Braindrain is Better than Brain in the drain Eine empirische Untersuchung der Rückkehr-entscheidung hochqualifizierter Migranten - Verena Krobisch

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Braindrain is better than Brain in the Drain
Eine empirische Untersuchung der Rückkehr-
entscheidung hochqualifizierter Migranten
Verena Krobisch

CIM Paper Series Nr. 2 | April 2012

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Impressum
CIM PAPER SERIES                                               Druck
In den CIM Paper Series haben Wissenschaftlerinnen und         Lasertype GmbH
Wissenschaftler die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse und         www.lasertype24.de
Ergebnisse rund um das Thema „Migration und Entwicklung“
zu publizieren. Damit will CIM relevante Forschungsergeb-      Erscheinungsjahr, Erscheinungsort
nisse und Diskussionsbeiträge einer größeren Öffentlichkeit    2012, Frankfurt am Main
zugänglich machen und den Bogen in die tägliche Praxis
der internationalen Zusammenarbeit zu schlagen. Denn           Verwendungshinweis
nur durch fundierte theoretische Grundlagen kann das           © 2012 | Alle Rechte vorbehalten.
Thema Migration und Entwicklung auch im Alltag gelingen.
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Kommentare von Leserinnen und Lesern sind herzlich             ohne die schriftliche Erlaubnis des Centrums für
willkommen und an folgende E-Mail-Adresse zu richten:          internationale Migration und Entwicklung (CIM) verwertet
returning-experts@cimonline.de                                 oder reproduziert werden.

Herausgeber
Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM)
Mendelssohnstr. 75-77
60325 Frankfurt am Main

Tel.:       +49 (0) 69 719121-153
Fax:        +49 (0) 69 719121-81
E-Mail:     returning-experts@cimonline.de
Internet:   www.cimonline.de

Autorin
Verena Krobisch (Dipl.-Soziologin), wissenschaftliche Mitar-
beiterin am europäischen forum für migrationsstudien (efms),
Institut an der Universität Bamberg

Verantwortlich
Dr. Uwe Kievelitz

Bildnachweis
Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM)

Layout
Schumacher. Visuelle Kommunikation
www.schumacher-visuell.de
Danksagung
Besonderer Dank gilt allen Interviewpartnern und Teilnehmern der Befragung.
Durch ihre Unterstützung haben sie maßgeblich zur Umsetzung der Studie beigetragen.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
BA      Bundesagentur für Arbeit
BMZ     Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
CIM     Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM)
GIZ     Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
IOM     Internationale Organisation für Migration
ISCED   International Standard Classification of Education
PMT     Professional, Managerial and Technical Specialists
PRF     Programm Rückkehrende Fachkräfte
PTK     Professional, Technical and Kindred Workers
UNHCR   United Nations High Commissioner for Refugees
VN      Vereinte Nationen
ZAV     Zentrale Auslands- und Fachvermittlung

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung   1:   Hauptherkunftsländer der Rückkehrinteressierten
Abbildung   2:   Hauptherkunftsländer der Zurückgekehrten
Abbildung   3:   Einfluss der Rückkehrentscheidungsfaktoren auf die Rückkehrentscheidung Rückkehrinteressierter
Abbildung   4:   Einfluss der Rückkehrentscheidungsfaktoren auf die Rückkehrentscheidung Zurückgekehrter
Abstract

Rückkehrmigration von Fachkräften gilt in der Entwicklungspolitik als ein Mittel, den wirtschaftlichen
und sozialen Fortschritt der Herkunftsländer zu fördern. Die bewusste Entscheidung qualifizierter Mig-
ranten für die Rückkehr in ihr Ursprungsland ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolg-
reiche Rückkehr und den damit verbundenen Know-how-Transfer. Anhand vielfältiger Unterstützungs-
leistungen versuchen Akteure der Rückkehrförderungspolitik unter anderem die Rückkehrentscheidung
zu begünstigen.

Die vorliegende Arbeit leistet einen soziologischen Beitrag zum Verständnis der Rückkehrentscheidung
hochqualifizierter Migranten aus Entwicklungs-, Transformations- und Schwellenländern als Grundlage
für die Gestaltung effektiver rückkehrförderungspolitischer Maßnahmen. Ausgehend von einer explo-
rativen Vorstudie und einer darauf aufbauenden quantitativen Untersuchung wird die Frage behandelt,
welche Faktoren darüber entscheiden, ob hochqualifizierte Migranten in ihr Herkunftsland zurückkeh-
ren oder im Aufnahmeland verbleiben. Die Datengrundlage der Untersuchung bildet eine Befragung von
703 hochqualifizierten Fachkräften, die im deutschen Programm Rückkehrende Fachkräfte (PRF), das
vom Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) durchgeführt wird, registriert sind. Das
Programm fördert gezielt den Wissenstransfer durch die berufliche Integration von Rückkehrern aus
Deutschland in die Arbeitsmärkte der Herkunftsländer.

Die faktische Integration im Aufnahmeland, insbesondere aber die erwarteten Reintegrationschancen im
Herkunftsland bestimmen den Ausgang der Rückkehrentscheidung. Soziale und ökonomische Faktoren
wie familiäre Beziehungen oder Verdienstmöglichkeiten scheinen dabei von besonderer Bedeutung zu
sein. Aber auch verschiedene kulturelle und politisch-rechtliche Faktoren wie das Gefühl der Zugehö-
rigkeit zur Herkunftsgesellschaft, beschränkte Möglichkeiten zur Rückkehr in das Aufnahmeland und
die Anwendbarkeit der Qualifikation im Herkunftsland sowie berufliche Aufstiegschancen beeinflussen
die Rückkehrentscheidung. Die Ergebnisse weisen zudem auf einen negativen Effekt bestehender zu-
wanderungs- und arbeitsrechtlicher Regelungen in Deutschland bezüglich des langfristigen, temporä-
ren und zirkulären Einsatzes internationaler Fachkräfte hin, die mit Blick auf einen zunehmend globali-
sierten Arbeitsmarkt und demographischen Veränderungen jedoch an Bedeutung gewinnen.

Rückkehrförderungspolitische Instrumentarien sollten vor dem Hintergrund der Untersuchungsergeb-
nisse vor allem auf die Herstellung guter Reintegrationschancen und kohärenter Ansätze abstellen. Die
Wirkungsmechanismen der verschiedenen ermittelten Faktoren gilt es so zu kombinieren, dass rück-
kehrhemmende Einflüsse minimiert und rückkehrförderliche Einflüsse verstärkt werden. Soziale und
ökonomische Faktoren sind dabei zu betonen. Aus den zentralen Rückkehrentscheidungsfaktoren leiten
sich zudem eine Reihe konkreter Hinweise ab, durch welche die Rückkehr Hochqualifizierter gefördert
werden kann. Besonderes Potenzial bietet das Instrument der Arbeitsplatzvermittlung, das es erlaubt,
mehrere Rückkehrentscheidungsfaktoren gleichzeitig zu berücksichtigen.

