BILDNISSCHUTZ VON MINDERJÄHRIGEN / PUBLIC SHAMING AUS SICHT DES URHG

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BILDNISSCHUTZ VON
                                        Eingereicht von
                                        Lisa-Marie Halbweis

MINDERJÄHRIGEN /
                                        Angefertigt am
                                        Institut für
                                        Unternehmensrecht

PUBLIC SHAMING AUS
                                        Beurteiler
                                        Assoz. Univ.-Prof. Dr.
                                        Thomas Wolkerstorfer,

SICHT DES URHG
                                        LL.B.

                                        März 2023

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        www.jku.at
                                        DVR 0093696
ANMERKUNG
In dieser Arbeit wird zum Zweck der leichteren Lesbarkeit und Verständlichkeit
regelmäßig auf das sprachliche Gendern verzichtet. Soweit geschlechterbezogene
Angaben gemacht werden, ist das jeweils andere Geschlecht gleichermaßen erfasst.

                                                                                   2
Inhaltsverzeichnis

I.    Einleitung ................................................................................................................................ 6
      A.    Kinderrechte bei der Veröffentlichung von Fotos im Internet........................................... 7
      B.    Public Shaming ................................................................................................................ 7
II.   Der Bildnisschutz gem § 78 UrhG ........................................................................................... 9
      A.    § 78 UrhG ........................................................................................................................ 9
           1.     Bildnis gem § 78 UrhG ................................................................................................ 9
           2.     Verbreitungshandlung ............................................................................................... 11
           3.     Berechtigte Interessen .............................................................................................. 12
           3.1.           Entstellende bzw. bloßstellende Bildnisse ........................................................ 13
           3.2.           Verletzung der Intimsphäre............................................................................... 13
           3.3.           Verwendung für Werbezwecke ......................................................................... 14
           3.4.           Abträglicher Begleittext ..................................................................................... 15
           3.5.           „Sonstiges“ ........................................................................................................ 15
           4.     Interessenabwägung ................................................................................................. 15
           5.     Einwilligung des Abgebildeten ................................................................................... 17
           5.1.           Allgemein .......................................................................................................... 17
           5.2.           Umfang der Zustimmung .................................................................................. 17
           5.3.           Zustimmung Minderjähriger und Kinder............................................................ 18
           5.4.           Geschäftsfähigkeit im Vergleich zur Einsichts- & Urteilsfähigkeit ..................... 21
           5.5.           Nichtvorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen .......... 22
      B.    Rechtsfolgen .................................................................................................................. 24
           1.     Unterlassung ............................................................................................................. 24
           2.     Beseitigung ................................................................................................................ 25
           3.     Urteilsveröffentlichung ............................................................................................... 25
           4.     Schadenersatz .......................................................................................................... 26
      C.    Rechtslage in Deutschland ............................................................................................ 26
           1.     Veröffentlichung von Bildnissen gem § 22 KUG ....................................................... 26
           2.     Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung nach § 23 KUG ........................................... 27
           3.     Ausnahme von § 23 KUG .......................................................................................... 28
           4.     Ausnahme von § 24 KUG .......................................................................................... 28
           5.     Minderjährige ............................................................................................................. 28
III. Das Persönlichkeitsrecht im Hinblick auf § 16 ABGB ........................................................... 29

                                                                                                                                   3
A.    Grundnorm ..................................................................................................................... 29
      B.    Entwicklung von § 16 ABGB .......................................................................................... 29
      C.    Funktion des § 16 ABGB ............................................................................................... 30
      D.    Verletzung eines Persönlichkeitsrechts ......................................................................... 30
IV. Eigene Meinung .................................................................................................................... 31

                                                                                                                               4
Abkürzungsverzeichnis

ABGB           Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Abs            Absatz
AG             Amtsgericht
BGB            Bundesgesetzblatt
BGH            Bundesgerichtshof
bzw            beziehungsweise
DSG            Datenschutzgesetz
E              Entscheidung
EMRK           Europäische Menschenrechtskonvention
f              folgende
ff             fortfolgende
gem            gemäß
GG             Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
hA             herrschende Ansicht
hM             herrschende Meinung
Hrsg           Herausgeber
idF            in der Fassung
iSd            im Sinne des
iVm            in Verbindung mit
iZm            im Zusammenhang mit
Jud            Judikatur
KindRäg        Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz
krit           kritisch
KUG            Kunst- und Urheberrechtsgesetz
LG             Landgericht
lit            litera
mE             meines Erachtens
mwN            mit weiteren Nachweisen
Nr             Nummer
OGH            Oberster Gerichtshof
OLG            Oberlandesgericht
Pkt            Punkt
Rsp            Rechtsprechung
Rz             Randziffer
S              Satz
TdL            Teil der Lehre
UrhG           Urhebergesetz
zB             zum Beispiel
ZPO            Zivilprozessordnung
zT             zum Teil

                                                                5
I.   Einleitung

Die weite Verbreitung von mit Kameras ausgestatteten Smartphones bringt es mit sich,
dass ihre Nutzer in allen erdenklichen Situationen Lichtbilder anfertigen. Auch durch
die Entwicklung der sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Co. wurde für
Smartphone-Nutzer die Möglichkeit geschaffen, Bilder mit nur wenigen Klicks mit
Familie, Freunden oder auch der Öffentlichkeit zu teilen.
Dabei laden Eltern auch Fotos hoch, auf denen ihre Kinder in vermeintlich witzigen
Situationen abgebildet sind. Teilweise betreffen sie auch deren höchstpersönlichen
Lebensbereich. Solche Bilder sind problembehaftet, da sie von Kindern insbesondere
dann, wenn diese selbst die entsprechenden Social-Media-Kanäle nutzen als
bloßstellend   und    entwürdigend     aufgefasst     werden.   Das    Hochladen       solcher
Abbildungen kann zu „Public Shaming“ führen.1
„Public Shaming“ kann gravierende Folgen mit sich ziehen und etwa zu Mobbing durch
Klassenkollegen in den Schulen führen. Doch nicht nur mögliche Mobbingattacken
können ein Problem darstellen, denn nicht selten geraten Bilder von Jugendlichen auf
dubiose    Internetseiten   und    werden      dort   von   Unbefugten     betrachtet     und
weiterverbreitet.
Gerade für Eltern ist im Internet Sorge geboten, denn was einmal im Netz zu finden ist,
ist nur schwer wieder zu entfernen. Das für die Erziehungsberechtigten harmlos
wirkende Kinderfoto kann oftmals Jahre später für das Kind beschämend wirken und
auch rechtliche Folgen für die Eltern nach sich ziehen.
So kann es durch die Veröffentlichung von Kinderbildern auf Social-Media-Plattformen
unter anderem zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 16 ABGB)
des Kindes kommen.

