeesäureester konnte eine Hemmung der inflammatorisch aktiven leukozytären Elastase sowie der proinflammatorisch wirkenden freien Sauerstoffradikale nachgewiesen werden (Melzig 2000, Melzig 2004). In vitro zeigte ein ethanolischer Extrakt von Solidago virgaurea eine Hemmung der enzymatischen oxidativen Aktivität gemessen an reaktivem Sauerstoff (Meyer 1995). Spasmolytische Aktivität Die spasmolytische Aktivität auf die glatte Muskulatur konnte in vivo und tierexperimentell nachgewiesen werden und wird insbesondere den Flavonoiden Quercetin und Kaempferol zugeschrieben (Westendorf 1981). Eine gewisse 16
Resultate / Beurteilung der Pflanzen analgetische Wirkung könnte auf das bei der Esterhydrolyse entstehende Salicin zurückgeführt werden (Melzig 2004). Antibakterielle Wirkung Eine antibakterielle Wirkung gegen Staphylococcus aureus und Staph. epidermidis konnte in vitro nachgewiesen werden, verstärkt jedoch in Kombination mit anderen Drogen, z.B. Uvae ursi folium. Dabei zeigte Solidago virgaurea eine breitere antimikrobielle Aktivität als Solidago gigantea und Solidago canadensis (Brantner 1999). Gemäss in vitro-Experimenten basiert diese leichte antibakterielle Aktivität auf einer Hemmung der Dihydrofolat-Reduktase (Strehl 1995). Extrakte von Solidago virgaurea können die Bildung eines Biofilmes durch Candida albicans verhindern und damit auch die Wirksamkeit von Antimykotika verstärken (Chevalier 2019). Ferner konnte in vitro vermutlich basierend auf den Triterpensaponinen eine schwache antimykotische, tumorhemmende und immunmodulierende Aktivität nachgewiesen werden (Pepeljnjak 1998, Plohmann 1997, Plohmann 1999). Diuretische Wirkung Die diuretische Wirkung eines Infuses von Solidago virgaurea L., verbunden mit einer vermehrten Elimination von Natrium-, Kalium- und Chlorid-Ionen, konnte an Ratten gezeigt werden. Es wird vermutet, dass acylierte Triterpen-Saponine einen Einfluss auf die Permeabilität der Membran ausübt und daraus eine Veränderung der Ionen- Homöostase folgt (Schilcher 1988, Melzig 2001). Der Flavonoid-Fraktion, insbesondere dem Quercetin, wurde eine hemmende Wirkung auf die NEP (Neutral Endopepitdase) und ACE (Angiotensin-converting Enzyme) nachgewiesen. Insgesamt kann Solidago virgaurea den Wasser- und Natriumhaushalt sowie die kardiovaskuläre Homöostase regulieren durch erhöhte Wasser- und Natriumausscheidung sowie arterielle und venöse Vasodilatation (Melzig, Major 2000). Zusammenfassung Zusammenfassung der pharmakologischen Erkenntnisse gemäss HMPC-Assessment Report: Nicht klinische Daten zeigen für Solidago virgaurea diuretische, antiinflammatorische, antioxidative, analgetische und spasmolytische, antibakterielle, antifungale, tumorhemmende und immunmodulatorische Aktivität. Da kein einzelner 17
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Inhaltsstoff verantwortlich ist für diese Effekte, muss die ganze Zubereitung von Solidago virgaurea als aktiver Inhaltsstoff betrachtet werden (HMPC Solidago virgaurea 2008). 5.2.4. Pharmakokinetik, Toxizität Bei in vitro-Untersuchungen konnte eine Induktion des CYP3A4-Enzyms nachgewiesen werden (Brandin 2007). Es gibt keine relevanten Daten zur Toxizität von Solidago virgaurea, ausser zum isolierten Leiocarposid bei Ratten (LD50 (oral): 1.55 g/kg) (Chodera 1985). 