4
Inhalt

I. 	Rückkehrförderung:
     Entwicklung durch Know-how-Transfer          6

ii. 	Voraussetzung von Know-how-Transfer:
      die Entscheidung zur Rückkehr                7

iii. Begriffsklärung                              8

iv. Daten, Methodik und theoretische Überlegung   10

v. Ergebnisse                                     13

vi. 	Empfehlungen für entwicklungsorientierte
     Wissenstransfer-Programme                    18

   Literaturverzeichnis                           21

   Weiterführende Literatur                       23

                                                    5
I. R
    ückkehrförderung:
   Entwicklung durch Know-how-Transfer

Die internationale Migration von Arbeitskräften gilt heute      Der positive Zusammenhang zwischen Migration und Entwick-
weltweit als wichtige Ressource wirtschaftlicher und sozialer   lung schlägt sich in der zunehmenden Verknüpfung entwick-
Entwicklung von Staaten. Im Bewusstsein ihrer Bedeutung als     lungs- und migrationspolitischer Mittel nieder. Dabei wird
Kraft der Globalisierung und des wirtschaftlichen Wandels       neben Rücküberweisungen und Diasporaengagement auch
verstehen Aufnahme- und Herkunftsländer sowie internatio-       die Rückkehr mit zusätzlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und
nale Akteure die grenzüberschreitende Wanderung von Fach-       Netzwerken ausgestatteter Migranten in ihre Herkunftsländer,
kräften, Wissenschaftlern oder Studierenden deshalb als eine    eine Form des sogenannten Braingains, als entwicklungs-
politische Gestaltungsfrage. Insbesondere der Zugewinn oder     politischer Ansatz erkannt und organisiert (vgl. Gibson und
Verlust intellektuellen Vermögens (Braindrain) einer Gesell-    McKenzie 2011: 14 und SVR 2011: 207ff.). Rückkehrer können
schaft durch Zu- und Abwanderung hochqualifizierter Bevöl-      zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Herkunfts-
kerungsteile wird als volkswirtschaftlicher Faktor betrachtet   länder beitragen. Die Herkunftsländer profitieren vor allem
(vgl. Hunger 2003: 9 und Newland 2003). Westliche Industrie-    dann von einer Rückkehr, wenn dadurch innovatives, fachli-
nationen fördern die Zuwanderung hochqualifizierter Migran-     ches, methodisches und betriebswirtschaftliches Fachwissen
ten mit der Absicht, ihre wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit   transferiert oder durch Kontakte wirtschaftliche Beziehungen
auf globalem Parkett zu stärken. Insbesondere wirtschaftlich    zum ehemaligen Aufnahmeland intensiviert werden (vgl. z.B.
geringer entwickelte Staaten behandeln die Abwanderung und      Klagge et al. 2007 und Iredale und Guo 2001).
Rückkehr qualifizierter Bürger inzwischen verstärkt als eine
Chance für Entwicklungsimpulse. Zuvor standen die mit dem       Die Rückkehr hochqualifizierter Migranten wird daher poli-
Begriff des Braindrains beschriebenen negativen Entwick-        tisch sowohl von Herkunfts- und Aufnahmeländern als auch
lungseffekte im politischen Blickpunkt.                         von internationalen politischen Akteuren wie den Vereinten
                                                                Nationen (VN) oder der Internationalen Organisation für
                                                                Migration (IOM) gefördert (vgl. z.B. Angel-Urdinola et al.
                                                                2008 und Laaser 2007). Im Auftrag des Bundesministeriums
                                                                für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
                                                                gestaltet und implementiert das Programm Rückkehrende
                                                                Fachkräfte (PRF) des Centrums für internationale Migration
                                                                und Entwicklung (CIM) die entwicklungsorientierte Förderung
                                                                internationaler Mobilität. CIM ist eine Arbeitsgemeinschaft
                                                                der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenar-
                                                                beit (GIZ) und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung
                                                                (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA). Durch die „entwick-
                                                                lungspolitisch orientierte Integration der Rückkehrer in den
                                                                Arbeitsmarkt der Herkunftsländer sowie die Verbreitung und
                                                                Entfaltung des in Deutschland erworbenen Know-hows“ ver-
                                                                sucht das PRF die positive Wirkung von Rückkehrmigration zu
                                                                stärken (PRF 2007: 4).

6
ii. V oraussetzung von Know-how-Transfer:
    die Entscheidung zur Rückkehr

Ein Etappenziel auf dem Weg zu einem Know-how-Transfer
stellt die Rückkehr in das Herkunftsland dar. Als notwen-
dige Voraussetzung eines Braingains versuchen politische
Programme wie das PRF daher, die Entscheidung für die
Rückkehr in das Herkunftsland als attraktive Alternative
zum Verbleib im Aufnahmeland oder zur Weiterwanderung
in einen anderen Staat zu gestalten. Zur Entwicklung einer
effektiven Rückkehrförderungspolitik bedarf es eines fun-
dierten Verständnisses der Rückkehrentscheidung hochquali-
fizierter Migranten aus Entwicklungs- und Schwellenländern
(Thorn und Holm-Nielsen 2008: 147): Warum kehren sie in
ihr Herkunftsland zurück oder verbleiben im Aufnahmeland?
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, einen Beitrag zum
Verständnis des komplexen Rückkehrentscheidungsprozesses
hochqualifizierter Migranten zu leisten. Die Untersuchungs-
ergebnisse sollen politischen Akteuren und Gestaltern von
Rückkehrförderungsprogrammen eine Orientierung bei der
Entwicklung von Förderinstrumenten und -ansätzen bieten.

                                                               7
iii. Begriffsklärung

Die Begriffe Rückkehrmigration, Rückkehrentscheidung und         Rückkehrentscheidung
hochqualifizierte Migranten werden in Abhängigkeit ihres
Verwendungskontexts unterschiedlich definiert. Im Folgenden      In Annahme eines zweiphasigen Migrationsprozesses, be-
wird daher das Verständnis der Begriffe für die vorliegende      stehend aus Emigration und Rückkehrmigration, markiert
Arbeit und den Bereich der Rückkehrförderung dargestellt.        die Rückkehrentscheidung den Moment, an dem ein Migrant
                                                                 sich (noch) im Aufnahmeland befindet und sich konkret mit
Rückkehrmigration                                                der Entscheidung für die Rückkehr in das Herkunftsland
                                                                 oder für den Verbleib im Aufnahmeland auseinandersetzt.
In Anlehnung an Bovenkerk (1974) definiert King (2000)           Der Entschluss zur Rückkehr stellt damit einen zentralen
Rückkehrmigration als „the process whereby people return         Wendepunkt innerhalb des Migrationsprozesses und eine
to their country or place of origin after a significant period   notwendige Vorbedingung der Rückkehrmigration dar. Die
in another country or region” (King 2000: 8 und Bovenkerk        Rückkehrentscheidung kann als Spezialfall der allgemeinen
1974: 5). Demnach liegt Rückkehrmigration vor, wenn sich         Migrationsentscheidung konzipiert werden (vgl. Haug 2001:
an eine längerfristige Zuwanderung in ein Aufnahmeland           243). Zur Natur der Migrationsentscheidung Hochqualifizierter
die Rückkehr in das Herkunftsland anschließt. Gemäß einer        erklärt Oommen: „They are […] likely to carefully consider
Definition der Vereinten Nationen gilt eine Aufenthaltsdauer     different factors, weight them up, giving more importance
von mehr als zwölf Monaten als dauerhafte Migration (vgl.        to some and less importance to others. Ultimately, it is the
UN 2002: 11). Rückkehrmigration besteht jedoch nicht nur         overall inference that he derives from these ‘pros’ and ‘cons’
aus dem Akt der Wanderung an sich, sondern auch aus dem          that results in his decision to migrate” (Oommen 1989: 422).
Prozess der Wiedereingliederung in die Herkunftsgesellschaft     In diesem Sinne wird hier die Rückkehrentscheidung als kom-
(vgl. Düvell 2006: 141). Entsprechend zeichnet sich Rückkehr-    plexer Entscheidungsprozess verstanden, dessen mögliche
migration auch durch die Absicht des Migranten aus, sich         Resultate Rückkehr in das Herkunftsland oder Verbleib im
erneut längerfristig im Herkunftsland niederzulassen. Zuletzt    Aufnahmeland von einer Reihe heterogener, subjektiv bewer-
ist auch das Merkmal der Freiwilligkeit von Bedeutung, da        teter Faktoren bestimmt werden.
entwicklungspolitische Rückkehrförderung auf freiwillige
Rückkehrmigration zielt. Im Sinne des Hohen Flüchtlingskom-
missars der Vereinten Nationen (UNHCR) stellt eine freiwillige
Rückkehr das Ergebnis der Ausübung des eigenen freien und
uneingeschränkten Willens in der sinnvollen Wahl zwischen
dem Zurückkehren oder Nichtzurückkehren in das Herkunfts-
land im Lichte der dort und im Aufnahmeland bestehenden
sozioökonomischen und rechtlichen Bedingungen dar (vgl.
UNHCR 1993: 53). Unter Rückkehrmigration wird im vorlie-
genden Beitrag somit die freiwillige und langfristige (Rück-)
Wanderung hochqualifizierter Migranten aus Entwicklungs-,
Transformations- oder Schwellenländern in das Land oder
die Region bzw. die Gesellschaft verstanden, von wo aus sie
einst emigrierten.