Welche Konsequenzen das Hochstellen der Bilder von Minderjährigen haben kann,
wird jedoch von den Beteiligten oftmals ignoriert. In der vorliegenden Arbeit wird
zunächst    darauf   eingegangen,     welche     Normen     beim   Herstellen    und     beim
Veröffentlichen der Bilder einschlägig sind und anschließend wird deren Schutzbereich
näher erläutert. Die Diplomarbeit behandelt in weiterer Folge insbesondere, inwieweit
Kinder selbst bestimmen können, welche Bilder hochgeladen werden dürfen und wie
sie sich bei allfälligen Verletzungen gegen die Veröffentlichung wehren können.

1
    Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen,
https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web-
blossstellen (abgerufen am 19.01. 2023).

                                                                                             6
A. Kinderrechte bei der Veröffentlichung von Fotos im Internet

Das     Präsentieren      von     Kinderfotos     auf    Social     Media      steht    in   einem
Spannungsverhältnis zu mehreren Gesetzen.
Denkbar ist zunächst sowohl eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 78
UrhG, als auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 16 ABGB.
Gem § 78 UrhG dürfen „Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf
eine ´andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet
werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder eines nahen
Angehörigen verletzt würden“.
Neben dem Bildnisschutz in § 78 UrhG finden sich auch in dem DSG relevante
Normen für das Verwenden von Fotos, welche neben dem UrhG zur Anwendung
gelangen.2 So stellen Aufnahmen von Minderjährigen personenbezogene Daten dar,
womit sie vom DSG geschützt werden.3
In weiterer Folge kann durch die Verbreitung von Kinderbildern auch eine Verletzung
nach § 7 Abs 1 Mediengesetz gegeben sein, wenn „in einem Medium der
höchstpersönliche Lebensbereich einer Person in einer Weise erörtert oder dargestellt
wird, die geeignet ist, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen.“
Im Gesetz findet sich in diesem Zusammenhang weder eine Differenzierung zwischen
minderjährigen      Personen      und    Volljährigen,     noch    spezielle    Regelungen       für
minderjährige Personen, deshalb sind diese auch vom Anwendungsbereich der
folgenden Normen mitumfasst.4

Im Rahmen dieser Arbeit wird vor allem auf § 78 UrhG eingegangen und Aspekte des
DSG und des MedienG insbesondere bei der Beurteilung der Zustimmung der
abgebildeten Person herangezogen.

    B. Public Shaming

Doch was versteht man unter dem Begriff des „Public Shamings“, welches zu einer
Verletzung der genannten Rechte bei Minderjährigen führen kann.
„Public Shaming“ kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt „öffentliches
Beschämen“. Inhaltlich geht es um das öffentliche zur Schau stellen einer Person, in

2
  OGH 29.08.2019, 6 Ob 152/19z, RdW 2020/42 (Kriwanek).
3
  Öhlböck, Fotos von Kindern auf Facebook: Zulässig?, https://www.raoe.at/news/fotos-von-kindern-auf-
facebook-zulaessig/ (abgerufen am 28.01. 2023).
4
  Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (100).

                                                                                                    7
einer für sie nachteiligen, teilweise sogar blamierenden oder beschämenden Art und
Weise. Von diesem Phänomen waren früher vor allem Personen des öffentlichen
Lebens betroffen, über deren Verfehlungen oder auch bloß über deren Privatleben in
den Medien, damals vorwiegend noch in den Zeitungen oder im Fernsehen, berichtet
wurde. Doch mit der Etablierung und der leichten Anwendbarkeit der neuen Medien
kann das Phänomen „Public Shaming“ mittlerweile schnell jeden betreffen.5
Eines der bekanntesten Beispiele stellt das YouTube Video namens „David after
Dentist“ dar. Dabei filmte der Vater des damals 7-jährigen Davids die lustigen und teils
abstrusen Aussagen seines Sohnes am Rückweg des Krankenhauses mit. Geschuldet
war dies den auf Grund einer Zahnoperation verabreichten Medikamenten. Der Vater
dokumentierte das Video jedoch nicht nur für den privaten Gebrauch, sondern lud es
anschließend zur öffentlichen Belustigung auf YouTube hoch und erreichte bis Stand
Dezember 2022 über 141 Millionen Aufrufe.6 Dass dieses öffentliche zur Schau stellen
seines Sohnes sowohl moralische als auch rechtliche Folgen mit sich ziehen kann,
mag dem Vater im Moment des Hochladens wohl nicht bewusst gewesen sein. Doch
es steht freilich außer Zweifel, dass auch Minderjährige Persönlichkeitsrechte haben
und gerade darauf sollten die Eltern als deren Erziehungsberechtigte achten.7 Denn
einem Minderjährigen werden die Folgen, welche das „Public Shaming“ mit sich ziehen
kann, in seinem jungen Alter häufig noch nicht verständlich sein. In der Folge wird das
Recht am eigenen Bild gem § 78 UrhG, welches sowohl bei „Public Shaming“
Erwachsener als auch Minderjähriger rechtlich relevant ist, näher beleuchtet.

5
        Der      Tagesspiegel,       Public      Shaming      im      Internet:     Schäm       dich!
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/scham-dich-3618838.html (abgerufen am 20.12. 2022).
6
    Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen,
https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web-
blossstellen (abgerufen am 20.12. 2022).
7
    Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen,
https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web-
blossstellen (abgerufen am 20.12. 2022).

                                                                                                    8
II.      Der Bildnisschutz gem § 78 UrhG

          A. § 78 UrhG

Gem § 78 UrhG ist es einer Person nicht gestattet „Bildnisse von Personen öffentlich
noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zu
verbreiten, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.“
Der vom Gesetzgeber in der Überschrift des § 78 UrhG verwendete Ausdruck
„Bildnisschutz“ zielt dabei auf den Schutz des Abgebildeten ab.8 Von der
Rechtsprechung wird dies insofern konkretisiert, als dass durch § 78 UrhG jeder gegen
einen rechtswidrigen Gebrauch seines Bildnisses in der Gesellschaft geschützt werden
soll, insbesondere dadurch, dass niemand durch die Verbreitungshandlung seines
Bildes einer Blöße ausgestellt wird, die Privatsphäre nicht der Allgemeinheit kundgetan
wird, aber auch dass das Bild nicht in abwertender Weise dargestellt wird.9

Grundsätzlich bietet § 78 UrhG nur vor dem Veröffentlichen des Bildes, welches
berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt, Schutz. Die bloße Herstellung eines
Fotos – ohne Veröffentlichungshandlung – ist somit vom Schutzbereich der Norm nicht
erfasst.10 Dieser Auffassung ist zumindest die hM11 in Österreich. In Deutschland leitet
der BGH aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 2 Abs 1 GG einen Schutz gegen die
Bildnisherstellung als solche ab.12

          1. Bildnis gem § 78 UrhG

             Reichweite des Bildnisbegriffs – Erkennbarkeit des Abgebildeten als zentrales
             Kriterium

Voraussetzung für das Eingreifen des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG ist zunächst,
dass es sich um ein „Bildnis einer Person“ handelt. Der Rechtschutz des § 78 UrhG
schließt somit bloß Bilder von Personen ein, nicht aber von Tieren oder Sachen.13

8
  Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 2 (Stand 01.04.2017, rdb.at).
9
  OGH 21.09.1955, 3 Ob 443/55.
10
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 24.
11
   Thiele, Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet- Braucht Österreich einen eigenen
Paparazzi-Paragrafen?, RZ 2007, 2 (4 f) mwN; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 2 (77).
12
   Haybäck, Aktuelle Rechtsentwicklung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG, wbl 2020, 53 (55).
13
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 9.

