VERNÜNFTIG, FAIR, FUNKTIONSFÄHIG - UNSER SYSTEM DER RENTEN- UND ARBEITSLOSENVERSICHERUNG - junge liberale Hessen

 
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VERNÜNFTIG, FAIR, FUNKTIONSFÄHIG – UNSER
SYSTEM DER RENTEN- UND
ARBEITSLOSENVERSICHERUNG

junge liberale Hessen
Veröffentlicht am 16.04.2016
Kategorie: Arbeit und Soziales, Gesundheit
Gremium: 66. Landeskongress / Hofheim / 16.04.2016

Vernünftig, fair, funktionsfähig - Unser System der Renten- und Arbeitslosenversicherung

1. Arbeitslosenversicherung
Der deutsche Arbeitsmarkt und insbesondere die Arbeitslosenversicherung haben mit den zwischen
2003 und 2005 eingeführten Hartz-Reformen eine beispiellose Erneuerung erfahren, die die Jungen
Liberalen Hessen als wichtigen Faktor für die geringe Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Lage
Deutschlands in der letzten Dekade anerkennen. Auch wenn die Hartz-Reformen zu ihrer Zeit
richtig waren, müssen sie heute, 15 Jahre später, weiterentwickelt werden, um Deutschlands
Wirtschaftskraft in Zukunft zu sichern. Mit der Hartz IV-Reform wurde das Arbeitslosengeld
reformiert, was höhere Arbeitsanreize mit sich brachte. In der deutschen Arbeitslosenversicherung
wird zwischen dem Arbeitslosengeld I für Kurzzeitarbeitslose bis zu einem Jahr und dem
Arbeitslosengeld II für Langzeitarbeitslose unterschieden. Die Hartz-IV-Reform hat sich primär auf
das ALG II ausgewirkt, während Anpassungen des ALG I nur marginal erfolgt sind.

1.1. Bürgergeld statt ALG II
Die Jungen Liberalen Hessen erkennen an, dass der Staat die Aufgabe hat, ein Sicherungsnetz für
Menschen in Not zu bieten und ihr sozio-ökonomisches Existenzminimum zu sichern. Daher
sprechen wir uns gegen eine vollständige Privatisierung der Arbeitslosenversicherung aus und
halten es für notwendig, dass ein Grundniveau der finanziellen Sicherung in Arbeitslosigkeit
staatliche Verantwortung bleiben muss. Arbeitslosigkeit ist ein individuelles Lebensrisiko,
kollektiv hängt sie aber auch von nationaler und internationaler Politik und der wirtschaftlichen
Konjunktur sowie makroökonomischen Entwicklungen ab. Dies erschwert die Risikokalkulation
für Versicherungsunternehmen und kann zu nicht leistbaren Prämien führen.
Hartz IV und seine diversen Zusatzleistungen wie Wohn- oder Heizungsgeld zu überblicken stellt
eine bürokratische Herausforderung für Behörden und Menschen dar, die hohe Verwaltungskosten
verursacht und daher ineffizient ist. Deswegen setzen die Jungen Liberalen Hessen sich für die

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Überführung des ALG II in ein leistungsgerechtes, bedarfsabhängiges Bürgergeld ein. Das
Bürgergeld fasst alle steuerfinanzierten Sozialleistungen, wie Grundsicherung, Kindergeld oder
Wohngeld, unabhängig von der Lebenssituation und dem Lebensabschnitt zu einem
Universaltransfer zusammen. Grundprinzip ist die negative Einkommenssteuer, die einen
fließenden Übergang von einem positiven Transferbereich und der Zahlung von Bürgergeld zu
einem negativen Transferbereich und der Zahlung von Steuern ermöglicht. Durch die Aufhebung
von starren Grenzen, insbesondere für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, wird kalte
Progression abgebaut, ein faireres Sozialsystem ermöglicht und entbürokratisiert. Hinzuverdienst
durch Arbeit wird immer durch höhere finanzielle Mittel belohnt, sodass Arbeitsanreize gegeben
sind. Im Gegensatz zum ALG II besteht das Recht auf Bürgergeld bei Bedarf ab dem ersten Tag
der Arbeitslosigkeit und nicht erst nach Ablauf des Bezugs von ALG I. Für den Erhalt des
Bürgergelds in Arbeitslosigkeit soll äquivalent zum ALG II die Bereitschaft zu Arbeit Bedingung
sein, sodass Arbeitsunwillige bei Verweigerung von zumutbarer Arbeit mit empfindlichen
finanziellen Kürzungen zu rechnen haben.

