Brauchen wir eine neue rechtliche Form der Partnerschaft? - Ergebnis einer Umfrage an der Universität Innsbruck

Die Seite wird erstellt Richard Opitz
 
WEITER LESEN
Brauchen wir eine neue rechtliche Form der Partnerschaft?
– Ergebnis einer Umfrage an der Universität Innsbruck

Von Michael Ganner
Institut für Zivilrecht, Uni Innsbruck

April 2021

I. Einleitung
Seit der faktischen Gleichstellung von Ehe und eingetragener Partnerschaft mit 1.1.2019 durch das Erk
des VfGH1 wurde in der Fachliteratur und in den Medien des Öfteren die Frage aufgeworfen, ob es
nicht aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angebracht wäre, so wie in
fortschrittlichen Ländern, eine echte Alternative zur Ehe einzuführen.2

Barth schlägt eine dreistufige Rechtslage nach dem Vorbild Frankreichs vor: Ehe, Zivilpakt vergleichbar
dem PACS (Pacte Civil de Solidarité) und die Lebensgemeinschaft (concubinage)3.4 Ähnlich Höllwerth,
der im Umbau der Eingetragenen Partnerschaft in eine "Ehe-light" mit im Vergleich zur Ehe niedrigeren
Bindungsintensität und Auflösung des Verschuldensprinzips den kreativsten legistischen Ansatz sieht.5
Gitschthaler ist im Sinne der Trennung von Staat und Religion – wohl einem Gedankenexperiment
folgend und wissend, dass die realen Umsetzungschancen gleich Null sind – für die Abschaffung der
Ehe und die Schaffung einer „Zivilpartnerschaft“ für alle auf der Basis des EPG als dem im Vergleich
zum EheG moderneren Gesetz.6 Zusätzliche religiöse Verbindungen (zB kirchliche Hochzeit und
Ehebund) würden sich dann ausschließlich nach der jeweiligen Religion richten und keinen Einfluss auf
die Zivilehe haben. Benke schlägt die Umgestaltung des EPG zu einer „Solidaritätspartnerschaft (SoPa)“
vor, wobei es sich zum Großteil um eine formalisierte Version (Eintragung und Auflösung am
Standesamt) der jetzt schon bestehenden Rechte bei einer Lebensgemeinschaft plus zusätzlicher
Wahlmöglichkeit hinsichtlich einer vermögensrechtlichen Abgeltung handelt.7 Bei diesem Modell
besteht also durchaus Nähe zum französischen PACS. Einen anderen Weg geht Tritremmel, wenn er
als neues Rechtsinstitut den „Freundschaftsvertrag“ vorschlägt, bei welchem es nicht primär um
Liebesbeziehungen geht, sondern um das Zusammenleben (nicht unbedingt –wohnen) und die
gegenseitige Unterstützung in einem familienähnlichen Verband („my friends are my family“).8 Dabei
bestehen Ähnlichkeiten mit dem belgischen „gesetzlichen Zusammenwohnen“ (wettelijke
samenwoning bzw cohabitation légale, seit 2000), wobei es sich um eine vermögensrechtlich
orientierte Zweckgemeinschaft mit gewissen unterhaltsrechtlichen Folgen handelt.
Neumayr/Neumayr9 lassen die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines „Zivilpaktes“ iSd PACS offen, fordern

1
  VfGH 4.12.2017, G 258/2017.
2
  Österreich ist bei den Schlusslichtern in der EU; vgl Rudolf, Ehescheidungsgründe in der EU und der Schweiz -
Zerrüttungs- oder Verschuldensprinzip? iFamZ 2016, 236.
3
  Detaillierte Regelungen dazu gibt es auch in Frankreich nicht; vgl Neumayr/Neumayr, PACS und "Ehe light" -
Modelle für Österreich? – Gesetzliche Regelung "ehenaher" Lebensgemeinschaften, iFamZ 2012, 198.
4
  Barth, Ein modernes Ehe- und Partnerschaftsrecht für Österreich! iFamz 2019, 145.
5
  Höllwerth, Entscheidungsanmerkung zu VfGH G 258/2017, EF-Z 2018/31.
6
  Gitschthaler, Ehe für alle? Ein Alternativvorschlag! EF-Z 2018/27, 49.
7
  Benke, Das EPG 2009: Fehlkonzept, Gleichheitsimpuls und offene Baustelle, iFamZ 2019, 28 (34).
8
  Tritremmel, Freunde sind die neue Familie, iFamZ 2016, 68.
9
  Neumayr/Neumayr, iFamZ 2012, 198 (201).

                                                                                                                  1
aber ebenso wie Hopf10 und Fischer-Czermak/Beclin11 Schutzvorschriften für den „schwächeren“
Partner in Lebensgemeinschaften.12

Allen ist gemein, dass jedes Rechtsinstitut sowohl homo- als auch heterosexuellen Paaren offen stehen
muss. Eine diskriminierungsfeie Alternative dazu gibt es nicht.

Auch das Regierungsprogramm der aktuellen Bundesregierung sieht Entsprechendes vor, nämlich die:
„Weiterentwicklung des Familien- und Eherechts, um es anwendungsorientierter an die heutigen
gesellschaftlichen Lebensrealitäten anzupassen, unter anderem durch Herausarbeiten von
Unterschieden zwischen dem Institut der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft als alternativem
Modell. Dabei sollen u.a. Regelungen wie Zweck der Ehe, Mitwirkungspflichten, gemeinsames
Wohnen, Unterhaltszahlungen, Pensionssplitting und das Verschuldensprinzip überprüft und
gegebenenfalls neu gefasst werden, wobei Grundsätze wie Schutz der Kinder, Schutz der schwächeren
Partnerin bzw. des schwächeren Partners, Vermeidung verletzender Auseinandersetzungen und alle
Formen des Zusammenlebens im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.“13 Über einige Aspekte des
Reformbedarfs (Rechtliche Information vor Eheschließung und Verpartnerung, Verkürzung des
Zerrüttungszeitraumes) gab es zwischen den Regierungsparteien auch schon Übereinstimmung, wobei
der Teufel bekanntlich im Detail steckt.

