BLACKOUT-VORSORGE DER TEUFEL STECKT IM DETAIL HERBERT SAURUGG

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BLACKOUT-VORSORGE DER TEUFEL STECKT IM DETAIL HERBERT SAURUGG
UOG Niederösterreich

                               BLACKOUT-VORSORGE
                          DER TEUFEL STECKT IM DETAIL

                                    HERBERT SAURUGG
     Eine Woche lang übte das Wiener Gardebataillon den Umgang mit den Auswirkungen eines groß-
     flächigen und langandauernden Stromausfalls im Großraum von Wien. Einmal mehr sollte sich die
     Redewendung „Der Teufel steckt im Detail“ bewähren. Angeordnet vom Kommandanten der Gar-
     de galt das Ziel möglichst alle Fehlerquellen während eines mehrtätigen Blackout-Szenarios zu
     dokumentieren.
     Zum Themenschwerpunkt „Blackout“
     Mehrere Gebäude der Maria-Theresien-Kaserne in Wien wurden vom Strom genommen. Bereits
     vor dem simulierten lokalen Stromausfall galt die Order „Fluchtwegbeleuchtung beachten“. Bei
     einem früheren Stromausfall kam es durch die Tiefentladung der Akkus zu einem Totalschaden.
     Trotz Gewährleistung des Herstellers, dass eine Sicherheitsabschaltung die Tiefentladung verhin-
     dern würde, war die Realität damals eine andere.
     „Vor Übungen gibt es viel über die Infrastruktur und deren Zusammenhänge zu bedenken, um un-
     nötige Schäden nicht zu provozieren.“ - So manche Feuerwehr kann davon berichten, dass durch
     zu viel Schwung beim Öffnen des Rolltores das ganze Tor auf dem Feuerwehrauto landet, oder,
     dass die Brandmelder während der Stromabschaltung einen Dauerwarnton von sich geben.
     Heizung
     Durch Vorgespräche war bekannt, dass die Heizung nicht abgedreht werden darf, da es ansonsten
     zu Schäden kommen würde. Aus diesem Grund wurde die von allen Gebäuden der Liegenschaft
     gemeinsam genutzte Heizung in die Beurteilung mit aufgenommen, um ein Ungleichgewicht im
     Heizungssystem feststellen und verhindern zu können. Aufgrund der früheren Erkenntnisse in Be-
     zug auf die Fluchtwegebeleuchtung, entschied man sich, diese vorsichtshalber wieder in Betrieb zu
     nehmen. Daher ist damit zu rechnen, dass es bei einem längeren Stromausfall durchaus zu erhebli-
     chen Schäden bei Sicherheitseinrichtungen kommen kann.
     Wasser
     Schwerwiegender war die Erfahrung, dass die modernisierten Duschen, Wasserhähne und Pissoir-
     Spülungen mit berührungslosen Armaturen nicht mehr funktionierten. Gerade in Zeiten von CO-
     VID-19, stellte sich dieser Defekt als ein wichtiger hygienischer Mangel heraus, denn ohne Strom
     gibt es auch kein Wasser. Gerade auf solche Details stößt man während einer Übung, die womög-
     lich in einem Planspiel nicht berücksichtigt werden würden. Diese Erkenntnis hat weitreichende
     Auswirkungen auf viele Sanitäreinrichtungen im Zivilen wie Hotels, Bürogebäude, Raststätten,
     etc. In Neubauten werden in der Regel berührungslose Armaturen mit Netzanschluss verbaut. Laut
     Herstellerangabe kommen bei Sanierungen, wenn keine Steckdose vorhanden ist, batteriegepuffer-
     te Systeme zum Einsatz.

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      Für die betroffenen Menschen ist es jedoch unerheblich, dass die Hauptwasserleitung eigentlich
      funktioniert, wenn beim Wasserhahn kein Wasser fließt, egal ob das Wasser wegen einer berüh-
      rungslosen Armatur, einer privaten Drucksteigerungsanlage oder durch zu wenig Druck in den
      oberen Geschoßen ausbleibt. Generell ist eine Trinkwasserbevorratung zu empfehlen, auch wenn
      die Wasserversorgung bei einem Blackout vielerorts in Takt bleibt.
      Abwasser
      Auch private Abwasser-Hebeanlagen soll-
      te stärker thematisiert werden, da es in Ös-
      terreich rund 200.000 davon geben soll.
      Viele Keller und Erdgeschosswohnungen
      könnten bei einem Stromausfall mit
      Schmutzwasser überflutet werden, wenn
      nicht vorgesorgt wird. Auch hier hilft es
      wenig, dass der öffentliche Kanal weiter
      funktioniert.
      Elektronische Zutrittssysteme
      Bei der Übung wurde außerdem festge-                                         (FOTO: BUNDESHEER

