BILDNISSCHUTZ VON MINDERJÄHRIGEN / PUBLIC SHAMING AUS SICHT DES URHG
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BILDNISSCHUTZ VON Eingereicht von Lisa-Marie Halbweis MINDERJÄHRIGEN / Angefertigt am Institut für Unternehmensrecht PUBLIC SHAMING AUS Beurteiler Assoz. Univ.-Prof. Dr. Thomas Wolkerstorfer, SICHT DES URHG LL.B. März 2023 Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
ANMERKUNG In dieser Arbeit wird zum Zweck der leichteren Lesbarkeit und Verständlichkeit regelmäßig auf das sprachliche Gendern verzichtet. Soweit geschlechterbezogene Angaben gemacht werden, ist das jeweils andere Geschlecht gleichermaßen erfasst. 2
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ................................................................................................................................ 6 A. Kinderrechte bei der Veröffentlichung von Fotos im Internet........................................... 7 B. Public Shaming ................................................................................................................ 7 II. Der Bildnisschutz gem § 78 UrhG ........................................................................................... 9 A. § 78 UrhG ........................................................................................................................ 9 1. Bildnis gem § 78 UrhG ................................................................................................ 9 2. Verbreitungshandlung ............................................................................................... 11 3. Berechtigte Interessen .............................................................................................. 12 3.1. Entstellende bzw. bloßstellende Bildnisse ........................................................ 13 3.2. Verletzung der Intimsphäre............................................................................... 13 3.3. Verwendung für Werbezwecke ......................................................................... 14 3.4. Abträglicher Begleittext ..................................................................................... 15 3.5. „Sonstiges“ ........................................................................................................ 15 4. Interessenabwägung ................................................................................................. 15 5. Einwilligung des Abgebildeten ................................................................................... 17 5.1. Allgemein .......................................................................................................... 17 5.2. Umfang der Zustimmung .................................................................................. 17 5.3. Zustimmung Minderjähriger und Kinder............................................................ 18 5.4. Geschäftsfähigkeit im Vergleich zur Einsichts- & Urteilsfähigkeit ..................... 21 5.5. Nichtvorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen .......... 22 B. Rechtsfolgen .................................................................................................................. 24 1. Unterlassung ............................................................................................................. 24 2. Beseitigung ................................................................................................................ 25 3. Urteilsveröffentlichung ............................................................................................... 25 4. Schadenersatz .......................................................................................................... 26 C. Rechtslage in Deutschland ............................................................................................ 26 1. Veröffentlichung von Bildnissen gem § 22 KUG ....................................................... 26 2. Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung nach § 23 KUG ........................................... 27 3. Ausnahme von § 23 KUG .......................................................................................... 28 4. Ausnahme von § 24 KUG .......................................................................................... 28 5. Minderjährige ............................................................................................................. 28 III. Das Persönlichkeitsrecht im Hinblick auf § 16 ABGB ........................................................... 29 3
A. Grundnorm ..................................................................................................................... 29 B. Entwicklung von § 16 ABGB .......................................................................................... 29 C. Funktion des § 16 ABGB ............................................................................................... 30 D. Verletzung eines Persönlichkeitsrechts ......................................................................... 30 IV. Eigene Meinung .................................................................................................................... 31 4
Abkürzungsverzeichnis ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz AG Amtsgericht BGB Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof bzw beziehungsweise DSG Datenschutzgesetz E Entscheidung EMRK Europäische Menschenrechtskonvention f folgende ff fortfolgende gem gemäß GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hA herrschende Ansicht hM herrschende Meinung Hrsg Herausgeber idF in der Fassung iSd im Sinne des iVm in Verbindung mit iZm im Zusammenhang mit Jud Judikatur KindRäg Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz krit kritisch KUG Kunst- und Urheberrechtsgesetz LG Landgericht lit litera mE meines Erachtens mwN mit weiteren Nachweisen Nr Nummer OGH Oberster Gerichtshof OLG Oberlandesgericht Pkt Punkt Rsp Rechtsprechung Rz Randziffer S Satz TdL Teil der Lehre UrhG Urhebergesetz zB zum Beispiel ZPO Zivilprozessordnung zT zum Teil 5
