Brexit! Informationen und Empfehlungen - Die Außenwirtschaftsberatung informiert zum Thema - HWK Aurich
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Die Außenwirtschaftsberatung informiert zum Thema Brexit! Informationen und Empfehlungen Rechtlicher Hinweis: Dieses Merkblatt gibt als Service Ihrer Handwerkskammer nur erste Hinweise und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größter Sorgfalt erstellt wur- de, kann keine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit übernommen werden. Stand: September 2020
Inhaltsverzeichnis 1. Regelungen ab 1. Januar 2021 ..............................................................................................................3 2. Warenverkehr .........................................................................................................................................3 2.1. Zollformalitäten ...............................................................................................................................3 2.2. EORI-Nummer ................................................................................................................................4 2.2. Präferenzursprung ..........................................................................................................................4 2.3. AEO ................................................................................................................................................5 2.4. Incoterms ........................................................................................................................................5 3. Transport ................................................................................................................................................5 3.1. Lieferketten prüfen ..........................................................................................................................5 3.2. Anzeigepflicht für bestimmte Güter ................................................................................................6 4. Gewerbliche Schutzrechte und Normen .........................................................................................................6 4.1. CE-Kennzeichnung - „benannte Stelle“ ..........................................................................................6 4.2. REACH-Verordnung .......................................................................................................................6 5. Rechtsgrundlagen ändern sich ...............................................................................................................6 5.1. Verträge prüfen ...............................................................................................................................6 5.2. Änderung der Rechtsform..............................................................................................................7 6. Personenfreizügigkeit .............................................................................................................................8 6.1. Arbeitnehmerentsendung ...............................................................................................................8 6.2. Berufliche Bildung ................................................................................................................................8 6.3. Roaming .........................................................................................................................................8 6.4 Folgen für in Deutschland arbeitende Briten ..................................................................................8 7. Steuern ...................................................................................................................................................9 8. Sonderstellung Irland und Nordirland ...................................................................................................10 9. Anpassung der Softwaresysteme .........................................................................................................10 9.1. Wo steht der Server? ....................................................................................................................11 9.2. Internetdomains verlieren Gültigkeit .............................................................................................11 BREXIT – Seite 2
