Bulletin Unfälle und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge Februar 2021 - BFU
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Bulletin Unfälle und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge Februar 2021 Bundesstelle für box@bfu-web.de Flugunfalluntersuchung www.bfu-web.de Hermann-Blenk-Str. 16 Telefon 0 531 35 48-0 38108 Braunschweig Telefax 0 531 35 48-246
Bulletin Inhaltsverzeichnis Seite Allgemeine Hinweise................................................................................................... 3 Aufbau des Dokumentes............................................................................................. 4 Begriffsbestimmungen ................................................................................................ 5 Unfall ....................................................................................................................... 5 Schwere Störung ..................................................................................................... 6 Tödliche Verletzung................................................................................................. 6 Schwere Verletzung ................................................................................................ 6 Teil 1 : Übersicht der Ereignisse im Februar 2021 ...................................................... 7 Teil 2 : Zwischenberichte .......................................................................................... 11 Teil 3 : Neu veröffentlichte Untersuchungsberichte .................................................. 47 -2-
Bulletin Allgemeine Hinweise Das Bulletin der Flugunfälle und Störungen hat zum Ziel, den interessierten Perso- nenkreis über Ereignisse zu informieren, die der Bundesstelle für Flugunfalluntersu- chung (BFU) gemäß § 7 LuftVO im Berichtszeitraum gemeldet worden sind. Es han- delt sich um Ereignisse mit in Deutschland zugelassenen Luftfahrzeugen im In- und Ausland sowie um Ereignisse ausländischer Luftfahrzeuge in Deutschland. Sie ba- sieren auf Angaben, die der BFU im Rahmen der ersten Meldung übermittelt wurden. Darüber hinaus werden Ereignisse dargestellt, bei denen die BFU aufgrund der Ver- pflichtung nach ICAO Annex 13 tätig werden musste. Darin enthaltene Angaben können unvollständig und/oder fehlerhaft sein. Ergänzungen und Änderungen sind im Rahmen dieser Information nicht vorgesehen. Analysen und Ursachen der Unfälle werden im Untersuchungsbericht nach Ab- schluss der Untersuchung veröffentlicht. Untersuchungen werden in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluft- fahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Be- trieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. Au- gust 1998 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Fest- stellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen. Untersuchungsberichte im Internet: http://www.bfu-web.de/Berichte -3-
Bulletin Aufbau des Dokumentes Das Bulletin ist in drei Abschnitte unterteilt. Teil 1 enthält die Übersicht aller der BFU im Berichtszeitraum angezeigten Unfälle und Schweren Störungen. Angaben können unvollständig und/oder fehlerhaft sein. Teil 2 beinhaltet Zwischenberichte von Ereignissen, bei denen eine Untersuchung vor Ort eingeleitet wurde. Im Teil 3 sind die neuesten veröffentlichten Untersuchungsberichte aufgelistet. Diese sind über die BFU erhältlich oder können im Internet unter www.bfu-web.de/Berichte abgerufen werden. -4-
Bulletin Begriffsbestimmungen Unfall Ein Ereignis beim Betrieb eines Luftfahrzeugs vom Beginn des Anbordgehens von Personen mit Flugabsicht bis zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Personen das Luft- fahrzeug wieder verlassen haben, wenn hierbei: 1. eine Person tödlich oder schwer verletzt worden ist - an Bord eines Luftfahrzeugs oder - durch unmittelbare Berührung mit dem Luftfahrzeug oder einem seiner Tei- le, auch wenn sich dieser Teil vom Luftfahrzeug gelöst hat, oder - durch unmittelbare Einwirkung des Turbinen- oder Propellerstrahls eines Luftfahrzeugs, es sei denn, dass der Geschädigte sich diese Verletzungen selbst zugefügt hat oder diese ihm von einer anderen Person zugefügt worden sind oder eine andere von dem Unfall unabhängige Ursache haben, oder dass es sich um Verletzungen von unbefugt mitfliegenden Personen handelt, die sich außerhalb der den Fluggästen und Besatzungsmitgliedern normalerweise zugänglichen Räume