Die Meinung der Juristen ist dafür wichtig, weil mit rechtlichen Formen der Partnerschaft erhebliche
Konsequenzen für das Leben der betroffenen Personen verbunden sind. Das law in books sollte aber
möglichst weitgehend den Bedürfnissen der Menschen entsprechen, damit dies auch zum gelungenen
law in action werden kann. Um diese Bedürfnisse zu erheben, habe ich mit dem universitären
Umfragesystem „Lime Survey“ in Absprache mit der Fachabteilung für Familienrecht des
Bundesministeriums für Justiz eine entsprechende Umfrage durchgeführt. Dabei handelt es sich um
keine repräsentative Umfrage für Österreich. Die untersuchte Kohorte besteht ausschließlich aus
Studierenden der Universität Innsbruck, also hauptsächlich jungen Menschen zwischen 18 und 30
Jahren, für die das behördlich formale Eingehen einer Partnerschaft großteils noch unerprobt ist. Auch
repräsentieren Studierende nur ca ein Viertel der gleichaltrigen Bevölkerungsgruppe und sind durch
besondere soziale Verhältnisse geprägt (tendenziell eher Akademikerkinder mit höherem Wohlstand
als der Durchschnitt), die eventuell eine höhere Bereitschaft für alternative Partnerschaftsformen
erwarten lassen als Personen aus dem Arbeiter- und Angestelltenmilieu mit einer eher traditionellen
Lebensplanung.

Dennoch lassen sich aus der Beantwortung der knapp über 600 Fragebögen einige Erkenntnisse
gewinnen, die für eine allfällige Entwicklung eines entsprechenden Rechtsinstituts in Österreich
wertvoll sind. Weitere Untersuchungen in anderen Bevölkerungsgruppen (ältere Menschen,
Verheiratete, Verpartnerte, Verwitwete, Geschiedene und dauerhaft Ledige) wären durchaus
wünschenswert.

10
   Hopf, Reformen und Reformbedarf des österreichischen Familienrechts vor dem Hintergrund europäischer
Entwicklungen, in Boric/Lurger/Schwarzenegger/Terlitza (Hrsg), Öffnung und Wandel - Die internationale
Dimension des Rechts II, in FS für Willibald Posch (2011) 241.
11
   Fischer-Czermak/Beclin, Reformvorschläge für nichteheliche Lebensgemeinschaft, iFamZ 2012, 188.
12
   In diesem Zusammenhang ist wieder einmal auf die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit des
Unterhaltsrechts hinzuweisen; vgl Nowack/Ganner, Verfassungswidrigkeit des Betreuungsunterhalts und des
Unterhaltsanspruchs der nicht verheirateten Mutter? iFamZ 2010, 68.
13
   Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024, 24;
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html
(abgefragt 14.4.2021).

                                                                                                          2
II. Fragebogen und Ergebnisse
1. Information
Die Befragung wurde online mit dem Lime-Survey-System der Universität Innsbruck durchgeführt. Die
Anfrage zur Teilnahme an der Befragung erging nur an jene Studierenden, die dafür die Zustimmung
erteilt haben.

Folgende Information wurde dem Fragebogen vorangestellt:

„Viele Länder haben zusätzlich zur Ehe (für hetero- und homosexuelle Paare) eigene rechtliche Formen
der Gemeinschaft, wie zB der Pacte Civil de Solidarité (PACS) in Frankreich oder Sambolag in Schweden.

In Österreich gibt es die Ehe und die Eingetragene Partnerschaft sowohl für hetero- als auch für
homosexuelle Paare.14 Die Rechte und Pflichten beider Formen sind fast ident. Bei der Eingetragenen
Partnerschaft gibt es zB keine Treuepflicht, sondern eine Pflicht zur Vertrauensbeziehung, keine
rechtliche Regelung der Verlobung und eine sehr geringfügig leichtere Auflösungsmöglichkeit bei
„Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft“ (jedenfalls nach 3 Jahren, bei Ehe erst nach 6 Jahren). Eine
inhaltliche Alternative zur Ehe ist daher die Eingetragene Partnerschaft nicht. Die Lebensgemeinschaft
ist als Partnerschaftsform gesetzlich nicht eigens geregelt. Es handelt sich dabei um ein weitgehend
unverbindliches Zusammenleben mit einigen rechtlichen Vorteilen.15“

2. Teilnehmer:innen
Insgesamt wurden 603 Fragebögen ausgefüllt, viele aber nicht vollständig, von 394 Frauen, 184
Männer und 6 Personen mit anderem Geschlecht. Der ganz überwiegende Anteil (500) war unter 30
Jahre alt.

                                                                                 Stand
     300
           43,15%
     250
     200                                   29,11%
     150                                                   20,55%
     100
      50                    5,99%
                                                                            1,20%
       0

Ein doch etwas überraschendes Ergebnis ist, dass viele Befragte den Begriff „verpartnert“
offensichtlich nicht richtig verstanden haben. Es haben nämlich 170 verpartnert angegeben, 120
Lebensgemeinschaft, 252 Single, 35 verheiratet und 7 anderes (zB geschieden, verwitwet). Aufgrund
dieser hohen Zahl der Nennung von „verpartnert“, muss davon ausgegangen werden, dass hier fast
immer die „Lebensgemeinschaft“ gemeint war.