8
Hochqualifizierte Migranten

Mit dem Begriff hochqualifiziert werden in der Regel Perso-
nen bezeichnet, die über einen tertiären Bildungsabschluss,
d.h. gemäß der internationalen Standardklassifikation von
Bildungsabschlüssen International Standard Classification
of Education (ISCED) über einen Hochschulabschluss verfü-
gen (vgl. z.B. Lowell und Findlay 2001: 3f. und ISCED 1997).
Weiter gefasste Konzepte wie das der Professional, Technical
and Kindred Workers (PTK) oder der Professional, Managerial
and Technical Specialists (PMT) erkennen über die forma-
le Bildung hinaus auch vergleichbare Arbeitserfahrung als
Qualifikationskriterium an (vgl. z.B. Martin et al. 2006: 55
und Salt 1992: 485 und 503). Eine trennschärfere Abgren-
zung beinhalten die englischen Begriffe highly qualified und
highly skilled. Während sich der Begriff qualified auf formale
berufliche Qualifikation bezieht, betont skilled zudem nicht
zertifizierte Fähigkeiten, die zur Ausübung einer bestimmten
beruflichen Tätigkeit erforderlich sind (vgl. Heß und Sauer
2006: 6). Teilweise werden hochqualifizierte Personen auch
anhand konkreter Berufsgruppen wie Informationstechnolo-
gie-Experten, Ingenieure, Wissenschaftler, Unternehmer oder
Studierende definiert (vgl. z.B. Solimano 2008: 2 und OECD
2002: 2 und §19 AufenthG). Im Sinne des englischen Begriffs
highly skilled fördert das PRF Hochschulabsolventen und
berufserfahrene Fachkräfte aus Entwicklungs-, Schwel-
len- und Transformationsländern, die sich in Deutschland
beruflich qualifiziert haben. Mit hochqualifizierten Migranten
sind hier folglich nach Deutschland zugewanderte Personen
gemeint, die über einen tertiären Bildungsabschluss oder
vergleichbare Arbeitserfahrung verfügen oder ein Studium
an einer Hochschule absolvieren.

                                                                 9
iv. Daten, Methodik und theoretische Überlegung

Die Rückkehrentscheidung hochqualifizierter Migranten in        den 31 soziale, ökonomische, kulturelle, politisch-rechtliche
Deutschland wurde in Kooperation mit dem PRF im Zeitraum        und fachliche Rückkehrentscheidungsfaktoren identifiziert.
November 2009 bis Juli 2010 empirisch untersucht. Der
Forschungsansatz setzt sich aus einer explorativen Vorstu-      Die ermittelten Rückkehrentscheidungsfaktoren spiegeln vor-
die und einer anschließenden quantitativen Untersuchung         wiegend verschiedene Aspekte gesellschaftlicher Integration
zusammen.                                                       im Aufnahme- und Herkunftsland wider.

Grundlage der Datenerhebung bildete der Bewerberpool des        Zum Einfluss gesellschaftlicher Integration auf die Rückkeh-
PRF. Darin sind hochqualifizierte Migranten aus Entwick-        rentscheidung erklärte Esser, Migranten bezögen sowohl die
lungs-, Transformations- oder Schwellenländern erfasst, die     Bedingungen ihres Aufnahme- als auch ihres Herkunftskon-
zumindest in einem Erstkontakt Interesse an einer Förderung     texts in ihre Entscheidung über eine Rückkehr mit ein (vgl.
durch das Programm zeigten. Demnach setzt sich die Erhe-        Esser 2001: 25). Gesellschaftliche Integration beschreibt
bungsgrundgesamtheit der Untersuchung sowohl aus Perso-         das Ausmaß, in dem Menschen am gesellschaftlichen und
nen zusammen, die noch in Deutschland leben, als auch aus       politischen Leben teilhaben, d.h. inwieweit sie über soziale
solchen, die bereits in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt      Beziehungen, Rechte, Zugang zu gesellschaftlichen Kernbe-
sind. Die beiden Gruppen hochqualifizierter Migranten werden    reichen wie dem Arbeitsmarkt oder dem Bildungssystem, ge-
hier durch die Begriffe Rückkehrinteressierte und Zurückge-     sellschaftsspezifische kulturelle Fähigkeiten und Verhaltens-
kehrte unterschieden. Da der Bewerberpool ausschließlich        weisen sowie über Zugehörigkeitsgefühle und Identifikation
Migranten mit Interesse an einer Rückkehr und damit mit         mit regionalen, lokalen Gruppen oder einer Nation insgesamt
einer gewissen Rückkehrneigung registriert, sind Migranten,     verfügen (vgl. Heckmann 2006: 15ff.). Gesellschaftliche In-
die nicht zurückkehren möchten, aus der Erhebungsgrundge-       tegration kann somit als Ausdruck der Möglichkeit begriffen
samtheit ausgeschlossen. Der Untersuchung liegt somit eine      werden, die beiden existenziellen Grundbedürfnisse „physi-
nicht repräsentative Stichprobe zugrunde, weshalb die Gene-     sches Wohlbefinden“ und „soziale Wertschätzung“ zu befrie-
ralisierbarkeit der erzielten Ergebnisse eingeschränkt ist.     digen, die nach Esser das Handeln der Menschen anleiten
                                                                (vgl. Esser 1999: 91ff.). So hängt es beispielsweise von der
Im ersten Untersuchungsschritt wurde anhand persönlicher        gesellschaftlichen Integration eines Individuums ab, ob es
Befragungen ein Katalog an Rückkehrentscheidungsfaktoren        einen Arbeitsplatz besetzen kann. Ein Arbeitsplatz ermöglicht
ermittelt, die für oder gegen eine Rückkehr bzw. den Verbleib   es, Güter wie Nahrungsmittel oder Wohnraum herzustellen
in Deutschland sprechen. Dazu fanden mit einem hochqua-         und Anerkennung für berufliche Leistungen zu erfahren.
lifizierten männlichen, indischstämmigen Migranten und          Ebenso befähigt die Kenntnis der Sprache und der gängigen
drei männlichen Migranten aus Äthiopien leitfadengestützte      Verhaltensregeln einer Gesellschaft zum Aufbau sozialer Be-
Interviews statt. Zudem gaben im Rahmen eines Fokusgrup-        ziehungen, mit denen menschliche Nähe und Zuneigung sowie
peninterviews insgesamt neun georgische Studenten und Ab-       soziale Ressourcen einhergehen können. Gesellschaftliche
solventen beider Geschlechter Aufschluss über die Einfluss-     Integration bestimmt also das Ausmaß der Bedürfnisbefrie-
größen ihrer Rückkehrentscheidung. Aufgrund der relativ         digung, die ein Individuum in einer bestimmten Gesellschaft
kleinen Stichprobe der Vorstudie und ihrer geringen Varianz,    erreichen kann. Die Rückkehrentscheidung hochqualifizierter
z.B. hinsichtlich des Herkunftslandes, des Alters oder der      Migranten scheint sich demnach aus der Abwägung möglicher
Bildung, wurden als zusätzliche Faktoren das Ansehen von        Bedürfnisbefriedigung im Aufnahme- und Herkunftsland zu
Rückkehrern, Möglichkeiten zur politischen Teilhabe und         ergeben. Anders gesagt: Die Wahl zwischen Rückkehr in das
Anerkennung ausländischer Qualifikationen im Herkunftsland      Herkunftsland oder Verbleib im Aufnahmeland vollzieht sich
aus theoretischen Überlegungen abgeleitet. Insgesamt wur-       in weiten Teilen im Spannungsfeld faktischer Integration in

