BIERGERKOMMITEE LËTZEBUERG 2050 UNSERE EMPFEHLUNGEN AN DIE POLITIK - AUF DEM WEG ZU EINEM KLIMANEUTRALEN TERRITORIUM - Gouvernement ...
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LUXEMBOURG IN TRA N S I T I O N VISIONS TERRITORIALES POUR LE FUTUR DÉCARBONÉ ET RÉSILIENT D’UN ESPACE TRANSFRONTALIER BIERGERKOMMITEE LËTZEBUERG 2050 UNSERE EMPFEHLUNGEN AN DIE POLITIK AUF DEM WEG ZU EINEM KLIMANEUTRALEN TERRITORIUM
Inhalt Vorwort von Claude Turmes, Minister für Energie und Raumentwicklung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050: Auftrag und Arbeitsweise .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Leitlinien für den Wandel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Stärken und Schwächen des Landes auf dem Weg zur Klimaneutralität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 44 Empfehlungen für ein klimaneutrales Territorium .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wie es weiter geht: Aktive Einbeziehung der BürgerInnen! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Herausgeber: Ministerium für Energie und Raumentwicklung, Abteilung für Raumentwicklung Inhalt und Text: Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 Koordination und Redaktion: Stoldt Associés Luxemburg, 2022 www.luxembourgintransition.lu
VORWORT Im Juni 2020 startete die internationale städtebau- unparteiisch zu arbeiten, erreicht wurde: Diese Empfeh- lich-architektonische und landschaftliche Konsultation lungen spiegeln eine Vielfalt von Vorschlägen wider, für „Luxembourg in Transition“ (LIT) mit dem Ziel, Szena- die sich die Bürger selbst engagiert haben. rien zu entwickeln, wie die Landesplanung dazu beitragen kann, Luxemburg bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Von Ein herzliches Dankeschön an alle Mitglieder des BK2050 Beginn an war für mich klar, dass dies nicht ohne die Ein- für ihre Hingabe und ihr Engagement während des gesam- beziehung der Bürger erfolgen sollte. ten Konsultationsprozesses! Aus diesem Grund hatte ich beschlossen, das Biergerkom- Mein Dank gilt auch Jürgen Stoldt und seinem Team, die mitee Lëtzebuerg 2050 (BK2050) einzuberufen. Parallel zu die gesamte Arbeit des BK2050 mit Begeisterung moderiert den drei Ausschüssen der Konsultation war es die Aufgabe und betreut haben. der 30 Bürger, die von den LIT-Teams vorgeschlagenen Szenarien offen zu diskutieren, eigene Ansichten einzu- Das BK2050 wurde von einem wissenschaftlichen Aus- bringen und eigene Empfehlungen auszuarbeiten. Diese schuss begleitet, der die Dynamik dieses außergewöhn- werden dann bei der Ausarbeitung des neuen Raumord- lichen Bürgerprozesses verfolgt und analysiert hat. Mein nungsprogramms (PDAT) berücksichtigt. herzliches Dankeschön geht auch an die Mitglieder dieser Begleitgruppe. Wenn wir über die Zukunft unseres Landes sprechen, müs- sen wir Frauen und Männern aller Altersgruppen, die in Die vom BK2050 gewonnenen Erkenntnisse werden in unserem Land leben oder arbeiten, die Möglichkeit geben, meine Überlegungen und in die Überlegungen der Abtei- zu diesen Themen Stellung zu nehmen und ihre Meinung lung für Raumplanung einfließen, um in Zukunft einen zu äußern. dauerhaften Bürgerkonsultationsprozess bei der Landes- planung einzuführen. Das BK2050 war der Startschuss auf dem Weg zu einer aktiven Bürgerbeteiligung in Luxemburg. Mein Wunsch Die wertvollen Erfahrungen aus dem BK2050 werden war es, dass das BK2050 während des gesamten Prozes- darüberhinaus in den neu geschaffenen Klima-Biergerrot ses zu einem echten Laboratorium der partizipativen und (KBR) mit einfließen, der im Rahmen der luxemburgischen ko-kreativen Demokratie wird. Ein Labor, in dem jedes Klimapolitik eingerichtet wurde. Mitglied, frei von politischen Zwängen und in völliger Unabhängigkeit, die Rolle der Landesplanung beim Klima- schutz diskutieren und konkrete Lösungsvorschläge aus- arbeiten konnte. Nur so können wir dem Klimawandel und seinen unbestreitbaren Auswirkungen auf Luxemburg und auf seine natürlichen Ressourcen entgegenwirken. Claude Turmes Die auf den folgenden Seiten wiedergegebenen Empfeh- Minister für Energie und Raumentwicklung lungen beweisen, dass das Ziel des BK2050, autonom und Januar 2022 Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 3
DAS BIERGERKOMMITEE LËTZEBUERG 2050 : AUFTRAG UND ARBEITSWEISE Von Januar 2021 bis Januar 2022 arbeiteten 30 BürgerInnen im Auftrag des Ministeriums für Energie und Raumentwicklung an Empfehlungen, wie sich das „grenzüberschreitende, funktionale Territorium Luxemburgs“ entwickeln muss, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Auf den folgenden Seiten finden sich die wichtigsten Informationen über den Ablauf dieser Bürgerbeteiligung und die Ergebnisse, zu denen das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 bei seiner Arbeit gekommen ist. Der Rahmen: Luxembourg in Transition Auftraggeber Das Biergerkommitee war ein Teil der Initiative Luxembourg in Der Auftraggeber der Bürgerbeteiligung war das Ministe- Transition (LIT). Dabei handelt es sich um ein umfangreiches rium für Energie und Raumentwicklung, Abteilung für Raum Projekt zur Entwicklung landes- und stadtplanerischer, entwicklung (Département de l’aménagement du territoire, architektonischer, wirtschaftlicher und ökologischer Szena- DATer). Das Ministerium hat zu keinem Zeitpunkt auf den rien. Im Kern steht die Frage, wie sich das Territorium Luxem- Ablauf des Prozesses eingewirkt und sich darauf beschränkt, burgs und die Grenzregionen entwickeln können, um bis 2050 die Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Der Minister für Ener- CO2–Neutralität zu erreichen. LIT wurde im September 2020 gie und Raumentwicklung Claude Turmes hatte jedoch drei gestartet und Ende Januar 2022 abgeschlossen. An der Konsul- Gelegenheiten sich mit den TeilnehmerInnen auszutauschen: tation waren anfangs zehn, dann sechs und schließlich vier zur Begrüßung, zu Beginn der Workshop-Phase und kurz vor nationale und internationale Expertenteams beteiligt, die sich Abschluss des Prozesses. aus ArchitektInnen, UrbanistInnen, Landschaftsplaner Innen und SozialwissenschaftlerInnen zusammensetzten. Zusammensetzung Die Erkenntnisse und vorgeschlagenen Strategien aus die- Die TeilnehmerInnen wurden vom Marktforschungsinistitut ser Experten-Konsultation werden Impulse geben u.a. für die TNS Ilres ausgewählt. Die Zusammensetzung der Gruppe sollte Ausarbeitung des neuen Programme directeur d’aménagement bestmöglich die soziale, sprachliche und berufliche Diversität du territoire (PDAT). Alle Ergebnisse der verschiedenen LIT- des Landes widerspiegeln. 