BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
                                DER
                          BUNDESREGIERUNG
                              Nr. 67-2 vom 9. Mai 2021

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

beim digitalen Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
„Für eine zukunftsgerichtete transatlantische Partnerschaft“
am 5. Mai 2021 als Videobotschaft:

Lieber Ralph Brinkhaus,
lieber Alexander Dobrindt,
lieber Johann Wadephul,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

um es gleich vorwegzusagen: die Vereinigten Staaten von Amerika sind und bleiben
der wichtigste Partner Europas – ich will das auch ganz persönlich sagen –, unser
natürlicher und unverzichtbarer Partner. Wir teilen als Europäer und auch als Deutsche
mit keiner anderen Region auf der Welt so viele Werte und Interessen. Wir sind Ver­
bündete in der Nato, Partner im globalen Handel und Gleichgesinnte in den freiheitlich-
demokratischen Verfassungstraditionen unserer Länder. Aus deutscher Perspektive
sind wir den Vereinigten Staaten von Amerika sowohl durch die Hand der Versöhnung
nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus als auch durch
das sehr eng verbunden, was wir 1989 und 1990 an Unterstützung im Zusammenhang
mit der Deutschen Einheit erfahren haben.

Nun hat sich unsere Partnerschaft in den letzten Jahren als nicht ganz so vital erwie­
sen, wie sie hätte sein können. Für mich aber steht fest – und stand auch in den etwas
schwierigeren Jahren fest –, dass wir nur in enger Zusammenarbeit als verlässliche
Partner Antworten auf gemeinsame Aufgaben und Zukunftsfragen finden können.
Bulletin Nr. 67-2 vom 9. Mai 2021 / BKin – beim Transatlantikkongress als Videobotschaft

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Jetzt schauen wir nach vorne. Das Kongressmotto „Das transatlantische Band wieder
stärken – Für eine zukunftsgerichtete und umfassende Partnerschaft“ verdeutlicht ja
auch, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das genauso sieht. Das ist ein Auftrag,
der sich an alle richtet, die in der Politik tätig sind, natürlich auch an die Bundesregie­
rung. Denn so viel ein geeintes Europa auch zu bewegen vermag, gemeinsam mit den
USA können wir Globalisierung weitaus wirkungsvoller mitgestalten. Wir sind sehr viel
stärker, wenn wir eine gemeinsame Position haben.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es an großen Herausforderungen gewiss nicht
mangelt. Ich will hier nur die Pandemie nennen, auch die große Aufgabe des Klima­
wandels und sicherlich auch die veränderte Kräftekonstellation durch die wirtschaftli­
che und politische Stärke Chinas und das zum Teil sehr aggressive Auftreten Russ­
lands.

Insofern ist es sehr gut zu wissen, dass Präsident Biden – er hat das ja seit seinem
Amtsantritt immer wieder deutlich gemacht – und seine Regierung für eine enge trans­
atlantische Partnerschaft stehen. Sie verstehen darüber hinaus eine regel- und werte­
gebundene Weltordnung als Fundament für ein friedliches, faires und gedeihliches Mit­
einander der Nationen. In den ersten 100 Tagen hat die US-Regierung in diesem Zu­
sammenhang schon wegweisende Entscheidungen getroffen. Ich will das an einigen
Beispielen deutlich machen.

Das ist einmal der US-Klimagipfel, der vor zwei Wochen stattgefunden hat. Hier haben
die Vereinigten Staaten von Amerika ehrgeizige Ziele verkündet. – Natürlich hat die
Europäische Union diese auch. – Ich glaube, das war ein ganz wichtiges Signal für die
26. Vertragsstaatenkonferenz im Herbst in Glasgow. Wir haben im Zuge der Rückkehr
der Vereinigten Staaten von Amerika zum Pariser Abkommen ja erlebt, dass auch eine
ganze Reihe von Staaten ihre nationalen Ziele verstärkt hat. Wir in Deutschland sind
im Augenblick dabei – wir haben das heute innerhalb der Bundesregierung bespro­
chen –, das Bundesverfassungsgerichtsurteil sehr schnell umzusetzen. Das heißt, wir
werden unsere Anstrengungen bis zum Jahr 2030 noch einmal verstärken und unser
Reduktionsziel auf 65 Prozent anheben. Wir werden auch alles daransetzen, bereits
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2045 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Dazu müssen wir natürlich noch zu­
sätzliche Maßnahmen durchsetzen und umsetzen.

