Bitcoin-Mining: Starkes Wachstum ohne Nachhaltigkeit - energie.de
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ZUKUNFTSFRAGEN Wissenswert Bitcoin-Mining: Starkes Wachstum ohne Nachhaltigkeit Blockchain gilt als Technologie der Zukunft. Durch ihre Eigenschaft, Daten unveränderlich aufzuzeichnen können Infor- mationen zu Unternehmen, Produkten oder zur Umwelt dauerhaft und sicher gespeichert, gegen Manipulation geschützt sowie unbegrenzt genutzt und umfassend kontrolliert erweitert werden. Doch die Potenziale werden durch ein Image- problem überlagert: Hoher Energieverbrauch und geringe Umweltverträglichkeit zeichnen mittels Blockchain verwaltete Kryptowährungen wie Bitcoin aus. Für eine zunehmend differenzierte Betrach- tung von Blockchain-Technologie und speku- lativer Bitcoin-Generierung sorgen eine wach- sende Zahl von Studien und Untersuchungen: Der scheinbar maßlose Energie- und Ressour- cenverbrauch digitaler Währungen lässt sich immer besser quantifizieren [1]. Noch 2018 propagierte die Bundesregierung eine Politik der ruhigen Hand, hatte jedoch Probleme bei den Kryptowährungen durchaus im Blick [2]: „Die Bundesregierung geht derzeit nicht da- von aus, dass die Erreichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele durch die weitere Entwicklung von Kryptowährungen gefährdet ist.“ Verantwortlich für den steigenden Energie- bedarf sei nicht so sehr der Handel mit Krypto- währungen, sondern die Berechnung des zugrundliegenden Algorithmus zur Erzeu- Bitcoin-Schürfen stößt zunehmend auf Kritik gung neuer Bitcoins und zur Erbringung von Bild: Adobe Stock Transaktionsdienstleistungen. Der hohe und steigende Energiebedarf sowie die ebenfalls stetig zunehmenden Investitionskosten in die Kanals Observers/France 24 [3] ergaben, um 20 % und führten das kleine Land an den Hardware erschweren, so die Einschätzung dass die Bitcoin-Farmen zwar im Iran ansäs- Rand eines Blackouts, sodass die Regierung der Bundesregierung „eine zunehmende Bit- sig sind, aber überwiegend chinesischen Un- das Bitcoin-Schürfen verbieten musste [4]. coin-Generierung in Deutschland gegenüber ternehmen gehören. Regionen mit deutlichen Kostenvorteilen.“ Teurer und energieintensiver Das sog. Bitcoin-Mining finde allerdings vor- Bitcoin-Farmen bestehen aus mehreren Tau- Verifizierungsprozess wiegend in Ländern statt, die Vertragsstaa- send PC-Einheiten einschließlich aufwändiger ten des Pariser Klimaabkommens sind und Kühlung. Nach offiziellen Angaben werden der- Bitcoin ist das erste dezentralisierte Peer- insofern Sorge dafür tragen müssen, dass zeit 14 legale Bitcoin-Farmen im Iran betrie- to-Peer-Zahlungsnetzwerk, das nur von den ihre Treibhausgasemissionen sinken und ben. Ihr Strombedarf liegt bei 300 MW. Im Nutzern und ohne zentrale Autorität wie zum Erreichen der Klimaziele beitragen. Mai 2020 erlaubte der Iran die Errichtung einer Notenbank oder einem Vermittler be- einer Bitcoin-Farm eines türkischen Unterneh- trieben wird [5]. Für die Nutzer ist Bitcoin Die energie- und klimapolitische Sorglosigkeit mens mit einem Strombedarf von 18 MW. Bei nicht viel mehr als eine App oder ein Compu- der Bundesregierung gegenüber der Bitcoin- Strompreisen zwischen 1,8 und 