Bild nur in Printausgabe verfügbar - Internationale Politik
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Internationale Politik Obamas „Green New Deal“ Die Supermacht wird grün: Amerika steht vor einer neuen Energie-und Klimapolitik Die Ziele sind ehrgeizig, die Chancen stehen gut: Innerhalb der nächsten zehn Jahre will Barack Obama 150 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investieren und sich für die Einführung des Emissionshandels stark machen. Die USA kehren auf die Bühne internationaler Klimaverhandlungen zurück – einer drastischen CO2-Reduktion werden sie dennoch nicht zustimmen. Bild nur in Printausgabe verfügbar
Internationale Politik Jürgen Trittin | Die übergroßen und dämmung oder neue Stromnetze geeig- höchst widersprüchlichen Hoffnun- net, um die Nachfrage zu steigern und gen, die an Barack Obamas weltweit so der Rezession entgegenzuwirken. umjubelte Präsidentschaft geknüpft Eine ambitionierte Klimapolitik werden, sind auch seine größte Bürde. lässt sich im amerikanischen Kongress Noch in seiner Dankesrede am Wahl- nur sehr schwer durchsetzen. Daher abend bemühte sich Obama deshalb, darf dieser Prozess nicht unnötig von die Erwartungen zu dämpfen und wies internationaler Seite erschwert wer- darauf hin, dass der angestrebte Wandel den, indem man ihn verfrüht mit zu nicht in einer Amtsperiode zu er- ergeizigen Zielen überfrachtet. Das reichen sei. Hauptaugenmerk gilt daher zunächst Das Erwartungsproblem besteht den inneramerikanischen Abläufen auch in der Klimapolitik. Bei allem Re- und der Gesetzgebung, weil sie mit der alismus stehen die Chancen jedoch gut, globalen Klimadiplomatie Hand in dass mit Obama eine neue Ära in der Hand gehen müssen. US-Klimapolitik eingeleitet wird. Ein völkerrechtlich verbindliches Abkom- Ökologische Jobmaschine men zur Begrenzung von Treib- Die Bekämpfung der Finanz- und Wirt- hausgasen ist endlich wieder in greif- schaftskrise wird für Obama zunächst bare Nähe gerückt. absolute Priorität haben und haben Im Wahlkampf und auch in der müssen. Eine ambitionierte Klima- jetzigen Übergangsperiode hat der politik wird keine Chancen haben, designierte Präsident wieder und wenn sie nicht zur Lösung grundlegen- wieder angekündigt, ein Emissions- der Wirtschaftsprobleme der amerika- handelssystem einzuführen, 15 Milliar- nischen Bürger und Unternehmen bei- den Dollar pro Jahr in erneuerbare trägt. Solange Klimapolitik weiter in Energien zu investieren und eine Konkurrenz zur Wirtschaft gesehen klimapolitische Wende anzustreben. wird, hat sie es schwer. Europa wird zum ersten Mal seit Obama hat das Energie- und Klima- Jahren wieder ernsthaft mit den USA thema aber bereits im Wahlkampf sehr über ein internationales Klimaregime stark als wirtschafts- und arbeits- verhandeln. Der amerikanische Beitrag marktpolitisches Thema etabliert. In wird dabei ambitioniert ausfallen. Deutschland haben wir bereits erfolg- Doch 16 verlorene Jahre – unter reich gezeigt, dass ökologische Moder- Clinton wie unter Bush –, in denen die nisierung ein Wirtschaftsthema mit Emissionen der USA stark angestiegen riesigen Zukunftschancen ist und sind, können nicht von heute auf mor- schon heute eine Jobmaschine dar- gen rückgängig gemacht werden. Hinzu stellt. In den USA wird dieses Poten- kommt die Rezession, unter der Obama zial nun ebenfalls erkannt. die erste Zeit seiner Präsidentschaft Gerade die Abhängigkeit von Ölim- © Eberhard Grames / Bilderberg regieren muss. Zwar dürfte dies zum porten aus politisch schwierigen Regi- einen die Spielräume für neue, innova- onen hat geholfen, Energiepolitik in tive Politikinstrumente verengen. Auf den USA zu einem parteiübergreifend der anderen Seite aber sind Investitio- „harten“ Thema zu machen. Überall nen in erneuerbare Energien, Wärme- dort, wo Energie- und Klimapolitik 72 IP • Dezember • 2008