Es geht jetzt auch um die Bewältigung der Pandemie. Die Vereinigten Staaten von
Amerika sind in die Weltgesundheitsorganisation zurückgekehrt und haben ihren Bei­
trag zu der internationalen Impfinitiative COVAX in Form von finanziellen Mitteln ge­
leistet. In Bezug auf COVAX ist Deutschland im Augenblick übrigens der größte Geld­
geber. Aber die Vereinigten Staaten von Amerika beteiligen sich auch in erheblichem
Maße. Zurzeit exportiert Amerika so gut wie noch keinen Impfstoff. Die amerikanische
Impfaktion wird aber in absehbarer Zeit beendet sein. Ich denke, dann werden die
Vereinigten Staaten von Amerika und Europa sehr eng zusammenarbeiten, um die
Welt mit Impfstoffen zu versorgen. Das wird noch eine über mehrere Jahre dauernde
Aufgabe sein, die ein gutes Feld einer transatlantischen Kooperation sein könnte. Viel­
leicht können wir schon am 21. Mai in Rom auf dem Global Health Summit im Rahmen
der G20 unter der italienischen Präsidentschaft Signale setzen.

Die neue Administration von Präsident Biden hat ein klares Bekenntnis zur Nato und
zur europäischen Sicherheit abgelegt. Wir haben beim Europäischen Rat im März eine
Videoschaltung mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gehabt, bei
der Präsident Biden eine engere Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa an­
gekündigt hat. Ein wichtiges Signal ist auch, dass die USA das New START-Abkom­
men mit Russland verlängert haben. Wir hoffen natürlich, dass dies auch Raum für
weitere Schritte zur Abrüstungs- und Rüstungskontrolle schaffen wird.

Noch einmal zurück zur europäisch-amerikanischen und auch militärischen Sicher­
heitskooperation: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist etwas, das
als eine starke Säule die Partnerschaft in der Nato ergänzen kann. In diesem Zusam­
menhang will ich noch einmal ganz deutlich sagen: Eine gute transatlantische Partner­
schaft bedeutet auch Verlässlichkeit der Partner untereinander. Wir haben uns in Wa­
les zu dem Ziel bekannt, dass wir zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Ver­
teidigung ausgeben wollen. Deutschland fühlt sich diesem Ziel auch weiterhin ver­
pflichtet. Ich will noch einmal daran erinnern, dass dieses Zwei-Prozent-Ziel, das ja
schon von Anfang der 2000er Jahre stammt, mit Blick auf die russische Aggression im
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Zusammenhang mit der Annexion der Krim und der Situation in der Ostukraine wieder
erneuert wurde. Das heißt, es ist also auch ein relativ neu bestätigtes und bekräftigtes
Ziel, das sehr viel mit der Verteidigung auch mit Blick in Richtung Russland zu tun hat.

Sehr unterstützenswert ist, dass sich die USA gemeinsam mit der Europäischen Union
wieder zum iranischen Nuklearprogramm bekennen. Es werden alle Versuche unter­
nommen, um den Iran wieder zu einer Rückkehr zu den Verpflichtungen aus diesem
Abkommen zu ermutigen.

Natürlich arbeiten wir auch gemeinsam daran – das bedeutet, dass Regel- und Wer­
teorientierung das gemeinsame Fundament unserer Außenpolitik ist –, dass wir Men­
schenrechte einklagen, wo immer das nötig ist. Das ist von großer Bedeutung. Das gilt
mit Blick auf Russland, das gilt mit Blick auf China und auch mit Blick auf viele andere
Länder der Erde. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass Präsident
Biden zu einem Gipfel der Staaten einladen will, die sich demokratischen Werten ver­
pflichtet fühlen.