5 der ursprünglich 30 Teilnehmer Teams finden sich unter: https://luxembourgintransition.lu Innen sollten darüberhinaus Grenzgänger aus Belgien, Frankreich oder Deutschland sein. Keine/r der Teilnehmer Parallel zu den Experten sollten im Rahmen von Luxembourg in Innen sollte parteipolitisch engagiert sein. Transition auch BürgerInnen zu Wort kommen, um die landes- und stadtplanerischen Zukunftsvisionen mit der Lebenswelt In der Tagespresse wurde ein Aufruf veröffentlicht und TNS der direkt betroffenen BürgerInnen zu konfrontieren: Dazu Ilres kontaktierte zusätzlich etwa 1000 Personen aus seiner wurde das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 ins Leben gerufen. eigenen Datenbank. Rund 250 Personen meldeten daraufhin ihr Interesse an. Aus diesem Kreis stellte TNS Ilres dann Aufgabe des Biergerkommitees die Gruppe zusammen, die aufgrund ihrer Altersstruktur, berufl ichem Hintergrund, Herkunft, Geschlecht usw. die Das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 hatte die Aufgabe Diversität des Landes und seiner Bevölkerung bestmöglich • den verschiedenen Expertenteams von Luxembourg in repräsentierte. Transition während der Ausarbeitungsphase für Diskussio- nen zur Verfügung zu stehen; Sprachen • ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie Luxemburg sich bis 2050 aufstellen sollte, um Klimaneutralität zu erreichen; Die TeilnehmerInnen mussten die drei offiziellen Landes • Empfehlungen an die Politik zu formulieren, wie das Terri sprachen (LU/FR/DE) passiv beherrschen. In den Diskussionen torium bis 2050 organisiert sein muss, damit Luxemburg konnte jede/r die Sprache wählen, die ihr/ihm am besten lag. So klimaneutral wird. konnte weitgehend auf Übersetzungen verzichtet werden. 4 Auftrag und Arbeitsweise
Ein anspruchsvolles und Abbrüche zeitintensives Programm Von 30 Personen, die im Januar mit der gemeinsamen Arbeit Die TeilnehmerInnen verfolgten im ersten Halbjahr 2021 begonnen hatten, sind sechs während des Prozesses vorzeitig zwölf Konferenzen mit über 25 nationalen und internatio- abgesprungen. Drei davon nannten die hohe zeitliche Belastung nalen Expert Innen. Bei diesen digitalen Konferenzen mit bzw. andere Verpflichtungen als Grund. Drei Personen zeigten anschließender Diskussion informierte sich die Gruppe über die sich enttäuscht vom Konzept (geringer Mehrwert der Konfe- Herausforderungen, mit denen Luxemburg und seine Grenzre- renzen, Sorge vor einer politischen Instrumentalisierung, gionen im Zuge des Klimawandels konfrontiert sind. Unzufriedenheit mit den sich abzeichnenden Ergebnissen,...) In einer zweiten Phase wurden ab Juli 2021 die Informationen Einbettung in den politischen Prozess reflektiert, analysiert und geordnet. Während insgesamt sie- Die Empfehlungen des Biergerkommitees geben dem Ministe- ben Arbeitssitzungen wurden die unterschiedlichen Positionen rium für Energie und Raumentwicklung Impulse für die Ausar- diskutiert und Schlüsse gezogen. Die Redaktion der Ergebnisse beitung des neuen Programme directeur d’aménagement du terri- geschah in einem bis zum Schluss offenen Prozess, der den toire (PDAT). Der PDAT ist das Dokument, in dem die Regierung TeilnehmerInnen Zeit ließ, ihre Meinung zu finden. Obwohl die großen landesplanerischen Ziele und Leitlinien definiert es nicht Ziel des Prozesses war, Konsens in allen Punkten zu und beschreibt, wie sie sich die mittelfristige Entwicklung des erreichen, ist es der Gruppe gelungen, zu einem gemeinsamen Territoriums vorstellt. Ergebnis zu kommen. Konzeption und Moderation Über Online-Umfragen konnten die TeilnehmerInnen die Abläufe bewerten und organisatorische oder inhaltliche Fra- Das Büro Stoldt Associés (mit Jürgen Stoldt, Milena Stoldt, Bob gen klären. Eine interne Kommunikationsplattform, auf der Wetzel und Françoise Lavabre-Bertrand) war vom Ministerium sich die Gruppe auch austauschen konnte, versammelte Doku- für Energie und Raumentwicklung mit der Leitung und mehr mente, Videomitschnitte und Informationen an einem Ort. sprachigen Moderation des Biergerkommitees beauftragt. Konferenzen Supervision und wissenschaftliche Begleitung Im ersten Halbjahr 2021 wurden zwölf digitale Konferenzen Das Moderatoren-Team wurde von einer Supervisionsgruppe organisiert (sie sind unter www.luxembourgintransition.lu/ begleitet, die die Professionalität der Umsetzung zusätzlich evenements aufgezeichnet). Folgende Personen haben mit kontrollierte: ihrer Expertise beigetragen: • Anne-Sophie Federspiel, Politologin und politische Berate- rin, Berlin und Luxemburg François Gemenne, Universität Lüttich und Ko-Autor des GIEC • Dr. Léonie de Jonge, Assistenz-Professorin für Politik an der André Weidenhaupt, Ministerium für Umwelt, Klima und nach- Universität Groningen haltige Entwicklung • Dr. Raphaël Kies, Politikwissenschaftler an der Universität Marie-Josée Vidal, Ministerium für Energie und Luxemburg Raumentwicklung • Tommy Klein, Markt- und Meinungsforscher, Luxemburg Lex Faber, Stadt- und Raumplaner • Peter Opitz, Experte für Organisationsentwicklung, Zürich Christine Müller, Architektin und Stadtplanerin und Luxemburg Denis Scuto, Historiker, Universität Luxemburg Andrew Ferrone, Klimatologe und Leiter des meteorologischen Die Universität Luxemburg und die Universität Groningen Dienstes des Landwirtschaftsministeriums haben eine Evaluation des Prozesses angekündigt. Guy Schumann, Hydrologe und Experte für Überschwemmungen Laurent Pfister, Hydrologe und Forscher am LIST Ergebnisse Claude Felten, Agraringenieur und Lehrer an der Acker- Es stellte sich schnell heraus, dass die Gruppe die an sie gestellte bauschule, Präsident der IBLA Frage breit angehen würde. So wurden die Voraussetzungen für Georges Moes, Agraringenieur und Projektleiter bei natur&ëmwelt eine klimagerechte Politik nicht nur mit Blick auf die Landes- Frank Wolff, Biologe und stellvertretender Direktor der Natur- planung diskutiert, sondern auch im allgemeinen Zusammen- und Forstverwaltung hang der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Philippe Gerber und Guillaume Drevon, Mobilitätsforscher am Entwicklungen. Die Ergebnisse wurden in drei Dokumenten LISER zusammengefasst: Markus Hesse, Professor für Stadtgeographie an der Universität • Situationsanalyse Luxemburgs (Stärken und Schwächen des Luxemburg Landes auf dem Weg zur Klimaneutralität), Julien Licheron, Forscher am LISER und Präsident des Observa- • Leitlinien und Prinzipien für eine Politik der Transition, toire de l’habitat • Empfehlungen mit einem Fokus auf Landesplanung. Gilles Hempel, Direktor der Agence immobilière sociale Diese Aufteilung wurde von der überwältigenden Mehrheit Nico Steinmetz, Architekt der TeilnehmerInnen gutgeheißen und bis zum Schluss beibe- Hans Kollhoff, Architekt und Professor em. an der ETH Zürich halten. Der Gruppe gelang es, die zum Teil sehr divergierenden Tom Haas und Olivier Thunus, Ökonomen bei Statec Positionen im Laufe der Diskussionen anzunähern und in allen Martina Holbach, Projektleiterin bei Greenpeace Punkten einen Konsens oder zumindest Kompromisslösungen Claire de Boursetty, Direktorin der Luxembourg Sustainable zu finden. Finance Initiative Estelle Evrard, Geographin und Forscherin an der Universität Luxemburg Antoine Decoville, Geograph und Forscher am LISER Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 5