verborgen hatten, oder 2. das Luftfahrzeug oder die Luftfahrzeugzelle einen Schaden erlitten hat und - dadurch der Festigkeitsverband der Luftfahrzeugzelle, die Flugleistungen oder die Flugeigenschaften beeinträchtigt sind und - die Behebung dieses Schadens in aller Regel eine große Reparatur oder einen Austausch des beschädigten Luftfahrzeugbauteils erfordern würde; es sei denn, dass nach einem Triebwerkschaden oder Triebwerkausfall die Beschä- digung des Luftfahrzeugs begrenzt ist auf das betroffene Triebwerk, seine Verklei- dung oder sein Zubehör, oder dass der Schaden an einem Luftfahrzeug begrenzt ist auf Schäden an Propellern, Flügelspitzen, Funkantennen, Bereifung, Bremsen, Be- plankung oder auf kleinere Einbeulungen oder Löcher in der Außenhaut, oder 3. das Luftfahrzeug vermisst wird oder nicht zugänglich ist. -5-
Bulletin Schwere Störung Ein Ereignis beim Betrieb eines Luftfahrzeugs, dessen Umstände darauf hindeuten, dass sich beinahe ein Unfall ereignet hätte. Tödliche Verletzung Eine Verletzung, die eine Person bei einem Unfall erlitten hat und die unmittelbar bei dem Unfall oder innerhalb von 30 Tagen nach dem Unfall ihren Tod zur Folge hat. Schwere Verletzung Eine Verletzung, die eine Person bei einem Unfall erlitten hat und die 1. einen Krankenhausaufenthalt von mehr als 48 Stunden innerhalb von 7 Tagen nach der Verletzung erfordert oder 2. Knochenbrüche zur Folge hat (mit Ausnahme einfacher Brüche von Fingern, Zehen oder der Nase) oder 3. Risswunden mit schweren Blutungen oder Verletzungen von Nerven, Mus- keln- oder Sehnensträngen zur Folge hat oder 4. Schäden an inneren Organen verursacht hat oder 5. Verbrennungen zweiten oder dritten Grades oder von mehr als fünf Prozent der Körperoberfläche zur Folge hat oder 6. Folge einer nachgewiesenen Aussetzung gegenüber infektiösen Stoffen oder schädlicher Strahlung ist. -6-
Bulletin Teil 1 : Übersicht der Ereignisse im Februar 2021 Flugzeuge MTOM über 5,7 t 13.02.2021 : Schwere Störung ohne Verletzte mit BOEING - 757 in Leipzig AZ: BFU21-0052-EX 21.02.2021 : Schwere Störung ohne Verletzte mit Airbus A350-941 in Helsinki, Finland AZ: BFU21-0073-FX Flugzeuge MTOM zwischen 2,0 und 5,7 t Flugzeuge MTOM unter 2,0 t 04.02.2021 : Schwere Störung ohne Verletzte mit REIMS - F172 nahe Bochum AZ: BFU21-0043-7X 05.02.2021 : Unfall mit tödlich Verletzten mit REIMS - F182 in Sefferweich AZ: BFU21-0041-3X 18.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit PIPER - PA-34 SENECA in St. Gallen, Switzerland AZ: BFU21-0069-DX 23.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit CESSNA - 177 in Burg Feuerstein AZ: BFU21-0070-3X 24.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit Amateurbau Pulsar XP in Hildesheim AZ: BFU21-0075-3X Ultraleichtflugzeuge und Tragschrauber 04.02.2021 : Schwere Störung ohne Verletzte mit TL Ultralight/TL-96 Sting nahe Bochum AZ: BFU21-0043-7X 17.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit FLIGHT DESIGN GMBH - CT in Moletai, Lithuania AZ: BFU21-0077-DX Hubschrauber 13.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit Messerschmitt Bölkow Blohm - BK117 in Ilam, Islamic Republic of Iran AZ: BFU21-0055-DX Segelflugzeuge und Motorsegler 27.02.2021 : Unfall ohne Verletzte mit SCHLEICHER - ASK 21 in Burg Feuerstein AZ: BFU21-0083-3X Freiballone -7-
Bulletin Ereignisse chronologisch Ereignis: Schwere Störung ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 04.02.2021, 13:45 Uhr (lokal) Ort, Staat: Nahe Bochum Schaden am LFZ: Ohne Beschädigung Quelle: Untersuchung durch die BFU Aktenzeichen: BFU21-0043-7X Im Luftraum E kam es zu einer Annäherung zwischen einem Flugzeug und einem Ultraleichtflugzeug. Beide Luftfahr- zeuge wurden nach Sichtflugregeln geflogen. Der geringste Abstand betrug etwa 40 m horizontal und 140 ft vertikal. Luftfahrzeug: Flugzeug 0 bis 2.250 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: REIMS - F172 Besatzung 0 0 0 Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug Andere - - - Luftfahrzeug: Ultraleichtflugzeug Verletzte tödlich schwer leicht Muster: TL Ultralight/TL-96 Sting Besatzung 0 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug - Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Lokaler Rundflug Andere - - - Ereignis: Unfall mit tödlich Verletzten Datum, Uhrzeit: 05.02.2021, 12:40 Uhr (lokal) Ort, Staat: Sefferweich Schaden am LFZ: Zerstört Quelle: Untersuchung durch die BFU und Beauf- Aktenzeichen: BFU21-0041-3X tragte Das Flugzeug kollidierte während eines Fluges nach Sichtflugregeln im Nebel mit dem Erdboden. Luftfahrzeug: Flugzeug 0 bis 2.250 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: REIMS - F182 Besatzung 1 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug - Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Überlandflug Andere - - - Ereignis: Schwere Störung ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 13.02.2021, 06:45 Uhr (lokal) Ort, Staat: Leipzig Schaden am LFZ: Leicht Beschädigt Quelle: Untersuchung durch Mitarbeiter der BFU Aktenzeichen: BFU21-0052-EX Im Steigflug öffnete sich die Ladeluke. Das Luftfahrzeug kehrte zum Startflughafen zurück. Luftfahrzeug: Flugzeug 27.001 bis 272.000 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: BOEING - 757 Besatzung 0 0 0 Kommerzielle Luftfahrt - Linienflug - Interna- Passagiere 0 0 0 Betriebsart: tional - Frachtflug Andere - - - -8-
Bulletin Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 13.02.2021, 15:13 Uhr (lokal) Ort, Staat: Ilam, Iran, Islamic Republic of Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durch ausländische Aktenzeichen: BFU21-0055-DX Behörde. Im Schwebeflug geriet der Hubschrauber plötzlich außer Kontrolle und schlug mit Vorwärtsfahrt hart auf. Für den De- sign- und Herstellerstaat des Hubschraubers unterstützt die BFU die nationale Untersuchungsstelle gemäß Annex 13. Luftfahrzeug: Hubschrauber 2.251 bis 5.700 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: Messerschmitt Bölkow Blohm - BK117 Besatzung 0 0 0 Luftarbeit - Luftarbeit Gewerblich - Such- und Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Rettungsflug Andere - - - Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 17.02.2021, 13:00 Uhr (lokal) Ort, Staat: Moletai, Lithuania Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durch ausländische Behörde Aktenzeichen: BFU21-0077-DX Beim Startlauf kam das Luftfahrzeug von der Bahn ab und überschlug sich. Die BFU unterstützt die Untersuchung, da das Luftfahrzeug in Deutschland entworfen/hergestellt wurde. Luftfahrzeug: Ultraleichtflugzeug Verletzte tödlich schwer leicht Muster: FLIGHT DESIGN GMBH - CT Besatzung 0 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug - Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Lokaler Rundflug Andere - - - Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 18.02.2021, 11:30 Uhr (lokal) Ort, Staat: St. Gallen, Switzerland Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durch ausländische Behörde Aktenzeichen: BFU21-0069-DX Im Anflug auf den Zielflughafen landete das Luftfahrzeug in einem See. Die BFU unterstützt die Untersuchung, da die Besatzung aus deutschen Staatsbürgern bestand. Luftfahrzeug: Flugzeug 0 bis 2.250 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: PIPER - PA-34 SENECA Besatzung 0 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug - Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Überlandflug Andere - - - Ereignis: Schwere Störung ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 21.02.2021, 18:10 Uhr (lokal) Ort, Staat: Helsinki, Finland Schaden am LFZ: Leicht beschädigt Quelle: Untersuchung durch dieausländische Aktenzeichen: BFU21-0073-FX Behörde Beim Rollen auf dem Taxiway kam es zu einer Berührung des Triebwerks mit der Beschilderung. Die BFU unterstützt die Untersuchung, da das Triebwerk in Deutschland entworfen wurde. Luftfahrzeug: Flugzeug > 272.000 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: Airbus A350-941 Besatzung 0 0 0 Kommerzielle Luftfahrt - Linienflug - Interna- Passagiere 0 0 0 Betriebsart: tional - Passagierflug Andere - - - -9-
Bulletin Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 23.02.2021, 11:55 Uhr (lokal) Ort, Staat: Burg Feuerstein Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durch die BFU Aktenzeichen: BFU21-0070-3X Die Landung erfolgte ohne ausgefahrenes Fahrwerk. Es kam zu Beschädigungen am Rumpf und der Propeller wurde zerstört. Luftfahrzeug: Flugzeug 0 bis 2.250 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: CESSNA - 177 Besatzung 0 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug - Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Lokaler Rundflug Andere - - - Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 24.02.2021, 14:05 Uhr (lokal) Ort, Staat: Hildesheim Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durchdie BFU Aktenzeichen: BFU21-0075-3X