                                                                                                   9
In den grundsätzlichen Schutzbereich des § 78 UrhG fallen neben Lichtbildern auch
Zeichnungen oder Karikaturen.14
Abgestellt wird zumeist auf das Gesicht, doch auch ein Foto, auf dem die Augen mit
schwarzen Balken abgedeckt werden, kann in den Anwendungsbereich des § 78 UrhG
fallen, wenn die Person nach wie vor erkennbar ist.15
Handelt es sich um ein verschwommenes Bild, so schließt dies nicht die Erkennbarkeit
aus, wenn durch den Begleittext eine Schlussfolgerung auf die abgebildete Person
gezogen werden kann.16 Als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 78 UrhG ist
somit die Erkennbarkeit des Abgebildeten notwendig.

         Fallbeispiele zur Erkennbarkeit aus der Rsp

Der OGH-E Polizeibeamter II lag ein Sachverhalt zugrunde, der einen beim Landesamt
für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung tätigen Beamten betraf, welcher
gegen das Medium „www.oe24.at“ aufgrund der Veröffentlichung eines Artikels mit
einem Foto, das den Kläger während eines Einsatzes zeigt, vorging.17
Der Kläger begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der Gestalt, dass
es das Medium zu unterlassen habe, Bilder des Klägers bei Ausübung seines Berufs
ohne seine Zustimmung zu veröffentlichen.
Dem samt Bild des Klägers veröffentlichten Artikel kann weder sein Gesicht noch sein
Name entnommen werden, auch wird kein Bezug auf seine berufliche Tätigkeit
genommen. Des Weiteren kann auch aus dem beigefügten Text kein Rückschluss auf
die angeklagte Person genommen werden.

Die Klage wurde vom Erstgericht wegen mangelnder Erkennbarkeit abgewiesen, auch
das OLG Wien bestätigte dies. Aus der Begründung geht hervor, dass aus dem
veröffentlichten Foto, welches den Kläger weggedreht darstellt, keine individuellen
Merkmale, wie die Augenpartie oder die Mundform, erkennbar sind.
Abgestellt wird dabei, ob dem äußeren Anschein nach die Person auf dem Bild von
einem flüchtigen Bekannten erkannt werden kann.18
Dieser äußere Anschein beurteilt sich oftmals durch seine Gesichtszüge, aber auch
sonstige die Person identifizierende Merkmale fallen darunter. Sind die Gesichtszüge

14
   Haybäck, Aktuelle Rechtsentwicklung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG, wbl 2020, 53 (53).
15
   OGH 21.09.1955, 3 Ob 443/55.
16
   OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97f.
17
   OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t.
18
   OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t.

                                                                                              10
nicht deutlich erkennbar, so kann die Angabe des Namens zur Erkennbarkeit führen.19
Nach der Rsp des OGH kann auch der beigefügte Text für die Erkennbarkeit einer
Person eine wichtige Rolle spielen.20 Demnach reicht es für die Bejahung der
Identifizierbarkeit aus, wenn sich für Leute aus der „näheren und weiteren
Nachbarschaft“ die abgebildete Person aus dem Begleittext herauskristallisieren
lässt.21

Ein weiteres OGH-Urteil bejaht jedoch dann die Erkennbarkeit, wenn ein Bild eines
Sportlers samt negativem Begleittext veröffentlicht wird, dessen Gesicht auf dem Bild
zwar verfremdet ist, doch sein Körper vom Betreuungsteam, allein schon durch die
Trainings und Wettkämpfe, erkannt wird.22
Anhand      der    obigen     Erläuterungen       lässt   sich    ein    äußerst     umfangreicher
Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals des „Bildnisses“ feststellen, weshalb
es mE auch bei Fotos von Minderjährigen kaum zu Komplikation bei der Anwendung
führen wird. Einzig bei Säuglingen und Kleinkindern kann es zu Schwierigkeiten bei der
Erkennbarkeit       für   Außenstehende          kommen.         Beim    Vorliegen     individueller
Körpermerkmale, wie Pigmentflecken, stellt jedoch auch dies idR kein Problem dar.23
Des Weiteren lässt sich oftmals aus der Bildunterschrift der Eltern und deren Profil
entnehmen um wen es sich auf dem geposteten Foto handelt, weshalb auch aus
diesem Grund die Erkennbarkeit des Kindes gegeben sein kann.

     2. Verbreitungshandlung

In den Anwendungsbereich des § 78 UrhG fallen das öffentliche Ausstellen des Bildes
und die Verbreitung des Bildes, wodurch es auf eine andere Art der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wird, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Abgebildeten
verletzt werden.
Der OGH stellt in seinem Urteil fest, dass der Begriff der „Öffentlichkeit“ dann gegeben
ist, wenn das Foto eine Mehrzahl an Menschen erreicht.24 Der Terminus der
„Öffentlichkeit“ stellt somit einen weiten Anwendungsbereich dar. Unter den Tatbestand
fällt jede Verbreitungshandlung, durch welche das Bild einer großen Anzahl an
Menschen zur Schau gestellt wird.25 Das Ausstellen wird als Offenbarung des

19
   OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t.
20
   OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97 f.
21
   OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97 f.
22
   OGH 30.01.2017, 4 Ob 266/05d.
23
   Verschraegen, Neu geboren, Mutter weg, kein Bildnisschutz?, MR 2003, 297 (297).
24
   OGH 20.05.2020, 6Ob 206/19s.
25
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 18.