LEITLINIEN FÜR DEN WANDEL NEUN THESEN FÜR EINE ERFOLGREICHE POLITIK DER TRANSITION Jede Politik braucht Leitlinien, an denen sie ihr Handeln ausrichtet. Die Mitglieder des Biergerkommitees schlagen folgende neun Prinzipien vor als Grundlage für Klimapolitik und Raumentwicklung. Individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung. Klimaschutzmaßnahmen sind demokratisch legitimiert und müssen Wir sind uns einig, dass die Freiheit des Indi- viduums ein enorm kostbares Gut ist und für nachvollziehbar sein. unsere demokratische Gesellschaftsform einen zentralen Wert darstellt. Anreize sollen des- Um die bislang noch weitgehend abstrakten Klimaschutz- wegen auch in der Klimapolitik immer Vorrang ziele mit Leben zu füllen, wird die Regierung in den nächs- haben vor Verboten und wenn möglich sollen ten Jahren eine Vielzahl von einschneidenden Maßnahmen den Bürger*Innen immer mehrere Handlungs- einleiten und das Parlament entsprechende Gesetze ver- optionen zur Verfügung stehen. Doch Freiheit abschieden. Diese Klimaschutzmaßnahmen müssen über muss sich in einem Rahmen ausdrücken, der eine robuste demokratische Legitimation verfügen und die Interessen der künftigen Generationen und von einer großen Mehrheit der Gesellschaft getragen wer- der Menschen im globalen Süden nicht schä- den. Durch eine transparente Information und geeignete digt. Die individuelle Freiheit endet dort, wo Instrumente wie etwa „Bürgerräte “ muss die Bevölkerung sie die Freiheit anderer einschränkt. Deswegen aktiv in die Lösungssuche eingebunden werden. ist ein unnötig hoher ökologischer Fußabdruck kein Ausdruck von persönlicher Freiheit, son- dern von Verantwortungslosigkeit. Klimaschutzmaßnahmen Klimaschutzmaßnahmen müssen können nicht allein auf als gerecht empfunden werden. Freiwilligkeit setzen. Eine Klimapolitik, die die Verantwortung auf Nimmt man die Abkommen von Paris und Glasgow und die die Individuen und ihr Verhalten abdrückt, Voraussagen der Wissenschaft im Hinblick auf den Klima- ist unrealistisch und unredlich. Freiwillige Genügsamkeit wandel ernst, sind jedoch einschneidende Maßnahmen in oder individueller Verzicht können unter den derzeitigen den nächsten Jahren unumgänglich. Die Menschen werden Lebens- und Arbeitsbedingungen nur eine Minderheit diese Veränderungen nur akzeptieren, wenn sie den Weg in der Gesellschaft ansprechen. Die meisten Menschen, dahin verstehen und als gerecht empfinden – d.h. wenn werden noch lange versuchen, an ihrem gewohnten alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen betroffen sind. Lebensstil festzuhalten inklusive Ernährungsgewohn- Wenn etwa die ärmeren Teile der Bevölkerung den Ein- heiten, Urlaub, Konsum und Mobilitätsvorlieben. Wenn druck erhalten, dass sie die „Verlierer“ dieser Politik sind es um ihre Gewinnspanne geht, werden auch Unterneh- und die Reichen sich auf einfache Weise rauskaufen kön- men nicht freiwillig auf Vorteile verzichten. nen, oder wenn Stadtbewohner durch die Mobilitätspolitik gegenüber jenen bevorzugt werden, die in weniger dicht besiedelten Landesteilen leben, wird es Widerstand geben und die Maßnahmen werden sich nur schwer durchsetzen lassen. 6 Leitlinien für den Wandel
Klimaschutzmaßnahmen Klimapolitik muss mit einer müssen auf wissenschaftlicher positiven Botschaft verbunden Grundlage erfolgen. werden. Das „Best case scenario“ des IPCC ist nicht das wahrscheinlichste Szenario für die Ent- Der Abschied aus dem fossilen Zeitalter wird wicklung des Weltklimas. Die Vorschläge nicht nur Entbehrungen bringen, sondern zur Eindämmung des Klimawandels, die auch ganz neue Möglichkeiten schaffen: tech- von Politik, Wirtschaft, Forschung und nologische und wirtschaftliche, aber insbe- Gesellschaft vorgebracht werden, dürfen sondere auch gesellschaftliche und individu- sich auch in Luxemburg nicht an den opti- elle. Öffentliche Gesundheit und persönliches mistischsten Szenarien orientieren, sondern müs- Wohlbefinden werden von einem weniger sen die Verhinderung der „Worst case“-Szenarien ressourcenintensiven und konsumorientierten im Blick haben. Dazu verlangt die Wissenschaft Lebensstil profitieren. einen radikalen Umbau vieler Lebens- und Wirt- schaftsbereiche. Parallel (nicht als Ersatz!) muss massiv in Zukunftstechnologien investiert werden, die zusätzliche Antworten auf verschiedene Aspekte der Klimaherausforderung liefern könnten. Die Rahmenbedingungen unseres Internationale Kooperation Wirtschaftssystems müssen hat Vorrang vor national angepasst werden. staatlichem Interesse. Auch Aspekte unseres Wirtschaftssystems müssen auf den Prüfstand. Öffentliche Güter Der weltweite Kampf gegen den Klima- wie Atmosphäre, Wasser, Luft, Biodiversität wandel kann nur erfolgreich sein, wenn und Boden müssen endlich vor wirtschaft- auch kleine Nationalstaaten wie Luxemburg ihre licher Verwertung und Ausbeutung geschützt heutigen Interessen zurückstellen. Sowohl im regio werden oder in Form von Steuern, Abgaben nalen (grenzüberschreitenden) als auch im euro- und Anreizen in die Bilanzen der Unternehmen und der päischen und globalen Rahmen müssen faire und Landwirtschaftsbetriebe miteinfließen. Alternativen zu gerechte Lösungen gefunden werden. unserem ressourcenintensiven Wirtschaftsmodell müssen dringend diskutiert, entwickelt und umgesetzt werden, auf nationaler und europäischer Ebene. Damit unsere Demokratie Antworten auf die Klimaherausfor- derung finden kann, muss sie vor dem überwältigenden Ein- fluss kurzfristiger Wirtschaftsinteressen geschützt werden. Nicht die CO2-Bilanz, sondern der ökologische Fußabdruck ist entscheidend. Die Gefahr besteht ganz konkret, dass Luxemburg die Auflagen der Pariser und Glasgower Abkommen erfüllt, ohne einen tat- sächlichen Beitrag zur Abwehr der Klimakatastrophe zu leis- ten. Buchhalterisch würde es dafür genügen, den einheimischen Energieverbrauch komplett auf importierten, elektrischen Strom umzustellen, da die Stromproduktion im Ausland der CO2-Bilanz des Landes nicht angerechnet wird. Genauso wenig werden die CO2-Emissionen angerechnet, die im Ausland bei der Produktion all jener Güter entstehen, die nach Luxemburg importiert und hier konsumiert werden. Um seinen Teil der Verantwortung zu tragen, muss Luxemburg sich deshalb auch auf die Reduktion seines enorm hohen ökolo- gischen Fußabdrucks konzentrieren und die CO2-Emissionen der Importe mitberücksichtigen. Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 7