Kurz nach dem Start blieb das Triebwerk stehen. Der Pilot führte eine Notlandung auf einem Feld durch. Bei der Lan- dung überschlug sich das Luftfahrzeug. Luftfahrzeug: Flugzeug 0 bis 2.250 kg Verletzte tödlich schwer leicht Muster: Amateurbau Pulsar XP Besatzung 0 0 0 Passagiere 0 0 0 Betriebsart: Allgemeine Luftfahrt - Privater Rundflug Andere - - - Ereignis: Unfall ohne Verletzte Datum, Uhrzeit: 27.02.2021, 15:02 Uhr (lokal) Ort, Staat: Burg Feuerstein Schaden am LFZ: Schwer beschädigt Quelle: Untersuchung durch die BFU Aktenzeichen: BFU21-0083-3X Im Endanflug kollidierte das Luftfahrzeug mit Bäumen und blieb in den Baumkronen hängen. Luftfahrzeug: Segelflugzeug Verletzte tödlich schwer leicht Muster: SCHLEICHER - ASK 21 Besatzung 0 0 0 Allgemeine Luftfahrt - Ausbildung - Ausbil- Passagiere 0 0 0 Betriebsart: dung - Alleinflüge unter Aufsicht Andere - - - - 10 -
Bulletin Teil 2 : Zwischenberichte Zwischenbericht Identifikation Art des Ereignisses: Schwere Störung Datum: 04.02.2021 Ort: nahe Bochum Luftfahrzeug 1: Flugzeug Hersteller: Reims Aviation Cessna Muster: Cessna F 172H Luftfahrzeug 2: Ultraleichtflugzeug Hersteller: TL-Ultralight Muster: TL-96 Sting Personenschaden: keiner Sachschaden: keiner Drittschaden: keiner Aktenzeichen: BFU21-0043-7X Kurzdarstellung Im Luftraum E kam es zu einer Annäherung zwischen einem Flugzeug und einem Ul- traleichtflugzeug. Beide Luftfahrzeuge wurden nach Sichtflugregeln geflogen. Der ge- ringste Abstand betrug etwa 40 m horizontal und 140 ft vertikal. - 11 -
Bulletin Sachverhalt Ereignisse und Flugverlauf Die Cessna F 172H befand sich auf einem privaten Rundflug. Start- und Zielort war der Verkehrslandeplatz Loemühle. Im Luftfahrzeug befand sich nur der verantwortli- che Luftfahrzeugführer (PIC). Der Pilot gab an, dass er sich südlich von Bochum be- fand und in nördliche Richtung flog, als das in der F 172H installierte Verkehrswarn- system (Avidyne TAS600) ein entgegenkommendes Luftfahrzeug in gleicher Höhe anzeigte. Kurze Zeit später habe das System eine akustische Warnung „Verkehr, 11 Uhr, gleiche Höhe, weniger als eine Meile“ ausgegeben. Der Pilot habe sofort seinen Kurs um ca. 30° nach rechts korrigiert und den Luftraum intensiv beobachtet. Einen Sichtkontakt habe er nicht herstellen können. Die F 172H flog mit einem Kurs über Grund von etwa 005° in einer Flughöhe von etwa 1 800 ft (AMSL), als es zu der An- näherung mit dem Ultraleichtflugzeug kam. Die TL-96 Sting befand sich auf einem privaten Rundflug. Der Pilot hatte nach eige- ner Aussage eine erweiterte Platzrunde geplant. Start- und Zielort war ebenfalls der Verkehrslandeplatz Loemühle. Im Luftfahrzeug befand sich nur der verantwortliche Luftfahrzeugführer (PIC). Der Pilot gab an, dass er sich in etwa 1 800 ft AMSL über Bochum befand und einen Kurs von etwa 240° flog, als ihm aus etwa der 11-Uhr- Position ein anderes Luftfahrzeug entgegenkam. Er habe dieses erst 1 bis 2 Sekunden vor dem Passieren gesehen. Das andere Luftfahrzeug habe sein eige- nes wenige Meter oberhalb passiert. Er schätzte den Abstand mit deutlich unter 10 m ein. Er habe einen roten Hochdecker erkennen können. Eine Warnung durch das im Ultraleichtflugzeug installierte Kollisionswarnsystem habe er nicht erhalten. Er führte kein Ausweichmanöver aus. Der geringste ermittelte Abstand betrug 13:45:28 Uhr1 43 m horizontal und 141 ft vertikal (Abb. 1). Beide Flugzeuge setzten ihre Flüge anschließend planmäßig fort. 1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit - 12 -
Bulletin Abb. 1: Flugwege (TL-96 Sting: blau, Cessna F 172H: rot) Quelle: Flugsicherungsunternehmen/OpenStreetMap, Bearbeitung: BFU Angaben zu Personen Pilot Cessna F 172H Der 71-jährige verantwortliche Pilot war im Besitz einer Lizenz für Privatpiloten (PPL(A)), erteilt durch das Luftfahrt-Bundesamt, Ausstellungsdatum: 20.07.2010, mit den folgenden Berechtigungen: SEP (land) PIC gültig bis: 31.07.2022 IR gültig bis: 31.12.2021 Er verfügte über ein Flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis der Klasse 2, gültig bis zum 01.07.2021 und LAPL, gültig bis zum 01.07.2022, mit der Einschränkung VDL (Korrektur für eine eingeschränkte Sehschärfe in der Ferne). Er hatte eine Gesamtflugerfahrung von etwa 2 020 Stunden, davon etwa 1 500 Stunden auf dem betroffenen Muster. - 13 -