5.2.5. Traditionelle Anwendung Kalbermatten beschreibt die Goldrute als spezifischstes Nierenfunktionsmittel, welches von seiner Signatur her für innig freundschaftliche Beziehung steht (Kalbermatten 2012). Die Wirkung der Goldrute wird des weiteren von ihm als harntreibend, entzündungshemmend, krampflösend, antiexsudativ, antimikrobiell, der Bildung von Harnsteinen vorbeugend beschrieben. Sie wird auch zur Stoffwechselanregung bei rheumatischen Erkrankungen empfohlen (Kalbermatten 2012). Äusserlich wird die Goldrute auch zur Wundheilung verwendet (Dal Cero 2009). Die Anwendung des echten Goldrutenkrautes als Urologikum und Wundheilmittel wurde bereits Ende des 13. Jh. dokumentiert (Melzig 2004). 5.2.6. Klinische Datenlage Siehe auch Tabelle 2, Anhang I. Die diuretische Wirkung von Goldruten Tropfen® (Tinktur mit 65 % Ethanol, nicht mehr im Handel) wurde an 22 gesunden Probanden placebokontrolliert gezeigt (Bioforce 1992 a). Darüber hinaus konnten nur offene, nicht randomisierte Studien zu Monopräparaten mit Solidago virgaurea gefunden werden. Diese zeigen eine signifikante Verbesserung der Symptome einer Harnwegsentzündung und bei Reizblase (Bioforce 1992 b, Laszig 1999). Andere Studien wurden mit Kombinationspräparaten wie Solidagoren® (Goldrute, Schachtelhalm und Gänsefingerkraut), das in Deutschland im Handel ist, durchgeführt. Mit der Gabe einer Kombination von Trockenextrakten von Solidaginis, Orthosiphonis und Betulae folia begleitend zu einer prophylaktischen Antibiotikagabe 18
Resultate / Beurteilung der Pflanzen konnte die Rezidivrate signifikant besser gesenkt werden gegenüber Antibiotika allein (Frumenzio 2013). Als Kontraindikation für die Durchführung einer Durchspülungstherapie mit Solidago virgaurea werden Ödeme infolge eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit angegeben (Schilcher 2016, Kalbermatten 2012). Kommission E: Durchspülungstherapie bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege und Vorbeugung bei Harnsteinen und Nierengriess. ESCOP: Durchspülungstherapie der ableitenden Harnwege, besonders bei Entzündung und Nierengriess, adjuvant bei bakteriellen Infektionen der ableitenden Harnwege. HMPC: Die Indikation einer Erhöhung des Urinvolumens, insbesondere bei Entzündungen und Nierengriess ist gut dokumentiert in Monographien sowie Lehrbüchern und Erfahrungen im Langzeitgebrauch. Mangels klinischer Daten wird Solidago virgaurea gut dokumentierter „traditional use“ zugestanden, jedoch keine „well-established indication“. Evidenzlevel / Empfehlungsgrad: II a / B 5.2.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen • Hänseler Nieren- und Blasendragées S • Ceres Solidago Urtinktur • Ceres Solidago comp Tropfen • Teemischungen: Künzle Nieren Blasentee, Morga Blasentee (Details siehe Anhang II) 19
Resultate / Beurteilung der Pflanzen 5.3. Arctostaphylos uva-ursi / Bärentraube Abbildung 3: Arctostaphylos uva-ursi / Bärentraube (Foto: Beat Baumgartner, Herborama GmbH) 5.3.1. Nomenklatur Lateinischer Name: Arctostaphylos uva-ursi (L.) Spreng. Deutscher Name: Bärentraube Volkstümliche Namen: Moosbeere, wilder Buchs, Wolfsbeere Pflanzenfamilie: Ericaceae, Heidekrautgewächse Verwendete Pflanzenteile: Folia, die ganzen oder zerkleinerten Blätter von Arctostaphylos uva-ursi (L.) Spreng (Ph. Eur. 10) Geruch, Geschmack: eigenartiger Geruch, adstringierender, schwach bitterer Geschmack Zubereitungen: Tee, Tinkturen, Urtinkturen, Trockenextrakte (Ethanol-Wasser-Extrakt) Standardisierung: mind. 7.0 % wasserfreies Arbutin, bezogen auf die getrocknete Droge (Ph. Eur. 10) Monographien: Ph. Eur. 10 Kommission E HMPC (HMPC Arctostaphylos uva-ursi 2018) 20