14
   Ursprünglich war die Eingetragene Partnerschaft auf homosexuelle und die Ehe auf heterosexuelle Paare
beschränkt. Der VfGH hat diese Einschränkung für beide Formen ab 2019 aufgehoben.
15
   ZB Mitversicherungsmöglichkeit in der Krankenversicherung, Pflegefreistellung bei Krankheit des
Partners/der Partnerin, gemeinsames Wohnungseigentum, Eintrittsrecht in den Mietvertrag.

                                                                                                           3
Studienrichtung
           200         29,4%
           180                                                   27,0%
           160                                    25,0%
           140                      18,1%
           120
           100                                                                12,3%
            80
            60
            40
            20
             0

3. 70 % für neue Form – „Heiraten war sowieso gestern.“
Erst am Schluss, als letzte Frage, wurde danach gefragt, ob eine neue rechtliche Form geschaffen
werden soll.16 Damit sollten die vorher beantworteten Fragen und die Befassung mit der Thematik eine
sachliche Reflexion ermöglichen und somit eine wohlüberlegte Antwort fördern. Die Bejahung der
Frage ist sehr deutlich ausgefallen: 131 haben mit „ja“, 96 mit „eher ja“, 56 mit „eher nein“ und nur 40
mit „nein“ geantwortet. Knapp über 70 % haben sich also dafür ausgesprochen. Studierende der
Rechtswissenschaften sind aber nur zu 58% für eine neue rechtliche Form, jene der
Naturwissenschaften zu 75 %, jene der Geistes- und Erziehungswissenschaften zu 72,5 % und die der
Sozialwissenschaften (BWL etc) zu 82,5 %.

                                                                                      3.
     140      40,56%

     120
                                  29,72%
     100

     80
                                                      17,34%
     60
                                                                          12,38%
     40

     20

      0
                 ja               eher ja            eher nein              nein

Bei der Wahl der Bezeichnung hat sich eindeutig „Registrierte Partnerschaft“ durchgesetzt (153),
gefolgt von „Eingetragener Partnerschaft“ (113; bei gleichzeitiger Aufhebung der jetzt bestehenden
Form). Weiters standen zur Wahl: Ehe „light“ (50),17 Family „light“ (8), Freundschaftsvertrag (14),

16
  Daher resultiert auch die Nummerierung dieser Grafik.
17
  „Ich halte den Begriff "Light" für verfehlt. Damit wird sprachlich wieder eine geringere Stellung und eine
Minderwertigkeit suggeriert. Die Juristerei ist eine Wissenschaft der Sprache, daher sollte auch bei der
Schaffung neuer Begrifflichkeiten beachtet werden, wie diese aufgenommen werden (könnten) und welche
Wirkung sie erzielen.“

                                                                                                               4
Zivilpakt (26), (ziviler) Solidaritätspakt (10), Solidarpartnerschaft (55), Liebesabkommen (32), Wilde
Ehe (15), Verbundenheitspakt (39) und FamilienWG (8). Folgende Vorschläge sind zusätzlich
eingegangen: Zivilpartnerschaft; Willkürliches, fristenloses Lustbündnis; Partnerschaftsvertrag;
Lebenspartnerschaft; Verpartnerung; Lebensgefährtschaft; Freundschaft+; Offizielle Partnerschaft;
Lebensabschnittspartnerschaft; Treuliebschaft; bürgerliche Lebensgemeinschaft; Ehe 1.0; Ehe
modern, Neoehe.

                                                              Wie sollte eine neue Form heißen?
       180
                 27,87%
       160
       140
           20,58%
       120
       100
        80
                        9,11%                         10,02%
        60                                                               7,10%
        40                                4,74%              5,83%                   4,74%
                              1,46% 2,55%       1,82%              2,73%       1,46%
        20
         0

4. Frage 1: Was ist an der Ehe/Eingetragenen Partnerschaft gut und was nicht?
1.1. Gleiche umfassende Rechte und Pflichten für beide (Treuepflicht, Unterhaltspflicht,
Beistandspflicht etc):

                                                                             1.1
 450
            83,87%
 400
 350
 300
 250
 200
 150
 100                          13,33%
  50
                                                 2,15%             0,65%
   0
              gut             eher gut        eher schlecht       schlecht

                                                                                                         5
1.2. Kann nicht leicht einseitig beendet werden (streitiges Scheidungsverfahren bei
Gericht):

                                                                   1.2
 180                                     36,64%
                          33,41%
 160
 140
 120
 100
          17,24%
  80
                                                         12,72%
  60
  40
  20
   0
            gut          eher gut      eher schlecht    schlecht

1.3. Automatisches weitgehendes Erbrecht des Partners/der Partnerin:

                                                                   1.3
 250
          45,69%
                          41,81%
 200

 150

 100

  50                                      9,05%
                                                         3,45%

   0
            gut          eher gut      eher schlecht    schlecht

                                                                                      6
1.4. Nur beschränkte Möglichkeit der Enterbung (Pflichtteilsrecht):

                                                                      1.4
 180                       35,34%
 160                                        33,19%

 140
 120       23,49%
 100
  80
  60
                                                            7,97%
  40
  20
   0
            gut            eher gut      eher schlecht     schlecht