1.2. Reform des ALG I
Das Arbeitslosengeld I hat in seiner jetzigen Form zwei zentrale Ziele, die ein Abwiegen erfordern.
Zum einen schafft es durch die zeitliche und finanzielle Begrenzung seiner Auszahlung den Anreiz
eine neue Arbeitsstelle zu suchen, um nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen und das
geringere ALG II zu beziehen. Zum anderen gewährleistet es durch sein hohes Auszahlungsniveau
ein geringes Abfallen des Einkommens, sodass der Arbeitslose sich die Zeit nehmen kann, einen
Beruf entsprechend seiner Qualifikationen zu suchen. Die Jungen Liberalen Hessen erkennen die
Funktion des ALG I an.
Die Jungen Liberalen Hessen stehen einer zusätzlichen privaten Absicherung für Arbeitslosigkeit
jedoch offen gegenüber. Weiterhin halten wir eine betriebliche Lösung für eine gute Ergänzung
zum staatlichen System, zu der sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber entscheiden können.
In der betrieblichen Variante kann der Arbeitnehmer sich entschließen, einen Teil seines Lohns
vom Arbeitgeber in eine Rückstellung umwandeln zu lassen, die im Falle von Arbeitslosigkeit
ausgezahlt wird. Um dies zu ermöglichen, erhält der Arbeitnehmer den Rechtsanspruch gegenüber
dem Arbeitgeber Lohn auf Wunsch zurückstellen zu lassen, ähnlich der betrieblichen
Rentenversicherung. Der in der Rückstellung gebildete Betrag wird bei Arbeitslosigkeit in
monatlichen Raten ausgezahlt, wobei der Arbeitnehmer frei über die Höhe der Raten entscheiden
kann. Sollte der Arbeitnehmer nicht von Arbeitslosigkeit betroffen werden, kann er das Geld bei
Eintritt in die Rente in seine Rentenvorsorge überführen. Die vom Arbeitgeber gebildeten
Rücklagen müssen insolvenzgeschützt und bei einem Arbeitsplatzwechsel übertragbar sein und
werden im Todesfall an die Hinterbliebenen ausgezahlt. Mit der betrieblichen Variante wird
sichergestellt, dass jeder die Möglichkeit hat, zusätzlich für den Fall der Arbeitslosigkeit

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vorzusorgen.
Die Systeme können flexibel kombiniert werden, sodass jeder sich für den für ihn persönlich besten
Weg entscheiden kann. Erträge aus beiden Vorsorgevarianten sollen nicht auf das Bürgergeld
angerechnet werden, damit die Versicherung immer einen finanziellen Vorteil für Vorsorgende
bietet.

2. Rentenversicherung
Im Gegensatz zur Arbeitsmarktpolitik wurde die gesetzliche Rentenversicherung in den letzten
Jahren stiefmütterlich von der Politik behandelt. Das bisherige dreigliedrige Säulenmodell aus
staatlicher, betrieblicher und privater Rentenversicherung, dessen Hauptlast die staatliche Säule
trägt, hat sich als instabil erwiesen und das Rentengebäude droht einzustürzen. Unser
Rentensystem basiert auf einem Umlageverfahren, das im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs
§153 Abs. 1 geregelt ist und besagt, dass die Ausgaben eines Kalenderjahres für die aktuelle
Rentnergeneration durch die Einnahmen der Beitragszahler desselben Jahres gedeckt werden. Das
Umlageverfahren funktioniert jedoch nur bei einer konstanten Geburtenrate, die in Deutschland
nicht gegeben ist und generell eine Spekulation auf das Verhalten zukünftiger Generationen
darstellt. Statt auf den Demographiewandel einzugehen und Generationengerechtigkeit zu schaffen,
haben Wahlgeschenke und Nach-mir-die-Sinnflut-Politik die Situation verschärft.
Versicherungsfremde Leistungen sind nicht über die Rentenkasse, sondern über Steuerzahlungen
zu finanzieren. Deswegen ist eine dringende Reform der Rentenversicherung erforderlich, um die
Risiken, die die drei Vorsorgesäulen mit sich bringen, zu minimieren. Das Rentensystem muss
gerecht für alle Generationen und beruflichen Situationen sein, Menschen ohne ausreichende
finanzielle Mittel im Alter auffangen und gleichzeitig den Steuerzahler vorm Zusammenbruch des
Systems und Belastungen schützen. Deswegen sprechen die Jungen Liberalen Hessen sich für eine
stärkere Gewichtung der privaten, kapitalgedeckte Säule und eine fundamentale Reform der
staatlichen Versicherung aus.