                                                                                                  11
Bildnisses gegenüber der breiten Masse verstanden. Voraussetzung dafür ist nicht die
gewerbliche Ausübung, sondern es reicht, dass das Bild der Öffentlichkeit dargeboten
wird.26 Ein in einer Auslage eines Fotografen stehendes Bild ist somit vom
Schutzbereich des § 78 UrhG umfasst, ebenso wie eine Bildpräsentation in einem
Museum.27 Wird ein Bildnis an mehrere Personen im nahen Umfeld via Chatservices
oder über social media versendet, so fällt auch dies unter den Tatbestand.28
Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Fotos, welche nur im privaten und
familiären Bereich verwendet werden, keine Verletzung des Bildnisschutzes nach sich
ziehen können.29 Werden Kinderfotos in das private Fotoalbum mitaufgenommen, so
stellt dies somit keine Verbreitungshandlung nach § 78 UrhG dar.30

Nach Seiss/Raabe-Stuppnig liegt eine „Veröffentlichung“ immer dann vor, wenn Fotos
in den sozialen Netzwerken öffentlich gestellt werden.31 Bei der Beurteilung wird auch
nicht darauf abgestellt, ob das Foto durch die Einstellung der Privatsphäre bloß für
einen kleinen Follower-Kreis sichtbar ist.32 Dies hängt laut der Autorinnen damit
zusammen, dass auch die enge Facebook Freundesliste weit über den familiären
Bereich reicht und somit an eine Mehrzahl an Menschen gelangt. Des Weiteren
werden oftmals schon mit der Einwilligung in die AGB der Sozialen Medien
verschiedenste Rechte an die Betreiber abgegeben, weshalb potenzielle weitere
Verbreitungen möglich sind und kaum mehr nachvollziehbar werden.33 Das bedeutet,
dass das Posten von Fotos von minderjährigen Personen auf den sozialen
Netzwerken, aber auch in Zeitungen oder im Fernsehen eine Verbreitungshandlung
gem § 78 UrhG darstellt, da das Bild dadurch einer großen Anzahl an Menschen
präsentiert wird.

       3. Berechtigte Interessen

§ 78 UrhG verbietet nicht das Posten eines Fotos einer Person an sich, vielmehr muss
es dadurch als zusätzliche notwendige Voraussetzung zu einer Verletzung von deren
berechtigten Interessen kommen.34

26
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 19.
27
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 98.
28
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 2 (Stand August 2017, lexisnexis.at).
29
   Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101).
30
   Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (100).
31
   Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101).
32
   Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101).
33
     Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101).
34
     Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 3.

                                                                                                        12
In den Schutzbereich des § 78 UrhG fallen nicht nur materielle, sondern auch ideelle
Interessen. Materielle jedoch nur dann, wenn deren Beeinträchtigung auf einer
Verletzung ideeller Interessen basiert.35
Um möglichst alle sanktionswürdigen Einzelfälle erfassen zu können, hat der
Gesetzgeber auf eine Legaldefinition verzichtet.36 Bei der Feststellung, ob berechtigte
Interessen verletzt wurden, ist keine subjektive Prüfung vorzunehmen, stattdessen wird
darauf abgestellt, ob schutzwürdige Interessen des Abgebildeten nach objektivem
Maßstab verletzt wurden.37 Die Judikatur hat zur Einteilung des berechtigten Interesses
verschiedene Fallgruppen entwickelt. Diese unterteilen sich nach Kodek38 in:

     •   Entstellende bzw bloßstellende Bildnisse,
     •   Verletzung der Intimsphäre,
     •   Verwendung für Werbezecke,
     •   Verwendung eines abträglichen Begleittextes und
     •   einen Auffangtatbestand

3.1.     Entstellende bzw. bloßstellende Bildnisse

Nach dieser Fallgruppe liegt eine Verletzung des berechtigten Interesses dann vor,
wenn ein Bild einer Person verbreitet wird, welches „entstellend, entwürdigend oder
herabsetzend wirkt“. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn jemand – ohne es zu
wissen – entblößt oder in einer peinlichen Situation abgebildet wird.39

3.2.     Verletzung der Intimsphäre

Die zustimmungslose Nutzung eines Bildnisses, das in Verbindung mit der Privat- und
Intimsphäre des Abgebildeten steht, ist ebenso unzulässig, dies auch dann, wenn sich
der Bezug zu diesen Bereichen auch erst iZm der Bildunterschrift oder dem Folgetext
ergibt.40 Den Kern der geschützten Privatsphäre stellt der „höchstpersönliche
Lebensbereich“ dar.41 Zu diesem zählen auf jeden Fall „die Gesundheit, das
Sexualverhalten eines Menschen und sein Leben in und mit der Familie“.42

35
   OGH 08.09.2009, 4 Ob 146/09p.
36
   OGH 02.08.2012, 4 Ob 119/12x.
37
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 16; OGH 15.12.2005, 6 Ob 211/05f.
38
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 36.
39
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 37.
40
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 40.
41
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 39.
42
   OGH 20.01.2014, 4 Ob 216/13p.

                                                                                                        13
Der Terminus „höchstpersönlicher Lebensbereich“ findet sich auch in Art 8 EMRK,
welcher das Recht auf Privat- und Familienleben normiert, wieder und entspricht
inhaltlich im Wesentlichen dem Verständnis des Begriffs im Rahmen des § 78 UrhG.43
Unter den höchstpersönlichen Lebensbereich fällt insbesondere das Leben in der
Familie selbst.44 Dies stellt mE insbesondere in Bezug auf Fotos von Kindern eine
große Bedeutung dar, da sich das Aufwachsen der Minderjährigen zumeist noch zur
Gänze im Umfeld der Familie abspielt und somit ein breiterer Anwendungsbereich des
§ 78 UrhG für Kinder eröffnet wird.
Als weiteres Beispiel für eine entwürdigend wirkende Handlung ist das Verbreiten von
Nacktbildern gegen den Willen des Abgebildeten zu nennen.45 Nach der Judikatur ist
für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Intimsphäre besonders bei Personen mit
Führungspositionen ein strenger Maßstab anzulegen.46

3.3.    Verwendung für Werbezwecke

Wird ohne Zustimmung mit einem Bildnis des Abgebildeten geworben, so stellt dies
eine Verletzung des berechtigten Interesses dar. Einen typischen Anwendungsfall stellt
die Bewerbung von Produkten mit Konterfeis von berühmten Sportlern oder Sängern
dar. Die Pönalisierung derartiger Konstellationen gründet unter anderem darauf, dass
die Betrachter vermuten würden, dass die abgebildete Person das Foto gegen Entgelt
bereitgestellt hat.47 Auch wenn mit dem geworbenen Bildkontext keine verwerflichen
Handlungen dargestellt werden, so kann dies die abgebildete Person in ihrem
berechtigten Interesse verletzen.48 Die Entscheidungskraft über die Verwendung des
Bildes und die Benützung als Werbemittel muss stets in den Händen des Abgebildeten
selbst liegen.49
Nach Höhne kann dies jedoch gerade bei Kindern nicht angenommen werden, da man
dem Minderjährigen nicht anlasten könne, er hätte das Werbebild für Geld
bereitgestellt. Vielmehr sei darauf abzustellen, wofür das Kind wirbt und wie es in der
Werbung       präsentiert      wird.50    So     kommt       auch      eine     Substitution   der
Zustimmungserklärung nicht in Frage, womit die Eltern vom Veröffentlichen Abstand
nehmen müssen, wenn keine Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes

43
   Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG § 7 Rz 3 (Stand 1.9.2019, rdb.at).
44
   Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG § 7 Rz 4.
45
   OGH 17.09.1996, 4 Ob 2249/96f.
46
   OGH 17.09.1996, 4 Ob 2249/96f.
47
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 43.
48
   OGH 29.06.1971, 4 Ob 330/71.
49
   OGH 14.09.1999, 4 Ob 338/73.
50
   Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334).