1.5. Kann nur beim Standesamt eingegangen werden:

                                                                      1.5
 180       36,42%
                           34,27%
 160
 140
 120
                                           22,20%
 100
  80
  60
  40                                                        7,11%

  20
   0
            gut           eher gut       eher schlecht     schlecht

                                                                            7
1.6. Feierlichkeiten (zB große Hochzeitsfeiern):

                                                                       1.6.
 180                       35,27%
 160                                         32,69%

 140
 120
 100
           16,34%                                           15,70%
  80
  60
  40
  20
   0
         sehr wichtig      wichtig        eher unwichtig   unwichtig

1.7. Religiöse Anerkennung bei der Ehe:

                                                                       1.7.
 250
                                                            47,96%

 200

 150
                                             26,88%

 100
                           13,76%
           11,40%
  50

   0
         sehr wichtig      wichtig        eher unwichtig   unwichtig

                                                                              8
1.8. Gesellschaftlicher Status:
       a) Allgemeine Außenwirkung der Ehe/Eingetragenen Partnerschaft

                                                                       1.8.a.
 200
                             38,06%
 180
 160
 140
                                            25,59%
 120       21,94%
 100
  80                                                        14,41%
  60
  40
  20
   0
         sehr wichtig        wichtig    eher unwichtig     unwichtig

       b) In der eigenen Familie

                                                                     1.8.b.
 180
                             34,41%
 160
 140                                        27,10%
 120       22,80%
 100
  80                                                        15,70%

  60
  40
  20
   0
         sehr wichtig        wichtig    eher unwichtig     unwichtig

                                                                                9
c) Im Bekanntenkreis

                                                                    1.8.c.
180
                             32,90%       33,76%
160
140
120
100                                                      18,49%
80        14,84%
60
40
20
 0
        sehr wichtig         wichtig   eher unwichtig   unwichtig

      d) Bei Behörden

                                                                  1.8.d.
200       39,35%             38,92%
180
160
140
120
100
80
                                          12,90%
60
                                                         8,82%
40
20
 0
        sehr wichtig         wichtig   eher unwichtig   unwichtig

                                                                             10
e) Im Krankenhaus

                                                                     1.8.e.
 250
           48,82%

 200

                            32,47%
 150

 100

                                           11,61%
  50                                                       7,10%

   0
         sehr wichtig       wichtig     eher unwichtig   unwichtig

5. Frage 2: Was sollte eine neue rechtliche Form haben oder nicht haben?

2.1. Einfache Vereinbarung bei Gemeindebediensteten, Notar etc(zB auch online; nicht nur
bei Standesamt):

                                                                      2.1.
 160       34,92%
 140

 120                        25,89%
                                           23,75%
 100

  80
                                                          15,44%
  60

  40

  20

   0
              ja           eher schon     eher nein        nein

                                                                                           11
2.2. Weitgehende freie Gestaltbarkeit von Rechten und Pflichten:

                                                                           2.2.
 180
                              38,00%
 160        34,20%
 140
 120
 100
  80                                            17,34%

  60                                                              10,45%
  40
  20
   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

Kommentare: „Etwas liberaler und eher in Form eines privatrechtlichen Vertrages, damit die
Betroffenen selbst entscheiden dürfen füreinander und miteinander.“ „Warum lassen wir den
beteiligten Personen nicht mehr Spielraum, um ihre Beziehung individuell zu gestalten. Es geht doch
niemanden etwas an, wie die Innenbeziehungen ausgestaltet sind, sofern diese freiwillig und in
beidseitigem Einverständnis der Partner/innen getroffen worden sind.“ „Aufgrund der Möglichkeit von
Missbrauch und zu einfachen "Eheschließungen" sollte jedenfalls von einer Online abzuschließenden
"Ehe-light" abgesehen werden.“

2.3. (Sexuelle) Treuepflicht wie bei der Ehe:

                                                                           2.3.
 140        31,59%

 120
                              24,47%
                                                23,04%
 100                                                             20,90%
  80

  60

  40

  20

   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

                                                                                                      12
2.4. Pflicht zur Vertrauensbeziehung18 wie bei der Eingetragenen Partnerschaft:

                                                                                    2.4.
     250

              48,10%
     200

     150                          31,43%

     100
                                                      13,81%
     50                                                                    6,67%

      0
                ja              eher schon           eher nein              nein

Sowohl für die sexuelle Treuepflicht als auch die Pflicht zur Vertrauensbeziehung gibt es bei den
Studierenden der Rechtswissenschaften eine deutlich stärkere Zustimmung als bei den anderen. Bei
der sexuellen Treuepflicht sind 42,1 % für „ja“ und 22,1 % für „eher schon“, bei der
Vertrauensbeziehung 62,1% für „ja“ und 27,4 für „eher schon“.

2.5. Gegenseitige Beistandspflicht19:

                                                                                    2.5.
     300
              61,34%
     250

     200

     150                          29,83%

     100

     50                                                6,21%
                                                                           2,63%
      0
                ja              eher schon           eher nein              nein

18
  Entspricht im Wesentlichen der ehelichen Treuepflicht.
19
  Das ist die umfassende Pflicht zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung sowohl in materiellen als auch in
immateriellen Belangen.