Bulletin Pilot TL-96 Sting Der 59-jährige verantwortliche Pilot war im Besitz eines Luftfahrerscheins für Luft- sportgeräteführer, erteilt durch den Deutschen Aero Club e. V., Ausstellungsdatum: 09.06.2017, Gültigkeit: unbegrenzt in Verbindung mit einem gültigen Flugmedizini- schen Tauglichkeitszeugnis. Er verfügte über ein Flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis (LAPL), gültig bis zum 28.11.2022, mit der Einschränkung VDL (Korrektur für eine eingeschränkte Seh- schärfe in der Ferne). Er hatte eine Gesamtflugerfahrung von etwa 245 Stunden, davon etwa 100 Stunden auf dem betroffenen Muster. Angaben zu den Luftfahrzeugen Reims Aviation Cessna/Cessna F 172H Bei dem betroffenen Flugzeugmuster handelt es sich um einen einmotorigen Hoch- decker mit Kolbentriebwerk. Es bietet Platz für vier Personen. Die maximale Abflug- masse beträgt 1 043 kg. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde privat betrieben. Es verfügte über einen Transponder, der eingeschaltet war. Weiterhin verfügte es über ein Kollisionswarnsystem (Avidyne TAS600). Dieses System ermöglicht es, Warnungen über andere Luftfahrzeuge zu erhalten, die ein Transpondersignal (Mode-S) abstrahlen. TL-Ultralight/TL-96 Sting Bei dem betroffenen Ultraleichtflugzeugmuster handelt es sich um einen einmotori- gen Tiefdecker mit Kolbentriebwerk. Die maximal zulässige Abflugmasse beträgt 472,5 kg. Es bietet Platz für zwei Personen. Das Ultraleichtflugzeug war in Deutsch- land zum Verkehr zugelassen und wurde privat in einer Haltergemeinschaft betrie- ben. Es verfügte über einen Transponder, der eingeschaltet war. Weiterhin verfügte es über ein Kollisionswarnsystem (AIR Avionics AT-01). Dieses System ermöglicht es, Warnungen über andere Luftfahrzeuge zu erhalten, die entweder ein ADS-B, Mode-S oder FLARM-Signal abstrahlen. - 14 -
Bulletin Meteorologische Informationen In der Routinewettermeldung (METAR) des ca. 18 NM von Loemühle entfernten Flughafens Dortmund von 13:50 Uhr wurden folgende Bedingungen angegeben: Bodenwind: 230°, 7 kt Bodensicht: mehr als 10 km leichte Bewölkung mit einer Untergrenze von 2 100 ft AGL, durchbrochene Bewöl- kung mit einer Untergrenze von 3 500 ft AGL Temperatur: 8° C, Taupunkt: 4° C QNH: 1 014 hPa Nach Aussage der beteiligten Piloten herrschten Sichtflugbedingungen vor. Die Sonne stand ca. in Richtung 200° in einem Winkel von 20° über dem Horizont. Funkverkehr Keiner der beiden Piloten nutzte den Fluginformationsdienst. Der Pilot der TL-96 Sting hörte nach eigenen Angaben den Funkverkehr des Verkehrslandeplatzes Lo- emühle mit. Funkaufzeichnungen lagen der BFU nicht vor. Angaben zum Luftraum Die beteiligten Luftfahrzeuge befanden sich zum Zeitpunkt der Annäherung im Luft- raum E in ca. 1 800 bis 1 900 ft AMSL. Der Luftraum E ist ein kontrollierter Luftraum, in dem sowohl Flüge nach Instrumen- tenflugregeln als auch Flüge nach Sichtflugregeln stattfinden. IFR-Flüge werden zu IFR-Flügen, nicht aber zu VFR-Flügen gestaffelt. Soweit möglich, erhalten IFR-Flüge Verkehrsinformationen in Bezug auf VFR-Flüge. VFR-Flüge erhalten, soweit möglich, ebenfalls Verkehrsinformationen. Für VFR-Flüge gelten weiterhin folgende Wetterbedingungen: 5 km Flugsicht (ab Flugfläche 100, 8 km), Abstand zu den Wolken 1,5 km horizontal und 1 000 ft verti- kal. Oberhalb von 5 000 ft AMSL besteht für motorgetriebene Luftfahrzeuge Trans- ponderpflicht. - 15 -
Bulletin Flugdatenaufzeichnung Die Radardaten wurden der BFU durch das Flugsicherungsunternehmen zur Verfü- gung gestellt. Untersuchungsführer: C. Blanke Mitwirkung: E. Schubert Die Untersuchung wird in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto- ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun- gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl- len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall- Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen. Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str. 16 38108 Braunschweig Telefon 0 531 35 48 - 0 Telefax 0 531 35 48 - 246 Mail box@bfu-web.de Internet www.bfu-web.de - 16 -
Bulletin Zwischenbericht Identifikation Art des Ereignisses: Unfall Datum: 05.02.2021 Ort: Sefferweich Luftfahrzeug: Flugzeug Hersteller: Reims Aviation Cessna Muster: Cessna FR 182 Personenschaden: Pilot tödlich verletzt Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört Drittschaden: Flurschaden Aktenzeichen: BFU21-0041-3X Kurzdarstellung Das Flugzeug kollidierte während eines Fluges nach Sichtflugregeln im Nebel mit dem Erdboden. - 17 -