I. Einleitung Die weite Verbreitung von mit Kameras ausgestatteten Smartphones bringt es mit sich, dass ihre Nutzer in allen erdenklichen Situationen Lichtbilder anfertigen. Auch durch die Entwicklung der sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Co. wurde für Smartphone-Nutzer die Möglichkeit geschaffen, Bilder mit nur wenigen Klicks mit Familie, Freunden oder auch der Öffentlichkeit zu teilen. Dabei laden Eltern auch Fotos hoch, auf denen ihre Kinder in vermeintlich witzigen Situationen abgebildet sind. Teilweise betreffen sie auch deren höchstpersönlichen Lebensbereich. Solche Bilder sind problembehaftet, da sie von Kindern insbesondere dann, wenn diese selbst die entsprechenden Social-Media-Kanäle nutzen als bloßstellend und entwürdigend aufgefasst werden. Das Hochladen solcher Abbildungen kann zu „Public Shaming“ führen.1 „Public Shaming“ kann gravierende Folgen mit sich ziehen und etwa zu Mobbing durch Klassenkollegen in den Schulen führen. Doch nicht nur mögliche Mobbingattacken können ein Problem darstellen, denn nicht selten geraten Bilder von Jugendlichen auf dubiose Internetseiten und werden dort von Unbefugten betrachtet und weiterverbreitet. Gerade für Eltern ist im Internet Sorge geboten, denn was einmal im Netz zu finden ist, ist nur schwer wieder zu entfernen. Das für die Erziehungsberechtigten harmlos wirkende Kinderfoto kann oftmals Jahre später für das Kind beschämend wirken und auch rechtliche Folgen für die Eltern nach sich ziehen. So kann es durch die Veröffentlichung von Kinderbildern auf Social-Media-Plattformen unter anderem zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 16 ABGB) des Kindes kommen. Welche Konsequenzen das Hochstellen der Bilder von Minderjährigen haben kann, wird jedoch von den Beteiligten oftmals ignoriert. In der vorliegenden Arbeit wird zunächst darauf eingegangen, welche Normen beim Herstellen und beim Veröffentlichen der Bilder einschlägig sind und anschließend wird deren Schutzbereich näher erläutert. Die Diplomarbeit behandelt in weiterer Folge insbesondere, inwieweit Kinder selbst bestimmen können, welche Bilder hochgeladen werden dürfen und wie sie sich bei allfälligen Verletzungen gegen die Veröffentlichung wehren können. 1 Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen, https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web- blossstellen (abgerufen am 19.01. 2023). 6
A. Kinderrechte bei der Veröffentlichung von Fotos im Internet Das Präsentieren von Kinderfotos auf Social Media steht in einem Spannungsverhältnis zu mehreren Gesetzen. Denkbar ist zunächst sowohl eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 78 UrhG, als auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 16 ABGB. Gem § 78 UrhG dürfen „Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine ´andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder eines nahen Angehörigen verletzt würden“. Neben dem Bildnisschutz in § 78 UrhG finden sich auch in dem DSG relevante Normen für das Verwenden von Fotos, welche neben dem UrhG zur Anwendung gelangen.2 So stellen Aufnahmen von Minderjährigen personenbezogene Daten dar, womit sie vom DSG geschützt werden.3 In weiterer Folge kann durch die Verbreitung von Kinderbildern auch eine Verletzung nach § 7 Abs 1 Mediengesetz gegeben sein, wenn „in einem Medium der höchstpersönliche Lebensbereich einer Person in einer Weise erörtert oder dargestellt wird, die geeignet ist, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen.“ Im Gesetz findet sich in diesem Zusammenhang weder eine Differenzierung zwischen minderjährigen Personen und Volljährigen, noch spezielle Regelungen für minderjährige Personen, deshalb sind diese auch vom Anwendungsbereich der folgenden Normen mitumfasst.4 Im Rahmen dieser Arbeit wird vor allem auf § 78 UrhG eingegangen und Aspekte des DSG und des MedienG insbesondere bei der Beurteilung der Zustimmung der abgebildeten Person herangezogen. B. Public Shaming Doch was versteht man unter dem Begriff des „Public Shamings“, welches zu einer Verletzung der genannten Rechte bei Minderjährigen führen kann. „Public Shaming“ kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt „öffentliches Beschämen“. Inhaltlich geht es um das öffentliche zur Schau stellen einer Person, in 2 OGH 29.08.2019, 6 Ob 152/19z, RdW 2020/42 (Kriwanek). 3 Öhlböck, Fotos von Kindern auf Facebook: Zulässig?, https://www.raoe.at/news/fotos-von-kindern-auf- facebook-zulaessig/ (abgerufen am 28.01. 2023). 4 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (100). 7
einer für sie nachteiligen, teilweise sogar blamierenden oder beschämenden Art und Weise. Von diesem Phänomen waren früher vor allem Personen des öffentlichen Lebens betroffen, über deren Verfehlungen oder auch bloß über deren Privatleben in den Medien, damals vorwiegend noch in den Zeitungen oder im Fernsehen, berichtet wurde. Doch mit der Etablierung und der leichten Anwendbarkeit der neuen Medien kann das Phänomen „Public Shaming“ mittlerweile schnell jeden betreffen.5 Eines der bekanntesten Beispiele stellt das YouTube Video namens „David after Dentist“ dar. Dabei filmte der Vater des damals 7-jährigen Davids die lustigen und teils abstrusen Aussagen seines Sohnes am Rückweg des Krankenhauses mit. Geschuldet war dies den auf Grund einer Zahnoperation verabreichten Medikamenten. Der Vater dokumentierte das Video jedoch nicht nur für den privaten Gebrauch, sondern lud es anschließend zur öffentlichen Belustigung auf YouTube hoch und erreichte bis Stand Dezember 2022 über 141 Millionen Aufrufe.6 Dass dieses öffentliche zur Schau stellen seines Sohnes sowohl moralische als auch rechtliche Folgen mit sich ziehen kann, mag dem Vater im Moment des Hochladens wohl nicht bewusst gewesen sein. Doch es steht freilich außer Zweifel, dass auch Minderjährige Persönlichkeitsrechte haben und gerade darauf sollten die Eltern als deren Erziehungsberechtigte achten.7 Denn einem Minderjährigen werden die Folgen, welche das „Public Shaming“ mit sich ziehen kann, in seinem jungen Alter häufig noch nicht verständlich sein. In der Folge wird das Recht am eigenen Bild gem § 78 UrhG, welches sowohl bei „Public Shaming“ Erwachsener als auch Minderjähriger rechtlich relevant ist, näher beleuchtet. 5 Der Tagesspiegel, Public Shaming im Internet: Schäm dich! https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/scham-dich-3618838.html (abgerufen am 20.12. 2022). 6 Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen, https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web- blossstellen (abgerufen am 20.12. 2022). 7 Der Standard, Public- Shaming: Wenn Eltern ihre Kinder im Web bloßstellen, https://www.derstandard.at/story/1363707609384/public-shaming-wenn-eltern-ihre-kinder-im-web- blossstellen (abgerufen am 20.12. 2022). 8