Auswirkungen des EU-Austritts von Großbritannien Zum 1. Februar 2020 ist das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (VK) in Kraft getreten. Damit ist das VK kein Mitglied der EU mehr und der Brexit ist vollzogen. Für den Übergangszeitraum bis 31. Dezember 2020 ist das Vereinigte Königreich aber nach wie vor Teil der EU-Zollunion und des Binnenmarktes mit allen vier Freiheiten (freier Verkehr von Waren, Kapital, Personen und Dienstleistungen) sowie aller Politikbereiche der Union. Durch den Brexit drohen den Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals zusätzliche Kosten durch unterschiedliche Regulierungen. Zurzeit laufen Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen EU und VK. Sollte bis zum Ende der Über- gangsfrist kein Abkommen zustande kommen, wäre das VK zu Beziehungen zur EU nach dem Vorbild Aust- raliens bereit. Zwischen Australien und der EU existiert kein umfassendes Handelsabkommen. Der Handel wird weitgehend nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO abgewickelt. (Stand 08.09.2020). Bitte beachten Sie: Durch die laufenden Verhandlungen zwischen EU und VK können sich Änderungen ergeben. Daher informieren Sie sich bitte tagesaktuell über die genannten Verlinkungen in unserem Merkblatt oder kontaktieren Sie die Außenwirtschaftsberatung der Handwerkskammer Koblenz, Tel. 0261/398-245, export@hwk-koblenz.de. 1. Regelungen ab 1. Januar 2021 Ab dem 1. Januar 2021 gelten in vielen Bereichen neue Vorschriften zwischen der EU und dem VK. Außer- dem sollen die Vorschriften des Protokolls zu Irland und Nordirland (siehe Punkt 8) Anwendung finden. Al- lerdings sind die Verhandlungen hierzu ins Stocken geraten. (Stand 08.09.2020) Es ist zu erwarten, dass die Dienstleistungserbringungen / Ausfuhren ins Vereinigte Königreich künftig einen höheren personellen, administrativen und finanziellen Aufwand erfordern werden. Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs, die in die EU und den Schengen-Raum einreisen, werden wie Drittstaatsangehörige behandelt und daher an den Grenzen des Schengen-Raums kontrolliert. Sowohl Staatsbürger*innen des VK, als auch EU-Bürger sind von der Visumspflicht für Kurzaufenthalte (bis zu 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) weiterhin befreit. 2. Warenverkehr 2.1. Zollformalitäten Das VK hat ein neues Zolltarifsystem UKGT (UK global Tariff) angekündigt, das ab Januar 2021 gelten wird. Die durchschnittlichen Zollsätze sind geringer als im EU-Zolltarif. Einige Zölle sind auf Null reduziert. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz gibt es ein überregionales Kompetenzzentrum Großbritannien. https://www.pfalz.ihk24.de/international/kompetenzzentrum-grossbritannien/handel-mit-grossbritannien/vom- eu-mitgliedsstaat-zum-drittland-aenderungen-bei-zoll-und-steuer-4824506 Weitere Infos in englischer Sprache: https://www.gov.uk/government/publications/uk-goods-and-services-schedules-at-the-wto BREXIT – Seite 3
Falls bis Ende des Jahres keine Einigung über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem VK zustande kommt, würde der UKGT auch für EU-Waren gelten. (Stand: Juli 2020). Dies bedeutet die Bean- tragung von Ausfuhren und / oder Einfuhren bei den zuständigen Stellen (BAFA, Umweltbundesamt, Lan- desämter für Lebensmittelsicherheit, Zoll, usw.). Beim Export von Waren in Drittländer sind oft spezifische Formalitäten und Einfuhrbestimmungen zu beach- ten. Auch Zollsätze und Ursprungsregeln variieren von Land zu Land. Die Europäische Union bietet deshalb in der Marktzugangsdatenbank MADB (Market Access Database) kostenlose Informationen - in englischer Sprache - zu Einfuhrzöllen, Lizenzanforderungen, benötigten Einfuhrpapieren und Präferenzen sowie zu Außenhandelsstatistiken nach Ländern und Warengruppen. Das Vereinigte Königreich wird voraussichtlich sein Zollregime für Ein- und Ausfuhren aus bzw. in die EU ab dem 01.01.2021 anhand eines “3-Stufenplans” wieder hochfahren: ▪ Ab dem 01.04.2021 sind für alle Waren mit tierischem Ursprung sowie für alle Pflanzen und Pflanzen- produkte Voranmeldungen und Gesundheitsnachweise erforderlich. ▪ Bis 01.07.2021 ist keine Vorabanmeldung (Safety and Security Declaration) nötig. Für die Mehrzahl von Waren ist eine vollständige Einfuhranmeldung innerhalb von sechs