LUXEMBURG: STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DES LANDES AUF DEM WEG ZUR KLIMANEUTRALITÄT Um zu Empfehlungen zu gelangen, hat das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 zuerst eine Analyse der spezifischen Situation Luxemburgs unternommen. Welches sind aus heutiger Perspektive die Stärken, welches die S chwächen, wo bestehen Herausforderungen und wo Möglichkeiten für das T erritorium Luxemburgs auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050? STÄRKEN 1 Relativ günstige klimatische Bedingungen, Wald- und Wasserreserven Die in Zukunft ungünstigeren aber immer noch ausrei- chenden Niederschlagsmengen in unserer Region sind Grundlage einer im Prinzip reichen Biodiversität und bieten relativ gute Ausgangsbedingungen für Klimaan- passungen. Ein Drittel des Landes ist von Wald bedeckt. Ein weiteres Viertel des Territoriums machen Weiden und Wiesen aus. Diese Flächen können als Kohlenstoff- 4 Finanzieller Spielraum der senken dienen und haben, wenn sie nachhaltig genutzt öffentlichen Hand würden, ein hohes Naturraumpotential. Die zurzeit vergleichsweise komfortable finanzielle Situation von Staat und Gemeinden kann es bei rich- 2 Überschaubare Größe des Landes tig gesetzten Prioritäten erlauben, den bevorstehen- Die überschaubare Größe des Landes erlaubt im Prin- den Wandel zu finanzieren und sozial verträglich zu zip eine einfachere Datenerhebung und Wirkungsana- gestalten. lyse von Klimaschutzmaßnahmen und wenn nötig eine schnelle Anpassung an das gesellschaftliche, politische 5 Gesundheitssystem und Sozialstaat und wirtschaftliche Umfeld. Gesundheitsinfrastruktur und soziales Netz sind in 3 Luxemburg vorbildlich ausgebaut. Diese Vorteile gilt Eigenstaatlichkeit es, unbedingt zu erhalten und nachhaltig zu gestalten. Die Eigenstaatlichkeit und das damit einhergehende größere Maß an Souveränität erlauben es, angepasste 6 Mehrsprachigkeit und kulturelle D iversität Entscheidungen für die spezifische Situation des Die hohe kulturelle und sprachliche Diversität im Land Territoriums zu treffen. Von der Eigenstaatlichkeit vereinfacht die Übernahme von Ideen und Techniken Luxemburgs kann auch die unmittelbare Grenzregion aus unterschiedlichen Kulturräumen. Die Kompeten- profitieren. zen ausländischer ExpertInnen können ohne große Schwierigkeiten genutzt werden. 7 Zentralität Die Lage des Landes im dynamischsten Teil West- « Afin que la vie sur notre terre europas (in einem Radius von 300 Kilometern liegen ne devienne pas éphémère, die Häfen des Ärmelkanals, das Ruhrgebiet, Frankfurt, Paris und Zürich sowie die Transitrouten nach Nordita- protégeons-là ! » lien) bringt Ideen, Menschen, Kapital und Waren nach und über Luxemburg. Ondina 8 Stärken und Schwächen
3 Unausgewogene Raumstruktur SCHWÄCHEN Die Raumstruktur des Landes hat sich ungünstig ent- wickelt: Die Arbeitsplätze sind im Zentrum und Süden des Landes konzentriert. Die Dörfer und kleineren Gemeinden in der Peripherie haben sich zu Schlaf- gemeinden entwickelt ohne eigene Funktionen und Angebote. Im grenznahen Umland wohnen die Arbeits- kräfte, die in der freien Wirtschaft beschäftigt sind, da bezahlbarer Wohnraum und Sozialwohnungen im Lande selber kaum angeboten werden. Eine zu hohe 1 Verpasste Umstellung der Landwirtschaft Dichte an Einkaufszentren blutet die Innenstädte und und schlechter Erhaltungszustand von Dorfzentren aus. Das Auto ist selbst für die Nahversor- Fauna und Flora gung praktisch unverzichtbar. Beim Aufbau einer zukunftsorientierten, nachhaltigen und klimabewussten Landwirtschaft, die biosystemische 4 Öffentlicher Transport und sanfte Mobilität Gleichgewichte fördert und nicht zerstört, kommt die Im Norden, Osten und Westen des Landes ist der öffent- luxemburgische Landwirtschaftspolitik kaum voran. Ins- liche Transport nicht genügend ausgebaut, um eine besondere die für den Export produzierende Milch- und Alternative für das Privatauto zu bieten. Auch sanfte Fleischwirtschaft, die weitgehend von Nährstoffimporten Mobilitätsformen haben immer noch keine Priorität im (Soja) abhängig ist, steht für eine CO2 und Methan-inten- öffentlichen (Verkehrs-) Raum bzw. sind schlichtweg sive Fehlentwicklung. Im Land bleibt am Ende des „Pro- nicht vorgesehen (etwa Fahrrad- und Fußwege zwi- duktionsprozesses“ nur Gülle und Geld (oftmals in Form schen den Dörfern). von Schulden für die landwirtschaftlichen Betriebe). 5 Abhängigkeit von Energieimporten Die konventionelle, auf Pestizideinsatz basierende Landwirtschaft ist neben Urbanisierung und Land- Luxemburg produziert nur einen sehr geringen Teil schaftsverbrauch der Haupttreiber für die rasante des im Lande verbrauchten elektrischen Stroms. Zur- Verarmung der biologischen Vielfalt. Zweifelhafte zeit wird Atomstrom aus Frankreich (für die Indus Kompensationsmaßnahmen und ein ungenügender trie) und in hohem Maße auf Kohle- und Gasverfeue- Naturschutz (etwa in Natura 2000 Gebieten) können rung basierender Strom aus Deutschland importiert. die Entwicklung nicht aufhalten. Bei einer weiteren Elektrifizierung des Transport-, Heizungs- und Industriesektors wird die Abhängig- 2 Flächendruck, Zersiedelung und keit von Stromimporten immer weiter wachsen. Diese Stromimporte werden dem Land zwar nicht in seiner Zerschneidung der Landschaft CO2-Bilanz angerechnet, sie sind aber in keiner Weise Auch wenn Luxemburg von oben sehr grün aussieht, ist CO2-neutral. es doch ein extrem fragmentiertes und zersiedeltes Ter- ritorium. Bevölkerungswachstum und die steigenden 6 Finanzierung und S ubventionierung der Quadratmeteransprüche beim Wohnraum, die Auswei- sung von neuen Gewerbegebieten und die dem Wachs- fossilen Wirtschaft und Abhängigkeit vom tum geschuldeten Infrastrukturmaßnahmen führen zu Tanktourismus einem im europäischen Vergleich enormen Flächen- Als zweitgrößter Fondsstandort der Welt trägt Luxemburg verbrauch. Wertvolles Agrarland und notwendige Über- bedeutend zur Finanzierung der fossilen Wirtschaft bei. schwemmungsgebiete werden überbaut. Zurzeit gibt es Auch die Abhängigkeit der Steuereinnahmen vom Tank- keine Anzeichen, dass sich das Tempo der Bodenversie- tourismus führt zu einem unverhältnismäßigen Gewicht gelung (zurzeit bei 0,5 Hektar pro Tag in Luxemburg) der Erdölwirtschaft auf die nationale (Klima-)Politik. verlangsamen würde, um - wie von der EU-Kommis- sion angestrebt – bis 2050 auf Null zu sinken. 7 Wohlstand Selbst wenn man den Konsum der Grenzgänger und Tanktouristen abzieht, ist der ökologische Fußabdruck des Landes enorm groß und entspricht Wohlstands- „Ich werde das Gefühl nicht los, inseln wie Hamburg, München oder London. Das hohe Konsumniveau der meisten Haushalte wird es schwer dass es bereits zu spät ist! Mit machen, in den nächsten Jahren die CO2-Bilanz des Landes zu reduzieren. dem Schnecken-Tempo, das die Eliane meisten Staaten an den Tag legen, 8 Überragende Bedeutung des Konsums für die individuelle Lebensgestaltung um etwas für Klimaschutz zu Die jahrzehntelange Ausrichtung der Bevölkerung auf unternehmen und zu verändern, die Bedeutung von materiellem Konsum für die persön- liche Lebenserfüllung behindert das Aufkommen alter- habe ich große Zweifel, dass das nativer, bescheidenerer Lebensstile. Konsum wird von vielen Menschen mittlerweile als wichtigste Form der gelingen kann.“ Freizeitgestaltung und als identitätsstiftend begriffen. Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 9