II. Der Bildnisschutz gem § 78 UrhG A. § 78 UrhG Gem § 78 UrhG ist es einer Person nicht gestattet „Bildnisse von Personen öffentlich noch auf andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zu verbreiten, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.“ Der vom Gesetzgeber in der Überschrift des § 78 UrhG verwendete Ausdruck „Bildnisschutz“ zielt dabei auf den Schutz des Abgebildeten ab.8 Von der Rechtsprechung wird dies insofern konkretisiert, als dass durch § 78 UrhG jeder gegen einen rechtswidrigen Gebrauch seines Bildnisses in der Gesellschaft geschützt werden soll, insbesondere dadurch, dass niemand durch die Verbreitungshandlung seines Bildes einer Blöße ausgestellt wird, die Privatsphäre nicht der Allgemeinheit kundgetan wird, aber auch dass das Bild nicht in abwertender Weise dargestellt wird.9 Grundsätzlich bietet § 78 UrhG nur vor dem Veröffentlichen des Bildes, welches berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt, Schutz. Die bloße Herstellung eines Fotos – ohne Veröffentlichungshandlung – ist somit vom Schutzbereich der Norm nicht erfasst.10 Dieser Auffassung ist zumindest die hM11 in Österreich. In Deutschland leitet der BGH aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 2 Abs 1 GG einen Schutz gegen die Bildnisherstellung als solche ab.12 1. Bildnis gem § 78 UrhG Reichweite des Bildnisbegriffs – Erkennbarkeit des Abgebildeten als zentrales Kriterium Voraussetzung für das Eingreifen des Bildnisschutzes nach § 78 UrhG ist zunächst, dass es sich um ein „Bildnis einer Person“ handelt. Der Rechtschutz des § 78 UrhG schließt somit bloß Bilder von Personen ein, nicht aber von Tieren oder Sachen.13 8 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 2 (Stand 01.04.2017, rdb.at). 9 OGH 21.09.1955, 3 Ob 443/55. 10 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 24. 11 Thiele, Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet- Braucht Österreich einen eigenen Paparazzi-Paragrafen?, RZ 2007, 2 (4 f) mwN; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 2 (77). 12 Haybäck, Aktuelle Rechtsentwicklung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG, wbl 2020, 53 (55). 13 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 Rz 9. 9
In den grundsätzlichen Schutzbereich des § 78 UrhG fallen neben Lichtbildern auch Zeichnungen oder Karikaturen.14 Abgestellt wird zumeist auf das Gesicht, doch auch ein Foto, auf dem die Augen mit schwarzen Balken abgedeckt werden, kann in den Anwendungsbereich des § 78 UrhG fallen, wenn die Person nach wie vor erkennbar ist.15 Handelt es sich um ein verschwommenes Bild, so schließt dies nicht die Erkennbarkeit aus, wenn durch den Begleittext eine Schlussfolgerung auf die abgebildete Person gezogen werden kann.16 Als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 78 UrhG ist somit die Erkennbarkeit des Abgebildeten notwendig. Fallbeispiele zur Erkennbarkeit aus der Rsp Der OGH-E Polizeibeamter II lag ein Sachverhalt zugrunde, der einen beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung tätigen Beamten betraf, welcher gegen das Medium „www.oe24.at“ aufgrund der Veröffentlichung eines Artikels mit einem Foto, das den Kläger während eines Einsatzes zeigt, vorging.17 Der Kläger begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der Gestalt, dass es das Medium zu unterlassen habe, Bilder des Klägers bei Ausübung seines Berufs ohne seine Zustimmung zu veröffentlichen. Dem samt Bild des Klägers veröffentlichten Artikel kann weder sein Gesicht noch sein Name entnommen werden, auch wird kein Bezug auf seine berufliche Tätigkeit genommen. Des Weiteren kann auch aus dem beigefügten Text kein Rückschluss auf die angeklagte Person genommen werden. Die Klage wurde vom Erstgericht wegen mangelnder Erkennbarkeit abgewiesen, auch das OLG Wien bestätigte dies. Aus der Begründung geht hervor, dass aus dem veröffentlichten Foto, welches den Kläger weggedreht darstellt, keine individuellen Merkmale, wie die Augenpartie oder die Mundform, erkennbar sind. Abgestellt wird dabei, ob dem äußeren Anschein nach die Person auf dem Bild von einem flüchtigen Bekannten erkannt werden kann.18 Dieser äußere Anschein beurteilt sich oftmals durch seine Gesichtszüge, aber auch sonstige die Person identifizierende Merkmale fallen darunter. Sind die Gesichtszüge 14 Haybäck, Aktuelle Rechtsentwicklung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG, wbl 2020, 53 (53). 15 OGH 21.09.1955, 3 Ob 443/55. 16 OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97f. 17 OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t. 18 OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t. 10
nicht deutlich erkennbar, so kann die Angabe des Namens zur Erkennbarkeit führen.19 Nach der Rsp des OGH kann auch der beigefügte Text für die Erkennbarkeit einer Person eine wichtige Rolle spielen.20 Demnach reicht es für die Bejahung der Identifizierbarkeit aus, wenn sich für Leute aus der „näheren und weiteren Nachbarschaft“ die abgebildete Person aus dem Begleittext herauskristallisieren lässt.21 Ein weiteres OGH-Urteil bejaht jedoch dann die Erkennbarkeit, wenn ein Bild eines Sportlers samt negativem Begleittext veröffentlicht wird, dessen Gesicht auf dem Bild zwar verfremdet ist, doch sein Körper vom Betreuungsteam, allein schon durch die Trainings und Wettkämpfe, erkannt wird.22 Anhand der obigen Erläuterungen lässt sich ein äußerst umfangreicher Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals des „Bildnisses“ feststellen, weshalb es mE auch bei Fotos von Minderjährigen kaum zu Komplikation bei der Anwendung führen wird. Einzig bei Säuglingen und Kleinkindern kann es zu Schwierigkeiten bei der Erkennbarkeit für Außenstehende kommen. Beim Vorliegen individueller Körpermerkmale, wie Pigmentflecken, stellt jedoch auch dies idR kein Problem dar.23 Des Weiteren lässt sich oftmals aus der Bildunterschrift der Eltern und deren Profil entnehmen um wen es sich auf dem geposteten Foto handelt, weshalb auch aus diesem Grund die Erkennbarkeit des Kindes gegeben sein kann. 2. Verbreitungshandlung In den Anwendungsbereich des § 78 UrhG fallen das öffentliche Ausstellen des Bildes und die Verbreitung des Bildes, wodurch es auf eine andere Art der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt werden. Der OGH stellt in seinem Urteil fest, dass der Begriff der „Öffentlichkeit“ dann gegeben ist, wenn das Foto eine Mehrzahl an Menschen erreicht.24 Der Terminus der „Öffentlichkeit“ stellt somit einen weiten Anwendungsbereich dar. Unter den Tatbestand fällt jede Verbreitungshandlung, durch welche das Bild einer großen Anzahl an Menschen zur Schau gestellt wird.25 Das Ausstellen wird als Offenbarung des 19 OGH 10.05.2011, 4 Ob 52/11t. 20 OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97 f. 21 OGH 23.09.1997, 4 Ob 184/97 f. 22 OGH 30.01.2017, 4 Ob 266/05d. 23 Verschraegen, Neu geboren, Mutter weg, kein Bildnisschutz?, MR 2003, 297 (297). 24 OGH 20.05.2020, 6Ob 206/19s. 25 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 18. 11