                                                                                                14
vorliegt.51 Zu einer Gegenauffassung kommt Thiele, welcher eine Einwilligung auch der
Obsorgeberechtigten als rechtens ansieht, solange zum Wohle des Kindes gehandelt
wird.52 Nähere Erläuterungen zu den verschiedenen Auffassungen finden sich in
Kapitel 5.5.

3.4.   Abträglicher Begleittext

Bei der Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten ist oft auch auf die
Gesamtschau, somit auf die Art der Verbreitung des Bildes und dem Begleittext Bezug
zu nehmen.53 Dabei muss im Begleittext nicht extra auf das Bild hingewiesen werden.
Maßgeblich ist hierbei, dass es den Leser vermuten lässt, dass sich der Begleittext auf
das Bild bezieht und somit dem Ruf des Abgebildeten durch den beigefügten Text
geschadet wird.54

3.5.   „Sonstiges“

Diese Fallgruppe dient als Auffangtatbestand. Eine Verletzung des Bildnisschutzes
kann etwa auch dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber ohne Genehmigung ein Bild
eines seiner Arbeitnehmer im Internet veröffentlicht.55

4. Interessenabwägung

Eine Interessenabwägung ist immer dann vorzunehmen, wenn der Abgebildete einen
Eingriff berechtigter Interessen einwendet, das Medium auf der anderen Seite jedoch
ein Interesse an der Veröffentlichung behauptet.56

Im ersten Prüfungsschritt ist zu ermitteln, ob „ein schutzwürdiges Interesse des
Abgebildeten“ besteht, das verletzt sein könnte.57 Wenn dies nicht der Fall ist, ist der
Schutzbereich der Norm von vornherein nicht eröffnet. Wird jedoch ein berechtigtes
Interesse festgestellt, so ist in einem nächsten Schritt die Interessenslage von den
beteiligten Parteien zu bewerten, aus deren Gegenüberstellung folgt, ob die
Geheimhaltungsinteressen des Abgebildeten überwiegen und damit "berechtigte

51
   Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334).
52
    Thiele, Der Schutz personenbezogener Daten von Minderjährigen, insbesondere im schulischen
Bereich, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 71 (81 ff).
53
   OGH 20.01.2014, 4 Ob 216/13p.
54
   OGH 28.09.2006, 4 Ob 216/13p.
55
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 48.
56
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 27.
57
   OGH 14.03.1989, 4 Ob 5/89.

                                                                                            15
Interessen" gem § 78 UrhG verletzt werden.58 Lediglich dann, wenn § 41 UrhG zur
Anwendung gelangt, wird die Abwägung der Interessenlage beider Seiten verdrängt
und einer Veröffentlichung steht nichts im Wege.59 Bei der Interessensabwägung ist
oftmals auch großes Augenmerk auf den Begleittext zu legen, welcher in die
Beurteilung miteinzufließen hat.60

Der Bildnisschutz ist stets unter Berücksichtigung der verfassungsgesetzlich
gewährleisteten       Rechte     zu    beurteilen,     wobei     die      Persönlichkeitsrechte   des
Abgebildeten den dem Medium zukommenden Grundrechten, wie etwa der
Pressefreiheit, der Medienfreiheit und der Kunstfreiheit, gegenüberzustellen sind. Die
Gegenüberstellung des berechtigten Interesses des Abgebildeten und des Interesses
an     der     Veröffentlichung       des      Mediums         spielt     insbesondere     bei    der
Kriminalberichterstattung eine wichtige Rolle.61 Demnach ist hier keine Beurteilung des
Bildes allein vorzunehmen, sondern vielmehr stets auch der beigefügte Text
heranzuziehen.62
Nach älterer Rsp ist das Publik-Machen eines Bildes einer nicht allgemein bekannten
Person dann zulässig, wenn das Interesse an der Veröffentlichung überwiegt. Dies ist
gerade bei mittelschweren und schweren Straftaten der Fall und wird insbesondere mit
der Präventionswirkung oder der möglichen Hilfe bei der Aufklärung der Straftat
begründet.63
Aber auch das Medienrecht spielt eine nicht unbedeutende Rolle bei der Beurteilung,
ob der Abgebildete eine Verletzung des Bildnisschutzes geltend machen kann. In
vielen Fällen wird die Abwägung der Interessen der betroffenen Parteien dann
zugunsten des Mediums ausfallen, wenn kein rechtswidriger Eingriff in den
Privatbereich gegeben ist und der Begleittext grundlegend wahr ist.
Dies ist allen voran dann zutreffend, wenn es sich um ein bedenkenloses Bild
handelt.64 Von einem bedenkenlosen Bild spricht man dabei dann, wenn kein die
abgebildete Person bloßstellendes Foto oder in seine höchstpersönliche Privatsphäre
eingreifende Handlung abgebildet wird.65

58
   OGH 20.10.2009, 4 Ob 132/09d.
59
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 70.
60
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 17.
61
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 30.
62
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 47.
63
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 71.
64
   OGH 13.07.2010, 4 Ob 64/10f.
65
   OGH 13.07.2010, 4 Ob 64/10f.

                                                                                                   16
5. Einwilligung des Abgebildeten

5.1.    Allgemein

Eine Berufung auf den Bildnisschutz nach § 78 UrhG ist dann nicht mehr möglich,
wenn die abgebildete Person in die Veröffentlichung eingewilligt hat.66 Durch den
Verzicht auf das Schutzrecht ist auch eine nachträgliche Geltendmachung der
Verletzung berechtigter Interessen nicht mehr möglich.67
Die Zustimmung stellt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung dar, welche sowohl
ausdrücklich als auch konkludent erteilt werden kann.68 Nach § 863 ABGB sind an die
Wirksamkeit stillschweigender Willenserklärungen strenge Anforderungen zu legen.
Demnach liegt solch eine Zustimmung nur dann vor, wenn es für den Empfänger
keinen Grund zu zweifeln gibt, dass die Willenserklärung beabsichtigt ist.69 Das
bewusste, entgeltliche Abbilden-Lassen durch einen Berufsfotografen kann demnach
als konkludente Zustimmung verstanden werden.70

5.2.    Umfang der Zustimmung

Näheres zum Zustimmungsumfang kann einer OGH-E aus dem Jahr 1994 entnommen
werden, welcher folgender Sachverhalt zugrunde liegt.71 Die Klägerin, welche als
Patientin eine unentgeltliche kosmetische Behandlung erhielt und sich im Gegenzug
fotografisch für medizinische Berichte abbilden ließ, begehrte von der beklagten Partei,
welche Medieninhaberin der Zeitschrift „Neue Kronen Zeitung“ ist, Schadenersatz und
die Unterlassung der Veröffentlichung ihres Bildnisses gem § 78 UrhG, wenn daraus
abgeleitet werden könne, die Klägerin habe sich einer Schönheitsbehandlung
unterzogen.