« Il est indispensable que chaque citoyen, à son échelle, prenne conscience de l'importance et de l'urgence d'éliminer autant de CO2 qu'il n'en produit. » Frankie 9 Mangel an gesellschaftlicher Dynamik 11 Mangelndes Bewusstsein im Hinblick für die Transition auf den Ernst der Lage Die Personen, die eine Transition hin zu einem resi- Viele Menschen im Land haben nur eine vage Vorstel- lienteren und klimabewussteren Gesellschafts- und lung von den auf uns zukommenden Klimaverände- Wirtschaftsmodell aktiv unterstützen, sind noch zu rungen. Andere glauben, dass sie durch Mülltrennung, wenige, um eine starke Dynamik zu entfalten. Einkauf von Biolebensmitteln und den Kauf eines Elektroautos schon ihren Teil zur Lösung beigetragen 10 Soziale Polarisierung haben. Schließlich versucht ein bedeutender Teil der Bevölkerung die Problematik zu verdrängen. Das enorme Wirtschaftswachstum der letzten Jahre mit seinen Auswirkungen insbes. auf den Wohnungs- markt hat in Luxemburg zu einer sozialen Polarisie- 12 Prokrastination und Verdrängung rung geführt. Eine adäquate Antwort auf die Gerech- auf politischer Ebene tigkeitsfrage wird jedoch die wichtigste Vorbedingung Das gesamte institutionelle Setting des Landes ist auf sein für die gesellschaftliche Akzeptanz der meisten den Schutz des Privateigentums ausgerichtet. Es ist Klimaschutzmaßnahmen. fast unvermeidbar, dass Berufspolitiker sich danach ausrichten und trotz der Dringlichkeit der Lage den Moment des Handelns vor sich herschieben. 13 Unvollständige und irreführende Informationen Die Informationen, die Regierung, Verwaltung und Forschungseinrichtungen der Öffentlichkeit und den Medien über die Dringlichkeit, Sinnhaftigkeit und Effi- zienz der Maßnahmen gegen Klimawandel und Bio- GEFAHREN diversitätsverlust anbieten, sind oftmals irreführend, unvollständig oder schwer verständlich. 1 Massiver Druck auf Natur und Biodiversität historischen Dorfarchitektur, mehrstöckige Apparte- menthäuser anstelle der bestehenden Reihenhäuser, Viele einheimische Vogelarten sind in Luxemburg vom Verschwinden von traditionellen Landschaftselementen Aussterben bedroht. Der Zustand vieler Habitate (ins- wie „Bongerten“ und Dorfgärten. Die Identifikation der besondere Offenland und Wasserläufe) ist besorg- Bevölkerung mit dem gebauten und natürlichen Erbe niserregend. Hauptverursacher dieser rapiden Ver- und damit der Respekt vor deren Wert riskiert abzu- schlechterung sind die Anbaumethoden der intensiven nehmen oder kann gar nicht erst entstehen. Bauwerke Landwirtschaft sowie die Urbanisierung und die fort- und Landschaften werden am Ende nur noch unter dem schreitende Fragmentierung des Landes. Aspekt der wirtschaftlichen Verwertbarkeit betrachtet. 2 Zerstörung der gewachsenen Landschaft 3 Gentrifizierung des Landes und der traditionellen Architektur Die politische Weigerung vieler Gemeinden, Sozial- Der Wachstumspfad der luxemburgischen Wirt- wohnungen bereitzustellen, die Entwicklung der schaft und der damit einhergehende demographische Boden- und Immobilienpreise und das faktische Druck droht zu einer weiteren Zersiedelung und zur Unvermögen bzw. der Unwillen aller Akteure im Woh- ästhetischen Verschandelung der Landschaft zu füh- nungsbau, mehr als 3000 bis 4000 Wohnungen im Jahr ren: seelenlose Investorenarchitektur anstelle der zu bauen (bei einem Bedarf von rund 6000), riskiert, zu 10 Stärken und Schwächen
einer landesweiten Gentrifizierung zu führen. Weni- „Luxemburg hat aktuell ger wohlhabende Familien ziehen vom Zentrum in die Peripherie des Landes. Leute, die noch am Traum vom die Möglichkeit durch seine freistehenden Einfamilienhaus hängen, ziehen über die Landesgrenze. Nicht nur die Hauptstadt, sondern das Stärken wie politische gesamte Land verliert an sozialer Diversität und ent- wickelt sich zu einer Insel der Reichen, Wohlhabenden Michèle Stabilität und relativen und Erben. Wohlstand die Transition 4 Die übermäßige Orientierung der sozial gerecht und fair zu luxemburgischen Wirtschaft auf gestalten. den Finanzplatz Die stark ausgeprägte Orientierung der luxemburgi- Diese Transition ist schen Wirtschaft auf den Finanzsektor führt dazu, dass jedoch nur möglich, Luxemburg nachhaltigere Aktivitätsfelder mit regio- naler Verankerung vernachlässigt. Die Fachkräfte für wenn die nationalen die derzeitige Orientierung müssen vollumfänglich im Ausland angeworben werden und verursachen zusätz- Entscheidungsträger schnell lichen Druck auf den Wohnungsmarkt. Mit dem Hin- konkrete und langfristige weis auf die notwendige Finanzierung des nationalen Pensionssystems werden andere, womöglich nachhal- Maßnahmen ergreifen.“ tigere Entwicklungspfade ausgeschlossen. 5 Mangelnde Zusammenarbeit und Zusammenhalt in der Grenzregion Die Kooperation mit den unmittelbaren Grenzregio- nen, die direkt von den Entwicklungen und Entschei- dungen in Luxemburg abhängig sind, ist immer noch unzureichend und einseitig auf die Interessen Luxem- burgs ausgerichtet. Diese Situation birgt insbesondere in Krisenzeiten großes Konfliktpotential, da die Men- schen sich diesseits und jenseits der Grenzen nicht als Schicksalsgemeinschaft betrachten. 6 Zunahme sozialer Polarisierung Die sozialen Unterschiede nehmen zu. Auf der einen 7 Sinkende Glaubwürdigkeit Seite stehen Menschen, die nicht erwerbstätig sind demokratischer Beschlussfassung oder im Niedriglohnsektor arbeiten und die vornehm- Die durch das nationale Wahlgesetz stark einge- lich an die Peripherie oder ins Ausland ziehen, auf der schränkte politische Integration großer Teile der anderen Seite jene, die im Hochlohnsektor (Finanzen, Bevölkerung (GrenzgängerInnen, AusländerInnen, Unternehmensrecht, öffentlicher Dienst) beschäftigt Jugendliche) führt zu einer Schwächung der repräsen- sind und die mehrheitlich im Zentrum bzw. innerhalb tativen Demokratie. Partizipative und direkte Demo- der Landesgrenzen wohnen. Diese Polarisierung drückt kratieansätze werden nicht genügend genutzt, um die sich wie oben beschrieben räumlich aus und führt zu Menschen in den politischen Prozess einzubinden. objektiven Interessengegensätzen. 8 Mangel an Berichterstattung und Information Die Medien scheinen teilweise überfordert zu sein mit der Bereitstellung einer verständlichen, konstruktiven „Luxemburg braucht eine und ehrlichen Berichterstattung über die politischen, engagierte Bevölkerung! Nur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels. Es gibt heute schon Anzeichen dafür, wenn alle das Bewusstsein dass die Bevölkerung angesichts der Komplexität der Probleme überfordert und zusehends desorientiert Sue erlangen, dass unser ‚business- ist und eine skeptische Grundhaltung im Hinblick auf as-usual‘ nicht zukunftsfähig ist, Lösungsstrategien annimmt. wird es meiner Meinung nach zu individuellen Veränderungen im Alltagsleben kommen.“ Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 11