Bildnisses gegenüber der breiten Masse verstanden. Voraussetzung dafür ist nicht die gewerbliche Ausübung, sondern es reicht, dass das Bild der Öffentlichkeit dargeboten wird.26 Ein in einer Auslage eines Fotografen stehendes Bild ist somit vom Schutzbereich des § 78 UrhG umfasst, ebenso wie eine Bildpräsentation in einem Museum.27 Wird ein Bildnis an mehrere Personen im nahen Umfeld via Chatservices oder über social media versendet, so fällt auch dies unter den Tatbestand.28 Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Fotos, welche nur im privaten und familiären Bereich verwendet werden, keine Verletzung des Bildnisschutzes nach sich ziehen können.29 Werden Kinderfotos in das private Fotoalbum mitaufgenommen, so stellt dies somit keine Verbreitungshandlung nach § 78 UrhG dar.30 Nach Seiss/Raabe-Stuppnig liegt eine „Veröffentlichung“ immer dann vor, wenn Fotos in den sozialen Netzwerken öffentlich gestellt werden.31 Bei der Beurteilung wird auch nicht darauf abgestellt, ob das Foto durch die Einstellung der Privatsphäre bloß für einen kleinen Follower-Kreis sichtbar ist.32 Dies hängt laut der Autorinnen damit zusammen, dass auch die enge Facebook Freundesliste weit über den familiären Bereich reicht und somit an eine Mehrzahl an Menschen gelangt. Des Weiteren werden oftmals schon mit der Einwilligung in die AGB der Sozialen Medien verschiedenste Rechte an die Betreiber abgegeben, weshalb potenzielle weitere Verbreitungen möglich sind und kaum mehr nachvollziehbar werden.33 Das bedeutet, dass das Posten von Fotos von minderjährigen Personen auf den sozialen Netzwerken, aber auch in Zeitungen oder im Fernsehen eine Verbreitungshandlung gem § 78 UrhG darstellt, da das Bild dadurch einer großen Anzahl an Menschen präsentiert wird. 3. Berechtigte Interessen § 78 UrhG verbietet nicht das Posten eines Fotos einer Person an sich, vielmehr muss es dadurch als zusätzliche notwendige Voraussetzung zu einer Verletzung von deren berechtigten Interessen kommen.34 26 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 19. 27 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 98. 28 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 2 (Stand August 2017, lexisnexis.at). 29 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101). 30 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (100). 31 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101). 32 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101). 33 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014, 100 (101). 34 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 3. 12
In den Schutzbereich des § 78 UrhG fallen nicht nur materielle, sondern auch ideelle Interessen. Materielle jedoch nur dann, wenn deren Beeinträchtigung auf einer Verletzung ideeller Interessen basiert.35 Um möglichst alle sanktionswürdigen Einzelfälle erfassen zu können, hat der Gesetzgeber auf eine Legaldefinition verzichtet.36 Bei der Feststellung, ob berechtigte Interessen verletzt wurden, ist keine subjektive Prüfung vorzunehmen, stattdessen wird darauf abgestellt, ob schutzwürdige Interessen des Abgebildeten nach objektivem Maßstab verletzt wurden.37 Die Judikatur hat zur Einteilung des berechtigten Interesses verschiedene Fallgruppen entwickelt. Diese unterteilen sich nach Kodek38 in: • Entstellende bzw bloßstellende Bildnisse, • Verletzung der Intimsphäre, • Verwendung für Werbezecke, • Verwendung eines abträglichen Begleittextes und • einen Auffangtatbestand 3.1. Entstellende bzw. bloßstellende Bildnisse Nach dieser Fallgruppe liegt eine Verletzung des berechtigten Interesses dann vor, wenn ein Bild einer Person verbreitet wird, welches „entstellend, entwürdigend oder herabsetzend wirkt“. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn jemand – ohne es zu wissen – entblößt oder in einer peinlichen Situation abgebildet wird.39 3.2. Verletzung der Intimsphäre Die zustimmungslose Nutzung eines Bildnisses, das in Verbindung mit der Privat- und Intimsphäre des Abgebildeten steht, ist ebenso unzulässig, dies auch dann, wenn sich der Bezug zu diesen Bereichen auch erst iZm der Bildunterschrift oder dem Folgetext ergibt.40 Den Kern der geschützten Privatsphäre stellt der „höchstpersönliche Lebensbereich“ dar.41 Zu diesem zählen auf jeden Fall „die Gesundheit, das Sexualverhalten eines Menschen und sein Leben in und mit der Familie“.42 35 OGH 08.09.2009, 4 Ob 146/09p. 36 OGH 02.08.2012, 4 Ob 119/12x. 37 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 16; OGH 15.12.2005, 6 Ob 211/05f. 38 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 36. 39 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 37. 40 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 40. 41 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 39. 42 OGH 20.01.2014, 4 Ob 216/13p. 13
Der Terminus „höchstpersönlicher Lebensbereich“ findet sich auch in Art 8 EMRK, welcher das Recht auf Privat- und Familienleben normiert, wieder und entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem Verständnis des Begriffs im Rahmen des § 78 UrhG.43 Unter den höchstpersönlichen Lebensbereich fällt insbesondere das Leben in der Familie selbst.44 Dies stellt mE insbesondere in Bezug auf Fotos von Kindern eine große Bedeutung dar, da sich das Aufwachsen der Minderjährigen zumeist noch zur Gänze im Umfeld der Familie abspielt und somit ein breiterer Anwendungsbereich des § 78 UrhG für Kinder eröffnet wird. Als weiteres Beispiel für eine entwürdigend wirkende Handlung ist das Verbreiten von Nacktbildern gegen den Willen des Abgebildeten zu nennen.45 Nach der Judikatur ist für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Intimsphäre besonders bei Personen mit Führungspositionen ein strenger Maßstab anzulegen.46 3.3. Verwendung für Werbezwecke Wird ohne Zustimmung mit einem Bildnis des Abgebildeten geworben, so stellt dies eine Verletzung des berechtigten Interesses dar. Einen typischen Anwendungsfall stellt die Bewerbung von Produkten mit Konterfeis von berühmten Sportlern oder Sängern dar. Die Pönalisierung derartiger Konstellationen gründet unter anderem darauf, dass die Betrachter vermuten würden, dass die abgebildete Person das Foto gegen Entgelt bereitgestellt hat.47 Auch wenn mit dem geworbenen Bildkontext keine verwerflichen Handlungen dargestellt werden, so kann dies die abgebildete Person in ihrem berechtigten Interesse verletzen.48 Die Entscheidungskraft über die Verwendung des Bildes und die Benützung als Werbemittel muss stets in den Händen des Abgebildeten selbst liegen.49 Nach Höhne kann dies jedoch gerade bei Kindern nicht angenommen werden, da man dem Minderjährigen nicht anlasten könne, er hätte das Werbebild für Geld bereitgestellt. Vielmehr sei darauf abzustellen, wofür das Kind wirbt und wie es in der Werbung präsentiert wird.50 So kommt auch eine Substitution der Zustimmungserklärung nicht in Frage, womit die Eltern vom Veröffentlichen Abstand nehmen müssen, wenn keine Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes 43 Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG § 7 Rz 3 (Stand 1.9.2019, rdb.at). 