Monaten nachzuholen. Für genehmi- gungspflichtige Waren ist eine vollständige Zollanmeldung notwendig. ▪ Ab dem 01.07.2021 sind für alle Waren eine vollständige Einfuhranmeldungen zum Zeitpunkt der Einfuhr sowie Vorabanmeldungen (Safety and Security Declaration) erforderlich. Für SPS Waren sind verstärkte physische Kontrollen und Probeentnahmen vorgesehen. Informationen: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/908534/B order_Operating_Model.pdf 2.2. EORI-Nummer Alle EU-Unternehmen, die Waren aus dem Vereinigten Königreich ein- oder in das Vereinigte Königreich ausführen wollen, müssen über eine EORI-Nummer verfügen, um die Zollförmlichkeiten zu erfüllen. https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/EORI-Nummer/Beantragung-einer-EORI-Nummer/beantragung- einer-eori-nummer_node.html 2.2. Präferenzursprung Beachten Sie auch, dass EU-interne Lieferantenerklärungen (LE) und Langzeit-Lieferantenerklärungen (LLE) für Waren mit Präferenzursprungseigenschaft nach der Übergangsfrist ab 01.01.2021 weder an noch durch britische Unternehmen ausgestellt werden dürfen. Bislang erfolgten Warenlieferungen zollfrei, künftig verliert Lagerware und verbaute Ware in den 27 EU-Staaten ihren präferenziellen Ursprung. Gegebenenfalls müsste die Präferenzkalkulation neu durchgeführt werden. Unternehmer sollten abschätzen, wie hoch der Kalkulationsaufschlag in etwa sein müsste und wie groß der preisliche Spielraum gegenüber den außereu- ropäischen Mitbewerbern ist. Weitere Informationen auf den Seiten des Zoll: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Warenursprung-Praeferenzen/warenursprung-praeferenzen_node.html BREXIT – Seite 4
2.3. AEO Beachten Sie auch, dass sich die Zulassungsvoraussetzungen für personenbezogene Vereinfachungen (AEO) ändern können. www.zoll.de/DE/Fachthemen/Zoelle/Zugelassener-Wirtschaftsbeteiligter- AEO/zugelassener-wirtschaftsbeteiligter-aeo_node.html 2.4. Incoterms Bestehende Verträge mit britischen Geschäftspartnern sollten an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Dies beinhaltet auch die Incoterms, die Art und Weise der Lieferung von Gütern regeln. Infos unter: https://www.stuttgart.ihk24.de/fuer-unternehmen/international/internationales-wirtschaftsrecht/internationale- liefergeschaefte/incoterms/incoterms-2010-684806#titleInText0 3. Transport Laut den Regelungen zum europäischen Transportverkehr dürfen nur Logistikunternehmen mit Sitz in der EU ohne zusätzliche Genehmigungen in andere EU-Staaten liefern. Der Brexit bedeutet einen höheren Zeit- und Kostenaufwand, der in Ihre Kalkulation einfließen muss. Weiteres beim Bundesamt für Güterverkehr: https://www.bag.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2019/CEMT_GB.html;jsessionid=2D2DFEDC9D7 131F7C9BB25957F44E789.live11291?nn=12502 Auch der Zugang zum einheitlichen europäischen Luftraum entfällt nach dem Austritt. Es müssen neue Luftverkehrsabkommen mit der EU abgeschlossen werden. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/LF/single-european-sky-rechtliche-grundlagen-und- downloads.html Eventuell sollten Sie bei künftigem Güterverkehr einen britischen Spediteur beauftragen. Für vom VK ausgestellte Führerscheine kann die gegenseitige Anerkennung nach Unionsrecht nicht mehr in Anspruch genommen werden. Ihre Anerkennung wird auf Ebene der Mitgliedstaaten geregelt sein. In Mit- gliedstaaten, die Vertragsparteien des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr aus dem Jahr 1949 sind, findet dieses Abkommen Anwendung. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/02/002/0200291.pdf 3.1. Lieferketten prüfen Machen Sie sich mit den geltenden Kontrollvorschriften der EU und Deutschlands zu Verboten und Be- schränkungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr mit Drittstaaten vertraut. (Prüfung der Güter, Prü- fung der Warenempfänger, Prüfung des Verwendungszwecks). Prüfen Sie, ob Sie sich einen neuen Zuliefe- rer im EU-Binnenmarkt suchen müssen. Weitere Informationen: https://europa.eu/youreurope/business/index_en.htm www.bafa.de BREXIT – Seite 5