Das Medium veröffentlichte in der Ausgabe vom 05.05.1991 einen Artikel namens
„Leiden für die Schönheit - der Preis der zweiten Haut“. Dazu abgebildet war ein Bild
mit dem Gesicht der Klägerin, welches diese vor und nach der kosmetischen
Behandlung bei der Ärztin zeigte. Als Gegenleistung für die ärztliche Behandlung
vereinbarten die Parteien, dass eine Veröffentlichung in medizinischen Zeitschriften
erfolgen    dürfte,   weitere     Beschränkungen        der    Veröffentlichung     wurden   nicht

66
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 54.
67
   OGH 12.08.1996, 4 Ob 2203/96s.
68
   Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 36.
69
   Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 863 Rz 17 (Stand 02.01.2022, rdb.at).
70
   OGH 08.03.1994, 4 Ob 28/94.
71
   OGH 08.03.1994, 4 Ob 28/94.

                                                                                                17
ausgemacht. Die Klägerin war der Auffassung, dass sie niemandem erlaubt habe, die
Bilder in einer Tageszeitung zu veröffentlichen, da dies nämlich eine Bloßstellung ihrer
Person zu Folge haben würde.

Die Vorinstanzen gaben sowohl dem Unterlassungsbegehren als auch dem
Veröffentlichungsbegehren statt. Daraufhin brachte die beklagte Partei gegen diese
Entscheidung den Antrag ein, das angefochtene Urteil abzuändern und das
Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.
In weiterer Folge erhob die Klägerin Revision. Die beklagte Partei behauptet, dass eine
Zustimmungserklärung zur Veröffentlichung der Bilder gegenüber der behandelnden
Ärztin jedoch stattgefunden habe.
Strittig war in gegenständlichem Fall, in welchem Umfang die Zustimmungserklärung
galt, somit ob die Einwilligung in die medizinische Zeitschrift auch eine Einwilligung in
weitere, unter anderem nicht medizinische Magazine, umfasst.

Der OGH kam zum Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses eine Verletzung
der berechtigten Interessen auf Grund der fehlenden Zustimmungserklärung in
ausreichendem Umfang darstellt, da die Veröffentlichung in einer Tageszeitung von der
Zustimmungserklärung der beklagten Partei nicht mitumfasst war.
Demnach ist die Klägerin im vorliegenden Fall vom Schutzbereich des § 78 UrhG
erfasst. Dieses Urteil stellt in meinen Augen exemplarisch dar, dass insbesondere bei
Bildern von minderjährigen Personen einzelfallspezifisch großes Augenmerk bei der
Beurteilung des Umfangs der Zustimmung zu legen ist.

5.3.       Zustimmung Minderjähriger und Kinder

Das Gesetz normiert keine Sonderregelung für die Veröffentlichung von Bildern von
Minderjährigen, somit sind für die Beurteilung der Zustimmung dieser Personengruppe
die allgemeinen Regeln heranzuziehen.72 Ein Foto darf immer verbreitet werden, wenn
keine       Verletzung     berechtigter      Interessen     stattfindet,    hierbei    ist   auch   eine
                                                   73
Zustimmungserklärung nicht erforderlich.

Spannend wird es, wenn durch ein veröffentlichtes Bildnis eines Minderjährigen
grundsätzlich seine Interessen beeinträchtigt werden und eine Veröffentlichung nur mit
einer Einwilligung rechtens wäre. Fraglich ist hierbei, ob die minderjährige Person

72
     Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56.
73
     Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (4).

                                                                                                      18
selbst eine Zustimmung zur Verbreitung des Bildes abgeben kann, oder nur der
gesetzliche    Vertreter    befugt    ist,   diese    abzugeben.74      Entscheidend      bei    der
Lösungsfindung ist, ob man bei der Abgabe der Zustimmungserklärung auf die
„Geschäftsfähigkeit“ oder die „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ Bezug nimmt.75 Hierzu
gibt es in der Literatur76 verschiedenste Ansichten.
Die ältere Lehre war der Auffassung, dass bei der Abgabe der Willenserklärung des
Minderjährigen auf die Geschäftsfähigkeit abzustellen sei.77 Für Personen, welche
nicht voll geschäftsfähig sind, gäbe es die Möglichkeit der Einwilligung durch den
gesetzlichen Vertreter.78

Im Gegenzug dazu erachtet Dokalik bei der Zustimmung in die Verbreitung eines
Bildes die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Minderjährigen als maßgebliches
Kriterium.79 Dies leite sich aus § 146c Abs 1 ABGB, welcher nur dem einsichts- und
urteilsfähigen Kind selbst die Möglichkeit bietet, rechtswirksam in die medizinische
Behandlung einzuwilligen, ab.80 Liege eine Einwilligung des Kindes nicht vor, ist diese
auch nicht durch die der Eltern substituierbar.81
Stellt man den Sinngehalt der beiden Normen § 173 ABGB und § 78 UrhG gegenüber,
wirkt dies einleuchtend, dass wenn die Entscheidungskraft in die Einwilligung eines
ärztlichen Eingriffes einzig bei dem einsichts- und urteilsfähigen Minderjährigen liegt
und nicht substituiert werden kann, dies auch bei höchstpersönlichen Rechten wie dem
Bildnisschutz zu gelten hat.82
Zusätzlich    wird    für   die   wirksame      Zustimmung       der    minderjährigen      Person
vorausgesetzt, dass eine für das Kind dem Alter entsprechende und umfangreiche
Darstellung des Sachverhalts vorgenommen wurde.83
Zusammenfassend bedeutet dies, dass das Veröffentlichen eines Bildes eines
Minderjährigen zu unterbleiben hat, wenn das Foto berechtigte Interessen des Kindes
verletzt und keine Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes vorliegt.84

74
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56.
75
   Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (5).
76
   Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (6);
Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96.
77
   Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96.
78
   Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96.
79
   Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (6).
80
   Regelung war bis 31.01.2013 in Kraft und anschließende Überführung in § 173 ABGB.
81
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56.
82
   Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 57.
83
   Marous, Stärkung des Schutzes Minderjähriger vor bloßstellender Berichterstattung, EF-Z 2015/148,
244 (245).
84
   OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v; Marous, Stärkung des Schutzes Minderjähriger vor bloßstellender
Berichterstattung, EF-Z 2015/148, 244 (245).