44 Rami in Höpfel/Ratz, WK2 MedienG § 7 Rz 4. 45 OGH 17.09.1996, 4 Ob 2249/96f. 46 OGH 17.09.1996, 4 Ob 2249/96f. 47 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 43. 48 OGH 29.06.1971, 4 Ob 330/71. 49 OGH 14.09.1999, 4 Ob 338/73. 50 Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334). 14
vorliegt.51 Zu einer Gegenauffassung kommt Thiele, welcher eine Einwilligung auch der Obsorgeberechtigten als rechtens ansieht, solange zum Wohle des Kindes gehandelt wird.52 Nähere Erläuterungen zu den verschiedenen Auffassungen finden sich in Kapitel 5.5. 3.4. Abträglicher Begleittext Bei der Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten ist oft auch auf die Gesamtschau, somit auf die Art der Verbreitung des Bildes und dem Begleittext Bezug zu nehmen.53 Dabei muss im Begleittext nicht extra auf das Bild hingewiesen werden. Maßgeblich ist hierbei, dass es den Leser vermuten lässt, dass sich der Begleittext auf das Bild bezieht und somit dem Ruf des Abgebildeten durch den beigefügten Text geschadet wird.54 3.5. „Sonstiges“ Diese Fallgruppe dient als Auffangtatbestand. Eine Verletzung des Bildnisschutzes kann etwa auch dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber ohne Genehmigung ein Bild eines seiner Arbeitnehmer im Internet veröffentlicht.55 4. Interessenabwägung Eine Interessenabwägung ist immer dann vorzunehmen, wenn der Abgebildete einen Eingriff berechtigter Interessen einwendet, das Medium auf der anderen Seite jedoch ein Interesse an der Veröffentlichung behauptet.56 Im ersten Prüfungsschritt ist zu ermitteln, ob „ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten“ besteht, das verletzt sein könnte.57 Wenn dies nicht der Fall ist, ist der Schutzbereich der Norm von vornherein nicht eröffnet. Wird jedoch ein berechtigtes Interesse festgestellt, so ist in einem nächsten Schritt die Interessenslage von den beteiligten Parteien zu bewerten, aus deren Gegenüberstellung folgt, ob die Geheimhaltungsinteressen des Abgebildeten überwiegen und damit "berechtigte 51 Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334). 52 Thiele, Der Schutz personenbezogener Daten von Minderjährigen, insbesondere im schulischen Bereich, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 71 (81 ff). 53 OGH 20.01.2014, 4 Ob 216/13p. 54 OGH 28.09.2006, 4 Ob 216/13p. 55 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 48. 56 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 27. 57 OGH 14.03.1989, 4 Ob 5/89. 15
Interessen" gem § 78 UrhG verletzt werden.58 Lediglich dann, wenn § 41 UrhG zur Anwendung gelangt, wird die Abwägung der Interessenlage beider Seiten verdrängt und einer Veröffentlichung steht nichts im Wege.59 Bei der Interessensabwägung ist oftmals auch großes Augenmerk auf den Begleittext zu legen, welcher in die Beurteilung miteinzufließen hat.60 Der Bildnisschutz ist stets unter Berücksichtigung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte zu beurteilen, wobei die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten den dem Medium zukommenden Grundrechten, wie etwa der Pressefreiheit, der Medienfreiheit und der Kunstfreiheit, gegenüberzustellen sind. Die Gegenüberstellung des berechtigten Interesses des Abgebildeten und des Interesses an der Veröffentlichung des Mediums spielt insbesondere bei der Kriminalberichterstattung eine wichtige Rolle.61 Demnach ist hier keine Beurteilung des Bildes allein vorzunehmen, sondern vielmehr stets auch der beigefügte Text heranzuziehen.62 Nach älterer Rsp ist das Publik-Machen eines Bildes einer nicht allgemein bekannten Person dann zulässig, wenn das Interesse an der Veröffentlichung überwiegt. Dies ist gerade bei mittelschweren und schweren Straftaten der Fall und wird insbesondere mit der Präventionswirkung oder der möglichen Hilfe bei der Aufklärung der Straftat begründet.63 Aber auch das Medienrecht spielt eine nicht unbedeutende Rolle bei der Beurteilung, ob der Abgebildete eine Verletzung des Bildnisschutzes geltend machen kann. In vielen Fällen wird die Abwägung der Interessen der betroffenen Parteien dann zugunsten des Mediums ausfallen, wenn kein rechtswidriger Eingriff in den Privatbereich gegeben ist und der Begleittext grundlegend wahr ist. Dies ist allen voran dann zutreffend, wenn es sich um ein bedenkenloses Bild handelt.64 Von einem bedenkenlosen Bild spricht man dabei dann, wenn kein die abgebildete Person bloßstellendes Foto oder in seine höchstpersönliche Privatsphäre eingreifende Handlung abgebildet wird.65 58 OGH 20.10.2009, 4 Ob 132/09d. 59 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 70. 60 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 17. 61 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 30. 62 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 47. 63 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 71. 64 OGH 13.07.2010, 4 Ob 64/10f. 65 OGH 13.07.2010, 4 Ob 64/10f. 16