3.2. Anzeigepflicht für bestimmte Güter Für den Hersteller und/oder Importeur bestehen bestimmte Anzeigepflichten bei der Einfuhr bestimmter Wa- ren aus Drittstaaten in die EU, z. B. medizinische oder kosmetische Produkte. Zudem müssen Sicherheits- beauftragte benannt werden, die in der EU ansässig sein müssen. Mit dem Austritt aus der EU gelten briti- sche Unternehmen nicht mehr als EU-Importeure, so dass die Anzeigepflicht auf deutsche Unternehmen übergeht. Näheres hier: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Aussenwirtschaft- Bargeldverkehr/Wareneinfuhr/wareneinfuhr_node.html 4. Gewerbliche Schutzrechte und Normen 4.1. CE-Kennzeichnung - „benannte Stelle“ Die CE-Kennzeichnung wird auf Produkten angebracht, die die Standards des Europäischen Wirtschafts- raumes (EWR) in Bezug auf Sicherheit, Umweltschutz und Gesundheit erfüllen. Dies betrifft u. a. elektrische Geräte, Spielwaren, Bauprodukte oder Maschinen. Die britische Regierung hat am 1. September 2020 Richt- linien für Industriegüter veröffentlicht. Infolgedessen dürfen Güter bis 2022 weiterhin mit der europäischen CE-Kennzeichnung versehen werden, sofern die Standards für Güter im Vereinigten Königreich gleich blei- ben. Weitere Informationen in englischer Sprache finden Sie unter https://www.gov.uk/guidance/ce-marking und hier: https://www.dguv.de/de/suche/index.jsp?query=brexit&filter=language%3Ade&xsl=json&col=1&col=2&col=3 &col=4&col=5 4.2. REACH-Verordnung Für chemische Stoffe, die für den Binnenmarkt bestimmte sind, ist ab einer Tonne pro Jahr eine Registrie- rung im Rahmen der REACH-Verordnung notwendig. Viele Importeure nutzen für diese Registrierung bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Dienstleister mit Sitz in Großbritannien. Zahlreiche Stoffregistrie- rungen stammen aus dem Vereinigten Königreich. Auch Stoffe, die aus Drittländern in die EU importiert wer- den, müssen hier registriert werden. Unternehmen in Deutschland müssen nach dem Austritt des Vereinig- ten Königreichs deshalb verstärkt auf die gültige REACH-Registrierung der dort registrierten Stoffe achten. https://echa.europa.eu/de/regulations/reach/understanding-reach https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/reach/reach-und-der-brexit/index.jsp 5. Rechtsgrundlagen ändern sich 5.1. Verträge prüfen Bei einem Brexit ändern sich die Rechtsgrundlagen und der innereuropäische Amtshilfeverkehr wird beein- trächtigt. Für eine kostenlose Beratung hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise können sich Mitgliedsbe- triebe an die Rechtsabteilung der HwK Koblenz wenden. Ihre Ansprechpartner finden Sie unter dem folgen- den Link: https://hwk-koblenz.de/ > Betriebsführung > Recht BREXIT – Seite 6
Prüfen Sie detailliert die Vertragsklauseln, dazu zählen die Wahl des geltenden Rechts („Rechtswahl“) und des Gerichtsstands, die Definition des „Gebiets der EU“ (bei Lizenz- oder Vertriebsverträgen), mögliche Ver- tragsergänzungen zum Ausgleich von Zöllen oder zur Währungsabsicherung und die Incoterms. Bei einem Vertrag mit einem britischen Handelspartner sollte ausdrücklich vereinbart werden, dass deutsches Recht zur Anwendung kommt. Darüber hinaus sollte auch ein Gerichtsstand in Deutschland vereinbart werden. Es müssen auch vertragliche Regelungen zu CE-Kennzeichnungen sowie EU-Normen definiert werden. Bei Dienstleistungs- oder Arbeitsverträgen sind künftige Neuregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Dienstleistungserbringung zu beachten. Inwieweit zukünftig Visa und Arbeitserlaubnisse erforderlich werden, bleibt abzuwarten. Prüfen Sie auch, falls vorhanden und notwendig, die gewerblichen Schutzrechte oder Geschmacksmuster, die nach dem Austritt neu geregelt werden. Bei der Gestaltung künftig abzuschließender Verträge ist es empfehlenswert, den Brexit explizit zu berück- sichtigen. So kann ein Vertrag auch regeln, wer zukünftig etwaige Zollanmeldungen zwischen VK und der EU vorzunehmen oder den finanziellen Aufwand für die Zollbelastungen zu tragen hat und wie mit einem zu erwartenden Kursverfall des Pfunds umgegangen wird. Darüber hinaus können aufschiebende Bedingungen gestellt oder Rücktrittsrechte vorgesehen werden. Bei der Gestaltung künftig abzuschließender Verträge haben kürzere Laufzeiten den Vorteil, konkrete Auswir- kungen des Brexits zeitnah einschätzen und in neuen Folgeaufträgen berücksichtigen zu können. Was tatsächlich gewünscht ist (Vertragsanpassung, Rücktritts- oder Kündigungsrechte) hängt maßgeblich von dem individuellen Willen der Vertragspartner in dem jeweiligen Einzelfall und dem konkreten Vertrag ab und lässt sich daher nicht pauschal vorgeben. Hier sollten Sie auf jeden Fall einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen, der Sie bei der Vertragsgestaltung und den Vertragsverhandlungen unterstützt. Einen Anwaltssuchdienst bietet z.B. die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz an: https://www.rakko.de/anwaltsuchdienst/ Denken Sie auch an die Überprüfung Ihrer Versicherungsverträge! 