Resultate / Beurteilung der Pflanzen ESCOP WHO (Schilcher 2016) 5.3.2. Inhaltsstoffe • Hydrochinonglykoside 5–16 %, darunter Arbutin 4–12 %, Methylarbutin • Flavonoide (Quercetin) • Gerbstoffe vom Gallussäuretyp (Polyphenole) (10–20 %) • organische Säuren (0.25 %) • Iridoidglykosid (Monotropein) (Schilcher 2016, Bäumler 2007) 5.3.3. Wirkmechanismus, Pharmakologie Siehe auch Tabelle 3, Anhang I. Antimikrobielle Wirkung In vitro-Untersuchungen zeigten in Anwesenheit eines wässrigen Dekoktes von Bärentraubenblättern bei 40 verschiedenen Stämmen von E. coli und Acinetobacter baumannii eine deutliche Verstärkung der hydrophoben Eigenschaften an der Bakterienzelloberfläche. Dies bedeutet eine Schwächung der Virulenz durch Verhinderung der Adhäsion an die Wirtszelle als möglicher Wirkmechanismus (Türi 1997). In vitro konnte gezeigt werden, dass ein wässriger Extrakt von Bärentraubenblättern und Preiselbeerblättern (Arbutingehalt 2–5 %), aber auch von reiner Tanninsäure die hydrophoben Eigenschaften der Zelloberfläche von zehn Stämmen von Helicobacter pylori verstärkt. Der wässrige Extrakt von Uvae ursi folia zeigte zudem eine markante bakteriostatische Wirkung (Annuk 1999). Für hydrophobe Auszüge aus getrockneten ethanolischen und wässrigen Extrakten von Bärentraubenblättern wurde gegenüber Chromobacterium violaceum eine direkte antimikrobielle Aktivität nachgewiesen werden (Tolmacheva 2014). In vitro-Studien zeigen, dass die antibakterielle Aktivität des Phenolglykosides Arbutin gegen verschiedene uropathogene Bakterienspezies korreliert mit der Aktivität der β-Glucosidase des infektiösen Organismus. Unter den untersuchten Bakterienspezies zeigte Streptococcus faecalis die höchste enzymatische Aktivität, Escherichia coli die niedrigste (HMPC Arctostaphylos uva-ursi 2018). 21
Resultate / Beurteilung der Pflanzen An verschiedenen, teils multiresistenten Stämmen von Staphylococcus aureus wurde der antimikrobielle Wirkmechanismus von Arbutin und Hydrochinon untersucht. Für das Aglykon Hydrochinon konnte eine schädigende Wirkung auf die Bakterienzellwand und -membran, sowie eine Erhöhung der Permeabilität nachgewiesen werden, woraus wiederum ein intrazellulärer Proteinmangel und eine reduzierte Genexpression resultieren (Ma 2019). Diuretische Wirkung Während ältere Untersuchungen eine diuretische Wirkung in Zweifel ziehen, konnte an Mäusen eine verstärkte Diurese mit einem wässrigen Extrakt von Bärentraubenblättern nachgewiesen werden, nach vier Stunden sogar leicht überlegen zu jener unter Furosemid (Saeed 2015). Hemmung der Harnsteinbildung Unter sieben Pflanzen wurde auch ein wässriger Auszug von Bärentraubenblättern an Ratten bezüglich Bildung von Harnsteinen untersucht. Als Grund für die beobachteten positiven Effekte wurde eine desinfizierende Komponente, Saponine und möglicherweise auch eine Basenkapazität