CHANCEN „Es ist schön als Grenzgängerin an einem solchen Projekt Sandra teilnehmen zu dürfen, da wir auch direkt von vielen Entscheidungen in Luxemburg betroffen sind. Die Zusammenarbeit 1 Schutz der natürlichen Ressourcen und Förderung der Biodiversität untereinander war Durch eine hohe Gewichtung des Naturschutzes und bereichernd und insbesondere über eine konsequente Neuausrichtung der Landwirtschaft könnte sich Luxemburg doch noch respektvoll, sodass wir zu als einer der ökologischen Vorreiter in Europa posi- einem Ergebnis kommen tionieren. Die Lebensqualität der Bevölkerung und die Attraktivität des Landes für ausländische Arbeitneh- konnten, das jeder von uns merInnen und TouristInnen würden steigen, die für die Zukunft unverzichtbaren Trinkwasserreserven wür- vertreten kann.“ den sich stabilisieren und der Naturraum könnte sich regenerieren. 2 Eine klimaneutralere Ernährungs- und 5 Ein resilienteres Wirtschaftsmodell Landwirtschaftspolitik Die luxemburgische Wirtschaft ist in hohem Maße Der effizienteste Weg zu einer klimaneutraleren Ernäh- abhängig vom Kapitalzufluss aus dem Ausland und von rung in Luxemburg wäre die Förderung einer Diät, die Entwicklungen, die sie nicht kontrolliert. Um in Krisen mehr und mehr auf Fleisch- und Milchprodukte ver- zeiten zu bestehen, könnte Luxemburg in Zukunft mehr zichtet und regionalen und saisonalen Produkten den auf die Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe Vorzug gibt. Voraussetzung wäre allerdings eine klare setzen und die lokale Wirtschaft stärken. Ein Netz- Umorientierung der luxemburgischen Landwirtschaft werk an ökologisch ausgerichteten Kleinbetrieben und zu einer flächen- und bodenbasierten Tierhaltung und Kooperativen bietet den Grundpfeiler für ein nachhal- zu Produkten, die im Lande selber konsumiert werden. tiges und weniger krisenanfälliges Wirtschaftsmodell. Auf diesem Wege ließe sich auch die praktisch voll- ständige Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten 6 Die Finanzierung der energetischen ansatzweise verringern. Transition Die konsequente Ausrichtung des luxemburgischen 3 Nachhaltiges Bauen und neues Wohnen Finanzplatzes auf nachhaltige und klimaneutrale Durch ressourcenschonende Stein- und Holzbauweisen Investitionen bei konsequenter Verhinderung von und durch die Erhaltung von wertvollem Baubestand Greenwashing könnte Luxemburg eine prominente ließe sich die Nutzungsdauer von Gebäuden wieder Rolle bei der Finanzierung der nach-fossilen Wirt- auf Zeitspannen von über hundert Jahren steigern und schaft geben. die CO2-Emissionen und der ökologische Fußabdruck der Bauwirtschaft massiv senken. Die Kreislaufwirt- 7 Stärkere politische Partizipation schaft darf nicht als Vorwand missbraucht werden, um Die enormen Herausforderungen der kommenden Gebäude mit geringer Lebensdauer zu errichten. Auch Jahre und die politischen Debatten, die im Zuge der das Experimentieren mit neuen Bau- und Wohnformen Klimapolitik notwendig sein werden, sind ein Anlass (Containerhäuser, Tiny-Houses, Gemeinschaftswoh- für vielfältiges politisches Engagement. Gerade die nen usw.) bietet Chancen. Stadt- und Landesplanung braucht die Beteiligung der gesamten Bevölkerung, um die Weichen für ein klima- 4 Verstärkte Zusammenarbeit in neutrales Territorium zu stellen. der Grenzregion Eine strategische und proaktive Zusammenarbeit 8 Veränderte Ziele des Bildungssystems mit den Kommunen auf der anderen Seite der Grenze Das luxemburgische Bildungssystem könnte Ressour- könnte großes Entwicklungspotential freisetzen. Dazu cenverbrauch und globale Ungerechtigkeiten stärker müsste die luxemburgische Seite endlich anerkennen, thematisieren, um schon bei Kindern das Bewusstsein dass sie eine Mitverantwortung trägt für die ökologi- für Zusammenhänge und Folgen des Klimawandels zu sche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung dieser fördern. Diese Bildungsziele müssten natürlich auch im Regionen und für die Menschen, die dort wohnen und Schulalltag (z.B. auf dem Schulweg und in der Kantine) zum überwiegenden Teil in Luxemburg arbeiten. und von den Erwachsenen gelebt werden. 12 Stärken und Schwächen
44 EMPFEHLUNGEN FÜR EIN KLIMANEUTRALES TERRITORIUM Die hier aufgeführten Empfehlungen sind jene, die dem Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 besonders wichtig und dringend erscheinen, um die Weichen zu stellen für ein klimaneutrales Territorium bis 2050. Die MitgliederInnen sind sich jedoch sehr bewusst, dass sie keine ExpertInnen in den verschiedenen Fach- gebieten sind und dass sie nicht alle Aspekte der Prob- Gouvernance lematik behandeln konnten. Die Liste der Empfehlun- 1 Die Zeit für Pilotprojekte und Sonntagsreden ist abgelaufen. Regierung, Abgeordnete, Schöffen- gen ist deswegen notwendigerweise unvollständig und räte, Parteien und Verwaltungen müssen sich ausbaufähig. der Dringlichkeit der Klimafrage stellen. 2 Klimapolitik und Landesplanung müssen trans- Vor diesem Hintergrund wünscht sich das Bierger- versale Politikfelder werden. Alle Ministerien kommitee dringend ein von Experten ausgearbeitetes und Verwaltungen sind gefordert. D.h. konkret, dass alle Politikbereiche insbes. auch Landwirt- Gesamtkonzept, das einen realistischen Weg aufzeigt, schafts-, Innen- und Wirtschaftsministerium wie die national und international gesetzten Klima- ihre Ziele neuformulieren und ihre Politik an Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität ausrichten ziele zu erreichen wären – ein Konzept, müssen. 3 Die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und - das mit der Gesellschaft und den betroffenen Stake- den Kommunen und unter den Kommunen holder auf Augenhöhe diskutiert werden muss, muss verbessert werden. Ein effizienter Weg, - das vom Parlament in breiter Mehrheit in Gesetze um die vielfältigen Blockaden aufzubrechen und Verantwortungen klarer aufzuteilen, wäre die gegossen wird Unvereinbarkeit von nationalen und kommuna- - und das von Regierung und zuständigen Ministerien len politischen Mandaten. und Verwaltungen unverzüglich umgesetzt wird. 4 Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den benachbarten Kommunen in Frankreich, Belgien und Deutschland in den Bereichen Ver- kehr, Wohnungsbau und kommunale Infra- strukturen muss ausgebaut werden und darf nicht nur den unmittelbaren Interessen Luxemburgs dienen. „De Biergerkommittee war eng immens léierräich 5 BürgerInnen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft müssen weit a positiv Erfarung. Esou vill ënnerschiddlech stärker in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse rund Charakteren, esou vill intressant Usiichten, esou um die Klimapolitik des Landes Yolande vill divers Meenungen. Ma eenheetlech eens ware eingebunden werden, um insbe- sondere auch die Nachteile des mir eis, datt ELO muss gehandelt ginn, fir de Wahlsystems auszugleichen. Klimawandel ze bremsen.“ Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 13