5. Einwilligung des Abgebildeten 5.1. Allgemein Eine Berufung auf den Bildnisschutz nach § 78 UrhG ist dann nicht mehr möglich, wenn die abgebildete Person in die Veröffentlichung eingewilligt hat.66 Durch den Verzicht auf das Schutzrecht ist auch eine nachträgliche Geltendmachung der Verletzung berechtigter Interessen nicht mehr möglich.67 Die Zustimmung stellt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung dar, welche sowohl ausdrücklich als auch konkludent erteilt werden kann.68 Nach § 863 ABGB sind an die Wirksamkeit stillschweigender Willenserklärungen strenge Anforderungen zu legen. Demnach liegt solch eine Zustimmung nur dann vor, wenn es für den Empfänger keinen Grund zu zweifeln gibt, dass die Willenserklärung beabsichtigt ist.69 Das bewusste, entgeltliche Abbilden-Lassen durch einen Berufsfotografen kann demnach als konkludente Zustimmung verstanden werden.70 5.2. Umfang der Zustimmung Näheres zum Zustimmungsumfang kann einer OGH-E aus dem Jahr 1994 entnommen werden, welcher folgender Sachverhalt zugrunde liegt.71 Die Klägerin, welche als Patientin eine unentgeltliche kosmetische Behandlung erhielt und sich im Gegenzug fotografisch für medizinische Berichte abbilden ließ, begehrte von der beklagten Partei, welche Medieninhaberin der Zeitschrift „Neue Kronen Zeitung“ ist, Schadenersatz und die Unterlassung der Veröffentlichung ihres Bildnisses gem § 78 UrhG, wenn daraus abgeleitet werden könne, die Klägerin habe sich einer Schönheitsbehandlung unterzogen. Das Medium veröffentlichte in der Ausgabe vom 05.05.1991 einen Artikel namens „Leiden für die Schönheit - der Preis der zweiten Haut“. Dazu abgebildet war ein Bild mit dem Gesicht der Klägerin, welches diese vor und nach der kosmetischen Behandlung bei der Ärztin zeigte. Als Gegenleistung für die ärztliche Behandlung vereinbarten die Parteien, dass eine Veröffentlichung in medizinischen Zeitschriften erfolgen dürfte, weitere Beschränkungen der Veröffentlichung wurden nicht 66 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 54. 67 OGH 12.08.1996, 4 Ob 2203/96s. 68 Guggenbichler in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht19 § 78 Rz 36. 69 Wiebe in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 863 Rz 17 (Stand 02.01.2022, rdb.at). 70 OGH 08.03.1994, 4 Ob 28/94. 71 OGH 08.03.1994, 4 Ob 28/94. 17
ausgemacht. Die Klägerin war der Auffassung, dass sie niemandem erlaubt habe, die Bilder in einer Tageszeitung zu veröffentlichen, da dies nämlich eine Bloßstellung ihrer Person zu Folge haben würde. Die Vorinstanzen gaben sowohl dem Unterlassungsbegehren als auch dem Veröffentlichungsbegehren statt. Daraufhin brachte die beklagte Partei gegen diese Entscheidung den Antrag ein, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen. In weiterer Folge erhob die Klägerin Revision. Die beklagte Partei behauptet, dass eine Zustimmungserklärung zur Veröffentlichung der Bilder gegenüber der behandelnden Ärztin jedoch stattgefunden habe. Strittig war in gegenständlichem Fall, in welchem Umfang die Zustimmungserklärung galt, somit ob die Einwilligung in die medizinische Zeitschrift auch eine Einwilligung in weitere, unter anderem nicht medizinische Magazine, umfasst. Der OGH kam zum Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses eine Verletzung der berechtigten Interessen auf Grund der fehlenden Zustimmungserklärung in ausreichendem Umfang darstellt, da die Veröffentlichung in einer Tageszeitung von der Zustimmungserklärung der beklagten Partei nicht mitumfasst war. Demnach ist die Klägerin im vorliegenden Fall vom Schutzbereich des § 78 UrhG erfasst. Dieses Urteil stellt in meinen Augen exemplarisch dar, dass insbesondere bei Bildern von minderjährigen Personen einzelfallspezifisch großes Augenmerk bei der Beurteilung des Umfangs der Zustimmung zu legen ist. 5.3. Zustimmung Minderjähriger und Kinder Das Gesetz normiert keine Sonderregelung für die Veröffentlichung von Bildern von Minderjährigen, somit sind für die Beurteilung der Zustimmung dieser Personengruppe die allgemeinen Regeln heranzuziehen.72 Ein Foto darf immer verbreitet werden, wenn keine Verletzung berechtigter Interessen stattfindet, hierbei ist auch eine 73 Zustimmungserklärung nicht erforderlich. Spannend wird es, wenn durch ein veröffentlichtes Bildnis eines Minderjährigen grundsätzlich seine Interessen beeinträchtigt werden und eine Veröffentlichung nur mit einer Einwilligung rechtens wäre. Fraglich ist hierbei, ob die minderjährige Person 72 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56. 73 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (4). 18
selbst eine Zustimmung zur Verbreitung des Bildes abgeben kann, oder nur der gesetzliche Vertreter befugt ist, diese abzugeben.74 Entscheidend bei der Lösungsfindung ist, ob man bei der Abgabe der Zustimmungserklärung auf die „Geschäftsfähigkeit“ oder die „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ Bezug nimmt.75 Hierzu gibt es in der Literatur76 verschiedenste Ansichten. Die ältere Lehre war der Auffassung, dass bei der Abgabe der Willenserklärung des Minderjährigen auf die Geschäftsfähigkeit abzustellen sei.77 Für Personen, welche nicht voll geschäftsfähig sind, gäbe es die Möglichkeit der Einwilligung durch den gesetzlichen Vertreter.78 Im Gegenzug dazu erachtet Dokalik bei der Zustimmung in die Verbreitung eines Bildes die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Minderjährigen als maßgebliches Kriterium.79 Dies leite sich aus § 146c Abs 1 ABGB, welcher nur dem einsichts- und urteilsfähigen Kind selbst die Möglichkeit bietet, rechtswirksam in die medizinische Behandlung einzuwilligen, ab.80 Liege eine Einwilligung des Kindes nicht vor, ist diese auch nicht durch die der Eltern substituierbar.81 Stellt man den Sinngehalt der beiden Normen § 173 ABGB und § 78 UrhG gegenüber, wirkt dies einleuchtend, dass wenn die Entscheidungskraft in die Einwilligung eines ärztlichen Eingriffes einzig bei dem einsichts- und urteilsfähigen Minderjährigen liegt und nicht substituiert werden kann, dies auch bei höchstpersönlichen Rechten wie dem Bildnisschutz zu gelten hat.82 Zusätzlich wird für die wirksame Zustimmung der minderjährigen Person vorausgesetzt, dass eine für das Kind dem Alter entsprechende und umfangreiche Darstellung des Sachverhalts vorgenommen wurde.83 Zusammenfassend bedeutet dies, dass das Veröffentlichen eines Bildes eines Minderjährigen zu unterbleiben hat, wenn das Foto berechtigte Interessen des Kindes verletzt und keine Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes vorliegt.84 74 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56. 75 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (5). 76 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (6); Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96. 77 Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96. 78 Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), 96. 79 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (6). 80 Regelung war bis 31.01.2013 in Kraft und anschließende Überführung in § 173 ABGB. 81 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 56. 82 Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 57. 83 Marous, Stärkung des Schutzes Minderjähriger vor bloßstellender Berichterstattung, EF-Z 2015/148, 244 (245). 84 OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v; Marous, Stärkung des Schutzes Minderjähriger vor bloßstellender Berichterstattung, EF-Z 2015/148, 244 (245). 19