gewisser Pflanzen vermutet (Grases 1994). Antiinflammatorische Aktivität Im Tierversuch konnte aus Bärentraubenblättern extrahiertes Arbutin 24 Stunden nach einer provozierten Kontaktdermatitis peroral appliziert die Schwellung reduzieren und die Wirkung von subkutan appliziertem Prednisolon und Dexamethason verstärken ohne negative Effekte auf Thymus und Milz (Matsuda 1990). Analog konnte auch ein alleiniger und ein verstärkender Effekt von Arbutin auf die antiinflammatorische Wirkung von Indometacin bei Kontaktdermatitis und adjuvant induzierter Arthritis gezeigt werden (Matsuda 1991). An menschlichen neutrophilen Blutzellen zeigte sich für Arbutin und Carvedilol eine Reduktion gewebeschädigender Enzyme. In Kombination war der antiinflammatorische Effekt noch deutlicher (Pečivová 2014). 22
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Weitere Aktivitäten In vitro konnte für einen wässrigen Extrakt aus Uvae-ursi folia eine antivirale Aktivität gegen Herpes simplex-Virus Typ 2, gewisse Influenza- und Vaccinia-Viren nachgewiesen werden. Es wurde beobachtet, dass antivirale Eigenschaften vermehrt bei Pflanzen mit hohem Anteil an Tanninen gefunden wurden (May 1978). Auch eine antitussive Wirkung für Arbutin nach peroraler Verabreichung konnte an Ratten nachgewiesen werden (Strapkova 1991). 5.3.4. Pharmakokinetik, Toxizität Das als Hauptwirkstoff von Arctostaphylos uva-ursi betrachtete Phenolglukosid Arbutin wird im Dünndarm grösstenteils rasch resorbiert und in der Leber von der β- Glucosidase vorerst in Hydrochinon und Glucose gespalten, dann weiter mit Glucuron- oder Schwefelsäure konjugiert. Nach der Einnahme von 420 mg Arbutin durch freiwillige Probanden werden 70 % des Arbutins in Form dieser toxikologisch unbedenklichen Hauptmetaboliten via Nieren im Urin ausgeschieden, maximal 0.6 % werden als freies Hydrochinon im Urin nachgewiesen, Arbutin wird nicht gefunden im Urin (Siegers 1997). Glucosidaseproduzierende Bakterien im infizierten Harntrakt nehmen diese Metaboliten auf, reichern sie im Cytoplasma an und vermögen sie wieder zu spalten und Hydrochinon freizusetzen. Dieses destabilisiert die Zellmembran des pathogenen Keimes. Dazu ist keine Alkalisierung des Urins notwendig. Nach Inkubation des Urins von freiwilligen Probanden mit E. coli und anschliessender Zentrifugation konnte im Bakteriensediment eine 20-fache Konzentration an freiem Hydrochinon nachgewiesen werden gegenüber dem Überstand (Siegers 2003, Garcia de Arriba 2010). Gegen eine Hydrolyse des Arbutins bereits im Darmlumen durch die dortige Mikroflora spricht einerseits die geringe Bakteriendichte des Dünndarmes, andererseits konnte bei Tieren fäkal kaum freies Hydrochinon nachgewiesen werden. Auch in Geweben, Organen und Knochen wird maximal 2 % des verabreichten Arbutins als Hydrochinon gefunden, es scheint sich in keiner Weise zu kumulieren. Sicherheitsbedenken bezüglich einer möglichen Toxizität des freien Hydrochinons, welches auch in unserer Nahrung sowie in Kaffee und Tee vorkommt, scheinen bei der medizinischen Anwendung von Bärentraubenblättern in keiner Weise gerechtfertigt. Diverse Studien mit freiem Hydrochinon konnten weder 23