10
die Aufnahmegesellschaft und erwarteter Reintegration in         Rückkehrinteressierten und 497 zu den Zurückgekehrten. Ab-
die Herkunftsgesellschaft.                                       bildung 1 zeigt die häufigsten Herkunftsländer der befragten
                                                                 Rückkehrinteressierten: Mit 13,22 Prozent stammte der größte
Die in der Vorstudie identifizierten Faktoren lassen sich auch   Anteil aus China, gefolgt von Indonesien mit 9,77 Prozent.
anhand ihrer Wirkungsrichtung unterscheiden: So generieren       Ebenfalls relevante Herkunftsländer stellen Marokko (9,20%),
etwa das Bestehen sozialer Beziehungen von emotionaler und       die Türkei (8,62%), Ägypten und Äthiopien (jeweils 6,32 %),
praktischer Qualität oder das Gefühl der Zugehörigkeit zu        Peru (5,17%), Kamerun (4,60%), Brasilien und Kolumbien (je-
einer Gesellschaft sogenannte Pull-Effekte, d.h. eine anzie-     weils 4,02%), Vietnam (4,02%) sowie Pakistan (2,87%) dar.
hende Wirkung. Je nachdem, ob sie vom Aufnahmeland oder
Herkunftsland ausgehen, fördern oder hemmen sie die Rück-
kehrentscheidung. Andere Faktoren wie geringe Aufstiegs-
oder Erwerbschancen bilden eine faktische bzw. erwartete                                       4%
                                                                                                    5%
misslungene Integration ab und erzeugen daher sogenannte
                                                                                22%
Push-Effekte. Entsprechend ihrer Verortung im Aufnahme-
                                                                                                             13%
oder Herkunftsland beeinflussen auch sie den Ausgang der
Rückkehrentscheidung. Die meisten Faktoren wie Verdienst-
chancen oder die Anwendbarkeit des Fachwissens liegen in                 4%                                       4%
der Regel sowohl im Herkunfts- als auch im Aufnahmekon-
                                                                                                                  6%
text in bestimmter Ausprägung vor und können die Wirkung                  9%
des jeweils anderen ergänzen oder konterkarieren. Gute Ver-                                                  6%
                                                                               5%
dienstchancen im Aufnahmeland etwa hemmen im Vergleich
                                                                                    3%              10%
zum häufig niedrigeren lokalen Gehalt im Herkunftsland die                               9%                            N=174
Entscheidung für eine Rückkehr signifikant.

Da Menschen über unterschiedliche Präferenzsysteme ver-                   Andere                Marokko                China
fügen, ist anzunehmen, dass die Migranten den einzelnen                   Vietnam               Indonesien             Kamerun
Faktoren unterschiedliche Bedeutung beimessen und deren                   Türkei                Äthiopien              Brasilien
Wirkung auf die Rückkehrentscheidung individuell verschie-                Peru                  Ägypten
den ist. Um möglichst breitenwirksame Empfehlungen für                    Pakistan              Kolumbien
die Gestaltung einer Rückehrförderungspolitik entwickeln zu
können, stellte die quantitative Untersuchung unter anderem      Abbildung 1: Hauptherkunftsländer der Rückkehrinteressierten
auf die Identifikation von Faktoren ab, die für eine möglichst   Quelle: eigene Darstellung

große Zahl hochqualifizierter Migranten entscheidungswirk-
sam sind.

Im zweiten Schritt der Untersuchungen nahmen insgesamt
703 zwischen Januar 2004 und Dezember 2009 im PRF re-
gistrierte Hochqualifizierte an einer standardisierten Online-
befragung teil. Anhand von Aussagen zu den unterschiedli-
chen Faktoren beurteilten sie, wie stark sie ihre individuelle
Rückkehrentscheidung beeinflussen. Von den Befragten aus
insgesamt 73 Ländern zählen 174 Personen zur Gruppe der

                                                                                                                                   11
China und Indonesien waren mit 29,78 Prozent und 12,68          Regression erlaubt es, den Einfluss mehrerer erklärender
Prozent auch in der Gruppe der Zurückgekehrten die wich-        Variablen (Rückkehrentscheidungsfaktoren und Kontrollva-
tigsten Herkunftsländer (vgl. Abbildung 2). Deutlich gerin-     riablen wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsland) auf eine
gere Anteile entfallen auf Äthiopien (4,23%), Georgien und      sogenannte Zielvariable (Rückkehrentscheidung) mit zwei
Indien (jeweils 4,02%), Pakistan und Ghana (jeweils 3,82%),     Ausprägungen (Rückkehr in das Herkunftsland und Verbleib
Brasilien und Ägypten (jeweils 3,22%), Vietnam (2,62%),         im Aufnahmeland) zu untersuchen (vgl. Backhaus et al. 2006:
Peru (2,41%), Bolivien (2,21%) sowie Kamerun und die Türkei     426ff. und Hosmer und Lemeshow 2000: 1ff.). In der Analyse
(jeweils 2,01%).                                                gilt der Einfluss eines Faktors auf die Rückkehrentschei-
                                                                dung als statistisch signifikant, wenn die Wahrscheinlichkeit,
                            2%                                  dass er nur zufällig zustande gekommen ist, bei maximal
                                    2%
                                                                5 Prozent liegt (Signifikanzniveau = 0,05). Als Zielvariable
                              3%                                wurde die Rückkehrneigung als Annäherung an die Rückkehr-
               20%                                              entscheidung der Rückkehrinteressierten erhoben. Da die
                                                                Zurückgekehrten ihre Rückkehrentscheidung bereits vor der
                                                                Datenerhebung getroffen hatten und die Rückkehrentschei-
        3%                                    30%               dungsfaktoren somit retrospektiv beurteilten, wurde für sie
        2%
        2%                                                      das regressionsanalytische Verfahren nicht angewendet.
        4%                                                      Mit der zeitlichen Aufeinanderfolge von Ursache (Rückkehr-
                                                                entscheidungsfaktor) und Wirkung (Rückkehrentscheidung)
             13%                                                würde sonst ein konstitutives Merkmal von Ursache-Wir-
                                         3%
                                   4%                           kungs-Beziehung verletzt (vgl. Diaz-Bone 2006: 64).
                     4% 4% 4%                       N=497

         Andere              Indonesien             Ägypten
         Vietnam             Indien                 China
         Türkei              Ghana                  Kamerun
         Peru                Georgien               Brasilien
         Pakistan            Äthiopien              Bolivien

Abbildung 2: Hauptherkunftsländer der Zurückgekehrten
Quelle: eigene Darstellung

Aus den gewonnenen Daten wurden mit Hilfe relativer Häufig-
keiten und anderer statistischer Maßzahlen zwölf besonders
entscheidungsrelevante Faktoren identifiziert. Dabei galten
diejenigen Faktoren als zentral, denen ein bedeutender Anteil
der Befragten einen starken bis sehr starken Einfluss auf
die Rückkehrentscheidung zuwies. Anschließend gab eine
multivariate logistische Regression darüber Aufschluss, ob
die einzelnen Faktoren auf eine Rückkehr der Rückkehrin-
teressierten in das Herkunftsland oder auf ihren Verbleib
im Aufnahmeland hinwirken. Das Verfahren der logistischen

12
v. Ergebnisse

Im Rahmen der quantitativen Untersuchung zeigte sich, dass                  Faktoren Qualifikationsziele, Anwendbarkeit des Fachwissens
insbesondere soziale und ökonomische Einflussgrößen wie                     und Arbeitsplatzausstattung können als besondere Aspekte der
familiäre Beziehungen oder Lohnunterschiede zwischen Auf-                   Rückkehrentscheidung hochqualifizierter Migranten im Vergleich
nahme- und Herkunftsland den Ausgang der Rückkehrentschei-                  zu der Rückkehrentscheidung anderer Migranten angesehen
dung hochqualifizierter Migranten bestimmen. Jeweils fünf der               werden. Neben den zentralen Faktoren gehen im Folgenden mit
insgesamt zwölf zentralen Rückkehrentscheidungsfaktoren                     der Rückkehroption und Arbeitsplatzausstattung zwei zusätz-
zählen zu den sozialen oder ökonomischen Faktoren und je                    liche Faktoren in die Betrachtung mit ein. Ihnen konnte zwar
einer zu den fachlichen und zu den kulturellen Faktoren. Die                nur ein untergeordneter Einfluss auf die Rückkehrentscheidung