5.2. Änderung der Rechtsform Ähnlich wie eine GmbH ist eine Limited haftungsbeschränkt. Gerade die schnelle Gründung und die geringe Gründungseinlage von mindestens ein Pfund machte die Limited für deutsche Gründer attraktiv. Da Großbri- tannien Mitglied der EU war, konnten Unternehmer direkt nach der Gründung einer englischen Limited ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen. Die Rechtsform als solche wurde anerkannt. Bei deutschen Limited Companies muss nach der Übergangsphase deutsches Recht angewendet werden. In der Konse- quenz könnte dies bedeuten, dass der Ltd. die Rechtsform aberkannt und sie als Personengesellschaft nach deutschem Recht eingestuft wird, was mit einem erheblichen Haftungsrisiko verbunden wäre. Trügerisch ist übrigens die Hoffnung, dass durch die Löschung einer Limited auch eine mögliche Steuerpflicht im deut- schen Staat nichtig wird. Sie sollten sich frühzeitig erkundigen und ggfs. eine Umfirmierung in Erwägung ziehen. BREXIT – Seite 7
6. Personenfreizügigkeit 6.1. Arbeitnehmerentsendung Deutsche Arbeitnehmer, die von ihrer Firma zeitlich befristet ins Vereinigte Königreich entsandt werden, sind weiterhin nach deutschem Recht unfallversichert. Ob Unternehmen ihre Beschäftigten künftig zusätzlich in Großbritannien versichern müssen, ist nicht geklärt. Die Versorgung durch das britische Gesundheitssystem ist über die Europäische Krankenversicherung abgedeckt. Sollte es bis Ende Dezember keine detaillierte Vereinbarung mit der EU geben, könnte sich das allerdings ändern. Für diesen Fall empfiehlt das Auswärtige Amt deutschen Staatsbürgern den Abschluss einer privaten Reisekranken- und Rückholversicherung. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/internationale-gesundheitspolitik/brexit.html https://www.dguv.de/de/internationales/neues/2019/20190118_brexit/index.jsp Wer aus der Europäischen Union nach Großbritannien einreist, muss bereits jetzt seinen Personalausweis vorzeigen, da das Vereinigte Königreich kein Mitglied des Schengen-Raums ist. Wer sich länger in Großbritannien aufhalten will, muss sich bis Ende des Jahres registrieren lassen. Von Sommer 2021 an brauchen EU-Bürger eine Aufenthaltsgenehmigung: In den ersten fünf Jahren einen soge- nannten "pre-settled status", von da an den "settled status". Gibt es aber bis Jahresende hierzu keine ver- bindliche Regelung, könnte diese Genehmigungspflicht schon zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. • Wegfall der Dienstleistungsfreiheit • Keine Niederlassungsfreiheit • Falls kein FTA: WTO Recht, insbesondere General Agreement on Trade in Services (GATS) • Arbeitnehmerfreizügigkeit (zugunsten eines Punktesystems für Fachkräfte). 6.2. Berufliche Bildung Im Rahmen von Erasmus+ gingen im Jahr 2018 fast 30 Prozent der Lernenden in der beruflichen Bildung (Auszubildende und Berufsschüler sowie auch Berufsbildungspersonal) nach Großbritannien. England, Wa- les, Schottland und Nordirland werden als Zielregionen von Austauschprogrammen zukünftig fehlen, falls es nach dem Brexit keine adäquate Anschlussvereinbarung gibt. Aktuelle Infos gibt es auch auf der Seite des Bundesinnenministeriums: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2020/01/brexit.html 6.3. Roaming Für die Nutzung deutscher Telefonnummern in Großbritannien gilt das für den EU-Raum festgelegte Ro- aming. Je nach Verlauf der Verhandlungen könnten aber ab 01.01.2021 wieder Gebühren anfallen. 6.4 Folgen für in Deutschland arbeitende Briten Ab dem 01.01.2021 ist für Briten, die in Deutschland arbeiten, die Beantragung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsbürgerschaft erforderlich. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/verfassung/brexit/faqs-brexit.html BREXIT – Seite 8