Resultate / Beurteilung der Pflanzen eine Hepato- noch eine Nephrotoxizität noch eine höhere Tumorinzidenz nachweisen (McGregor 2007, Garcia de Arriba 2013). Tierexperimentell wurde während 90 Tagen ein Rohextrakt von Arctostaphylos uvae-ursi geprüft. Hämatologisch und im Urin konnten keine Unterschiede festgestellt werden, in den Organen wurden keine signifikanten pathologischen Veränderungen des Gewebes gefunden (Saeed 2014). Das freie Hydrochinon wurde in diätetischen Mengen an Ratten getestet über 13 Wochen, dabei wurden keinerlei leberschädigenden Effekte festgestellt, es konnte sogar ein schützender Effekt gegenüber leberzellkarzinominduzierenden Substanzen nachgewiesen werden (Williams 2007). Auf Grund einer in vitro-Untersuchung mit wässrigen und methanolischen Extrakten aus Bärentraubenblättern ist eine Inhibition von Cytochrom P450 Isoenzymen, auch von CYP3A4, möglich (Chauhan 2007). Es gibt jedoch keinerlei Fallbeschreibungen diesbezüglich. 5.3.5. Traditionelle Anwendung In der chinesischen Medizin werden arbutinhaltige Arzneipflanzen nicht nur bei Harnwegsinfekten und zur Wundheilungsförderung, sondern auch gegen Asthma eingesetzt. Ebenso wird es in der Nahrungsmittel- und Kosmetik-Industrie eingesetzt, unter anderem zur Behandlung von Hyperpigmentierungen auf Grund der Hemmung der Tyrosinase und der daraus resultierenden Reduktion der Melanogenese (Zhou 2019). Als Pflanze mit nördlichem Verbreitungsgebiet war die Bärentraube den Ärzten der römisch-griechischen Antike nicht bekannt. Verbreitet angewendet wird sie seit dem 18. Jahrhundert (Dal Cero 2009). Im 13. Jahrhundert wurde sie in einem walisischen Arzneibuch erwähnt (Bäumler 2007). 5.3.6. Klinische Datenlage Siehe auch Tabelle 4, Anhang I. In einer schwedischen, doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 57 Probandinnen, welche im Vorjahr an mindestens drei mit Antibiotika behandelten Zystitiden litten, wurden präventiv während eines Monates mit einem Kombinationspräparat in Tablettenform basierend auf einem ethanolischen Extrakt von Uvae-ursi folium und Taraxaci radix cum herba oder Placebo therapiert. In der 24
Resultate / Beurteilung der Pflanzen Beobachtungsdauer von 12 Monaten erlitten 23 % der mit Placebo behandelten Frauen ein Rezidiv, in der Verum-Gruppe keine (Larsson 1993). In einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie wurde ein Bärentraubenblätter-Extrakt (20 % Arbutin) mit einer Tagesdosis von 3600 mg bei unkomplizierten Infekten der unteren Harnwege mit 382 Probandinnen geprüft. In der vierarmigen Studie wurde teilweise zusätzlich die Empfehlung für Ibuprofen 1200 mg/die gegeben, Antibiotika wurden in Reserve angeboten. Auch wenn der Antibiotikagebrauch in der Gruppe mit Bärentraubenblättern mit 39.9 % tiefer liegt als in der Placebogruppe mit 47.4 %, konnte für Bärentraubenblätter statistisch keine Reduktion des Antibiotikagebrauchs ermittelt werden, für den Einsatz von Ibuprofen hingegen schon. Für die Symptomlinderung von Tag 2–4 konnte für beide Substanzen keine Evidenz ermittelt werden. Hingegen wurden in der ganzen Studie keine Infekte der oberen Harnwege erfasst. Mit Ibuprofen konnte mit der Behandlung von sieben Frauen immerhin eine Antibiotikagabe verhindert werden (Moore 2019). In einer einleitenden Studie zur Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten wurden drei