Internationale Politik wirtschafts- und sicherheitspolitische nachteile erleiden, müssen sich Europa Aspekte hat, hat sie gute Chancen: die und die Schwellenländer verbindlich erneuerbaren Energien auszubauen, zu ähnlichen Maßnahmen verpflich- die Stromnetze zu modernisieren und ten. So kann aus der amerikanischen die Autoindustrie auf effiziente Autos Ablehnung multilateraler Umweltpoli- umzustellen. All das birgt große tik ein manifestes Interesse an völker- Potenziale. rechtlicher Verbindlichkeit erwachsen. In der Reaktion auf die Rezession Wegen der Komplexität und der po- feiert der grüne Gedanke eines öko- litischen Sprengkraft wird das Gesetz logisch orientierten Konjunkturpro- wohl auch im kommenden Jahr noch gramms, eines „Green New Deal“, der- nicht verabschiedet. Entscheidend zeit weltweit große Erfolge. Auch in dafür ist auch, wie die Spitzen der fe- einer Obama-Administration wird der derführenden Ausschüsse im Reprä- Politikansatz, den man unter dem Be- sentantenhaus besetzt werden: Wün- griff „ökologischer Keynesianismus“ schenswert ist, dass der klimapolitisch fassen kann, an Fahrt gewinnen. Er progressive, kalifornische Abgeordnete beinhaltet die angekündigten Investi- Henry Waxman ebenso wie die bishe- tionen in erneuerbare Energien, die rige Vorsitzende des Umweltausschus- Obama wiederholt auf 150 Milliarden ses, Barbara Boxer, Dollar in den nächsten zehn Jahren eine wichtige Rolle Auch in der Obama- bezifferte. spielen. Zudem Administration wird ein Derzeit fallen wichtige Personal- müssen im Senat ökologischer Keynesianismus und Strukturentscheidungen für die Zuständigkeiten an Fahrt gewinnen künftige Klimapolitik Obamas. Schlüs- geklärt werden, da selpositionen im Kongress müssen per- der Emissionshandel die Kompetenzen sonalpolitisch richtig besetzt werden. von vier verschiedenen Ausschüssen Die Demokraten haben zwar in beiden berührt. Kammern die Mehrheit, doch auch die Auf Seiten der Exekutive kommt steht nicht immer automatisch auf der Umweltagentur EPA (Environmen- der Seite des Präsidenten. Innerhalb tal Protection Agency) eine zentrale Obamas Partei sind die Interessen von Rolle zu. Sie wird unter Obama aufge- Kohle-, Öl- und Autoindustrie stark wertet werden. Nach einem Urteil des vertreten. Um die Mehrheit im Kon- Obersten Gerichtshofs darf die EPA gress wird er daher fortlaufend kämp- bereits heute auf der Basis bestehender fen müssen. Gesetze den Ausstoß von Treibhausga- Den Kongress davon zu überzeu- sen regeln. Darüber hinaus wird über gen, ein Emissionshandelssystem in die Einrichtung eines nationalen Ener- den USA einzuführen, erscheint mög- gierats spekuliert. Erwartet wird, dass lich. Wie genau es sich ausgestaltet, Obama einen „Chief Energy Officer“, wird jedoch hart verhandelt werden also einen obersten „Klima-Zaren“, be- müssen. Schon im Sommer hatte der nennen wird, möglicherweise in pro- Senat darüber debattiert. Klar ist: Ein minenter Besetzung. Noch offen ist, ob solches System wird die Interessensla- das State Department weiterhin die ge der USA um 180 Grad verändern: Federführung bei den Klimaverhand- Wollen sie dadurch keine Wettbewerbs- lungen übernimmt. IP • Dezember • 2008 73
Internationale Politik All diese Struktur- und Personal- setz zum Emissionshandel vor der fragen werden mit darüber entschei- nächsten Klimakonferenz von Kopen- den, wie weit die inneramerikanische hagen im nächsten Jahr wohl nicht zu Wende in der Energie- und Klima- rechnen ist, werden die dortigen Ver- politik durchsetzbar ist. An ihnen handlungen und ihre Aufnahme in den hängt auch, wie gut die Chancen sind, USA einen starken Einfluss auf die spätere internationale Verpflichtungen Reichweite und Ausgestaltung des durch den Kongress zu bringen. Der Emissionshandels haben. Die Verhand- gute Wille des Weißen Hauses und ein lungsstrategie der Europäer muss dies erkennbares Umdenken im Kongress berücksichtigen. erlauben zumindest einen vorsichtigen Obama hat jüngst erklärt, die CO2- Optimismus. Emissionen der USA bis 2020 auf den Eines ist bereits jetzt absehbar: Ein- Stand von 1990 reduzieren zu wollen. zelne US-Bundesstaaten werden nicht Das macht deutlich, wie weit die USA mehr an klimapolitisch