                                                                                                               13
2.6. Gegenseitige Unterhaltspflicht während der Partnerschaft:

                                                                       2.6.
 160
           37,27%
 140                       33,86%
 120

 100
                                           21,52%
  80

  60

  40                                                          7,35%
  20

   0
             ja          eher schon       eher nein            nein

2.7. Pflicht gemeinsam zu wohnen und zur Führung eines gemeinsamen Haushalts:

                                                                       2.7.
 160
                                                              38,06%
 140                                       33,07%
 120

 100

  80                       17,59%
  60
           11,29%
  40

  20

   0
             ja          eher schon       eher nein            nein

Kommentar: „Hier würde ich die Verpflichtung          zur   Bestimmung   eines   gemeinsamen
Lebensmittelpunktes in Erwägung ziehen.“

                                                                                               14
2.8. Unterhaltspflicht nach Beendigung:
       a) wenn ein Teil bedürftig ist

                                                                        2.8.a.
 140
                              32,55%
 120       28,61%

 100                                          23,62%

  80
                                                               15,22%
  60

  40

  20

   0
              ja            eher schon       eher nein          nein

       b) wenn der andere Teil schuld an der Trennung ist (Verschuldensprinzip)

                                                                        2.8.b.
 160
                                              37,80%
 140
                                                               30,71%
 120

 100
                              20,47%
  80

  60
           11,02%
  40

  20

   0
              ja            eher schon       eher nein          nein

                                                                                  15
c) nur wenn das beim Eingehen der Partnerschaft vereinbart wurde

                                                                            2.8.c.
 200
            46,46%
 180
 160
 140
 120                          28,08%
 100
  80
                                                 14,70%
  60
                                                                   10,76%
  40
  20
   0
               ja            eher schon         eher nein           nein

2.9. Finanzielle Abgeltung nach Beendigung:
        a) Wenn ein Teil ganz überwiegend die Kinder betreut oder Angehörige gepflegt hat und
        dadurch die eigenen Erwerbschancen verringert hat

                                                                            2.9.a.
 300
             65,62%
 250

 200

 150

                               24,41%
 100

  50
                                                 5,51%              4,46%
    0
               ja            eher schon         eher nein           nein

Bei dieser Frage ist die Zustimmung der Frauen mit 73,4 % für „ja“ und 22 % für „eher schon“ deutlich
stärker als jene der Männer. Das Abstimmungsverhalten der Frauen entspricht damit fast genau jenem
der Studierenden der Rechtswissenschaften bei dieser Frage.

                                                                                                        16
b) Wenn ein Teil ganz überwiegend den Haushalt geführt hat

                                                                      2.9.b
160       38,85%
140                        33,07%
120

100

80                                          18,11%
60
                                                              9,97%
40

20

 0
            ja           eher schon        eher nein          nein

      c) nur wenn das beim Eingehen der Partnerschaft vereinbart wurde

                                                                      2.9.c.
140
          30,45%
120                                         28,61%

100                        24,93%

80
                                                             16,01%
60

40

20

 0
            ja            eher schon       eher nein          nein

                                                                               17
2.10. Leichtere einseitige Auflösung als Ehe/Eingetragene Partnerschaft (zB Brief an
Standesamt; online):
       a) Durch beidseitige Erklärung mit sofortiger Wirkung

                                                                            2.10.a.
 250
            56,43%
 200

 150

 100
                               19,95%

                                                 11,81%            11,81%
  50

   0
               ja            eher schon         eher nein            nein

       b) Durch einseitige Erklärung auch ohne besonderen Grund

                                                                            2.10.b.
 160
                                                                    36,22%
 140
                                                 32,81%
 120

 100

  80                           19,16%

  60
            11,81%
  40

  20

   0
               ja            eher schon         eher nein            nein

Die deutliche Ablehnung dieser einfachen Möglichkeit der Beendigung der formalen Partnerschaft ist
etwas überraschend. Kommentar: „Die Möglichkeit zu so kurzfristigem Auflösen (einfach ein Klick
online), halte ich für keine gute Idee. Eine Scheidung ist manchmal zwar richtig, aber oft hilft die
Institution Ehe den Menschen auch, an sich zu arbeiten und ihre Beziehung zu vertiefen, wenn sie nicht
einfach 'weglaufen' können.“

                                                                                                         18
c) Durch einseitige Erklärung nur bei wichtigem Grund (schwere Eheverfehlung)

                                                                       2.10.c.
 140       34,38%
                            31,23%
 120

 100
                                              19,95%
  80

  60                                                          14,44%

  40

  20

   0
             ja            eher schon        eher nein         nein

2.11. Gerichtliches Scheidungsverfahren:
       a) wie bei Ehe/Eingetragener Partnerschaft

                                                                      2.11.a.
 160                                         43,06%
 140

 120

 100
                            22,54%
  80
           18,21%
                                                              16,18%
  60

  40

  20

   0
             ja            eher schon       eher nein          nein

                                                                                       19
b) vereinfacht: Richter legt Frist fest, ab wann Auflösung wirkt (damit anderer Teil sich neu
       ordnen kann)

                                                                           2.11.b.

 160                          43,77%

 140

 120        31,59%
 100

  80
                                                17,97%
  60

  40
                                                                   6,67%
  20

   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

2.12. Gleichstellung mit Ehe/Eingetragener Partnerschaft im:
       a) Mietrecht (Eintrittsrecht)

                                                                           2.12.a.
 250
           60,00%
 200

 150
                              30,43%
 100

  50
                                                4,35%              5,22%

   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

                                                                                                       20
b) Strafrecht (Aussageverweigerung)

                                                                2.12.b.
250       67,15%

200

150

100
                              20,35%

50
                                             6,40%      6,10%

 0
             ja             eher schon      eher nein   nein

      c) Sozialrecht

          1. Pflegefreistellung

                                                           2.12.c.1.
300

250       69,77%

200

150

100                           22,67%

50
                                             3,20%      4,36%
 0
             ja             eher schon      eher nein   nein