2.1. Staatlich
a) Bürgergeld und Rente
Die Jungen Liberalen Hessen sprechen sich für eine Anwendung des Bürgergelds auf das
Rentensystems aus. Hierbei wird das Umlagesystem durch ein steuerfinanziertes System ersetzt.
Bei der Berechnung des Bürgergeldes soll der Faktor Rente hinzugefügt werden, der ab einem
festgelegten, sich an der Lebenserwartung orientierenden Alter eine steuerfinanzierte,
bedürftigkeitsunabhängige Grundrente auszahlt. Damit wird ein Teil des Umlagesystems mit
Rentenversicherungsbeiträgen durch ein Umlagesystem mit Steuern ersetzt. So können die Risiken
der kapitalgedeckten Vorsorge, niedrige Zinsen und Inflation, ausbalanciert werden. Da das
beitragsgebundene Umlagesystem darauf beruht, dass jeder eine Rente entsprechend seiner
Beitragsleistungen erhält, ist eine einheitliche Grundrente damit nicht durchführbar, sondern eine

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Finanzierung aus Steuern notwendig.

b) Renteneintrittsalter
Allgemein muss klar sein, dass mit einer höheren Lebenserwartung und einer besseren Gesundheit
auch die Lebensarbeitszeit im Durchschnitt steigen wird. Damit im Einklang steht ein Wandel der
Wahrnehmung von älteren Menschen als aktive Mitglieder der Gesellschaft, die mit
Lebenserfahrung die Arbeitswelt mitgestalten können. Ein staatlich festgelegtes, starres
Renteneintrittsalter wird jedoch der Verschiedenheit der Menschen und Berufe nicht gerecht.
Politische Forderungen, wie eine Rentengarantie nach 45 Jahren Arbeit oder ein Renteneintrittsalter
mit 63 oder 67 Jahren, nehmen willkürliche Zahlen als Maßstab und ignorieren die persönlichen
Lebensumstände, von denen das Erwerbsleben abhängt. Daher befürworten die Jungen Liberalen
Hessen ein weitgehend flexibles Renteneintrittsalter, bei dem jeder für sich selbst abwägen kann,
inwiefern er eine geringere Rente für eine kürzere Lebensarbeitszeit in Kauf nimmt. Dabei schafft
der kapitalgedeckte, private Rentenanteil Flexibilität, während die staatliche Grundrente eine
Altersfestlegung erfordert. Bedingung für den Eintritt in die Rente ist somit die Deckung der
Bürgergeldsicherung bei Bedürftigkeit durch die kapitalgedeckte private Rentenvorsorge. Ab
einem festgelegten Alter, das sich an Lebenserwartung und Lebensleistung orientieren muss,
entfällt diese Deckungspflicht. Wer bereits vorher aus gesundheitlichen Gründen in Rente gehen
muss und nicht ausreichend Kapital ansparen konnte, der kann Bürgergeld anstatt einer
Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Das flexible Renteneintrittsalter mindert
Frühverrentungsanreize, da jeder durch Kapitaldeckung selbst für sein Rentenniveau verantwortlich
ist, bietet aber gleichzeitig jedem die Option, sich für einen frühen Renteneintritt zu entscheiden.

Hinzuverdienstgrenzen bei Bezug von Rente sollen gänzlich wegfallen. Durch Bürgergeld und
Grundrente wird es für ältere Menschen möglich sein, die Arbeitszeit zu reduzieren und
schrittweise in den Ruhestand zu treten, ohne durch Einkommensverluste abgestraft zu werden. So
kann der kapitalgedeckte Rentenanteil individuell an das Arbeitsniveau angepasst werden, ohne
Nachteile für andere Menschen zu schaffen.

c) Berufsständische Versorgungen
Die staatliche Rentenvorsorge im Bürgergeldsystem soll auf Mitglieder berufsständischer
Versorgungen und bisher nicht pflicht-versicherte Selbstständige ausgeweitet werden. Nach Umbau
des Rentensystems sollen die berufsständischen Versorgungen, die die Altersversorgung für
kammerfähige freie Berufe wie Ärzte oder Rechtsanwälte durch kapitalbildende Verfahren
gewährleisten, keine verpflichtende Mitgliedschaft mehr haben. Eine staatliche Organisation der
Rente ist nicht mehr erforderlich und nicht begründbar. Die berufsständische Versorgung ist
historisch aufgebaut worden, um betroffenen Berufsgruppen, die nicht die gesetzliche
Rentenversicherung in Anspruch nehmen durften, eine staatliche Alternative zu bieten. Bei einer

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Umwandlung der gesetzlichen Rente fällt diese Argumentation weg. Wenigen ausgewählten
Berufsgruppen nach Umbau des Rentensystems eine Sonderoption anzubieten, lässt sich nicht
rechtfertigen.

