Multiprofessionalität: Ziele, Bedingungen, Herausforderungen - Univ.-Prof. Dr. Ulrike Höhmann Universität Witten/Herdecke
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Multiprofessionalität: Ziele, Bedingungen, Herausforderungen Univ.-Prof. Dr. Ulrike Höhmann Universität Witten/Herdecke Witten, 27.3 2015 1
Agenda Bezugspunkt: Gesundheits- „Versorgung“ Vorbemerkung zur Perspektive 0. Multiprofessionalität: Begriffliche Annäherung 1. Multiprofessionalität: Zentrale Felder 2. Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen 3. Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben Witten, 27.3 2015 2
Perspektive: Demenz als exemplarische Problemstellung in der Akut- und Langzeitversorgung pathophysiologische Prozesse komplexes gesellschaftliches sozio-psychisches medizinisch-pflegerisches Syndrom psychosoziale versorgungs- Prozesse bezogene Prozesse Gestaltungsanforderungen sind auch für viele andere Menschen mit chronischen Einschränkungen bedeutsam Witten, 27.3.2015 3
Multiprofessioneller Masterstudiengang „Versorgung von Menschen Gemeinsam mit Demenz“ Lösungen finden berufs- und sektorübergreifende GESELLSCHAFTLICHE! Herausforderungen in der Akut- und Langzeitversorgung über Gesundheitsberufe hinaus! Witten, 27.3.2015 4
Wo muss wer multi…/inter…/trans… zusammenarbeiten? Verhaltens- und Verhältnisebene Individuen---------------------Einrichtungen-----------------Gesellschaft direkte Unterstützungs- „Transmissionsriemen“ Rahmenbedingungen: materielle, soziale, Versorgungskonzepte Ermöglichungsstrukturen ökonomische multi…/inter…/transprofessionelle Zusammenarbeit als Innovation
0 Multiprofessionalität : Begriffliche Annäherung Multiprofessionalität • spezialisierte Perspektiven / Funktionen • gemeinsamer „Gegenstand“ • parallele Praxis, koordinierte „Anschlussfähigkeit“ • Kooperation meint oft sehr weit reichend: Interprofessionalität integriert ineinandergefügtes Wissen, Methoden, gemeinsame Problembeschreibung, aufgeteilte Verantwortung, gemeinsamer Orientierungsrahmen Witten, 27.3.2015 5
Transprofessionalität • Wissen und Problembeschreibung unsicher, Disziplingrenzen anerkannt • kein additiver Reparaturmechanismus: Rückgewinnung komplexer Wahrnehmung, überschreitet -am Gegenstand- enge Diszi-/Berufsgrenzen durch offenen Dialog, verschiedene Perspektiven auf Wirklichkeit: Aushandlungsprozess • im Arbeitsalltag: Infofülle, verschiedene Begriffe: Umgang damit muss erlernt werden!! • kein Rationalisierungsmodell oder Verschiebebahnhof Voraussetzung für: Multi-/Inter-/Trans-: sichere eigene disziplinäre Verortung Witten, 27.3.2015 5
1. Multiprofessionalität: Zentrale Felder Gesundheitsbedarfe der Bevölkerung sprengen Disziplin-/Professionsgrenzen Rahmenbedingungen: Interessen und Ideen • politisch • ökonomisch-rechtlich • sozio-kulturell 1. Wissenschaft – Forschung 2. „Ausbildung“ und Lehrende 3. Berufspraxis in jedem Feld eigene Ziele, Bedingungen, Herausforderungen Witten, 27.3 2015 8
2. Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen In fast allen Bereichen: Multi-…/ Inter-…als „Qualitätsmerkmal“ gefordert zur Bearbeitung „komplexer“ Fragen (= oft unklare Problemdefinitionen / -lösungen) Gleichzeitig: keine einheitliche Politikstrategie zur Förderung erkennbar Hürden für Zusammenarbeit bei Problemdefinitionen und –lösungen, Rationalisierungserwartungen, USP- Ideologie meist = Spezialisierung Witten, 27.3 2015 9
2. Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen Berufsgruppen: unterschiedliche Vorstellungen / Notwendigkeiten Grundmuster:(vgl. Lützenkirchen 2005) Ökonomie: formales Mittel um Marktprinzipien gerecht werden zu können Soziale Arbeit: Vermittlungscharakter zwischen verschiedenen Interessen Medizin: auf eigene Fachgebiete bezogen, sonst eher Delegation Pflege: Arbeitsgrundlage: Rückbesinnung auf Patientenorientierung Multi…/Inter…/Trans… bleibt oft gegentendentiell !!! Witten, 27.3 2015 10
2 Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen Wissenschaft- und Forschung • Atomisierung der Gegenstandsbereiche, Phänomenzugriffe, Fächer: Abgrenzung, Identitätsbildung, Spezialisierung des Wissens • Spezialisierung / Schulenbindung als Aufstiegskanal • Förderung immer spezialisierter Forschungsansätze und Methodiken • Spezialisierte Veröffentlichungsorgane, Zitierkartelle • „Impactisierung“ als rückwärtiger Forschungs- / Wissenschaftsanreiz • Ausschreibungen fordern oft „Interprofessionalität“ „Verbrämungs“kreativität ABER: • neue Wissenschaftskonglomerate entstehen: z.B. life sciences, Motologie…. • Leitungsstellen oft explizit mit „breit“ Qualifizierten besetzt • Freude am Gegenstand, relevant, Rückgewinnung des Praxisbezuges Witten, 27.3 2015 11
2 Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen „Ausbildung“ und Lehrende • enge Berufsbilder z.T. „Kampfbegriffe“ zur Ressourcensicherung • Lehrende: meist monodisziplinär, auf spezialisierte Phänomene, fachliche Zugriffe trainiert, kaum didaktische Regelkonzepte bekannt • schwierig eigene Fachsprache zu relativieren, ohne Inhalt zu trivialisieren • es gibt keine „breiten“ Qualifikationswege ABER: • Lehrende: Freude, Anregungen und „Neuem Lernen“ in multi…/inter…trans… Zusammenhängen • Studierende/ Auszubildende: Aha-Erlebnisse, Problem- und Praxisbezug • polit. Teilforderungen nach Revision der Spezialisierung in Ausbildung / Studium • im Berufsalltag auf allen Ebenen: multi-/inter-/trans-… Kompetenzen erforderlich Witten, 27.3 2015 12
2 Strukturelle Ambivalenzen: Hindernisse und Chancen Berufspraxis • disziplinäre / professionelle Abgrenzungsstrategien im Geflecht von parallelen Professionalisierungs- und Deprofessionalisierungstendenzen • fehlende Infrastruktur für systematische Kooperationen / Abstimmungen • praktische Hierarchie- und Zuständigkeitsprobleme perpetuiert ABER: • an allen Arbeitsplätzen wird multi-/inter-/trans-… gearbeitet • viele Basis - Initiativen zur Zusammenarbeit • problemlösende Zusammenarbeit oft beruflicher Zufriedenheitsfaktor Witten, 27.3 2015 13
3. Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben Ausgangsbedingungen: multi-/inter-/trans… Entwicklungswege sind oft innovativ, ebenso wie die „Produkte“. Beide können im Sinne R.K. Mertons als abweichendes Verhalten verstanden werden und unterliegen damit immer Routinen, die sie schwächen und versuchen, sie zu unterbinden! Probleme: multi…/inter… /trans…Problemlösung: oft fluide, phänomenabhängig, schwierig als „Mehrgewinn“ zu verordnen! Jeweilige Fachstandards müssen eingehalten werden, keine Produktion von „light“ Versionen der jeweiligen Fachlichkeit. Witten, 27.3 2015 14
3 Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben Wissenschaft und Forschung: 1. Exemplarität, Phänomen-/Problembezug in reflexivem Abgleich : i.S. transdisziplinärer Ideale: Phänomen zentral = „Grenzobjekt des Verstehens“ 2. Beteiligte: Gelassenheit im Umgang mit kurzfristigen (akademischen) Statusversprechen 3. Freude an Erkenntnissen problemorientierter Forschung / Lehre 4. Einflussnahme auf Journals / Rahmenbedingungen 5. keine „Verbrämungsstrategien“ zulassen, Forschungsethik kritisch beleuchten 6. organisatorische Zusammenschlüsse von Gleichgesinnten, Projekte 7. Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in diese Ideale nötig! Witten, 27.3 2015 15