Abbildung 3:
    sehr stark                                          Rückkehroption          13                   14             12                  16                                         44
Einfluss
    stark Rückkehrent-
         der                                   Gefühl der Zugehörigkeit                   19                             34                                           27                          14                   6
scheidungsfaktoren auf
die mäßig                                       Arbeitsplatzausstattung               18                       18                    20                               19                           26
    Rückkehrentscheidung
    schwach
Rückkehrinteressierter                 Anwendbarkeit des Fachwissens                            32                                           40                                         16                   6        6

   überhaupt nicht                               Kosten einer Rückkehr          11                       20                   19                         19                                   31

   sehr stark                                           Rückkehroption
                                                      Soziale Sicherung                   24
                                                                                          26                        15        28     12                11         21                    38
                                                                                                                                                                                         13                      12

   stark                                       Gefühl Qualifikationsziele
                                                       der Zugehörigkeit                  24        36                          34            33                            27 13                 10 11               83

   mäßig                                        Arbeitsplatzausstattung
                                                       Erwerbschancen                16 22                     22                  42        24                            16 20                       21
                                                                                                                                                                                                        10             7

   schwach                            Anwendbarkeit
                                 Lohnunterschiede    des Fachwissens
                                                  zwischen AL und HL                      23 31                            30                39                   23                   18 14                 1010 2

   überhaupt nicht                               Kosten
                                           Berufliche   einer Rückkehr
                                                      Aufstiegschancen           16            29              25             23                  25             21               20 14                      1314

                                             AnsehenSoziale Sicherung
                                                     von Rückkehrern            11        22                  29         27                                 38 31                             10
                                                                                                                                                                                              13                 10
                                                                                                                                                                                                                  9

                                                     Qualifikationsziele
                             Praktischer Nutzen familiärer Beziehungen          13             29         20                       2927                                     24
                                                                                                                                                                           18                      11
                                                                                                                                                                                                    21                7

                                                      Erwerbschancen
                            Emotionaler Nutzen familiärer Beziehungen                      2530                                    2739                               19          22        12          7 12 7

                                 Lohnunterschiede
                               Wunsch             zwischen AL und
                                      nach Entwicklungsbeitrag im HL                   21                45              30                                 32 25                                 17
                                                                                                                                                                                                 16               56 1

                                           Berufliche Aufstiegschancen 0                   25        20                  23 40                              6029                       80 13                      11 100

                                             Ansehen von Rückkehrern                 17                                  37                                            28                          9               9

    sehr stark
Abbildung 4:                 Praktischer Nutzen familiärer Beziehungen
                                                        Rückkehroption                    22
                                                                                          24                        1524             12                11 27                             17
                                                                                                                                                                                        38                       10

    starkder Rückkehrent-
Einfluss                    Emotionaler NutzenGefühl
                                               familiärer Beziehungen
                                                     der Zugehörigkeit                    2428                                  27
                                                                                                                                34                                    21    27               14         11 10 3
scheidungsfaktoren
    mäßig           auf        Wunsch nach Entwicklungsbeitrag im HL
                                              Arbeitsplatzausstattung                16                        53
                                                                                                               22                            24                       25 16                        18
                                                                                                                                                                                                   21                  31
die Rückkehrentscheidung
    schwach                            Anwendbarkeit des Fachwissens 0                          31   20                       40             39             60                          80
                                                                                                                                                                                       18                    10           100
                                                                                                                                                                                                                           2
Zurückgekehrter
    überhaupt nicht                              Kosten einer Rückkehr                         29                             23                                 21                     14                       14

   sehr stark                                         Soziale Sicherung
                                                        Rückkehroption                    22
                                                                                           24                       15 27            12                11         31                    38 10                    10

   stark                                       Gefühl Qualifikationsziele
                                                       der Zugehörigkeit                  2429                                  3429                                       2427                    1111               73

   mäßig                                               Erwerbschancen
                                                Arbeitsplatzausstattung              16 25                     22                    39      24                            16 22                       217            7

   schwach                       Lohnunterschiede zwischen
                                      Anwendbarkeit        AL und HL
                                                     des Fachwissens                   21 31                             30                  39                  25                    18        17          10 6 2

   überhaupt nicht                         Berufliche Aufstiegschancen
                                                 Kosten einer Rückkehr                     2529                          23 23                                   29
                                                                                                                                                                 21                     14 13                    1411

                                             AnsehenSoziale
                                                     von Rückkehrern
                                                            Sicherung                17 22                               37
                                                                                                                         27                                       31 28                          109              9
                                                                                                                                                                                                                 10

                             Praktischer Nutzen familiärer Beziehungen
                                                     Qualifikationsziele                  22 29                      24            29                       27             24               17     11            107

                            Emotionaler Nutzen familiärer Beziehungen
                                                      Erwerbschancen                       2528                                 27 39                                 21          22         14         7        107

                               Wunsch nach Entwicklungsbeitrag
                                 Lohnunterschiede              im HL
                                                  zwischen AL und                      21                      53        30                                      2525                            1718                 63 1

                                           Berufliche Aufstiegschancen 0                   25        20                  23 40                              6029                       80 13                      11 100

                                            Ansehen
Anmerkung: Aufgrund von Rundungsfehlern weichen      von Rückkehrern
                                                die kumulierten              17
                                                                relativen Häufigkeiten          37
                                                                                       mancher Faktoren               28
                                                                                                        um einen Prozentpunkt      9
                                                                                                                              von 100%  9
                                                                                                                                       ab.
                            Praktischer Nutzen familiärer Beziehungen           22             24               27             17      10