Bulletin Sachverhalt Ereignisse und Flugverlauf Der Luftfahrzeugführer startete mit dem Flugzeug Cessna FR 182 um 12:09 Uhr1 auf dem Flugplatz Genk-Zwartberg in Belgien zu einem privaten Flug nach Sichtflugre- geln. Ziel des Fluges war der Flugplatz Hohenems-Dornbirn in Österreich. Der Flugweg konnte anhand von Radardaten der Bundeswehr und des Flugsiche- rungsunternehmens rekonstruiert werden. Die Radaraufzeichnung endete um 12:39:45 Uhr in der Nähe der Ortschaft Sefferweich in einer Höhe von 2 900 ft AMSL2 südlich der Unfallstelle (Abb. 1). Abb. 1: Flugverlauf im Zeitraum von 12:39 bis 12:39:45 Uhr Quelle: Bundeswehr, Flugsicherungsunternehmen, OpenStreetMap, Bearbeitung BFU Ein Zeuge, der sich im Gebiet der Unfallstelle aufhielt, gab an, dass er das Motoren- geräusch eines Flugzeuges wahrgenommen habe. Er habe es aber wegen des Ne- bels, der in der Gegend vorherrschte, nicht sehen können. Dann habe es einen „rich- tig heftigen Knall“ gegeben und ihm sei klar gewesen, dass das Flugzeug abgestürzt sein muss. Kurz darauf konnte er die Unfallstelle lokalisieren und einen Notruf abset- zen. 1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit 2 1 467 ft bzw. 447 m AGL - 18 -
Bulletin Bei dem Unfall erlitt der Pilot tödliche Verletzungen und das Flugzeug wurde zerstört. Angaben zur Person Der 27-jährige Luftfahrzeugführer war österreichischer Staatsbürger und besaß eine in Österreich ausgestellte Privatpilotenlizenz. Diese Lizenz wurde am 24.07.2013 gemäß Teil-FCL der Europäischen Union ausgestellt und enthielt folgende Berechti- gungen: SEP (land), gültig bis 30.04.2021 TMG, gültig bis 30.04. 2021 Sailplane towing, unbefristet gültig Die in der Lizenz eingetragenen Sprechfunkrechte waren beschränkt auf die Bedie- nung der Sprechfunkausrüstung in deutscher Sprache. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war ohne Auflagen bis zum 25.05.2025 gültig. Laut seinem persönlichen Flugbuch besaß er eine Gesamtflugerfahrung von 839 Stunden. Auf dem betroffenen Flugzeugmuster hatte er im Zeitraum der letzten 12 Monate eine Flugzeit von 29 Stunden absolviert. Angaben zum Luftfahrzeug Bei dem Flugzeug handelte es sich um einen einmotorigen, abgestrebten Schulter- decker in Ganzmetallbauweise mit einziehbarem Fahrwerk in Bugradanordnung. Es war mit einem Kolbentriebwerk und einem Zweiblatt-Metallpropeller ausgestattet. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde von einem Verein in Österreich betrieben. Hersteller: Reims Aviation Cessna Muster/Baureihe: Cessna FR 182 Werknummer: FR 182-0011 Baujahr: 1978 Triebwerksmuster: Lycoming O-540-J3C5D Propellermuster: McCauley B2D34C214/90DHB-8 Leermasse: 907 kg - 19 -
Bulletin höchstzulässige Startmasse: 1 406 kg Gesamtbetriebszeit: 6 626 Stunden Laut den technischen Unterlagen wurde die letzte Bescheinigung über die Lufttüch- tigkeit am 04.02.2021 ausgestellt. Vor dem Flug war das Flugzeug mit 144 l AvGas betankt worden. Meteorologische Informationen Laut eines Zeugen herrschte im Gebiet der Unfallstelle Nebel. Die BFU beauftragte den Deutschen Wetterdienst mit der Erstellung eines flugmeteo- rologischen Gutachtens. Funkverkehr Nach Überflug der belgisch-deutschen Grenze hatte der Pilot keinen weiteren Sprechfunkverkehr mit einem Flugsicherungsdienst durchgeführt. Navigationshilfen Die Radardaten des Fluges wurden durch die BFU ausgewertet. Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug Die Unfallstelle lag etwa 1 km nordöstlich der Ortschaft Sefferweich inmitten eines Windparks auf einer ebenen, landwirtschaftlich genutzten Fläche. Sie erstreckte sich in Richtung 005° mit einer Ausdehnung von etwa 270 x 50 m (Abb. 2 und 3). Die Hö- he der Unfallstelle betrug 450 m AMSL. Der Bereich war von hügeligem Gelände umgeben. - 20 -
Bulletin Abb. 2: Blick in Aufprallrichtung, die ersten Spuren des Aufpralls sind eine etwa 8 m und eine etwa 14 m lange Bodenspur. Quelle: Polizei - 21 -
Bulletin Abb. 3: Endlage Hauptwrack Quelle: Polizei, Bearbeitung BFU Der Kabinenbereich der Luftfahrzeugzelle war zerstört. Von den 4 Sitzen waren 3 mit der Bodengruppe des mittleren Rumpfteils verbunden, der vierte Sitz war herausge- rissen. Die beiden Blätter des Propellers saßen im Hub und ließen sich frei drehen. Die Blät- ter waren von den Spitzen ausgehend spiralförmig nach hinten aufgerollt. Ein Blatt war zusätzlich nach vorn geknickt. Der Motor wies keine offensichtlichen äußeren Schäden auf, die sich nicht dem Un- fall zuordnen ließen. Die Kurbelwelle des Motors ließ sich frei drehen. Alle drei Fahrwerksbeine befanden sich am Hauptwrack. Der Zerstörungsgrad der umgebenden Struktur ließ keine Aussage zur Konfiguration der Fahrwerksstellung zu. Teile der Steuerungsanlage waren über die gesamte Unfallstelle verteilt. Eine Beur- teilung des Zustandes und der Funktion der Steuerungsanlage waren aufgrund des Zerstörungsgrades der Komponenten nicht möglich. - 22 -