                                                                          21
2. Notstandshilfe

                                                      2.12.c.2.
250
      64,83%

200

150

100                        25,29%

50
                                                   6,10%
                                        3,78%
 0
        ja                eher schon   eher nein   nein

      3. Mitversicherung

                                                      2.12.c.3.
250   67,73%

200

150

100
                           20,06%

50
                                        6,98%      5,23%

 0
        ja                eher schon   eher nein   nein

                                                                  22
4. Hinterbliebenenrente

                                                          2.12.c.4.
250
          63,95%

200

150

100
                            20,64%

50                                             9,59%
                                                       5,81%

 0
            ja            eher schon      eher nein    nein

      d) Steuerrecht (zB Grunderwerbssteuer)

                                                           2.12.d.
200       54,94%
180
160
140
120
100                         26,45%
80
60                                         12,79%
40
                                                       5,81%
20
 0
            ja            eher schon      eher nein    nein

                                                                      23
e) Staatsbürgerschaftsrecht (kürzere Frist)

                                                                  2.12.e.
 160       43,44%
 140

 120

 100
                             24,20%
  80
                                               18,08%
  60                                                      14,29%
  40

  20

   0
              ja           eher schon         eher nein    nein

2.13. Gleicher Familienname als Wahlmöglichkeit:

                                                                   2.13.
 250
           65,80%

 200

 150

 100
                             15,94%
  50                                           10,43%
                                                          7,83%

   0
              ja           eher schon         eher nein    nein

                                                                            24
2.14. Recht, gemeinsam Kinder zu adoptieren:

                                                                    2.14.
 300
          71,88%
 250

 200

 150

 100
                          13,91%
  50                                      7,54%            6,67%

   0
            ja          eher schon       eher nein          nein

2.15. Gütergemeinschaft (alles gehört beiden gemeinsam):

                                                                    2.15.
 180
 160                                      44,64%

 140
 120
 100
                                                           22,32%
  80                      18,84%
  60      14,20%
  40
  20
   0
            ja          eher schon       eher nein          nein

                                                                            25
2.16. Zugewinngemeinschaft (nur was während der Partnerschaft erworben wird, gehört
beiden):

                                                                          2.16.
 140
            33,62%            32,46%
 120

 100
                                                24,06%
  80

  60

  40                                                              9,86%

  20

   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

2.17. Gütertrennung (jedem gehört, was er/sie erwirbt):

                                                                          2.17.
 140
            35,36%
 120
                              28,99%
 100                                            26,96%

  80

  60

  40                                                              8,70%

  20

   0
              ja            eher schon         eher nein           nein

Die Trennung der Eigentumsverhältnisse wird bei den Studierenden der Rechtswissenschaften stärker
befürwortet als bei den anderen: die Gütergemeinschaft wird nur zu 10,5 %, die Gütertrennung jedoch
zu 43,1 % bejaht. Mehrfach wurde gefordert, dass diese Aspekte durch privatautonome Gestaltung
beim Eingehen der Partnerschaft geregelt werden sollten.

                                                                                                      26
2.18. Automatisches Erbrecht:
           a) Weitgehend wie bei Ehe/Eingetragener Partnerschaft20

                                                                                2.18.a.
     140
               37,95%
     120                        32,83%

     100

     80                                             20,48%
     60

     40                                                                 8,73%

     20

      0
                 ja            eher schon          eher nein             nein

           b) Volle Möglichkeit der Enterbung

                                                                                2.18.b.
     140
               35,24%                               34,04%
     120

     100

     80                         20,78%

     60

     40                                                                 9,94%

     20

      0
                 ja            eher schon          eher nein             nein

20
  Partner/Partnerin bekommt als gesetzliches Erbe 1/3 neben Kindern, wenn es keine Kinder gibt 50 %. Davon
kann mit einem Testament abgewichen, aber höchstens auf die Hälfte reduziert werden.

                                                                                                             27
2.19. Kein gesetzliches Erbrecht

                                                                       2.19.
 160
                                             42,77%
 140

 120

 100                                                          26,51%
  80
                            17,17%
  60
           13,55%
  40

  20

   0
              ja          eher schon        eher nein          nein

Als Möglichkeit wurde auch die weitgehend freie Gestaltung genannt, wonach es zwar keinen
Pflichtteil geben soll, der/die Partner:in aber erbt, wenn nicht anderweitig über das gesamte
Vermögen verfügt worden ist (subsidiäres Erbrecht).

2.20. Auskunftsrecht in medizinischen Angelegenheiten bei Unfall oder Krankheit:

                                                                       2.20.
 300
           81,63%

 250

 200

 150

 100
                            14,76%
  50
                                             0,90%            2,71%
   0
              ja          eher schon        eher nein          nein

                                                                                                28
2.21. Recht mehrere Partnerschaften gleichzeitig zu haben (zB auch zusätzlich zur
Ehe/Eingetragenen Partnerschaft):

                                                                 2.21.
 180
                                                        48,63%
 160
 140
 120
 100
  80                                         20,67%
  60       16,41%
                          14,29%
  40
  20
   0
             ja          eher schon         eher nein    nein

2.22. Befristung auf ……………. (zB 5) Jahre:

                                                                 2.22.
 200                                                    56,23%
 180
 160
 140
 120
 100
  80                                         20,36%
  60
           11,55%         11,85%
  40
  20
   0
             ja          eher schon         eher nein    nein

                                                                                    29
2.23. Möglichkeit der gemeinsamen Inanspruchnahme medizinisch unterstützter
Fortpflanzung:

                                                                    2.23
 250
           68,09%

 200

 150

 100
                           21,28%

  50
                                                            6,99%
                                            3,65%
      0
             ja           eher schon      eher nein          nein