2,2 ct/kWh terprogramm, das eine persönliche Bitcoin- Generierung wurde zwischenzeitlich von den hat sich der Iran zu einem bevorzugten Stand- Wallet – eine elektronische Geldbörse – zur Fakten überholt. Im Iran kam es Anfang 2021 ort für das sog. Bitcoin-Mining entwickelt. Verfügung stellt und es Nutzern ermöglicht, in mehreren Städten und Regionen zu Strom- Bitcoins zu versenden oder zu empfangen. ausfällen. Energieminister Reza Ardekanian In der südkaukasischen Kleinstrepublik Ab- räumte ein, dass die Ausfälle durch sog. Bit- chasien mit seinen kaum 250.000 Einwohnern Im Hintergrund des Bitcoin-Netzwerks ar- coin-Farmen ausgelöst wurden. Recherchen sorgten mehrere Bitcoin-Farmen für einen beitet ein öffentliches Buchungssystem. In des französischen Fernsehsenders und News- plötzlichen Anstieg des Energieverbrauchs diesem Buchungssystem (Blockchain) wird 32 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 4
ZUKUNFTSFRAGEN Wissenswert ZUKUNFTSFRAGEN neuen Blocks in einen Hash-Wert umwandeln. Errechnet ein Miner den für die Validierung des Blocks richtigen Hashwert, bekommt er einen Bitcoin oder mehr vergütet. Um die Chancen auf den richtigen Hashwert zu erhö- hen, werden Hunderte bis Tausende von Sys- temen gleichzeitig zum Schürfen eingesetzt. Noch 2011 konnten Bitcoin-Schürfer mit han- delsüblichen PC-Systemen im Schnitt zwei Blöcke pro Tag validieren. Heute würde dies mit der gleichen Ausstattung rein rechne- risch 472.339 Jahre dauern, da die Validie- rungen immer komplexer werden. Aber auch mit dem derzeit leistungsstärksten Schürf- system ist nur alle 21 Jahre eine erfolgreiche Validierung möglich. Daher müssen sehr viele Systeme parallel laufen, um erfolgreich Abb. 1 Entwicklung des Bitcoin-Kurses 2014-2020 am Mining-Prozess zu partizipieren. Derzeit Quelle: finanzen.net werden pro Tag weltweit etwa 1.800 Bitcoin geschürft [6]. jede Transaktion, die jemals über das Bitcoin- zu verarbeiten, das Netzwerk zu sichern und Netzwerk gebucht wurde, gespeichert. Das alle Teilnehmer im System untereinander syn- Der starke Anstieg des Bitcoin-Kurses ermöglicht jedem Nutzer, die Gültigkeit jeder chron zu halten. Das virtuelle Bitcoin-Rechen- (Abb. 1) auf Werte über 40.000 € macht Transaktion zu überprüfen. Die Echtheit einer zentrum arbeitet komplett dezentralisiert. Die das Mining immer attraktiver und führt Transaktion ist durch eine digitale Signatur Miner sind über die ganze Welt verteilt. Dieser zum starken Ausbau der Bitcoin-Farmen. und die dazugehörige Adresse des Auftragge- Prozess wird in Analogie zum Goldschürfen Nach Berechnungen des Cambridge Center bers gesichert; dies ermöglicht jedem Nutzer „Mining“ genannt, weil es außerdem ein Mecha- for Alternative Finance an der University die volle Kontrolle über Zahlungen von seiner nismus ist, um neue Bitcoins zu erzeugen. of Cambridge [7] entfällt bei der durch- Adresse aus. Anders als beim Goldschürfen gibt es beim schnittlichen monatlichen Hash-Wert-Rate Bitcoin-Mining eine Belohnung für nützliche ein Anteil von rund 65 % auf China (Abb. 2). Zusätzlich können Nutzer durch spezielle Dienste, die zum Betrieb eines sicheren Zah- Es folgen die USA (7 %), Russland (7 %), Hardware Transaktionen