7. Steuern Waren- und Dienstleistungsaustausch, die Entsendung von Mitarbeitern, Investitionen, Unternehmensgrün- dungen usw. haben steuerliche Auswirkungen, die frühzeitig bedacht werden müssen. Wir empfehlen einen Steuerberater einzuschalten, der sich im europäischen und britischen Steuerrecht auskennt. Englisch- sprechende Steuerberater finden Sie unter www.dstv.de/suchservice/steuerberater-suchen Großbritannien würde im Bereich der Umsatzsteuer automatisch zum Drittland gegenüber anderen EU- Ländern. Da das Vereinigte Königreich zukünftig nicht mehr an die Vorgaben der europäischen Mehrwert- steuer-Systemrichtlinie gebunden sein wird, kann es sein Umsatzsteuerrecht frei gestalten. Das gilt z. B. für die Besteuerung der Umsätze ausländischer Unternehmer im Vereinigten Königreich, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens, Befreiungstatbestände und Steuersätze. Diese Neuerungen würden dann auch für die Kanalinseln Isle of Man, Guernsey und Jersey gelten. Für Nordirland wird es eventuell eine Sonder- regelung geben. Bisher ist über geplante Änderungen im Bereich des Umsatzsteuerrechts noch nichts be- kannt. Großbritannien hat nunmehr die Sonderregelungen zur Umsatzsteuerregistrierung in der Übergangsphase widerrufen. Dies bedeutet, dass eine umsatzsteuerliche Registrierung im VK wieder nur dann beantragt wer- den kann, wenn steuerpflichtige Umsätze im VK bereits generiert werden oder ob diese innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Registrierungsantrags bei HMRC mit Sicherheit zu erwarten sind. In der Folge sind Umsatzsteuernummern, die durch das vor der Übergangsphase speziell eingeführte Advanced Notification of UK VAT registration Verfahren vergeben wurden, nicht mehr verwendbar. Nach derzeitigem Stand ist keine erneute Implementierung eines entsprechenden Sonderverfahrens durch HMRC geplant. Der Registrierungsprozess kann für Unternehmen, die nach Ablauf der Übergangsphase zum 01.01.2021 Importe in das VK durchführen werden, bereits ab Oktober 2020 eingeleitet werden. Zweck dieser Vorge- hensweise ist, dass diese Unternehmen auf steuerliche Änderungen vorbereitet sind. Betroffene Unterneh- men können Unternehmen sein, die derzeit ausschließlich steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Deutschland in das VK ausführen oder von einer EU-Vereinfachungsverordnung Gebrauch machen. Die Empfehlung der Leiterin der Steuerabteilung der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer ist aufgrund des Wegfalls von Vereinfachungsregelungen nach Ablauf der Übergangsphase die vorzeitige Um- satzsteuerregistrierung, um einer Unterbrechung der Lieferungen nach dem Ende der Übergangsphase vor- zubeugen. Für die Umsatzsteuerregistrierung ist die Steuerabteilung unter folgender E-Mail-Adresse zu kontaktieren: tax@ahk-london-co.uk. Weitere steuerrelevante Folgen können sein: Britische Unternehmen fallen aus dem MIAS-System (MwSt-Informationsaustauschsystem für den innerge- meinschaftlichen Handel) heraus. Entsprechende Informationen finden Sie unter https://www.bzst.de/DE/Home/home_node.html und https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat/eu- vat-rules-topic/vies-vat-information-exchange-system-enquiries_de. In Bezug auf Lieferungen und bestimmten sonstigen Leistungen nach Großbritannien entfällt die Notwendig- keit der Angabe in der zusammenfassenden Meldung. Eine weitere Folge wäre, dass deutsche Unternehmen keine Umsätze an Endabnehmer in Großbritannien mehr im MOSS-System anmelden/melden können. https://www.bzst.de/DE/Unternehmen/Umsatzsteuer/MiniOneStopShop/minionestopshop.html BREXIT – Seite 9
Für britische Unternehmen würde das Vorsteuer-Vergütungsverfahren mit europäischen Unternehmen ent- fallen. Zukünftig wird das Vorsteuer-Vergütungsverfahren für Drittland-Unternehmen mit der Notwendigkeit der Feststellung einer Gegenseitigkeit anwendbar sein. Gleichzeitig entfällt für die deutschen Unternehmen in Großbritannien das Vorsteuer-Vergütungsverfahren für europäische Unternehmen. Großbritannien könnte ggf. ein eigenes Vorsteuer-Vergütungsverfahren für europäische Unternehmen einführen. Im Bereich der Warenlieferungen von Deutschland nach Großbritannien, müsste der Lieferer die Nachweise der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen führen, da es sich dann nicht mehr um eine innergemeinschaftli- che Lieferung handeln würde. Hier ist besonders wichtig auf den Stichtag 1.11.2019 zu achten. 