                            Emotionaler Nutzen familiärer Beziehungen                          28                               27                                    21                     14                  10
                                                                                                                                                                                                                       13
                               Wunsch nach Entwicklungsbeitrag im HL                                           53                                                     25                           18                  31
                                                                            0                        20                       40                            60                          80                                100
nachgewiesen werden, jedoch beinhalten sie rückkehrförde-         • Als zentrale Rückkehrentscheidungsfaktoren erweisen sich
rungspolitisch relevante Aspekte. Abbildung 3 und Abbildung 4       familiäre Beziehungen der Migranten im Herkunftsland. Insbe-
veranschaulichen, welchen Einfluss die Rückkehrinteressierten       sondere den emotionalen Nutzen familiärer Beziehungen sehen
und Zurückgekehrten den jeweiligen Faktoren zuschreiben.            die Befragten als wichtigen Grund, in ihre Herkunftsländer
                                                                    zurückzukehren. Ein äthiopischstämmiger Befragter sagte: „In
Soziale Faktoren                                                    our country, no matter what, you are very close to your pa-
                                                                    rents, to your sisters, to your brothers. They always ask you
Als Faktoren, deren Einfluss von der sozialen Umgebung der          to be with them – all the time. And that’s how we grow up. I
Migranten ausgeht, bestimmen der Wunsch nach einem Ent-             cannot stay here and say, no, dad or mom, I am not coming
wicklungsbeitrag im Herkunftsland sowie der emotionale und          home.” Als zentral beurteilen 55 Prozent der Rückkehrinter-
praktische Nutzen familiärer Beziehungen, berufliche Aufstiegs-     essierten und 57 Prozent der Zurückgekehrten den Faktor, der
chancen und die Einstellung der Herkunftsgesellschaft gegen-        einen signifikant positiven Effekt auf die Rückkehrentschei-
über Rückkehrern die Rückkehrentscheidung hochqualifizierter        dung aufweist. Den praktischen Nutzen familiärer Beziehungen
Migranten mit.                                                      im Herkunftsland, wie z.B. die Pflege der Eltern im Alter oder
                                                                    die Betreuung von Kindern, nennen vor allem die Rückkehrin-
• Der Wunsch nach einem Entwicklungsbeitrag im Herkunfts-           teressierten (46 %) als wichtigen Faktor, aber nur 33 Prozent
  land stellt für einen Großteil der Befragten einen rele-          der Zurückgekehrten. Auch seine positive Wirkung scheint
  vanten Rückkehrentscheidungsfaktor dar: 78 Prozent der            regressionsanalytisch bestätigt, allerdings lag hier kein sig-
  Rückkehrinteressierten und 77 Prozent der Zurückgekehrten         nifikanter Effekt vor. Als Erklärung des Einflusses familiärer
  gaben an, in sehr starkem oder starkem Maße zurückkehren          Beziehungen liegt ihre Bedeutung für die soziale Integration
  zu wollen, um mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten den           der Migranten nahe: Das Ausmaß und die Qualität sozialer
  Fortschritt ihres Landes zu unterstützen. Kern des Wunsches       Netzwerke wie die Familie bestimmen Effizienz und Stabilität
  nach einem Entwicklungsbeitrag im Herkunftsland scheint           gesellschaftlicher Positionen. Sie vermitteln nicht nur Gefühle
  Loyalität gegenüber der Herkunftsgemeinschaft und -­ gesell-      gesellschaftlicher Akzeptanz, des Zu-Hause-Seins und der
  schaft zu bilden (vgl. Parsons 1985:22ff.): „I have the moral     Sicherheit, sondern auch soziales Kapital, das etwa die Si-
  obligation to go back home and help my country […] I was          cherung der ökonomischen Lebensgrundlage erleichtern kann
  sent to school to help first myself and then my family and        (vgl. Davids und van Houte 2008: 175).
  of course my country. So I have to go […] and contribute
  to the development of my country”, erklärte ein äthiopischer    • Ansehen von Rückkehrern: Die Rückkehr hochqualifizierter
  Befragter. Die Wirkung des Faktors könnten also Mitmen-           Migranten wird von einer positiven Einstellung der Her-
  schen oder Institutionen im Herkunftsland begründen, die von      kunftsgesellschaft, insbesondere auch der aktuellen Regie-
  den Migranten eine Rückkehr und einen Entwicklungsbeitrag         rung gegenüber Rückkehrern, stark begünstigt. Sie spiegelt
  erwarten und deshalb an sie vielleicht sogar für eine Rück-       die Chancen auf erfolgreiche Reintegrations- und Aufstiegs-
  kehr appellieren. Zudem könnte auch von sozialem Prestige,        chancen eines Rückkehrers wider. Erachtet die Herkunftsge-
  das mit der Ausübung einer entwicklungsrelevanten Tätigkeit       sellschaft Rückkehrer etwa als Versager oder eine Rückkehr
  einhergeht, ein Anreiz zur Rückkehr ausgehen. Von gesell-         als Fehler, können der Zugang zu sozialen Netzwerken und
  schaftlicher Anerkennung werden auch die Möglichkeiten            damit die Reintegration erschwert werden (vgl. Davids und
  einer erfolgreichen Reintegration bestimmt. Die logistische       van Houte 2008: 185). Rückkehrinteressierte berichten zum
  Regression verweist zusätzlich auf die Gültigkeit der positi-     Teil auch, dass die kritische Haltung von Regierungsver-
  ven Wirkungsrichtung des Faktors, wobei das Ergebnis vor          tretern gegenüber der Diaspora ein Rückkehrhemmnis in
  dem Hintergrund eines nicht signifikanten Effektes betrachtet     spezifischen politischen Kontexten darstellt. Insbesondere
  werden muss.                                                      dann, wenn Rückkehrer als potenziell illoyal oder oppositi-

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onell angesehen werden. Ein beachtlicher Teil der Befragten         müsse er durch zusätzlichen Verdienst kompensieren. Die
  erwartet jedoch, als Rückkehrer im Herkunftsland angese-            Wirkung der unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten könnte
  hen zu sein: 54 Prozent der Rückkehrinteressierten und 40           demnach auch auf die Bedeutung einer stressresistenten
  Prozent der Zurückgekehrten fühlen sich dadurch stark oder          wirtschaftlichen Lebensgrundlage als Voraussetzung erfolg-
  sehr stark zur Rückkehr ermutigt. Die Regressionsanalyse            reicher Reintegration im Herkunftsland zurückzuführen sein
  bestätigte zwar den positiven Einfluss des Faktors auf die          (vgl. Davids und van Houte 2008: 174). Insgesamt schreibt
  Rückkehrentscheidung, allerdings wurde auch hier kein signi-        über die Hälfte (jeweils 53%) der Rückkehrinteressierten und
  fikanter Effekt erzielt.                                            Zurückgekehrten dem Faktor einen starken bis sehr starken
                                                                      Einfluss zu. Zusätzlich ergab die Regressionsanalyse, dass
• Berufliche Aufstiegschancen sind Ausdruck der Durchlässig-          ein Lohngefälle zwischen Aufnahme- und Herkunftsland einen
  keit des Arbeitsmarktes und damit der Möglichkeiten sozialer        signifikant negativen Effekt auf die Rückkehrentscheidung
  Mobilität. Als Aspekt gesellschaftlicher Integration fördern        ausübt.
  begrenzte Aufstiegschancen im Aufnahmeland bei gleichzei-
  tiger Erwartung guter Aufstiegschancen im Herkunftsland           • Auch Erwerbschancen im Aufnahmeland zählen zu den zen-
  die Rückkehr hochqualifizierter Migranten. So schreiben             tralen Rückkehrentscheidungsfaktoren. Ein Befragter nannte
  48 Prozent der Rückkehrinteressierten und 41 Prozent der            die mangelnde Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit in Deutsch-
  Zurückgekehrten geringen beruflichen Aufstiegschancen einen         land als einen Grund, der für eine Rückkehr spricht: „Ich
  starken Effekt auf ihre Rückkehrentscheidung zu. Anhand der         suche hier seit 2007 eine Arbeit, und ich möchte so schnell
  logistischen Regression konnte der Wirkungszusammenhang             wie möglich eine Stelle aufnehmen. […] Eigentlich ist es egal,
  jedoch nicht bestätigt werden. Innerhalb der zentralen Rück-        wo, aber wenn ich eine Stelle in Äthiopien bekommen könnte,
  kehrentscheidungsfaktoren im Rahmen der Studie kommt den            würde ich dort gerne arbeiten.“ Unzureichende Erwerbschan-
  beruflichen Aufstiegschancen daher eher eine untergeordnete         cen in Deutschland werden immer wieder von Teilnehmern
  Bedeutung zu.                                                       des Programms als Faktor für die Rückkehrentscheidung
                                                                      genannt. Ebenso relevant sind Erwartungen guter berufli-
Ökonomische Faktoren                                                  cher Chancen im Herkunftsland. Ein äthiopischer Doktorand
                                                                      erklärte: „If you finished a PhD and go back home you have
Lohnunterschiede zwischen Aufnahme- und Herkunftsland,                several opportunities to get employed. […] I am not worried
Erwerbschancen im Herkunftsland, Systeme sozialer Sicherung,          to find a job in governmental or non-governmental organi-
Qualifikationsziele im Aufnahmeland sowie die Kosten einer            zations”. Solch positive Einschätzungen der Erwerbschancen
Rückkehr zählen zu den ökonomisch begründbaren Einflussgrö-           bestärken einen Großteil der Befragten in einer Rückkehr: je
ßen der Rückkehrentscheidung hochqualifizierter Migranten.            64 Prozent der Rückkehrinteressierten und Zurückgekehr-
                                                                      ten sehen darin einen starken oder sehr starken Faktor. Die
• Lohnunterschiede zwischen Aufnahme- und Herkunftsland               Regressionsanalyse verweist auf die Gültigkeit des Faktorein-
  erwiesen sich als ein wichtiger Rückkehrentscheidungsfaktor.        flusses, wobei kein signifikanter Effekt vorliegt.
  So hemmen geringere Verdienstchancen im Herkunftsland
  die Entscheidung, zurückzukehren: „Still you cannot compare       • Nicht erreichte Qualifikationsziele im Aufnahmeland sind eine
  the salaries in India and in Germany. So that’s one of the          zentrale Ursache von Verbleibtendenzen hochqualifizierter
  veridical critics […] If the salary is comparable, there are no     Migranten. Der Erwerb zusätzlicher beruflicher Qualifikati-
  other issues”, erklärte ein Interviewpartner. Die Maximierung       on scheint demnach einen wichtigen Zweck des Aufenthalts
  des individuellen Nutzens stellt dabei eine mögliche Begrün-        im Aufnahmeland darzustellen. Entsprechend erklärte der
  dung dar (vgl. Haug 2000: 5). Ein anderer Befragter sagte           indischstämmige Befragte: “If you want to be in a good
  aber auch, die Einkommenseinbußen im Falle einer Rückkehr           position in India, […] you have to get at least 2–5 years work