6 Beratende Organe wie der Nationale Nachhaltigkeits- Das Viertel Cloche d’Or ist ein Paradebeispiel dafür, rat (CSDD) oder die im Rahmen des PNEC geschaffenen wie fehlgeleitet die Komplettversiegelung von über 60 Gremien müssen mit vernünftigen Ressourcen aus- Hektar, die Abwesenheit einer lokalen Bewohnerge- gestattet werden und auch mit Vertretern des sozia- meinschaft gekoppelt mit der infrastrukturellen För- len Sektors besetzt sein. Der geplante Klima-Biergerrot derung von Konsumverhalten ist. Die Umgestaltung muss verstetigt werden, einen klaren Auftrag erhalten solcher Viertel in natur- und menschennahe Wohn- und darf keine Alibi-Funktion erfüllen. gebiete, in denen der öffentliche Raum nicht nur den AutofahrerInnen gehört, muss schon heute angegan- Landesplanung und Stadtentwicklung gen werden. 7 Die Fragmentierung der Landschaft muss unbedingt Ressourcenschonende Mobilität gestoppt werden. Dazu gehört auch ein sofortiges Moratorium für Umgehungsstraßen, die wenn über- 15 Kommunen und Dörfer auf dem Land müssen über ein haupt nahe an den Ortschaften und nicht in der freien intelligentes Mobilitätsangebot (Mix von öffentlichem Natur bzw. in Natura2000-Gebieten geplant werden Transport, Carsharing, Flexibus, Fahrradwegen, ...) zu dürfen. eigenständigen Funktionsräumen verbunden werden. Nur so kann die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von 8 Nicht jedes Dorf muss wachsen. Zurzeit ist Bevölke- Einzelhandel, Gesundheits- und öffentlichen Diensten rungswachstum eine der wenigen Möglichkeiten für auf dem gesamten Territorium gewährleistet werden. eine Kommune, ihre finanzielle Situation zu verbes- sern. Dörfer müssen in Zukunft auch Unterstützung 16 Der landesweite Rückstand beim Ausbau der Fahrrad- erfahren, wenn sie weniger wachsen wollen und abseits und Fußwege (nicht nur in den Ballungsgebieten, son- der Entwicklungszonen (CDA) liegen. dern auch zwischen Dörfern abseits der Ballungszent- ren) muss schnellstmöglich aufgeholt werden. 9 Dagegen müssen die Entwicklunsgzentren innerhalb ihres Bauperimeters wachsen. Über wirksame Steu- 17 Der Kauf von neuen Pkw, die aufgrund ihrer Größe ern muss die Verdichtung der Städte gefördert und einen überhöhten Aufwand an Ressourcen benöti- Leerstand verhindert werden, damit sich öffentlicher gen oder durch ihren Antrieb einen unverhältnismä- Transport und andere wichtige Infrastrukturen lohnen. ßig hohen Energieverbrauch verursachen, muss durch eine stark erhöhte Zulassungssteuer gebremst wer- 10 Um Wohnen und Arbeiten näher zusammen zu brin- den. Fahrzeuge dieser Kategorie dürfen nicht noch mit gen, müssen sich die Arbeitsplätze harmonisch auf die staatlichen Mitteln (Umweltprämien für Elektrofahr- verschiedenen Entwicklungszentren Luxemburgs ver- zeuge) gefördert werden. Daneben sollte der Kauf von teilen. Die Konzentration von immer weiteren Büroge- kleineren Fahrzeugen mit einem reduzierten Energie- bäuden in und um die Stadt Luxemburg muss gebremst verbrauch verstärkt unterstützt werden. werden. 18 Um den Berufsverkehr zu reduzieren, müssen Home 11 Die Bauperimeter dürfen nicht mehr erweitert werden, office und die Nutzung von Coworking-Spaces von den solange die vorhandenen Bodenreserven in den PAGs Unternehmen und dem Gesetzgeber gefördert werden. nicht bebaut sind. Unbebaute Parzellen innerhalb der Perimeter müssen über eine Spekulationssteuer mobi- Versiegelung und Schutz der Böden lisiert werden. 19 Komplettversiegelungen, die nicht zwingend notwen- 12 In der Stadt- und Stadtteilplanung muss Nutzungs- dig sind, sollten grundsätzlich verboten sein (Stein- durchmischung wieder Priorität erhalten. Dorf und vorgärten, komplett geschlossene öffentliche Plätze, Stadtzentren müssen mit Dienstleistungen aufgewer- Parkplätze, …). Schon bestehende, nicht zwingend not- tet werden. Bei Verdichtungen gilt es, nicht automa- wendige Versiegelungen müssen zumindest auf staat- tisch in die Höhe zu bauen, sondern kontextabhängig lichen und kommunalen Flächen aufgebrochen werden auch andere, kleinteiligere Lösungen zu suchen, um (Renaturierung). sich mit differenzierten Bauformen, wie schmale Rei- henhäuser, Hofhäuser, gestapelte Wohneinheiten den unterschiedlichen Bedürfnissen und lokalen Gegeben- heiten anzupassen. „Luxemburg hat das 13 Alternatives Wohnen, wie z.B. Tinyhouses, Ecovillages, Fertighäuser oder Wohngemeinschaften, sollte gesetz- Potential eine europäische lich erlaubt und gefördert werden und in den PAGs der Kommunen vorgesehen sein. Vorreiterrolle in Sachen Alexander grenzüberschreitender 14 Die autogerechte Stadt muss zurückgebaut werden, der öffentliche Raum auch anderen Verkehrsteilnehmern Klimapolitik zu spielen, wenn und Anspruchsgruppen zugänglich gemacht werden. wir ab sofort wohlbedacht und konsequent handeln.“ 14 Empfehlungen
20 Insbesondere dichtbebaute Stadtteile müssen begrünt „Ein unnötig hoher und beschattet werden. Die Städte müssen so einge- richtet werden, dass sie Kühle und Feuchtigkeit in län- ökologischer Fußabdruck geren Hitzeperioden speichern können. ist kein Ausdruck 21 Das Anlegen und der Unterhalt von Gemeinschaftsgär- ten oder Gartenkolonien müssen von Gemeinden und Marco von persönlicher Staat systematisch gefördert werden. Freiheit, sondern von 22 Luxemburg braucht dringend – wie im Regierungspro- Verantwortungslosigkeit.“ gramm vorgesehen – ein umfassendes Bodenschutz- gesetz, das sowohl Vorsorge, langfristigen Erhalt, Sanierungen, Rückbau von Gebäuden und Entsiegelung der Böden gewährleistet. 31 Eine die Biodiversität schützende, nachhaltige Land- Architektur wirtschaft (u.a. Biolandwirtschaft, Permakultur, Agro- 23 Die im Bau verwendeten Materialien müssen gesund, forstwirtschaft usw.) muss endlich mit allen zur Verfü- nachhaltig und wiederverwertbar sein, mehr CO2 bin- gung stehenden Mitteln gefördert und mittelfristig auf den, als bei der Produktion entsteht und bestenfalls aus einem Großteil der Flächen angewendet werden. regionaler Produktion stammen. 32 Die Unterstützungszahlungen im Rahmen der Gemein- 24 Erhaltung und energetische Sanierung bestehender samen Agrarpolitik (GAP) müssen maximal an die Gebäude sollten wegen der dort gebundenen grauen Anwendung von Naturschutzmaßnahmen gekop- Energie in der Regel Priorität vor Abriss und Neubau pelt werden. Die Landwirte müssen sensibilisiert und haben. unterstützt werden, um aus der Produktivitätsfalle zu entkommen. 