2.2. Privat
a) Kapitalgedeckte Vorsorge
Im neuen Rentensystem soll die kapitalgedeckte, private Rentenvorsorge eine weitere Säule bilden.
In einem kapitalgedeckten Rentensystem muss jeder Bürger während seines Erwerbslebens
Vermögen bilden, um im Alter eine Rente aus dem angesparten Kapital beziehen zu können. Jeder
Bürger soll verpflichtet werden, einen staatlich festgelegten Prozentsatz seines Bruttolohns, der
sich an der Lohnentwicklung orientieren muss, in eine private Altersvorsorge zu investieren. Die
Pflicht der Rentenvorsorge schützt nicht nur den einzelnen Bürger davor, das Thema
Altersvorsorge zu umgehen und fahrlässig mit seiner Zukunft umzugehen, sondern auch die
Gemeinschaft der Steuerzahler davor, für die fehlende Vorsorge von anderen aufkommen zu
müssen. Die private Vorsorge ermöglicht es jedem Bürger, zwischen unterschiedlichen
Anlageformen zu diversifizieren und seine Vorsorge auf Angebote im Ausland auszuweiten.

Eine staatliche Anlagealternative, wie einen staatlichen, zentralen Fonds, lehnen wir ab. Ein
staatlicher Konkurrent kann wettbewerbsrechtlich nicht gerechtfertigt werden und stellt auch für
den Anleger keinen Vorteil da, da er nicht die nötige Individualität in der Vorsorge bieten kann.

b) Übergangsphase
Der Übergang von einer rein umlagefinanzierten Rente hin zu einer Grundversicherung mit
Ergänzung einer kapitalgedeckten, privaten Säule erfordert eine Umbauphase von zwei
Generationen, während derer kontinuierlich die Beitragshöhe und Gewichtung der gesetzlichen
Rentenversicherung bei gleichzeitiger Erhöhung des kapitalgedeckten Anteils abgesenkt werden
muss. So wird die Last des Umbaus des Rentensystems auf viele Jahrgänge und Schultern verteilt
und muss durch Steuergelder unterstützt werden, anstatt für einen geringen Teil der Bevölkerung
eine untragbare Doppelbelastung darzustellen. Im Zuge der Übergangsphase soll die Angleichung
der Renten in Ost- und Westdeutschland weiterhin bis zum Jahre 2020 erfolgen.
Bis die kapitalgedeckte Rente eingeführt ist, fordern die Jungen Liberalen das Auslaufen der
Rentenschutzklausel im sechsten Sozialgesetzbuch. Die aktuelle Rente muss sich an der
Lohnentwicklung orientieren. Das Versprechen steigender Renten ist unrealistisch und verschärft
die Generationenungerechtigkeit zusätzlich zum demographischen Wandel. Die bereits erworbenen
Rentenansprüche der bisherigen Beitragszahler müssen erhalten bleiben.

2.3. Betrieblich
Die betriebliche Altersvorsorge stellt für die Jungen Liberalen Hessen einen guten ergänzenden
Ansatz zur privaten Rentenvorsorge dar. Für uns bleibt der Rechtsanspruch auf

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Entgeltumwandlung, die die Umwandlung von Teilen des Gehalts in eine betriebliche
Altersvorsorge beschreibt, weiterhin eine gute Garantie für Arbeitnehmer, eine betriebliche
Rentenvorsorge in Anspruch nehmen zu können. Die Ansprüche der betrieblichen Rentenvorsorge
müssen bei den beitragsbasierten Zusagen bei einem arbeitsplatzbedingten Wechsel von
Pensionskassen übertragbar sein und im Todesfall an Hinterbliebene ausgezahlt werden.
Leistungen, die Arbeitgeber für die Altersversorgung von Arbeitnehmern leisten, müssen in voller
Höhe als Betriebsausgaben anerkannt werden.

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