2.24. Möglichkeit der Verlobung mit allfälligen rechtlichen Folgen (Schadenersatz; dzt nur
bei der Ehe):

                                                                    2.24.
 90
                          26,44%           26,44%

 85
          24,62%
 80

 75                                                        22,49%

 70

 65
            ja           eher schon       eher nein          nein

                                                                                             30
2.25. Möglichkeit, Partner/Partnerin bei einfachen Geschäften zu vertreten:

                                                                                 2.25.
     200     56,84%
     180
     160
     140
     120
     100                         28,27%

     80
     60
     40                                              8,21%               6,69%
     20
      0
                ja             eher schon          eher nein             nein

Das ginge deutlich über die „Schlüsselgewalt“ hinaus, wobei einer Vertretung in solchen Fällen
meistens eine konkludente Vollmachtserteilung zugrunde liegen wird. Hier wäre allenfalls eine
Beschränkung auf dringende Angelegenheiten zu überlegen.

2.26. Verpflichtung, sich um die Kinder des Partners/der Partnerin zu kümmern:

                                                                                  2.26
     160
             41,95%
     140

     120                         34,04%

     100

     80

     60                                             16,72%

     40
                                                                        7,29%
     20

      0
                ja             eher schon          eher nein             nein

III. Funktion der Ehe
Die „Liebesheirat“ ist nicht das Vorbild des ABGB von 1811. Auch wenn sie oft die romantische
Grundlage klassischer Literatur bildet, hat sie sich in breiteren Gesellschaftsschichten erst in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt.21 Bei Romeo und Julia (ca 1595) etwa ist die

21
  So heißt es im „Deutschen Staatswörterbuch“ von1858, „Die Zeugung ist nur eine Frucht der Ehe, aber die
Ehe besteht vor der Frucht und abgesehen von der Frucht“.

                                                                                                            31
Liebesheirat nicht möglich, weil die Familien verfeindet sind, sodass die Geschichte mit dem Suizid
beider endet.22

Auch heute noch gründet die rechtliche Verbindlichkeit auf der Vernunft der Individuen. Die
Ehe/eingetragene Partnerschaft ist ein zivilrechtlicher Vertrag, der entsprechende
Entscheidungsfähigkeit der Vertragspartner voraussetzt. Wünschenswert wäre ein umfassender
„informed consent“. Faktisch bauen aber Liebesbeziehungen auf der „verdünnten Willensfreiheit“ des
und der Verliebten auf und werden im Rahmen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft mit
erheblichen rechtlichen Folgen belegt, die den betroffenen Personen oft erst im Rahmen von
Beziehungskrisen bewusst werden.

Anerkannte Funktionen des Rechtsinstituts der Ehe sind oder waren einmal:23

     -   Publizität: also die Bekundung der Bindung von Personen nach außen. Ist das noch notwendig?
         ISd Friedensfunktion der Rechtsordnung? Das Namensrecht erfüllt diese           Wirkung nicht
         mehr, Tattoos und Eheringe tun das eher.
     -   Regelung der Sexualität und Fortpflanzung: Arterhaltung; Inzestverbot und Gebot, außerhalb
         des eigenen Familien- oder Stammesumfeld zu heiraten („Exogamie“); Wahrung von Sitte und
         Moral im Interesse der Allgemeinheit, indem „Unzucht“ außerhalb der Ehe verpönt wird;
         manchmal auch Erhaltung des Staates24
     -   Abstammung und Erbrecht
     -   Erziehung und Versorgung (Unterhalt) der Kinder
     -   Wirtschaftsgemeinschaft; Sicherung des Lebensunterhalts für die ganze Familie;
         wirtschaftliche Absicherung der Frau
     -   Gegenseitiger Beistand
     -   Selbstzweck: Entfinalisierung der Ehe bei Fichte und Kant25; Beide sahen in sexuellen
         Handlungen einen Verlust von Würde, der insbesondere nach Kant durch die Wechselseitigkeit
         in der Ehe, nicht aber in anderen Partnerschaften, vermieden werden kann.
     -   Personelle Vereinigung: Bildung einer dauerhaften sittlich-rechtlichen Liebeseinheit, die durch
         die Aufgabe der eigenen Rechtsperson bei Hegel26objektiven Charakter erhält

Interessant ist diesbezüglich die Differenzierung von Thomas Hobbes, der zwischen einem rechtlichen
Teil der Ehe, der das „Zusammenleben von Mann und Frau auf Lebensdauer unter Umfassung der
‚Gemeinschaft aller Dinge‘“27 erfasst, und einem naturrechtlichen Teil, der sich in Geschlechtsliebe,
Fortpflanzung und natürlicher Liebe zu den Kindern begründet, differenziert.

Der schnell wachsende allgemeine Wohlstand nach dem 2. Weltkrieg und die damit verbundenen
gesellschaftlichen Veränderungen (Individualisierung, weniger Kinder, Privatisierung der Beziehungen,
Rückgang der Religiosität28) führten auch zu einem tiefgreifenden Bedeutungswandel von Ehe und
Familie. Insofern hat sich auch der Zweck der rechtlichen Normen für Ehe, registrierte Partnerschaft
und Lebensgemeinschaft geändert.