3 Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben Ausbildung und Lehre 1. strukturierte übergreifende aufbauende Bildungsangebote: fundierte, reflexive Fachlichkeit als Vorbedingung Ort: Erstausbildung exemplarisch, aufbauend, z.B. Masterprogramm systematisch einüben 2. „Change Agents“ qualifizieren wollen: Kooperationen einüben, Sozial- und Personalkompetenz fördern, phänomenzentrierte disziplinäre Perspektive stärken und relativieren 3. „De-“ und „Re-“ freezing in spezifischen Lehr-/Lernformen (z.B. Herstellen gemeinsamer Wissensbasis; Perspektivabgleich - „Kooperative Selbstqualifikation“; reflexive, problemorientierte Fallbearbeitung mit strukturierte Diskussion, Explikation spez. Berufswissens; produktive Verunsicherung; Teamteaching; Praxisexperten; Fachtagungen 4. Begleitung und Diskussion unter Lehrenden – Zentrierung auf „gemeinsame Phänomene“ die multiperspektivisch beleuchtet werden, Lernen wollen Witten, 27.3 2015 16
3 Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben Berufspraxis: bei komplexen Problemen! 1. institutionalisierte Räume für strukturierte, dialogische Kooperationen schaffen 2. betriebliche Kooperations-, Abstimmungs- und Diskussionskultur stärken: keine „Schwäche“, sondern Bereicherung, nicht bei Umstrukturierung beginnen! 3. on the job: Regeln /Formen im Umgang mit unterschiedlichen Hierarchien und Deutungsdominanzen einüben 4. Akteure schulen: Bewußtwerdung der eigenen fachlichen Selbstverständlichkeiten und Training diese zu explizieren 5. Akzeptanz / Einfordern der andern Problemlösungsbeiträge 6. strukturelle Möglichkeiten, gemeinsam erarbeitete Lösungen umzusetzen 7. Personal- und Sozialkompetenz: mal zu führen , mal zuzuarbeiten Witten, 27.3 2015 17
Qualifikationsbeitrag des Studiengangs 1 multi-/inter-/transdisziplinäre Bildung – Multi-/Inter-/Transprofessionalität in Praxis Change Agents im Beruf • wissenschaftlich verankerte Schlüsselkompetenzen • Entwicklung und Umsetzung transdisziplinär abgestimmter Konzepte / Strategien Gestaltung der Bedingungen und der Praxis der Versorgung von MmD • auf Ebenen • Personen • Organisationen • Gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Witten, 27.3 2015 18
Qualifikationsbeitrag des Studiengangs 2 Versorgungsfragen für MmD „exemplarisches Grenzobjekt des Verstehens“ für disziplinäre und transdisziplinäre Phänomenwahrnehmung Voraussetzungen: sichere eigene Professionalität Flexibilität: je nach Problem „Haupt“- oder „Hilfs-“ funktionen zu übernehmen; Übersetzungs- und Beurteilungsfähigkeit der Lösungen anderer! nicht Übernahme fremder Expertise Witten, 27.3 2015 19
Rahmenbedingungen einer veränderten Praxis Organisationen: Auftrag, Strukturbedingungen, Führung, Arbeitsorganisation, -abläufe, -kultur… Gesellschaftlicher Rahmen: Recht, Finanzen, Berufsgruppen: multi-, inter-, Zweckbestimmung Aufgaben, Wissenskörper, prof. transprofessionelle der Versorgungs- Phänomenverständnisse, Zusammenarbeit einrichtungen, Sozialisation, Territorialität, (Aus)Bildungssystem, Status… Anreizsysteme, Forschungsförderung … Person / Profi: Denk-…kultur…. Soziale, personale Kompetenz Fachkompetenz, Respekt Vertrauen, Aushandlungs-/ Kooperationsbereitschaft… Witten, 27.3.2015 19
Frust und Lust: Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas schönes Bauen (Goethe) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Witten, 27.3 2015 21
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