Fallbeispiele zur Zustimmung durch minderjährige Personen aus der Rsp Die erste Entscheidung85 betrifft ein 10-jähriges Mädchen namens Lisa-Marie, die in einem Beitrag der Zeitschrift „Ö“ mit Gesichtsverletzungen abgebildet war, wobei im Begleittext zusätzlich auf ihre Entwicklungsverzögerung hingewiesen wird. Die Klage von Lisa-Marie wurde vom Erstgericht auf Grund der Zustimmungserklärung der Mutter, welche einen Ausschlussgrund des § 7 Abs 2 Z 3 MedienG darstelle, abgewiesen. Aus den Ausführungen des Gerichts lässt sich schließen, dass durch die herabsetzende Darstellung des gesundheitlichen Befindens der Antragstellerin ihr höchstpersönlicher Lebensbereich gem § 7 Abs 1 MedienG verletzt worden sei. Durch die Zustimmung in die Veröffentlichung durch die Mutter sei aber der Ausnahmetatbestand § 7 Abs 2 Z 3 MedienG erfüllt, weshalb es wiederum nicht zu einer Verletzung komme. In Folge erachtete das OLG die Zustimmungserklärung der Mutter jedoch als nicht wirksam und beschäftigte sich mit der Thematik, wem es überhaupt möglich ist rechtswirksam in eine Verbreitung einzuwilligen. Bei der Beurteilung dieser Frage bezog sich das OLG auf die Rechtsprechung des OGH, welcher die Einwilligung in solch höchstpersönliche Rechte als vertretungsfeindlich ansieht.86 Eine Veröffentlichung des Artikels samt identifizierbaren Bildes von Lisa-Marie wäre somit nur rechtens gewesen, wenn diese selbst eingewilligt hätte. Da es sich bei der Klägerin um einen Minderjährigen handle, ist bei der Zustimmung auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit abzustellen.87 Liegt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei der minderjährigen Person nicht vor, so kann niemals von einer Zustimmung in eine Veröffentlichung ausgegangen werden. Dieses höchstpersönliche Recht kann auch nicht durch den gesetzlichen Vertreter (meist Eltern), den Erwachsenenvertreter oder das Pflegschaftsgericht substituiert werden.88 Liegt eine umfassende Zustimmungserklärung vom Abgebildeten zur Veröffentlichung des Bildes vor, so stellt dies eine Willenserklärung höchstpersönlicher Natur dar89, und einer Veröffentlichung steht nichts entgegen.90 Bei der Zustimmung einer minderjährigen Person, somit Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, steht die individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit im Mittelpunkt. Bei einem 85 OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v. 86 OGH 11.09.2003, 6 Ob 106/03m. 87 OLG 13.05.2015, 18 Bs 63/15v. 88 OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v. 89 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (4). 90 OGH 15.04.1997, 4 Ob 115/97h. 20
mündigen Minderjährigen, somit einer Person zwischen 14 und 18 Jahren, wird das Vorhandensein dieser zumindest vermutet.91 Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit kann aber auch schon bei Personen unter 14 Jahren vorliegen, dabei ist jedoch auf den konkreten Sachverhalt abzustellen.92 Das OLG Wien kam im Fall betreffend Lisa-Marie zum Ergebnis, dass der Tatbestand des § 7 Abs 1 MedienG verwirklicht worden sei, der Ausschlussgrund nach § 7 Abs 2 Z 3 MedienG auf Grund der fehlenden Zustimmung von der Antragstellerin nicht gegeben sei. Der Berufung wurde somit stattgegeben.93 Dagegen richtete die beklagte Partei einen Erneuerungsantrag, doch auch dieser war nicht standhaft und der OGH bestätigte in seiner rechtlichen Beurteilung die Argumentation in Bezug auf die Zustimmungserklärung, weshalb der Erneuerungsantrag zurückzuweisen war.94 Die Entscheidung95 des OLG Wien gibt somit wichtige Aufschlüsse darüber, welche Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung durch eine minderjährige Person gegeben sein müssen. 5.4. Geschäftsfähigkeit im Vergleich zur Einsichts- & Urteilsfähigkeit Maßgeblicher Unterschied zwischen der Geschäftsfähigkeit und der Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist die altersbestimmte Grenzziehung. Der Begriff der Einsichts- und Urteilsfähigkeit beschreibt im Wesentlichen den in § 24 ABGB genannten Ausdruck der „Entscheidungsfähigkeit“ und stellt auf die persönliche Eignung ab, welche für die jeweilige rechtswirksame Handlung notwendig ist.96 Gem § 24 Abs 2 ABGB ist eine Person dann entscheidungsfähig, wenn sie die Wichtigkeit und die Konsequenzen ihres Handelns begreifen und ihr Vorhaben dementsprechend einschätzen kann.97 Handelt es sich bei der betroffenen Person um einen Minderjährigen, so ist einzelfallspezifisch zu kontrollieren, ob die Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei dem Betroffenen in eben jenem konkreten Fall vorliegt.98 Die gesetzliche Vermutung gem § 173 ABGB greift auch beim Bildnisschutz, weshalb bei mündigen Minderjährigen, somit 91 Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302). 92 Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302). 93 OLG 13.05.2015, 18 Bs 63/15v. 94 OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v. 95 OGH 13.01.2016, 15 Os 176/15v. 96 Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 § 24 ABGB Rz 5 (Stand 13.9.2018, rdb.at). 97 Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 141 Rz 4 (Stand 11.10.2018, rdb.at). 98 Fischer-Czermak, Einsichts- und Urteilsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit, NZ 2004/83, 302 (302). 21
ab 14 Jahren, die Einsichts- und Urteilsfähigkeit vermutet wird.99 Handelt es sich um einen unmündigen Minderjährigen, so muss dieser die Einsichtsfähigkeit glaubhaft darlegen können.100 Dies bedeutet aber auch, dass die Einsichts- und Urteilsfähigkeit bereits bei Minderjährigen unter 14 Jahren gegeben sein kann und bei Kindern über 14 Jahren unter Umständen nicht vorliegt. 