verarbeiten und dafür lungsnetzwerks nötig sind. Kasachstan (6 %), Malaysia (4 %), und Iran eine Vergütung in Form von Bitcoins erhalten. (3,8 %). Auf Deutschland entfallen derzeit Dieser Prozess wird „Mining“ genannt. Mining Um seine Dienstleistung zu verifizieren (Proof etwa 0,56 % der weltweiten Hash-Wert-Be- ist ein Prozess, bei dem Rechenleistung zur of Work – PoW), muss der Miner mit erhebli- rechnungen. Deutschland belegt damit nach Verfügung gestellt wird, um Transaktionen chem Rechenaufwand die Zeichenfolge eines Kanada Platz 8 bei den weltweit größten Mining-Standorten, gefolgt von Norwegen (0,48 %) und Venezuela (0,42 %). Eine erste Abschätzung des kumulierten Ener- gieverbrauchs (Abb. 3) des von den Minern weltweit geleisteten Rechenaufwands legten 2019 Christian Stoll, Lena Klaaßen und Ulrich Gallersdörfer von der TU München vor [8]. Die Wissenschaftler errechneten für 2018 einen Strombedarf für das Mining in Höhe von 45,8 TWh. Grundlage dieser Berechnungen war die Annahme einer Steigerung des Leistungsbe- darfs der Miner von 345 MW im Jahre 2016 auf 1.637 MW 2017 und auf 5.232 MW Ende 2018 sowie eine Jahresbenutzungsdauer in Höhe von 8.760 Stunden. Die Forscher gingen davon aus, dass 68 % der Rechenleistung in Abb. 2 Mining-Aktivitäten ausgewählter Regionen – Länderanteile Asien erbracht wird, 17 % in Europa sowie 15 % Quelle: Cambridge University in Nordamerika. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 4 33
ZUKUNFTSFRAGEN Wissenswert Einfluss auf Versorgungssicherheit und Netzstabilität Eine weitere dynamische Zunahme der Bit- coin-Farmen könnte auch Einfluss auf die Versorgungssicherheit und Netzstabilität der betroffenen Regionen haben. Bitcoin-Farmen sind energieintensiv und unflexibel, weil sie ihre Rechenleistung ständig auf höchstem Niveau fahren. Eine Ansiedlung erfordert grundsätz- lich eine gut abgesicherte Netzintegration. Bisher erfolgt die Standortauswahl überwie- gend – aber wohl nicht ausschließlich, wie der Anteil Deutschlands an den Hash-Wert-Raten zeigt – kostenorientiert. Innerhalb der großen geschlossenen Verbundnetze sollte zumindest über eine Registrierung der Bitcoin-Farmen nachgedacht werden. Anmerkungen Abb. 3 Entwicklung des Stromverbrauchs von Bitcoin-Minern 2016-2020 Quelle: Cambridge University [1] Alex de Vries, Bitcoin’s energy consumption ist unde- restimated: A market dynamics approach. In: Energy Unter Berücksichtigung des jeweiligen re- von der zukünftigen Dekarbonisierung der Research & Social Science, Volume 70, Dezember 2020. gionalen Energiemix der Stromerzeugung weltweiten Stromerzeugung. In einem Busi- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/ errechneten die Münchner Forscher einen ness-As-Usual-Szenario würde der durch die pii/S2214629620302966?via%3Dihub Carbon Footprint des weltweiten Minings in Verwaltung und Fortentwicklung der Kryp- [2] Deutscher Bundestag: Drucksache 19/1055 vom einer Größenordnung von 22,0 bis 22,9 Mio. t towährung entstehende CO2-Ausstoß auf bis 05.03.2018: Auswirkungen der Kryptowährung „Bit- CO2) [9]. Die Wissenschaftler betrachten den zu 2 Mrd. t ansteigen und damit bezogen auf coin“ auf das Klima und den Energieverbrauch. Beitrag des