      stellt, dass elektronische Schließsysteme
      und alarmgesicherte Einrichtungen bei einem Stromausfall automatisch verriegeln und ein Zutritt
      und damit der Zugriff auf wichtige Ressourcen nicht mehr möglich ist. Das klingt banal, aber wie
      oft wird wirklich daran gedacht, eine Umgehungsmöglichkeit zu schaffen? Sind diese weder vor-
      gesehen noch für den Ernstfall getestet worden, wird man im Anlassfall mit Sicherheit eine Über-
      raschung erleben.
      Notstromaggregat
      Eine bittere Enttäuschung waren die Kleinnotstromaggregate. Fünf von sechs Geräten fielen inner-
      halb der ersten 12 Stunden des Notstrombetriebs aus und mussten in der Werkstätte in standgesetzt
      werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies im Ernstfall nur bei den Geräten des Österreichi-
      schen Bundesheers passieren wird, obwohl diese Aggregate regelmäßig gewartet werden. So ver-
      sagte in Berlin-Köpernick im Februar 2019 bei einem 31-stündigem Stromausfall das Notstromag-
      gregat des Krankenhauses bereits nach sieben Stunden. Schuld war ein Elektronikbauteil. Das Ge-
      rät war gerade einmal zehn Jahre alt und wurde regelmäßig getestet. Ein weiteres mobiles Not-
      stromaggregat, das bei der Abwasserversorgung eingesetzt wurde, brannte ab. Es gibt es unzählige
      Beispiele, bei denen Notstromeinrichtungen versagten. Gerade bei einem längeren Einsatz, wie
      während eines Blackouts, ist mit mehreren Ausfällen zu rechnen. Bei Neuanschaffungen von Not-
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     Diese Generation von Generatoren muss mit 75 bis 95 Prozent der Maximalleistung betrieben wer-
     den, sonst würde die Abgasreinigung nicht friktionsfrei funktionieren und die Anlagen automatisch
     abschalten. Es gilt die Aufforderung: Auch, wenn es eine geplante Absicherung (den Plan B) gibt,
     muss es in kritischen Bereichen, wie der Wasserversorgung, einen Plan C geben. Während eines
     Blackouts gibt es im Ernstfall keine Zeit mehr, um kurzfristige Alternativen zu organisieren, da nur
     wenige Kommunikationskanäle und kaum Ressourcen zur Verfügung stehen. Es wird nicht mög-
     lich sein, einfach zum Hörer zu greifen oder eine E-Mail zu schreiben, wie man das in anderen
     Krisenlagen gewohnt ist.
     Treibstoff
     Frühere Erfahrungen verweisen auf die schwierige Lagerung von
     Treibstoff. 2014 wurde in Deutschland eine Studie durchgeführt,
     die die Qualität von Treibstoffen für Stromstromeinrichtungen zum
     Thema hatte. Die Erkenntnis: Fast 60 Prozent des Treibstoffbestan-
     des war unbrauchbar, da Treibstoff altert und Bio-Diesel nach meh-
     reren Monaten ausflockt. Eine andere wichtige Erfahrung ist, dass
     Treibstofftanks selten vollgefüllt sind. Die Differenz ist oft gravie-
     rend, denn in der Planung wird der maximale Tankinhalt und nicht
     die reale Situation berücksichtigt. Um Kosten zu sparen und größe-
     re Mengen einkaufen zu können, wird der Tank soweit als möglich
     entleert, bevor er wieder befüllt wird. Zum falschen Zeitpunkt er-
     lebt man dann eine ziemlich böse Überraschung. Daher sollte nicht
     das theoretisch verfügbare Fassungsvermögen, sondern der mini-
     male Bestandmittelstand für die Planung herangezogen werden.
     Fahrzeuge sollten möglichst immer aufgetankt oder zumindest                    (FOTO: BUNDESHEER
     halbvoll abgestellt werden, um Handlungsspielraum zu haben.
     IT-Komponenten
     Erheblich sind auch potenzielle Hardwareschäden an Netzteilen von IT-Komponenten durch Kurz-
     ausfälle oder Spannungsschwankungen. Vor allem, wenn diese permanent in Betrieb sind, wie im
     Infrastrukturbetrieb. Hier gibt es zahlreiche Erfahrungen, wo bis zu 30 Prozent Hardwareschäden
     aufgetreten sind, was zu einer schwerwiegenden Folgekrise führen könnte. Denn ohne IT und Te-
     lekommunikation funktioniert heutzutage so gut wie gar nichts mehr - und die Kette ist bekanntlich
     so stark, wie ihr schwächstes Glied. Schwerwiegende Ausfälle und Störungen im Telekommunika-
     tionssektor könnten den Wiederanlauf der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern erheblich ver-
     zögern und sogar gefährden. Denn ohne Synchronisation gibt es weder eine Produktion noch eine
     Verteilung von Waren.