8. Sonderstellung Irland und Nordirland Nordirland England, Wales und Schottland bilden das Vereinigte Königreich. Irland ist eine eigenständige Republik und verbleibt in der EU. Das Nordirland-Protokoll des Austrittsabkommens zwischen der EU und dem VK legt den Rahmen für den Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien fest. Um keine neue Grenze zwischen Irland und Nordirland zu schaffen, soll es eine neue Zollgrenze in der Irischen See geben. Allerdings sind die Verhandlungen zurzeit ins Stocken geraten. (Stand 26.08.2020) https://www.gtai.de/gtai-de/trade/zoll/zollbericht/vereinigtes-koenigreich/brexit-warenverkehr-zwischen- grossbritannien-und-nordirland-541916 Für die Zukunft sollten Unternehmen prüfen, inwieweit der irische Markt eigenständig bearbeitet werden soll. Wir empfehlen einen Rechtsanwalt einzuschalten, der sich mit Europa-Recht auskennt. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.handwerk-international.de/artikel/brexit-auf-diese-aenderungen-sollten-sie-sich-vorbereiten- 105,0,77.html 9. Anpassung der Softwaresysteme Nach dem Austritt des VK aus der EU wird es nach den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung als Drittland angesehen. Dies bedeutet, dass sich eine Datenübermittlung aus oder in das Vereinigte Königreich nach den Mechanismen der §§ 44 ff. DSGVO richten muss. Hiernach ist zunächst eine Datenübermittlung möglich, soweit die EU-Kommission einen Angemessenheitsbeschluss fasst. Dieser stellt das angemessene Schutzniveau in einem Drittland fest. Die EU-Kommission hat jedoch angekündigt, dass sie mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Angemessenheitsbeschluss vorliegen, erst beginnen kann, wenn das Vereinigte Königreich Drittland ist. Die Europäische Kommission hat drei Musterdatenschutzklauseln verab- schiedet, die unter https://ec.europa.eu/info/law/law-topic/data-protection/international-dimension-data- protection/standard-contractual-clauses-scc_en zur Verfügung stehen. Bereiten Sie frühzeitig eine Anpassung Ihrer Softwaresysteme vor. Sprechen Sie mit Ihrem EDV- Beauftragten oder fragen Sie beim Lieferanten Ihrer Software nach, ob es automatisch angepasste Updates geben wird oder Sie evtl. ein Zusatzprogramm benötigen. BREXIT – Seite 10
9.1. Wo steht der Server? Wenn Großbritannien nach einem harten Brexit weder zum Binnenmarkt noch zum Europäischen Wirt- schaftsraum gehören würde und evtl. auch kein zusätzliches Abkommen mit der EU abgeschlossen hätte, wäre es nicht mehr möglich, persönliche Daten in Großbritannien zu verwalten. Daten sollten Sie auf einen Server innerhalb der EU verschieben. 9.2. Internetdomains verlieren Gültigkeit Das in Brüssel ansässige Register EURID, welche für die Vergabe der Internetdomain „.eu“ zuständig ist, weist darauf hin, dass ca. 300.000 Internetadressen mit der .eu-Endung im Fall eines ungeregelten Brexits ihre Gültigkeit verlieren werden. Informationen in englischer Sprache unter https://eurid.eu/en/register-a-eu- domain/brexit-notice/ Weitere hilfreiche Links zum Thema Brexit: https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/Brexit/brexit-verhandlungen-wo-stehen- wir/2203744 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/brexit/brexit-wichtigste-infos-1712620 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/brexit/brexit-faq-1569928 https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special-brexit https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Recht-Zoll/Zoll/zoll-aktuell,t=brexit-gueltigkeit-von- freihandelsabkommen-und-handelsbezogenen-abkommen-nach-dem-austritt-des-vereinigten-koenigreichs- ,did=2215398.html https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0324&from=DE https://ec.europa.eu/commission/brexit-negotiations/ https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Europa/brexit.html https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/brexit_checklist_for_traders_de.pdf https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/leaflet-brexit-customs-guide-for-businesses_de.pdf https://www.handwerk-international.de/brexit#aenderungen Haben Sie Fragen zum Thema oder benötigen Sie weitere Informationen? Wir beraten Sie gerne! Handwerkskammer Koblenz Außenwirtschaftsberatung Rizzastraße 24-26, 56068 Koblenz Telefon 0261/398-245, -249, Telefax 0261/398-994 export@hwk-koblenz.de, www.hwk-koblenz.de BREXIT – Seite 11
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