verschiedene pflanzliche Extraktkombinationen je mit D-Mannose kombiniert untersucht. Die Pflanzenkombinationen mit Berberin, Arbutin, Birke und D-Mannose (A), sowie zusätzlich noch Forskolin (B) zeigte während der Therpapie und im Follow-up eine reduzierte Inzidenz von Harnwegsinfekten und eine tiefere Bakteriendichte im Urin gegenüber der prophylaktischen Gabe von Proanthocyanidinen und D-Mannose (Genovese 2018). Als Nebenwirkung wird in der Literatur auf Grund des hohen Gehaltes an Tanninen (10–20 %) bei magenempfindlichen Patienten Übelkeit und Erbrechen erwähnt. Eine Kaltmazeration der Blätter könnte die Magenverträglichkeit verbessern (Schilcher 2016). In Lehrbüchern werden bei Überdosierung u.a. mögliche Leberschädigungen, Reizung der Blasenschleimhaut aufgeführt, dazu fehlen jedoch Fallberichte. Kommission E: entzündliche Erkrankungen der ableitenden Harnwege ESCOP: unkomplizierte Infektionen der ableitenden Harnwege wie Zystitis, wenn eine Antibiotikabehandlung nicht nötig ist. WHO: innere Anwendung als mildes Harnantiseptikum für moderate Entzündungen der Harnwege und Blase wie Zystitis, Urethritis und Dysurie (Schilcher 2016). 25
Resultate / Beurteilung der Pflanzen HMPC: leichte wiederkehrende Harnwegsinfektionen wie Brennen beim Wasserlassen und/oder häufigem Wasserlassen bei Frauen, wenn (andere) schwerwiegende Ursachen durch einen Arzt ausgeschlossen wurden (Schilcher 2016). Angesichts der wenigen verfügbaren klinischen Daten wird Arctostaphylos uva-ursi „traditional use“ zugestanden, jedoch kein „well-established use“. Für Männer und junge Frauen unter 18 Jahren wird die Anwendung nicht empfohlen, weil eine ärztliche Konsultation für angezeigt gehalten wird. Die Einnahme von bärentrauben- oder arbutinhaltigen Präparaten bei einer maximalen Dosis von 840 mg Hydrochinon-Derivaten (berechnet als wasserfreies Arbutin) pro Tag während einer Woche wird als sicher angenommen. Die Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit wird mangels Daten nicht empfohlen. Die S3-Leitlinien für Harnwegsinfekte erwähnen Bärentraubenblätter als Option zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfekte, während maximal eines Monates (Wagenlehner 2017). Evidenzlevel / Empfehlungsgrad: Prophylaxe: I b / A Therapie: IV / C 5.3.7. Zugelassene Arzneimittel, Arzneiformen • Hänseler Nieren- und Blasendragées S • Cystinol: Trockenextrakt aus Uvae-ursi folia (Details siehe Anhang II) 26
Resultate / Beurteilung der Pflanzen 5.4. Juniperus communis / Wacholder Abbildung 4: Juniperus communis / Wacholder (Foto: Beat Baumgartner, Herborama GmbH) 5.4.1. Nomenklatur Lateinischer Name: Juniperus communis L. Deutscher Name: Gemeiner Wacholder, Heidewacholder Volkstümliche Namen: Reckholder, Räukholder, Kaddig, Kranewitter, Machandel Pflanzenfamilie: Cupressaceae, Zypressengewächse Verwendete Pflanzenteile: Beerenzapfen / Juniperi galbulus (pseudofructus), getrocknet, reif (Ph. Eur. 10) früher auch Holz Geruch, Geschmack: Beerenzapfen: stark aromatischer Geruch, besonders beim Zerstossen (Ph. Eur. 10) Zubereitungen: ätherisches Öl (Juniperi aetheroleum) Wacholdergeist zur äusserlichen Anwendung Tee aus zerstossenen Beerenzapfen, Kapseln mit ätherischem Öl 27
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