Bulletin Der Klappenantrieb der Landeklappen konnte im Trümmerfeld nicht identifiziert wer- den. Angaben zur Konfiguration der Landeklappen waren somit nicht möglich. Die linke Tragfläche wurde in einem Stück vorgefunden. Die Landeklappe war mit der Tragfläche verbunden. Das Querruder und Teile des Randbogens waren abge- rissen, konnten aber an der Unfallstelle identifiziert werden. Von der rechten Tragfläche waren Bruchstücke über die gesamte Unfallstelle verteilt, Teile des Randbogens, des Querruders und der Landeklappe konnten identifiziert werden. Das Instrumentenbrett respektive die Anzeigegeräte und Instrumente waren zerstört. Es konnten lediglich Bruchstücke des Garmin G5 EFIS und des Engine Data Moni- tors identifiziert werden. Die gefundenen Bruchstücke enthielten keine Speicherme- dien. Medizinische und pathologische Angaben Laut Obduktion verstarb der Pilot an einem Polytrauma. Brand Es gab keinen Hinweis auf ein Feuer im Fluge oder nach dem Aufprall. Untersuchungsführer: Jens Eisenreich Untersuchung vor Ort: Thomas Kostrzewa, Paul Kirchner, Uwe Berndt, Heinrich Köhn, Stefan Lohmann Analyse der Flugwegdaten: Ekkehart Schubert - 23 -
Bulletin Die Untersuchung wird in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto- ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun- gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl- len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall- Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt. Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen. Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str. 16 38108 Braunschweig Telefon 0 531 35 48 - 0 Telefax 0 531 35 48 - 246 Mail box@bfu-web.de Internet www.bfu-web.de - 24 -
Bulletin Zwischenbericht Identifikation Art des Ereignisses: Schwere Störung Datum: 13.02.2021 Ort: nahe Leipzig Luftfahrzeug: Frachtflugzeug Hersteller: Boeing Company Muster: 757-236 PCF Personenschaden: ohne Verletzte Sachschaden: Luftfahrzeug leicht beschädigt Drittschaden: keiner Aktenzeichen: BFU21-0052-EX Kurzdarstellung Während des Anfangssteigflugs öffnete sich das Frachttor des Flugzeugs. Die Be- satzung erklärte Luftnotlage und kehrte zum Startflughafen zurück. - 25 -
Bulletin Sachverhalt Ereignisse und Flugverlauf Das Frachtflugzeug rollte nach der Landung des vorherigen Fluges um 23:19 Uhr1 auf die Parkposition B424 des Flughafens Leipzig/Halle. Die Parkposition wurde von einer Kamera überwacht. Auf dem Film waren die folgenden Vorgänge zu sehen: Um 23:21 Uhr wurde das Frachttor durch die vorhergehende Flugbesatzung zu etwa 85 % geöffnet. Die Besatzung verließ um 23:27 Uhr das Flugzeug. Anschließend wurde es vom Bodenpersonal übernommen. Um 23:33 Uhr wurde das Frachttor wei- ter geöffnet, der Öffnungsvorgang wurde kurz gestoppt und das Tor dann vollständig geöffnet. Um 23:34 Uhr wurde das Frachttor durch das Bodenpersonal in einem Zu- ge vollständig geschlossen. Der Schließvorgang dauerte etwa 45 s. Um 23:36 Uhr wurde das Tor erneut, etwa 20 % weit geöffnet und um 23:37 Uhr wieder vollständig geschlossen. Die Fracht blieb an Bord des Flugzeugs. Um 03:20 Uhr ging die neue Flugbesatzung an Bord. Eine Person blieb in der Besat- zungstür stehen und öffnete das Frachttor vollständig. Der Öffnungsvorgang dauerte etwa 36 s. Das Entladen des Flugzeugs begann um 03:24 Uhr. Um 03:35 Uhr traf die mitfliegende Person (Jump Seater) ein und ging an Bord. Der Kapitän verließ um 03:38 Uhr das Flugzeug und führte die Außenkontrolle durch. Um 03:42 Uhr kehrte er zurück. Das Entladen war um 04:09 Uhr beendet. Das Beladen des Flugzeugs mit neuer Fracht für den Flug nach Frankfurt am Main begann um 04:15 Uhr und war um 04:41 Uhr beendet. Um 04:43 Uhr erschien eine Person in der geöffneten Besatzungstür und schloss das Frachttor vollständig in ei- nem Zug. Nach Aussage des Kapitäns war er es, der das Frachttor vollständig schloss, so dass alle Kontrollleuchten auf dem Bedienfeld erloschen waren und das Frachttor bündig mit dem Rumpf abschloss. Nach Aussagen beider Besatzungsmit- glieder war die Warnlampe im Cockpit zur Überwachung der Frachttür ebenfalls erlo- schen. Um 04:53 Uhr wurde das Flugzeug aus der Parkposition gedrückt. Das ge- samte Flugzeug, Tragflächen, Rumpf und Leitwerke wurden mit Enteisungsflüssigkeit Typ 4 enteist. Es rollte zur Piste 26L und startete um 05:31 Uhr mit Ziel Frankfurt am Main. Während des Anfangssteigflugs bemerkte die Besatzung eine ungewöhnliche Druck- änderung, was sich in einer hohen angezeigten Kabinen-Steigrate zeigte. Physisch 1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit - 26 -