5.5. Nichtvorliegen der Einsichts- und Urteilsfähigkeit eines Minderjährigen Fraglich ist nun, wie vorzugehen ist, wenn es sich um einen einsichts- und urteilsunfähigen Minderjährigen handelt und ob in der Folge die Möglichkeit besteht, dass seine Obsorgeberechtigten eine rechtswirksame Einwilligung abgeben können. In der Lehre bestehen dazu divergierende Meinungen. So vertritt Thiele, dass es sich bei der Zustimmung grundsätzlich um eine höchstpersönliche Handlung handelt. Fehle es jedoch an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei dem Minderjährigen, so sei es möglich, eine wirksame Zustimmungserklärung durch die Obsorgeberechtigten einzuholen. Oberste Prämisse bei der Einholung der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter ist dabei das Kindeswohl.101 Das Kindeswohl stellt den obersten Grundsatz des Kindschaftsrechts dar und wird in § 138 ABGB in 12 Ziffern näher ausgestaltet, die etwa „den Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes“ (Z 2), „die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern“ (Z 3) oder „die Berücksichtigung der Meinung des Kindes“ (Z 5) betreffen und als Beurteilungskriterien heranzuziehen sind.102 Den anderen Meinungen zu Folge, wie zum Beispiel jener von Marous, gibt es bei einsichts- und urteilsunfähigen Kindern aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Rechts nicht die Möglichkeit der Vertretung durch die Obsorgeberechtigten.103 Auch Seiss/Raabe-Stuppnig vertreten diese Ansicht, dass es zu keiner Substitution der Zustimmungerklärung kommen kann. Dies begründen sie unter Bezugnahme auf § 173 ABGB damit, dass bei der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter in eine medizinische Heilbehandlung das Wohlbefinden des Minderjährigen im Vordergrund stehe, eine 99 OLG Wien 13.05.2015, 18 Bs 63/15v. 100 Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Die Geschäftsfähigkeit Jugendlicher, https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=116 , (abgerufen am 16.11. 2022). 101 Thiele, Der Schutz personenbezogener Daten von Minderjährigen, insbesondere im schulischen Bereich, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 71 (81 ff). 102 Deixler-Hübner in Loderbauer, Kinder- und Jugendrecht5, LexisNexis, 73. 103 Marous, Zur Zustimmungsfähigkeit Minderjähriger im Datenschutzrecht, EF-Z 2013/77, 105 (107); Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ FamZ 2006, 4 (5 f); Höhne, Wer kann über höchstpersönliche Rechte verfügen, ZIR 2015/3, 330 (334). 22
solche Argumentation aber bei der Verbreitung eines Bildes eines Minderjährigen nicht greife.104 Dies ist mE zutreffend, da medizinische Entscheidungen stets die körperliche Integrität des Kindes betreffen und hier der Faktor der Zeit eine zentrale Rolle spielt. Die Situation ist keineswegs mit dem Posten von Fotos in den sozialen Medien vergleichbar. Meiner Meinung nach, ist hier der strengeren Ansicht von Höhne, Marous, Dokalik, Seiss/Raabe-Stuppnig zu folgen. Dies vor allem deshalb, weil ohnehin die Möglichkeit besteht, Bilder von Kindern, die keine berechtigte Interessen verletzen, zu veröffentlichen. Damit könnte womöglich auch eine gewisse Sensibilisierung und Zurückhaltung der Eltern bei der Veröffentlichung von Bildern ihrer Kinder gefördert werden. So wird insbesondere dann kein berechtigtes Interesse iSd § 78 UrhG verletzt sein, wenn ein Minderjähriger bei einer Sportveranstaltung vor Ort ist und im Zuge der Sportausübung von einem Pressefotografen Bilder gemacht werden.105 Des Weiteren ist oftmals auch Erwachsenen bzw den Eltern gar nicht bewusst, welch fatale Folgen ein „Posting“ des Kindes mit sich ziehen kann und gerade deswegen sollte die Entscheidung einzig bei den Kindern verbleiben. Dass dies eine Reduktion der Anzahl an „lustigen Babyfotos“ im Internet zu Folge haben könnte, ist mE keinesfalls bedenklich, sondern wünschenswert. 5.6. Zusätzliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Gem § 173 Abs 2 ABGB hat zusätzlich zum entscheidungsfähigen Kind der gesetzliche Vertreter in die Behandlung einzuwilligen, wenn es sich um eine Behandlung handelt, welche „mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist“. Wendet man § 173 Abs 2 ABGB nun analog an, so kann es auch bei einem schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Interessenssphäre zu einem zusätzlichen Erfordernis der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter kommen. Bei einer Veröffentlichung eines Bildes wird dies erst dann zutreffend sein, wenn das Foto einen derartigen Einschnitt in das Privatleben des Minderjährigen mit sich zieht, dass dessen psychische Gesundheit darunter leidet. Ein mögliches Beispiel dafür wäre das Gelangen eines Nacktfotos des Kindes ins Internet.106 104 Seiss/Raabe-Stuppnig, Kinder und ihre Persönlichkeitsrechte im Internet, ZIR 2014/2, 100 (102). 105 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (5). 106 Dokalik, „Mein Baby ist ein Star!“ Zum Recht des Kindes am eigenen Bild, FamZ 2006, 4 (7). 23
5.7. Zulässige Bildnisveröffentlichung Fraglich ist, wann es erlaubt ist, ein Foto eines Minderjährigen zu veröffentlichen. Bezugnehmend auf ein YouTube Video, welches ein unter Betäubungsmitteln stehendes Kind nach einem Zahnarztaufenthalt zeigt, behandelt Marous, ob es für Elternteile aus datenschutzrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Sicht zulässig ist, Fotos und Videos von Minderjährigen auf sozialen Netzwerken zu verbreiten. Dabei kommt sie zu dem Entschluss, dass die Aufnahme eines Bildes, auch wenn dieses für den Minderjährigen bloßstellend ist, im privaten Bereich keine Rechtsverletzung darstelle.107 Wird das Bild jedoch der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, bedarf es ihrer Ansicht nach der Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes. Selbst für mündig Minderjährige seien oftmals die Konsequenzen einer Verbreitung nicht nachvollziehbar, weshalb auch hier die Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht gegeben ist. 108 B. Rechtsfolgen Das UrhG gewährt verschiedenste Möglichkeiten, um eine Verletzung des § 78 UrhG zu verfolgen. Da die Rechtsverletzung üblicherweise von den Eltern begangen wird, stellt § 2 ZPO, welcher normiert, dass „ein mündiger Minderjähriger in Rechtsstreitigkeiten über Gegenstände, in denen er nach dem bürgerlichen Recht geschäftsfähig ist, nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters bedarf“, eine besondere Wichtigkeit dar.109 Fühlt sich ein mündiger Minderjähriger in seinem Bildnisschutz verletzt, so ist er somit befugt die Rechtsdurchsetzung selbst wahrzunehmen, wenn er die notwendige auf den spezifisch für den Fall abstellende Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt.110 Bei unmündigen Minderjährigen liegt hingegen eine absolute Prozessunfähigkeit vor.111 1. Unterlassung In § 81 UrhG ist der verschuldensunabhängige Unterlassungsanspruch normiert, dessen Geltendmachung sowohl eine Pflicht zum Unterlassen als auch die Gefahr, 107 Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (255). 108 Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (253). 109 § 2 ZPO idF BGBl 403/1977. 110 Marous, Public Shaming Minderjähriger, EF-Z 2013, 253 (256). 111 Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/13 § 1 ZPO Rz 8 (Stand 1.9.2014, rdb.at). 24
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