Es ist auch etwas im Hinblick auf einen freien und fairen Handel in Bewegung gekom­
men. Wir wollen versuchen, möglichst schnell die noch offenen Fragen zur Reform der
Welthandelsorganisation zu klären. Ein ermutigendes Zeichen ist auch, dass man jetzt
Gespräche bezüglich der Sanktionen im Zusammenhang mit Airbus und Boeing führt.
Es finden also wieder mehr Gespräche statt, um Probleme zu lösen.

Die Nachricht in Bezug auf die transatlantische Zusammenarbeit heißt also: „back in
business“, wenn man das so sagen will. Das ist aber etwas ganz anderes als „business
as usual“. Denn es hat sich in den vergangenen Jahren ein tiefgreifender Wandel voll­
zogen, der auch etwas mit dem Blick der Vereinigten Staaten von Amerika auf ihre
Rolle in der Welt zu tun hat. Es gab so etwas wie einen Automatismus, demnach die
Vereinigten Staaten von Amerika immer da, wo Krisensituationen entstanden, sofort
eingriffen, vor allen Dingen auch militärisch. Das wird es so nicht mehr geben. Deshalb
erwarten die Vereinigten Staaten von Amerika mehr Engagement von ihren Partnern.
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Dies ist dann eben auch eine Aufgabe, die die Europäische Union – Deutschland na­
türlich auch – zu bewältigen hat, wenn es um die eigene Sicherheit geht, wenn es um
die Stabilität in unserem Umfeld und um allgemein gültige Werte in der Welt geht.

Ich denke, dass wir sehr selbstbewusst und offen diese Herausforderung und diese
Aufforderung annehmen können. Deutschland hat an verschiedenen Stellen bewie­
sen, dass es ein verlässlicher Partner ist. Ich denke da zum Beispiel an unser Enga­
gement in Afghanistan – ein Engagement innerhalb der Nato, bei dem Deutschland
auch eigene Verantwortung im Norden des Landes übernommen hat. Deutschland
wird sich auch an anderer Stelle dieser Verantwortung stellen.

Eine weitere Entwicklung, die wir im Auge behalten müssen, ist die Hinwendung der
Vereinigten Staaten zu Asien. Auch das ist keine ganz neue Entwicklung. Präsident
Obama hatte bereits von einem asiatischen Jahrhundert gesprochen. Wir sollten nicht
den Fehler machen und das als eine Abwendung von Europa verstehen. Das ist viel­
mehr eine Antwort auf veränderte geopolitische Kräfteverhältnisse gerade auch im
Asien-Pazifik-Raum. Es ist gut, dass die Bundesregierung eine Strategie auch für die­
sen Raum entwickelt hat. Das hat natürlich auch sehr viel zu tun mit dem Erstarken
Chinas hin zu einer wirtschaftlichen und auch politischen Größe in der Welt. Die Ver­
einigten Staaten von Amerika waren immer schon ein atlantischer und ein pazifischer
Akteur. Deshalb ist es mehr als selbstverständlich, dass auf dieses Erstarken Chinas
auch eine Reaktion erfolgt.

In einer solchen Situation können wir Europäer auch aufgrund unseres Bündnisses
und unserer Wertegemeinschaft natürlich keine neutralen Beobachter sein, sondern
wir bleiben auch bei diesen Herausforderungen Verbündete – wenngleich gemein­
same Werte noch nicht automatisch eine Interessengleichheit darstellen. Außenpolitik
ist immer eine Kombination aus Werten und eigenen Interessen. Und die europäischen
Interessen sorgsam zu formulieren, ist sicherlich auch eine Aufgabe in unserer trans­
atlantischen Partnerschaft und Freundschaft.

Wir haben als Europäer kein Interesse an einer erneuten Teilung der Welt in zwei
Sphären. Präsident Biden hat jüngst betont, dass auch er das nicht hat. Gemeinsame
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Regeln müssen aber eingehalten werden; und das gilt für alle Länder – das gilt für
Russland, für China und für alle anderen Länder, mit denen wir zusammenarbeiten.