                                                                                                   19
Fallbeispiele zur Zustimmung durch minderjährige Personen aus der Rsp

Die erste Entscheidung85 betrifft ein 10-jähriges Mädchen namens Lisa-Marie, die in
einem Beitrag der Zeitschrift „Ö“ mit Gesichtsverletzungen abgebildet war, wobei im
Begleittext zusätzlich auf ihre Entwicklungsverzögerung hingewiesen wird.
Die Klage von Lisa-Marie wurde vom Erstgericht auf Grund der Zustimmungserklärung
der Mutter, welche einen Ausschlussgrund des § 7 Abs 2 Z 3 MedienG darstelle,
abgewiesen.
Aus den Ausführungen des Gerichts lässt sich schließen, dass durch die
herabsetzende Darstellung des gesundheitlichen Befindens der Antragstellerin ihr
höchstpersönlicher Lebensbereich gem § 7 Abs 1 MedienG verletzt worden sei. Durch
die     Zustimmung      in   die    Veröffentlichung      durch     die    Mutter    sei    aber    der
Ausnahmetatbestand § 7 Abs 2 Z 3 MedienG erfüllt, weshalb es wiederum nicht zu
einer Verletzung komme.
In Folge erachtete das OLG die Zustimmungserklärung der Mutter jedoch als nicht
wirksam und beschäftigte sich mit der Thematik, wem es überhaupt möglich ist
rechtswirksam in eine Verbreitung einzuwilligen. Bei der Beurteilung dieser Frage
bezog sich das OLG auf die Rechtsprechung des OGH, welcher die Einwilligung in
solch     höchstpersönliche         Rechte       als    vertretungsfeindlich        ansieht.86     Eine
Veröffentlichung des Artikels samt identifizierbaren Bildes von Lisa-Marie wäre somit
nur rechtens gewesen, wenn diese selbst eingewilligt hätte.
Da es sich bei der Klägerin um einen Minderjährigen handle, ist bei der Zustimmung
auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit abzustellen.87 Liegt die Einsichts- und
Urteilsfähigkeit bei der minderjährigen Person nicht vor, so kann niemals von einer
Zustimmung in eine Veröffentlichung ausgegangen werden. Dieses höchstpersönliche
Recht kann auch nicht durch den gesetzlichen Vertreter (meist Eltern), den
Erwachsenenvertreter oder das Pflegschaftsgericht substituiert werden.88

Liegt eine umfassende Zustimmungserklärung vom Abgebildeten zur Veröffentlichung
des Bildes vor, so stellt dies eine Willenserklärung höchstpersönlicher Natur dar89, und
einer    Veröffentlichung      steht    nichts    entgegen.90      Bei    der   Zustimmung         einer
minderjährigen Person, somit Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht
haben, steht die individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit im Mittelpunkt. Bei einem

85
   OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v.
86
   OGH 11.09.2003, 6 Ob 106/03m.
87
   OLG 13.05.2015, 18 Bs 63/15v.
88
   OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v.
89
   Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (4).
90
   OGH 15.04.1997, 4 Ob 115/97h.

                                                                                                      20
mündigen Minderjährigen, somit einer Person zwischen 14 und 18 Jahren, wird das
Vorhandensein dieser zumindest vermutet.91 Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit kann
aber auch schon bei Personen unter 14 Jahren vorliegen, dabei ist jedoch auf den
konkreten Sachverhalt abzustellen.92

Das OLG Wien kam im Fall betreffend Lisa-Marie zum Ergebnis, dass der Tatbestand
des § 7 Abs 1 MedienG verwirklicht worden sei, der Ausschlussgrund nach § 7 Abs 2 Z
3 MedienG auf Grund der fehlenden Zustimmung von der Antragstellerin nicht gegeben
sei. Der Berufung wurde somit stattgegeben.93
Dagegen richtete die beklagte Partei einen Erneuerungsantrag, doch auch dieser war
nicht standhaft und der OGH bestätigte in seiner rechtlichen Beurteilung die
Argumentation        in     Bezug      auf     die     Zustimmungserklärung,            weshalb      der
Erneuerungsantrag zurückzuweisen war.94

Die Entscheidung95 des OLG Wien gibt somit wichtige Aufschlüsse darüber, welche
Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung durch eine minderjährige Person
gegeben sein müssen.

5.4.    Geschäftsfähigkeit im Vergleich zur Einsichts- & Urteilsfähigkeit

Maßgeblicher Unterschied zwischen der Geschäftsfähigkeit und der Einsichts- und
Urteilsfähigkeit ist die altersbestimmte Grenzziehung. Der Begriff der Einsichts- und
Urteilsfähigkeit beschreibt im Wesentlichen den in § 24 ABGB genannten Ausdruck der
„Entscheidungsfähigkeit“ und stellt auf die persönliche Eignung ab, welche für die
jeweilige rechtswirksame Handlung notwendig ist.96 Gem § 24 Abs 2 ABGB ist eine
Person dann entscheidungsfähig, wenn sie die Wichtigkeit und die Konsequenzen
ihres Handelns begreifen und ihr Vorhaben dementsprechend einschätzen kann.97
Handelt es sich bei der betroffenen Person um einen Minderjährigen, so ist
einzelfallspezifisch zu kontrollieren, ob die Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei dem
Betroffenen in eben jenem konkreten Fall vorliegt.98 Die gesetzliche Vermutung gem §
173 ABGB greift auch beim Bildnisschutz, weshalb bei mündigen Minderjährigen, somit

91
   Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302).
92
   Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302).
93
   OLG 13.05.2015, 18 Bs 63/15v.
94
   OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v.
95
   OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v.
96
   Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 § 24 ABGB Rz 5 (Stand 13.9.2018, rdb.at).
97
   Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 141 Rz 4 (Stand 11.10.2018, rdb.at).
98
   Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302).

                                                                                                      21
ab 14 Jahren, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit vermutet wird.99 Handelt es sich um
einen unmündigen Minderjährigen, so muss dieser die Einsichtsfähigkeit glaubhaft
darlegen können.100 Dies bedeutet aber auch, dass die Einsichts- und Urteilsfähigkeit
bereits bei Minderjährigen unter 14 Jahren gegeben sein kann und bei Kindern über 14
Jahren unter Umständen nicht vorliegt.