                                                                                                                                  15
experience. If you return back to India immediately after PhD,           den. Dem Faktor liegt die Annahme zugrunde, Kosten des
    it is difficult to find a good job. It will be a less lucrative job.     Transports von Personen und Sachgütern in das Herkunfts-
    I think […] that you should have enough experience – that is             land hemmten die Entscheidung, zurückzukehren.
    what I am building on.” Laut dem Befragten ist eine ausrei-
    chende Qualifikation von Bedeutung, um nach der Rückkehr               Fachliche Faktoren
    in das Herkunftsland gute Erwerbs- und Verdienstchancen
    zu haben. Mit 58 Prozent der Rückkehrinteressierten und 69             Bei ihrer Entscheidung zwischen Rückkehr in das Herkunfts-
    Prozent der Zurückgekehrten, die noch nicht oder noch nicht            land und Verbleib im Aufnahmeland berücksichtigen hoch-
    vollständig erreichten Qualifikationszielen im Aufnahme-               qualifizierte Migranten auch die Bedingungen ihrer fachlichen
    land einen starken Einfluss auf ihre Rückkehrentscheidung              Tätigkeit. Entscheidender Einfluss kommt dabei der Anwend-
    beimessen, hat der Faktor auch insgesamt große Bedeu-                  barkeit des Fachwissens zu (vgl. z.B. Gibson und McKenzie
    tung. Den negativen Wirkungszusammenhang zwischen nicht                2011: 11). Der Ausstattung des Arbeitsplatzes messen die
    erreichten Qualifikationszielen und der Rückkehrentscheidung           Befragten keine zentralen, aber dennoch eine relevante Be-
    bestätigt die Regressionsanalyse, doch weist der Effekt keine          deutung für ihre Rückkehrentscheidung bei.
    Signifikanz auf.
                                                                           • Die Rückkehrentscheidung hochqualifizierter Migranten
•   Als zentrale Ursache von Verbleibtendenzen zeigt sich auch               hängt entscheidend von der Anwendbarkeit des Fachwissens
    die meist größere soziale Sicherheit im Aufnahmeland. Eine               im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit im Herkunftsland ab.
    Teilnehmerin des Fokusgruppeninterviews sagte auf die Frage              Für den indischstämmigen Befragten sprechen die man-
    hin, was sie in Deutschland halte: „Klar, auch diese Sicher-             gelnde Möglichkeit, seine Qualifikation zu nutzen, sowie
    heit […]. Das, was es in Georgien so nicht gibt: Sicherheit des          starre Arbeitsstrukturen im Herkunftsland gegen eine
    Einkommens, Sicherheit der gesundheitlichen Versorgung,                  Rückkehr:
    der Krankenkasse usw. […] Sicherheit wird einfach großge-                „If an expert will return […] depends on, if he can apply his
    schrieben“. Da die Erwerbsfähigkeit eines Individuums unter              expertise or not […]. The problem is […] when you go back
    anderem von dessen physischer Kondition abhängt, ist die                 it will not be professionally satisfying […] because some
    Absicherung gegen soziale Risiken wie Krankheit, Alter, aber             people in India may not understand what you are going to
    auch Arbeitslosigkeit ein wichtiger Aspekt der ökonomischen              do […]. The head will tell you what to do, and you cannot
    Integration in einer Gesellschaft (vgl. Davids und van Houte             really do your own thing […]. I am getting such news from
    2008: 174). Besteht im Aufnahmeland ein ausgeprägtes                     other people who returned. Braindrain is better than brain
    System sozialer Sicherung, wirkt sich ein Defizit an sozialer            in the drain”. Insgesamt gehen hochqualifizierte Migranten
    Sicherheit im Herkunftsland negativ auf die Rückkehrent-                 mehrheitlich davon aus, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten
    scheidung aus. Als sehr starken oder starken Einfluss er-                im Herkunfts­land einsetzen zu können: 70 Prozent der
    achten 49 Prozent der Rückkehrinteressierten und 54 Prozent              Rückkehrinteressierten und 72 Prozent der Zurückgekehrten
    der Zurückgekehrten den Faktor, was der signifikante Effekt              sehen ihre Rückkehrentscheidung davon stark begünstigt.
    zusätzlich untermauert.                                                  Auch im Rahmen der Regressionsanalyse erzielten die
                                                                             positiven Erwartungen einen signifikanten Effekt auf die
• Die Kosten einer Rückkehr sind ein weniger zentraler und                   Rückkehrentscheidung.
    fundierter Faktor. Zwar sehen 52 Prozent der Rückkehrinter-
    essierten in ihm einen Grund, der gegen die Rückkehr in das            • Eine adäquate Ausübung der fachlichen Tätigkeit setzt auch
    Herkunftsland spricht, jedoch nur 33 Prozent der Zurückge-               eine angemessene Arbeitsplatzausstattung voraus. In den
    kehrten. Zudem konnte anhand logistischer Regression der                 Herkunftsländern der Befragten fehlen teilweise technische
    rückkehrhemmende Einfluss der Kosten nicht bestätigt wer-                Gerätschaften, Räumlichkeiten oder Fachliteratur. Ein äthi-

16
opischstämmiger Befragter führte die unzureichende Ar-          Politisch-rechtlicher Faktor
  beitsplatzausstattung als einen hemmenden Faktor für die
  Inwertsetzung des Wissens an. Das PRF fördert ausgehend         Für hochqualifizierte Migranten ist zudem die Möglichkeit
  von solchen Einschätzungen gezielt die technische Ausstat-      entscheidend, nach einer langfristigen Rückkehr in das Her-
  tung von Arbeitsplätzen, die von Fachkräften eingenommen        kunftsland erneut in das ehemalige Aufnahmeland einreisen
  werden, die in entwicklungsrelevanten Bereichen arbeiten.       oder zuwandern zu können. Das Fehlen einer Rückkehroption
                                                                  in die Aufnahmegesellschaft bzw. eine rechtlich erschwerte
Kultureller Faktor                                                Neueinreise scheint daher die Rückkehrneigung mancher Mi-
                                                                  granten zu schwächen. Die Fokusgruppenteilnehmer erklär-
Das Gefühl der Zugehörigkeit zur Herkunftsgesellschaft zählt      ten, ihr durch soziale Beziehungen motivierter Wunsch, nach
sowohl für die Rückkehrinteressierten als auch für die Zu-        Deutschland zurückzukommen, sei unter anderem aufgrund
rückgekehrten zu den zentralen Faktoren, die eine Rückkehr        migrationspolitischer Hürden schwer zu realisieren: „Das ist
fördern. Verschiedene Interviewpartner erklärten das Zuge-        das Problem der Politik, dass wir gerne überall in Europa
hörigkeitsgefühl mit ihrer kulturellen Identität. Ein Äthiopier   frei reisen können möchten […]. Es ist Fakt, dass der Weg
sagte: „I feel comfortable, when I am with my own people.         zurück nach Deutschland, um Kontakte zu pflegen, schwie-
I can easily communicate. There are people with whom you          riger sein wird, als wenn man in Deutschland wohnt und die
can talk about your problems. It is your country in any case;     Kontakte nach Georgien pflegt.“
it is a feeling of belonging”. Die kulturelle Identität als das
Empfinden oder Bewusstsein von Individuen, gemeinsam einer        In Deutschland erlischt das Aufenthaltsrecht eines Dritt-
kollektiven Einheit anzugehören, beinhaltet gesellschafts-        staatsangehörigen derzeit in der Regel dann, wenn er durch-
spezifische Kulturmerkmale wie Kommunikation, gemeinsam           gehend länger als sechs Monate vom deutschen Bundesge-
geteilte Normen und Werte, Symbole und Traditionen (vgl. Mc-      biet abwesend ist (§ 51 (1) AufenthG). Rückkehrer, die nicht
Quail 1994: 95 und Hillmann 1994: 422, 460). Sie verleiht den     die Staatsangehörigkeit eines EU-Landes besitzen, benötigen
Mitgliedern Kommunikations- und Handlungsfähigkeit, eine          bei Wiedereinreise in das Bundesgebiet ein Visum oder eine
wichtige Voraussetzungen erfolgreicher sozialer Integration       neue Aufenthaltserlaubnis. Da ungewiss ist, ob die deutschen
(vgl. Heckmann 2006: 15f.). Das Gefühl der Migranten, zur         Behörden einen solchen Aufenthaltstitel erneut erteilen, ist
Herkunftsgesellschaft zu gehören, fördert eine Rückkehr da-       die Möglichkeit, nach Deutschland zurückzukehren, nicht
her nicht nur aufgrund einer wertbasierten emotionalen Nähe       gesichert. Die Analyse ergab für die Rückkehrinteressierten
zu den Mitmenschen. Auch die Aussicht auf eine einfachere         sowie Zurückgekehrten keinen eindeutigen Faktoreinfluss.
Integration im Herkunftsland als im Aufnahmeland könnte die       Beide Gruppen gaben am häufigsten an, eine fehlende Rück-
Wirkung erklären. Das Gefühl der Zugehörigkeit betrachten         kehroption übe keinen Einfluss auf ihre Rückkehrentscheidung
56 Prozent der Rückkehrinteressierten und 53 Prozent der          aus. Da aber mit fast 40 Prozent der Rückkehrinteressierten
Zurückgekehrten als zentralen Faktor. Regressionsanalytisch       ein bedeutender Anteil der befragten potenziellen Rück-
konnte der rückkehrförderliche Effekt ebenfalls nachgewiesen      kehrer dem Faktor einen starken oder sogar sehr starken
werden, er war jedoch nicht signifikant.                          negativen Einfluss auf ihre Rückkehrentscheidung beimisst,
                                                                  besitzt er dennoch rückkehrförderungspolitische Bedeutung.
                                                                  Die bestehende Gesetzeslage wirkt sich insbesondere auf
                                                                  temporäre und zirkuläre Einsätze internationaler Fachkräfte
                                                                  kontraproduktiv aus, die ausgehend von einem sich immer
                                                                  weiter globalisierenden Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeu-
                                                                  tung gewinnen.