ambitionierten auch unter ihm von dem entfernt sind, Vorstößen gehindert, wie es bisher der was international für das Jahr 2020 Fall war. Damit haben regionale Kli- diskutiert wird. Eine Reduktion von magesetze, Verbrauchsstandards für 25 bis 40 Prozent, wie sie bei der letz- Autos und Ausbauziele für erneuerbare ten Klimakonferenz für die Industrie- Energien fortan gute Chancen. länder vereinbart wurde, ist von den USA nicht zu erwarten. Immerhin Realistische Emissionsziele wäre die Verringerung von 16 Prozent, Die Fragen, ob sich der Emissionshan- um die der CO2-Ausstoß in den USA del innenpolitisch durchsetzen lässt, seit 1990 gestiegen ist, eine entschei- und ob die USA dem internationalen dende Trendwende. Amerika würde in Klimaschutzregime beitreten, hängen zehn Jahren so viel mindern wie der stark voneinander ab. Da mit dem Ge- Vorreiter Deutschland zwischen 1990 und 2000 – und das ganz ohne die Deindustrialisierung eines großen Lan- desteiles, wie es im Falle der DDR ge- schehen ist. Langfristig könnte sich Obama dann auf eine 80-Prozent- Reduktion bis 2050 verpflichten. Für die globale Klimapolitik ist die Bild nur in Einbeziehung der USA in eine interna- tionale Klimaschutzarchitektur essen- Printausgabe tiell, denn sie verantworten 25 Prozent verfügbar der weltweiten Treibhausgase und haben die höchsten Pro-Kopf-Emissio- nen. Von einem solchen Schritt geht © Heiko Sakurai, 10.07.2008 zudem ein nicht zu unterschätzendes Signal aus: Ohne die USA werden sich auch die Schwellenländer nicht ver- bindlich festlegen. Andersherum aber werden die USA nur dann beitreten, 74 IP • Dezember • 2008
Internationale Politik wenn Indien und China verbindliche Es ist damit zu rechnen, dass ein – relative oder sektorale – Emissions- Post-Kyoto-Abkommen kaum bei der ziele akzeptieren. Ein Beitritt sollte nächsten Klimakonferenz in Kopenha- daher letztlich nicht an – auf den gen, sondern eher 2010 verabschiedet ersten Blick – enttäuschenden Zahlen werden wird. Barack Obama wird nicht scheitern. die Fehler von Bill Europa darf trotz der amerikani- Clinton wiederho- Um die grüne Wende der schen Zurückhaltung seine Klimaziele len – er wird einem USA nicht abzuwürgen, nicht abschwächen – im Gegenteil. internationalen Kli- sollten die Europäer nicht Ohne eine glaubwürdige Vorreiterrolle mavertrag nicht zuviel Druck ausüben der EU wird ein Präsident Obama zu- ohne vorheriges hause keine Chance haben – und kein Mandat durch den Senat zustimmen. Schwellenland wird verbindliche Ziele Ein umfassendes Klimagesetz wird der akzeptieren. Die EU muss sich dazu Kongress aber vermutlich erst über- auf die vollständige Versteigerung der nächstes Jahr billigen. Emissionszertifikate einigen. Deshalb Wünschenswert wäre daher folgen- war der Blaue Brief, den UN-General- des Szenario: Die Regierung Obama sekretär Ban Ki-moon Angela Merkel kehrt aus Kopenhagen erfolgreich zu- in dieser Angelegenheit schrieb, für rück, möglicherweise sogar als inter- Deutschland peinlich, aber zutreffend: nationaler Anführer eines neuen Berlin entwickelt sich mehr und mehr klimapolitischen Weltkonsenses. Dann zum Bremser beim Klimaschutz. nämlich könnte es im Kongress und in Von Seiten der EU ist daher zweier- der öffentlichen Meinung Unterstüt- lei entscheidend: Die Europäer müssen zung für einen ambitionierten Klima- klimapolitisch glaubwürdig bleiben. schutz in den USA geben. Von der Eine lobbypolitische Ausrede unter europäischen Verhandlungsstrategie Verweis auf Finanzkrise oder Rezes- für Kopenhagen hängt daher viel ab. sion ist nicht zu akzeptieren. Auch die Bundesregierung muss unbedingt hart JÜRGEN TRITTIN bleiben. Dabei müssen die Europäer ist Bundesumwelt- allerdings vermeiden, das Weiße Haus minister a.D. und Spitzenkandidat von zu demonstrativ und ostentativ unter Bündnis 90/Die internationalen Druck zu setzen. Sie Grünen für den würden so die grüne Wende der USA Bundestagswahl- kampf. schon im Ansatz abwürgen. IP • Dezember • 2008 75
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