5.5.    Nichtvorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen

Fraglich ist nun, wie vorzugehen ist, wenn es sich um einen einsichts- und
urteilsunfähigen Minderjährigen handelt und ob in der Folge die Möglichkeit besteht,
dass seine Obsorgeberechtigten eine rechtswirksame Einwilligung abgeben können. In
der Lehre bestehen dazu divergierende Meinungen.
So vertritt Thiele, dass es sich bei der Zustimmung grundsätzlich um eine
höchstpersönliche Handlung handelt. Fehle es jedoch an der Einsichts- und
Urteilsfähigkeit bei dem Minderjährigen, so sei es möglich, eine wirksame
Zustimmungserklärung durch die Obsorgeberechtigten einzuholen. Oberste Prämisse
bei der Einholung der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter ist dabei das
Kindeswohl.101 Das Kindeswohl stellt den obersten Grundsatz des Kindschaftsrechts
dar und wird in § 138 ABGB in 12 Ziffern näher ausgestaltet, die etwa „den Schutz der
körperlichen und seelischen Integrität des Kindes“ (Z 2), „die Wertschätzung und
Akzeptanz des Kindes durch die Eltern“ (Z 3) oder „die Berücksichtigung der Meinung
des Kindes“ (Z 5) betreffen und als Beurteilungskriterien heranzuziehen sind.102

Den anderen Meinungen zu Folge, wie zum Beispiel jener von Marous, gibt es bei
einsichts- und urteilsunfähigen Kindern aufgrund der höchstpersönlichen Natur des
Rechts nicht die Möglichkeit der Vertretung durch die Obsorgeberechtigten.103
Auch Seiss/Raabe-Stuppnig vertreten diese Ansicht, dass es zu keiner Substitution der
Zustimmungerklärung kommen kann. Dies begründen sie unter Bezugnahme auf § 173
ABGB damit, dass bei der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in eine medizinische
Heilbehandlung das Wohlbefinden des Minderjährigen im Vordergrund stehe, eine

99
   OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v.
100
    Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Die Geschäftsfähigkeit
Jugendlicher,     https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=116  ,
(abgerufen am 16.11. 2022).
101
    Thiele, Der Schutz personenbezogener Daten von Minderjährigen, insbesondere im schulischen
Bereich, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 71 (81 ff).
102
    Deixler-Hübner in Loderbauer, Kinder- und Jugendrecht5, LexisNexis, 73.
103
    Marous, Zur Zustimmungsfähigkeit Minderjähriger im Datenschutzrecht, EF-Z 2013/77, 105 (107);
Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ FamZ 2006, 4 (5 f); Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte
verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334).

                                                                                                  22
solche Argumentation aber bei der Verbreitung eines Bildes eines Minderjährigen nicht
greife.104
Dies ist mE zutreffend, da medizinische Entscheidungen stets die körperliche Integrität
des Kindes betreffen und hier der Faktor der Zeit eine zentrale Rolle spielt. Die
Situation ist keineswegs mit dem Posten von Fotos in den sozialen Medien
vergleichbar.

Meiner Meinung nach, ist hier der strengeren Ansicht von Höhne, Marous, Dokalik,
Seiss/Raabe-Stuppnig zu folgen.
Dies vor allem deshalb, weil ohnehin die Möglichkeit besteht, Bilder von Kindern, die
keine berechtigte Interessen verletzen, zu veröffentlichen. Damit könnte womöglich
auch    eine    gewisse      Sensibilisierung      und    Zurückhaltung       der    Eltern    bei     der
Veröffentlichung von Bildern ihrer Kinder gefördert werden.
So wird insbesondere dann kein berechtigtes Interesse iSd § 78 UrhG verletzt sein,
wenn ein Minderjähriger bei einer Sportveranstaltung vor Ort ist und im Zuge der
Sportausübung von einem Pressefotografen Bilder gemacht werden.105
Des Weiteren ist oftmals auch Erwachsenen bzw den Eltern gar nicht bewusst, welch
fatale Folgen ein „Posting“ des Kindes mit sich ziehen kann und gerade deswegen
sollte die Entscheidung einzig bei den Kindern verbleiben. Dass dies eine Reduktion
der Anzahl an „lustigen Babyfotos“ im Internet zu Folge haben könnte, ist mE
keinesfalls bedenklich, sondern wünschenswert.

5.6.    Zusätzliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters

Gem § 173 Abs 2 ABGB hat zusätzlich zum entscheidungsfähigen Kind der gesetzliche
Vertreter in die Behandlung einzuwilligen, wenn es sich um eine Behandlung handelt,
welche „mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen
Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist“.
Wendet man § 173 Abs 2 ABGB nun analog an, so kann es auch bei einem
schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Interessenssphäre zu einem zusätzlichen
Erfordernis     der   Zustimmung        der    gesetzlichen      Vertreter     kommen.        Bei     einer
Veröffentlichung eines Bildes wird dies erst dann zutreffend sein, wenn das Foto einen
derartigen Einschnitt in das Privatleben des Minderjährigen mit sich zieht, dass dessen
psychische Gesundheit darunter leidet. Ein mögliches Beispiel dafür wäre das
Gelangen eines Nacktfotos des Kindes ins Internet.106

104
    Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014/2, 100 (102).
105
    Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (5).
106
    Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (7).

                                                                                                         23
5.7.     Zulässige Bildnisveröffentlichung

Fraglich ist, wann es erlaubt ist, ein Foto eines Minderjährigen zu veröffentlichen.
Bezugnehmend auf ein YouTube Video, welches ein unter Betäubungsmitteln
stehendes Kind nach einem Zahnarztaufenthalt zeigt, behandelt Marous, ob es für
Elternteile aus datenschutzrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Sicht zulässig ist,
Fotos und Videos von Minderjährigen auf sozialen Netzwerken zu verbreiten. Dabei
kommt sie zu dem Entschluss, dass die Aufnahme eines Bildes, auch wenn dieses für
den Minderjährigen bloßstellend ist, im privaten Bereich keine Rechtsverletzung
darstelle.107
Wird das Bild jedoch der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, bedarf es ihrer Ansicht nach
der Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes. Selbst für mündig
Minderjährige seien oftmals die Konsequenzen einer Verbreitung nicht nachvollziehbar,
weshalb auch hier die Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht gegeben ist. 108

      B. Rechtsfolgen

Das UrhG gewährt verschiedenste Möglichkeiten, um eine Verletzung des § 78 UrhG
zu verfolgen. Da die Rechtsverletzung üblicherweise von den Eltern begangen wird,
stellt   §   2   ZPO,   welcher     normiert,    dass    „ein   mündiger     Minderjähriger     in
Rechtsstreitigkeiten über Gegenstände, in denen er nach dem bürgerlichen Recht
geschäftsfähig ist, nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters bedarf“, eine
besondere Wichtigkeit dar.109 Fühlt sich ein mündiger Minderjähriger in seinem
Bildnisschutz verletzt, so ist er somit befugt die Rechtsdurchsetzung selbst
wahrzunehmen, wenn er die notwendige auf den spezifisch für den Fall abstellende
Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt.110 Bei unmündigen Minderjährigen liegt hingegen
eine absolute Prozessunfähigkeit vor.111

      1. Unterlassung

In § 81 UrhG ist der verschuldensunabhängige Unterlassungsanspruch normiert,
dessen Geltendmachung sowohl eine Pflicht zum Unterlassen als auch die Gefahr,

107
    Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (255).
108
    Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (253).
109
    § 2 ZPO idF BGBl 403/1977.
110
    Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (256).
111
    Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/13 § 1 ZPO Rz 8 (Stand 1.9.2014,
rdb.at).

                                                                                                 24
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