25 Bei der Vergabe öffentlicher Bauvorhaben (Staat, Kom- munen, Straßenbauverwaltung, CFL...) darf nicht nur 33 Die immer weiter voranschreitende Spezialisierung der Preis zählen. Ressourcen- und Energieaufwand des der luxemburgischen Landwirtschaft auf Fleisch- und verbauten Materials (insbes. Beton) müssen als Krite- Milchproduktion muss vor dem Hintergrund ihrer rien bei der Vergabe von Aufträgen stärker berücksich- massiven CO2- und Methan-Emissionen gestoppt tigt werden. werden. Stattdessen muss eine nachhaltige Fleisch- und Milchproduktion abhängig von den zur Verfügung 26 Die wertvollen Dachflächen und Parkplätze müssen – stehenden Weideflächen angestrebt werden. Daneben wo immer möglich und sinnvoll – auch andere Funk- muss die landwirtschaftliche Produktion für den loka- tionen aufnehmen (Begrünung, Dachgärten, Solar len und regionalen Markt (Gemüse, Obst ...) nach den paneele, Spielplätze usw.). Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft mit geziel- ten Maßnahmen gefördert werden. 27 Gebäude sollten – wo immer möglich und sinnvoll – mit Regenwasserzisternen und mit einem zweiten 34 Die Sensibilisierung für eine gesunde und ausgewogene Wasserkreislauf für Grauwasser (Toilettenspülung und Ernährung und das enstprechende Angebot (z. B. in Gartenbewässerung) ausgestattet sein. öffentlichen Kantinen) muss ausgebaut werden. 28 Neubauten sollten den ästhetischen und baulichen Wachstum und Wirtschaft Standards entsprechen, die sich in der Bautradition 35 Die aktuelle ressourcenintensive Wachstumsorientie- der europäischen Stadt- und Dorfarchitektur bewährt rung der luxemburgischen Wirtschaft muss vor dem haben. Es ist an den Kommunen diese Standards bei Hintergrund des Klimawandels gebremst werden. Bauvorhaben einzufordern und durchzusetzen. Die Frage der Rentenfinanzierung darf nicht auf ewig vorgeschoben werden, um ein nicht-zukunftsfähiges Gewässerschutz, nachhaltige Wirtschaftsmodell zu verteidigen. Alternativszenarien Landwirtschaft und Schutz der müssen entwickelt und diskutiert werden. Biodiversität 29 Der Gewässerschutz im Allgemeinen und Trinkwas- serschutz im Besonderen müssen absoluten Vorrang haben vor allen anderen materiellen Erwägungen. 30 Naturschutzgebiete und Natura2000-Gebiete müssen effektiv geschützt sein und ausgebaut werden. Alte « Imaginons un monde Wälder, die große Mengen CO2 speichern, dürfen nicht où la raison l’emporte sur weiteren Umgehungsstraßen zum Opfer fallen. Das gut gemeinte, oftmals aber wirkungslose oder sogar kont- l’argent. » raproduktive Instrument der Kompensationsmaßnah- men muss einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Paul Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 15
36 Regionale Wirtschaftskreisläufe sollten wo immer „De Biergerkommitee huet möglich bevorzugt werden. Vernetzte und agile Hand- werks- und Kleinbetriebe, Startups und Freiberufler am Kader vun den Aarbechten Innen müssen als Pfeiler einer resilienten und lokalen Wirtschaft jede mögliche Unterstützung erfahren und fir d’Landesplanung fir 2050 sich in den Ortskernen ansiedeln dürfen. Liz probéiert der lëtzebuergescher 37 Die gesamten Wirtschaftskreisläufe und die Produkte Gesellschaft eng Stëmm ze des privaten Konsums müssen im Hinblick auf Klima- schutz, Ressourcenoptimierung und Abfallvermeidung ginn a soumat e Beitrag zu überprüft werden. Dazu bedarf es nicht nur geeigneter Gesetze, sondern auch einer wirkungsvollen Kommu- engem méi demokrateschen nikation, damit die betroffenen Unternehmen und Pri- Prozess geleescht, deen vatpersonen diese Anstrengungen mittragen. menger Meenung no och an 38 Der Ausstieg aus dem Tanktourismus sollte bis spä- testens 2030 realisiert sein. Dazu braucht es umge- anere Beräicher ugewannt hend einen eindeutigen Beschluss, die entsprechenden Etappen und einen Plan, wie die budgetären Folgen misst ginn, fir d’PolitikerInnen abzufedern sind. an d’BiergerInnen méi 39 Die Reserven des nationalen Pensionsfonds und ande- zesummen ze bréngen.“ rer öffentlicher Fonds müssen ohne weiteren Aufschub aus fossilen Investitionen abgezogen werden. Öffent- liche und private Fonds müssen daran gemessen wer- den, in welchem Maße sie die Transition von fossilen zu erneuerbaren Energien finanzieren oder behindern. Daneben ist ein konsequentes Monitoring notwendig, 40 Die gesamten nationalen Stromeinfuhren sollten so um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen schnell wie möglich auf grünen Strom umgestellt und zeitnah mit Anpassungen reagieren zu können. werden. 43 Die Anstrengungen gegen Nahrungsmittelverschwen- Information und Transparenz dung müssen verstärkt und systematisiert werden. Die Sensibilisierung für eine weniger fleisch- und milch- 41 Die Information der Bevölkerung über Ursachen und reiche Ernährung muss ausgebaut werden. Die CO2- Folgen des Klimawandels muss massiv verbessert Bilanz der Lebensmittel muss angezeigt sein. werden. 42 44 Klimaschutz, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung Auch die Informationen über die Klimapolitik, d.h. die müssen zu vorrangigen Bildungszielen der luxembur- einzelnen Maßnahmen zur CO2-Reduzierung, müs- gischen Schule werden und in der schulischen Praxis sen besser, transparenter und verständlicher werden. geübt werden. WIE GEHT ES WEITER: AKTIVE EINBEZIEHUNG DER BÜRGERINNEN! Das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 ist eine Initiative in Weitere Bürgerbeteiligungen sind im Rahmen der Vorbe- einer Kette von gleichgelagerten Prozessen, deren Ziel es reitungen des neuen Programme directeur d’aménagement ist, in Luxemburg politische Entscheidungen in der Kli- du territoire geplant. mapolitik in Zukunft auf Augenhöhe mit den BürgerInnen vorzubereiten. 2022 organisiert das Staatsministerium einen nationalen Klima-Biergerrot, der Vorschläge entwickeln soll, wie die Im Jahr 2018 hatte die Abteilung für Raumentwicklung Klimamaßnahmen Luxemburgs beschleunigt werden im Rahmen der Arbeiten zur Erstellung des neuen Pro- können. Ab Herbst 2022 folgen Klima-Versammlungen gramme directeur d’aménagement du territoire eine Bürger- im ganzen Land, veranstaltet von CELL, dem Center for beteiligung mit Regionalateliers zu allgemeinen Fragen Ecological Learning. Die großen gesellschaftlichen, poli- der Landesplanung veranstaltet (das Abschlussdokument tischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die alle findet sich auf dem Portail de l’aménagement du terri- Länder im Zuge der Klimakrise angehen müssen, werden toire: https://amenagement-territoire.public.lu/fr.html). sich nur durch eine aktive und kontinuierliche Einbe- Es folgte 2020 die Initiative Luxembourg in Transition mit ziehung der BürgerInnen meistern lassen. dem hier vorgestellten Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050. 16 Empfehlungen
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