                                                                                                                             17
vi. E
     mpfehlungen für entwicklungsorientierte
    Wissenstransfer-Programme

Beim Aufbau nachhaltiger Kapazitäten kann der Know-how-          • Möglichkeit zu einem Entwicklungsbeitrag im Herkunfts-
Transfer aus Industrienationen in Entwicklungs-, Transforma-       land schaffen: Hochqualifizierten Migranten sollte die Mög-
tions- und Schwellenländer durch Rückkehrende Fachkräfte           lichkeit geboten werden, nach der Rückkehr in das Her-
eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist mitentscheidend, ob         kunftsland entwicklungswirksam tätig zu sein. Auf diese
hochqualifizierte Migranten sich für eine Rückkehr aus             Weise können die Migranten den Loyalitätsansprüchen oder
entwicklungsrelevanten Motiven entscheiden. Die in der             -erwartungen der Herkunftsgesellschaft gerecht werden
Untersuchung identifizierten Faktoren, die eine Rückkehr           und durch den einhergehenden Prestigegewinn ihre Chan-
beeinflussen, bieten entwicklungsorientierten Programmen           cen auf erfolgreiche Reintegration erhöhen. Die Vermittlung
verschiedene Ansatzpunkte, den Wissenstransfer zu fördern.         von Arbeitsplätzen in entwicklungswichtigen Bereichen
Grundsätzlich sollte ein Instrumentarium auf gute Integra-         und strategischen Positionen bietet besondere Chancen für
tionschancen in der Herkunftsgesellschaft abzielen. Zudem          einen wirkungsvollen Beitrag. Damit wird nicht nur dem
ist zu empfehlen, soziale und ökonomische Einflussgrößen           Wunsch nach einem Entwicklungsbeitrag im Herkunfts-
zu fokussieren. Im Vergleich zu kulturellen, fachlichen und        land entsprochen. Gleichzeitig kann damit ein Einkommen
politisch-rechtlichen Faktoren scheinen sie für die Rückkehr-      gewährleistet und so zur Sicherung der wirtschaftlichen
entscheidung besonders bedeutend.                                  Lebensgrundlage im Herkunftsland beigetragen werden. Der
                                                                   Ansatz des PRF, Rückkehrer gezielt auf entwicklungspoli-
Mit Blick auf die einzelnen Faktoren lassen sich Empfeh-           tisch relevante Stellen zu vermitteln, finanziell zu fördern
lungen für die Entwicklung verschiedener Maßnahmen zur             und zu vernetzen, hat dementsprechend einen doppelten
Förderung des Wissenstransfers über eine Rückkehr ablei-           positiven Effekt: Zum einen wird sichergestellt, dass die
ten. Dabei gilt es, die Wirkungsmechanismen der Faktoren           geförderten Fachkräfte aktiv ihre Fähigkeiten für die Ent-
zu nutzen: Der Effekt rückkehrförderlicher Faktoren ist zu         wicklung wichtiger Bereiche ihrer Gesellschaft einsetzen.
verstärken und dem rückkehrhemmender Faktoren entgegen-            Zum anderen werden die Reintegration sowie der fachliche
zuwirken. Wie die folgenden Empfehlungen zeigen, stellt das        und soziale Austausch der Teilnehmer selbst gefördert. Von
Instrument der Arbeitsplatzvermittlung ein effektives Mittel       CIM etablierte innovative Maßnahmen, wie beispielsweise
dar, mit dem eine relevante „Hebelwirkung“ erzeugt werden          die Förderung der Diaspora, die sich in Migrantenvereini-
könnte. Es beinhaltet die Möglichkeit und die Herausforde-         gungen organisiert und entwicklungsorientierte Projekte
rung, eine Mehrzahl unterschiedlicher Faktoren wie einen           aus Deutschland heraus in ihren Herkunftsländern umsetzt,
Entwicklungsbeitrag im Herkunftsland, Erwerbschancen oder          flankieren Instrumente wie das PRF und setzen das Poten-
die Anwendung des Fachwissens gleichzeitig abzudecken.             zial qualifizierter Migranten, die langfristig in Deutschland
Während die Vermittlung von Arbeitsplätzen individuell bei         verbleiben wollen, zusätzlich in Wert. Ähnliches gilt für pri-
potenziellen Rückkehrern ansetzt, kann indirekt auch durch         vatwirtschaftliche Bereiche, beispielsweise wenn Rückkeh-
Förderung der Wirtschaft oder von Unternehmensgründungen           rende Fachkräfte wie im Fall Marokko und Kamerun dabei
in den Herkunftsländern und die Vernetzung von Fachkräften         unterstützt werden, Unternehmen in ihren Herkunftsländern
die Rückkehr gefördert werden. So schuf beispielsweise die         zu etablieren, und dadurch nicht nur Arbeitsplätze schaf-
taiwanesische Regierung mit der Einrichtung des „Hsinchu           fen, sondern auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen
Science Park“ attraktive Arbeitsplätze und erreichte damit         dem Herkunfts- und Aufnahmeland stärken können.
die Rückkehr vieler hochqualifizierter Staatsbürger (vgl. New-
land und Patrick 2004: 12). Da der emotionale und praktische     • Ansehen von Rückkehrern verbessern: Anhand von Maßnah-
Nutzen familiärer Beziehungen im Herkunftsland einer rück-         men zur Verbesserung des sozialen Ansehens von Rück-
kehrförderungspolitischen Gestaltung nur bedingt zugänglich,       kehrern im Herkunftsland kann unter anderem der Zugang
vor allem aber operativ kaum umsetzbar wäre, wird von einer        zu dortigen sozialen Netzwerken und deren Ressourcen
Empfehlung zur Operationalisierung des Faktors abgesehen.          erleichtert werden. Die Rückkehrförderungspolitik kann auf

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