Mining zum globalen CO2-Aus- 2019 auf einen Anteil von 7 % der weltweiten [3] https://obser ver s.france24.com/en/middle- stoß als eher gering und schreiben: „Bitcoin’s CO2-Emissionen kommen. Würde der Elek- east/20210203-in-iran-power-outages-reveal-the-sec- CO2 equivalent ranks between numbers 82 trizitätssektor dagegen bis 2050 vollständig ret-business-of-chinese-bitcoin-farms (letzter Seitenzu- und 83 on the list of biggest emitting coun- klimaneutral, wäre der Peak bei den Bitcoin- griff am 08.03.2021). tries“ [10]. Aktuelle Berechnungen des Cam- Emissionen bereits überschritten. [4] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Abchasien-macht-Bit- bridge Center for Alternative Finance [11] coin-Farmen-dicht-article22394445.html ermittelten allerdings einen weltweiten Leis- Die große Unsicherheit bei der weiteren Ent- [5] Die Grundlagen wurden in einem Whitepaper niederge- tungsbedarf von derzeit bereits 15.000 MW, wicklung des Bitcoin-Energieverbrauchs und legt: https://bitcoin.org/de/bitcoin-paper was einen jährlichen Stromverbrauch der des Carbon-Footprints der digitalen Wäh- [6] Christian Stoll, Lena Klaaßen, Ulrich Gallersdörfer, The Miners in Höhe von rund 130 TWh ergibt. rung zwingt zu Überlegungen, der weiteren Carbon Footprint of Bitcoin. In: Joule 3, 17.07.2019, Bei unveränderten Grundannahmen würde ungebremsten Entwicklung beim Ressour- S. 1647-1661. dies zu einem jährlichen CO2-Ausstoß von cenverbrauch vorzubeugen. Beim Bitcoin- https://doi.org/10.1016/j.joule.2019.05.012 aktuell knapp 70 Mio. t führen. Mining steht vor allem der energieintensive [7] https://cbeci.org/mining_map (Letzter Seitenzugriff Proof of Work-Prozess (PoW) zur Diskussion. am 09.03.2021) 2020 ergänzte die Münchner Forschergruppe Andere Krypto-Währungen sowie Block- [8] Siehe Anmerkung [6]. ihre Arbeit im Auftrag der National Natural chain-Prozesse in der Industrie sind bereits [9] Ebenda, S. 1654. Science Foundation of China mit einem Aus- zu Proof-of-Stake-Lösungen (PoS) bei der [10] Ebenda, S. 1654. blick auf den Energieverbrauch und den CO2- Verifizierung übergegangen, bei der aufwän- [11] https://cbeci.org (Letzter Seitenzugriff, 09.03.2021). Ausstoß des Bitcoin-Mining bis 2100 [12]. dige Rechenprozesse entfallen. Allerdings [12] Shize Qin, Lena Klaaßen, Ulrich Gallersdörfer, Chris- Unter der Annahme, dass die Kursentwick- erfordern diese Verfahren wieder klassische tian Stoll, Da Zhang, Bitcoin‘s future carbon footprint. lung der Kryptowährung Bitcoin sich ähn- Absicherungsmethoden und verlassen damit In: arXiv preprint arXiv:2011.02612. 2020/11/5. lich entwickelt wie der Goldkurs, gehen die die Vorstellungen der Bitcoin-Gründer von Download: https://scholar.google.com/citations?user Wissenschaftler davon aus, dass der Bitcoin- der reinen digitalen Währung, die nicht auf =vORQYV4AAAAJ&hl=de Stromverbrauch bis 2100 auf bis zu 400 TWh der Grundlage von Vertrauen der Teilnehmer pro Jahr steigen könnte. Die Bestimmung in Institutionen und Wertabsicherungen be- „et“-Redaktion des Carbon Footprint ist dagegen abhängig ruht. 34 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 71. Jg. (2021) Heft 4
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