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     Bei einer Blackout-Übung in einer Gemeinde war nicht mehr konfiguriert, weshalb die Telefonan-
     lage und das Computernetzwerk nicht mehr funktionieren. Auch bei der Übung des ÖBH wurde
     festgestellt, dass Netzwerkdrucker offline durch IT-Fachpersonal und entsprechendem Zeitauf-
     wand wieder in das Netzwerk eingebunden werden konnten.
     Krankenhaus
     Eine andere Erfahrung stammt aus einem größeren Krankenhaus. Dort war man sich in einer Erst-
     einschätzung sicher, dass man auf ein Blackout vorbereitet sei, weil man beinahe das ganze Haus
     für 72 Stunden notstromversorgen kann (eigentlich ist in Spitälern nur eine 24-stündige Notstrom-
     versorgung vorgeschrieben). Besonders erschreckend war die Erkenntnis, dass bereits am zweiten
     Tag keine Operationen mehr durchgeführt werden konnten. Im Zuge einer Detailanalyse zeigte
     sich, dass betriebswichtige Güter täglich angeliefert werden. Die Lagerhaltung wurde aufgrund des
     Kostendrucks in den letzten Jahren beinahe überall heruntergefahren. Noch bedenklicher war die
     Erkenntnis, dass selbst bei überlebenswichtigen Infusionen nur mehr ein geringer Puffer zur Verfü-
     gung steht. Die Eigenherstellung musste aufgrund der Kritik des Rechnungshofs vor mehreren Jah-
     ren eingestellt werden. Nun ist man von Lieferungen aus dem Ausland abhängig. Als Sofortmaß-
     nahme werden nun die Kapazitäten aufgestockt, um zumindest eine zweiwöchige Notversorgung
     aufrechterhalten zu können. Das betrifft auch die Versorgung mit Lebensmitteln. Diese sind heute
     auch in Gesundheitseinrichtungen oft nur für wenige Tage vorrätig.
     Resümee
     Diese wenigen Beispiele sollen verdeutlichen, wie wichtig eine ganzheitliche Blackout-
     Versorgung ist. Und auch, wenn die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden, bleiben Unsi-
     cherheiten bestehen, da die Komplexität und die vielschichtigen wechselseitigen Abhängigkeiten
     nur selten erfasst werden können. Daher wird nun auch in dem vorherig erwähnten Spital überlegt,
     bei einem Blackout nur mehr eine absolute Notversorgung aufrechtzuerhalten, um unerwartete
     Probleme und Ausfällen vorzubeugen. Vor allem auch, um Ressourcen zu sparen, da im Vorhinein
     nicht absehbar ist, wie lange die Lieferunterbrechungen dauern werden. Gerade durch derartige
     Vorkehrungen wird es möglich, falls es die Ressourcenlage zulässt, wesentlich rascher und geord-
     neter in einen Normalbetrieb zurückzukehren. Diese Einsicht muss in vielen Bereichen aber erst
     gewonnen werden.
     Für den Kommanden des Gardebataillons hat sich einmal mehr bestätigt, dass nur das funktionie-
     ren wird, was geübt und überprüft wurde. Erfreulich war die Erkenntnis, dass die Tankstelle in der
     Maria-Theresien-Kaserne noch über eine Handpumpe verfügt und das Tanken im Ernstfall ohne
     Strom möglich ist. Der gestiegene Bedarf an Notstromaggregaten und Heizkanonen wird die Orga-
     nisation wohl noch länger beschäftigen, da dieser nicht nur die Garde betrifft. Erfreulich ist, dass
     dafür ab 2021 ein eigenes Budget vorgesehen ist.

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                                          HERBERT SAURUGG

     Bis alle Verbände des ÖBH für zumindest zwei Wochen autark sein werden, wird wohl noch etwas
     Zeit vergehen. Gerade weil die Übung Lücken aufzeigte, ist sie für das Bundesheer als Erfolg an-
     zusehen. Nur so können lokale Probleme erfasst und behoben werden. Dafür ist ein ehrlicher und
     transparenter Umgang mit den Erkenntnissen entscheidend. Sätze wie „Wir sind sehr gut“ oder
     „auf alles vorbereitet“ werden spätestens in bzw. nach einer Krise zu einem massiven Vertrauens-
     verlust führen.
     Auch die Militärakademie hat nun einen wichtigen Schritt gesetzt und alle Angehörigen der Aka-
     demie zur persönlichen Vorsorge aufgefordert. Denn nur wer seine Familie in Sicherheit weiß,
     kann „Schutz und Hilfe“ für andere leisten. Dieser Schritt kostet nicht viel, trägt aber wesentlich
     zur Erhöhung der Handlungs- und Einsatzfähigkeit bei. Egal ob Zivilist oder Soldat des ÖBH, je-
     der kann etwas dazu betragen.

     Herbert Saurugg, MSc, Major a.D. ist Blackout- und Energiewende-Experte.

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