Ich glaube, man kann sagen, dass im Zusammenhang mit Werten und Interessen un­
sere Beziehungen gerade auch mit China sehr vielschichtig sind. Wir haben auf der
einen Seite alles Interesse daran, dass ein großes Land wie China sich gut entwickelt,
dass die Menschen dort zu Wohlstand kommen und dass China in die multilaterale
Ordnung eingebunden ist. Wir werden weder den Klimawandel bewältigen noch WTO-
Fragen oder andere globale Fragen ohne oder gegen China lösen können. Gerade
auch die chinesischen Bekenntnisse zu Klimaschutzzielen und zur CO2-Neutralität im
Jahr 2060 und dem Erreichen eines Peaks vor 2030 sind ermutigende Signale im
Sinne des Multilateralismus. Auf der anderen Seite gibt es erhebliche Kritik an der
Menschenrechtssituation in China – ich denke da etwa an die Provinz Xinjiang und die
Uiguren oder an die Situation in Hongkong.

Wir müssen bei unseren Formaten – wir hatten jüngst wieder deutsch-chinesische Re­
gierungskonsultationen – über sämtliche, auch schwierige Fragen sprechen. Dazu ge­
hören Menschenrechtsfragen, dazu gehören Rechtsstaatsfragen, dazu gehört auch
das Thema einer guten wirtschaftlichen Kooperation und offener Märkte. Auch das
chinesische Investitionsabkommen mit der EU halte ich für etwas, das trotz aller
Schwierigkeiten, die jetzt sicherlich bei der Ratifizierung auftreten, doch ein sehr wich­
tiges Unterfangen ist, weil wir hiermit mehr Reziprozität beim Marktzugang bekommen,
weil wir zur Einhaltung von Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation
Festlegungen getroffen haben und auch zu anderem, womit der Handel zum beider­
seitigen Vorteil entwickelt werden kann.

Es wird wichtig sein, dass wir uns in der transatlantischen Partnerschaft auch in Zu­
kunft über die Dinge austauschen, die vielleicht nicht sofort zu einer gemeinsamen
Bewertung führen. Dazu gehört im Augenblick auch das Thema Nord Stream 2. Wich­
tig ist für mich in diesem Zusammenhang, dass wir gerade auch gegenüber der Ukra­
ine eine gemeinsame Politik verfolgen und dass die Ukraine in der Frage der Lieferung
oder des Transits von Erdgas ein wichtiger Partner bleibt.
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Wir sind natürlich sehr froh und schätzen es sehr, dass die US-Streitkräfte weiter in
Deutschland stationiert bleiben. Wir begrüßen, dass frühere Verlegungspläne nicht
weiterverfolgt werden, wissen aber auch, dass daraus Erwartungen an uns entstehen.
Das habe ich ja auch schon deutlich gemacht.

Wir sollten über die politischen Kontakte hinaus die transatlantische Partnerschaft
möglichst breit entwickeln. Da gibt es die Wirtschaftsbeziehungen, da gibt es auch
Austauschprogramme für junge Leute. Dass die Mensch-zu-Mensch-Kontakte – Pe­
ople-to-people-Kontakte, wie man heute sagt – gepflegt werden, ist aus meiner Sicht
ganz wichtig. Wir könnten uns überlegen, dass wir in nächster Zeit auch noch neue
Impulse setzen.

Was die wirtschaftliche Kooperation anbelangt, habe ich mich schon seit langem für
ein Handelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Euro­
päischen Union eingesetzt. Wir haben mit vielen Regionen der Welt Handelsabkom­
men. Es wäre sehr sinnvoll, ähnlich wie mit Kanada, auch mit den Vereinigten Staaten
ein solches Handelsabkommen zu entwickeln.

Insofern bleibt viel zu tun für die gemeinsame transatlantische Arbeit in einer unruhigen
Welt – in einer Welt, die Partnerschaften braucht. Deshalb freue ich mich, dass wir mit
der neuen Administration jetzt auch neue Möglichkeiten haben, die die Bundesregie­
rung nutzen möchte.

Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben. Alles Gute für den weiteren Verlauf
des Kongresses. Ich sehe schon die Diskussionsteilnehmer der nächsten Runde.
Herzliche Grüße in das Reichstagsgebäude.

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