22
   William Shakespeare (1594-96); vgl auch Jean-Jacques Rousseau (Julie oder Die neue Heloise, 1761), wo
ausdrücklich die Liebesheirat gefordert wird.
23
   Battes, Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft – Eherecht (2018) § 1, 5 f..
24
   Brudermüller; Paarbeziehungen und Recht (2017) 7.
25
   Vgl Brudermüller, Paarbeziehungen 20, 35 f.
26
   Brudermüller, Paarbeziehungen 18-19.
27
   Hobbes, Naturrecht (1976), Teil II, cap. IV, § 6; Erle, Die Ehe im Naturrecht des 17. Jahrhunderts(1952), 98;
Brudermüller unter Verweis auf Hobbes und Erle, Paarbeziehungen 10.
28
   In Österreich haben sich 2012 nur 42 % als religiös, aber 43 % als nicht religiös und 10 % als überzeugte
Atheisten eingestuft; WIN-Gallup-Umfrage 2012 „Religiosity and Atheism Index“;
https://fowid.de/meldung/globaler-index-religiositaet-und-atheismus (abgefragt 14.4.2021). Sogar Holländer
und Deutsche sind demnach religiöser als die Österreicher!

                                                                                                                   32
Das sollte bei der Schaffung einer neuen rechtlichen Regelung mitbedacht werden.

IV. Fazit
Eine große Mehrheit der Befragten (über 70 %) spricht sich für die Schaffung einer neuen rechtlichen
Form der Partnerschaft in Österreich aus. Die eindeutig beliebteste Bezeichnung dafür ist „Registrierte
Partnerschaft“ mit 27,9 % Zustimmung.

Tendenziell wird eine im Vergleich zu Ehe und eingetragener Partnerschaft freiere individuelle
Gestaltbarkeit der gegenseitigen Rechte und Pflichten gefordert. Gleichzeitig haben aber
„traditionelle“ Werte der Ehe, wie Treue und gegenseitiger Beistand, nach wie vor große Bedeutung.
Vor allem die Wichtigkeit der partnerschaftlichen Solidarität kommt in vielen Antworten zum Ausdruck
(zB die Pflicht, sich um die Kinder von Partnern zu kümmern; nachehelicher Unterhalt). Auch eine
einseitige einfache Auflösung der formalisierten Partnerschaft wird von einer großen Mehrheit
abgelehnt, wobei einem vereinfachten Verfahren bei Gericht gegenüber dem bestehenden
Scheidungsverfahren eindeutig der Vorzug gegeben wird. Unterhaltsansprüche nach Beendigung der
Partnerschaft finden nur im Falle der Bedürftigkeit eines Teils eine Mehrheit. Das Verschuldensprinzip
wird in diesem Zusammenhang klar abgelehnt (68,5 %). Generell werden alle insbesondere
sozialrechtlichen Vorteile der Ehe und eingetragenen Partnerschaft (wie Eintrittsrecht im Mietrecht,
Pflegefreistellung, Witwenpension/Witwerpension etc) auch für eine neue Form der Partnerschaft
gefordert. In vermögens- und erbrechtlichen Angelegenheiten wird im Vergleich zu Ehe und
eingetragener Partnerschaft mehr Privatautonomie gewünscht. Die Gütertrennung hat eine deutliche
Mehrheit, die Möglichkeit der vollen Enterbung immerhin ca 56 %, wobei – dem widersprechend – ca
58 % ein Pflichtteilsrecht befürworten.

Sehr wichtig ist den Befragten ein Auskunftsrecht in medizinischen Angelegenheiten bei Unfall oder
Krankheit. Das betrifft natürlich nur jene Fälle, in denen die Einwilligung des Patienten nicht eingeholt
werden kann. Unabhängig von der Schaffung einer neuen rechtlichen Form im Partnerschaftsrecht ist
die diesbezügliche Rechtslage jedenfalls unbefriedigend. Eine dem Organtransplantationsrecht
vergleichbare Widerspruchslösung – basierend auf der Rechtsvermutung, dass der Patient einer
Weitergabe von Informationen in Notfällen an zu bezeichnende nächste Angehörige zustimmen würde
– wäre allenfalls eine adäquate Lösung, die Rechtssicherheit für Krankenanstalten und Ärzte sowie ein
angemessenes Recht auf Information für nächste Angehörige schaffen könnte.

Religion spielt so gut wie gar keine Rolle – das hängt wohl auch mit der befragten Personengruppe
zusammen –, der gesellschaftliche Status aber sehr wohl, wobei dieser für öffentliche Bereiche, wie
Behörden und Krankenanstalten, von größerer Bedeutung ist als für Familie und Bekanntenkreis.

Hinsichtlich der verschiedenen Geschlechter sind keine signifikanten Unterschiede feststellbar. Auch
die Studierenden der Rechtswissenschaften weichen bei den Antworten idR nicht nennenswert von
den Studierenden anderer Studienrichtungen ab. Das ist insofern überraschend, als deren
weitergehende rechtliche Kenntnisse in gewissen Bereichen doch eine andere Beurteilung erwarten
ließen. Das könnte darauf schließen lassen, dass es sich bei der befragten Kohorte um eine sehr
homogene und egalitäre gesellschaftliche Gruppe handelt.

Die Ergebnisse der Befragung sind insgesamt nicht sehr überraschend: Verbindlichkeit in der
Partnerschaft und Solidarität sind zentrale Werte. Das darf der Gesetzgeber als Auftrag verstehen, dem
bei der Schaffung einer neuen Regelung entsprochen werden sollte.

Ceterum censeo: Jede Novelle im Eherecht sollte genützt werden, Hitlers Unterschrift unter dem
bestehenden EheG zu ersetzen.29

29
     So auch Gitschthaler, Ehe für alle? Ein Alternativvorschlag! EF-Z 2018/27, 49.

                                                                                                            33
Sie können auch lesen