Bulletin wirkte sich das auf die Besatzung durch ein Knacken in den Ohren aus. Vorsorglich wurde der Cabin Altitude Mode von AUTO 2 auf AUTO 1 gewechselt. Die dritte Per- son an Bord, die auf dem zusätzlichen Passagiersitz im Bereich zwischen Cockpit und oberem Frachtraum saß, berichtete von permanenten Luftzuggeräuschen in die- ser Phase des Fluges. Um etwa 05:34 Uhr, in einer Höhe von ca. 5 100 ft (AMSL), bei einer Geschwindigkeit von etwa 240 kt, vernahm die Besatzung ein lautes Ge- räusch. Aufgrund der Wahrnehmung und der Cockpitanzeige schloss die Besatzung, dass es sich um eine Fehlöffnung des Frachttors handelte. Es wurde Luftnotlage er- klärt, der Steigflug beendet und nach der Freigabe durch München Radar mit dem Sinkflug begonnen, sowie die Geschwindigkeit reduziert. Die Besatzung entschied sich nach Leipzig zurückzukehren. Aufgrund der geringen Windgeschwindigkeit am Boden kehrte das Flugzeug direkt um (Abb. 1) und es wurde in Absprache mit Mün- chen Radar ein Anflug entgegen der Startrichtung für das ILS 08R durchgeführt. In der, durch die Flugsicherung angewiesenen Linkskurve zurück zum Flughafen Leipzig/Halle, bemerkte die Besatzung, dass es mit dem zu diesem Zeitpunkt einge- schalteten Autopilot schwierig war, die vorgegebene Änderung des Steuerkurses durchzuführen. Der Kapitän übernahm bei einem südlichen Steuerkurs die manuelle Kontrolle und realisierte eine deutliche Änderung der Reaktion des Flugzeugs auf Steuereingaben. In diesem Zeitraum wurden die EICAS (Engine Indication and Crew Alerting System) Meldungen L AFT FUEL PUMP und FUEL CONFIG angezeigt und die Kraftstoffanzeige des linken Haupttanks zeigte, nach Aussage der Kopilotin, ca. 1 t weniger als die zu erwartende Menge an. Die Linkskurve wurde fortgesetzt und bei Erreichen eines nördlichen Kurses verschwanden die EICAS Meldungen und die Kraftstoffanzeige im linken Haupttank begann wieder zu steigen. Die Besatzung kon- figurierte das Flugzeug frühzeitig für den Endanflug und schaltete kurz vor Erreichen des Localizer 08R zunächst einen und schließlich alle drei Autopiloten ein. Die Lan- dung erfolgte dann um 05:48 Uhr automatisch und verlief ohne weitere Probleme. - 27 -
Bulletin Abb. 1: Radarplot vom Flugverlauf Quelle: Flugsicherungsorganisation Nach der Landung blieb das Flugzeug in Absprache mit der Flugsicherung zunächst auf der Landebahn stehen, bevor es dann auf das Vorfeld 4 gezogen wurde. Die Ab- bildung 2 zeigt das Flugzeug ca. 33 min nach der Landung mit vollständig geöffne- tem Frachttor. - 28 -
Bulletin Abb. 2: Vollständig geöffnetes Frachttor nach der Landung Quelle: Halter Angaben zu Personen Der 38 Jahre alte verantwortliche Luftfahrzeugführer war im Besitz der Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL(A)) mit der Musterberechtigung für Boeing B 757/767, ausge- stellt durch die Luftfahrtbehörde des Vereinigten Königreiches. Er verfügte über ein gültiges flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1. Nach Angaben der Flug- gesellschaft betrug seine Gesamtflugerfahrung 4 000 Stunden, davon entfielen 3 800 Stunden auf Flugzeuge des Musters Boeing 757. In den letzten 90 Tagen vor dem Ereignis hatte er auf dem Muster 68 Stunden geflogen. Die Copilotin im Alter von 26 Jahren war im Besitz der Lizenz für Berufspiloten (CPL(A)) mit der Musterberechtigung für Boeing B 757/767, ausgestellt durch die schwedische Luftfahrtbehörde. Sie verfügte über ein gültiges flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1. Ihre Gesamtflugerfahrung betrug nach Angaben der Fluggesellschaft 1 100 Stunden, davon hatte sie 350 Stunden auf Flugzeugen des Musters Boeing 757 geflogen. In den letzten 90 Tagen vor dem Ereignis hatte sie auf dem Muster 97 Stunden geflogen. Die dritte Person an Bord war ein Luftfahrzeugführer eines anderen Luftfahrtunter- nehmens, der als Jump Seater den Flug nach Frankfurt am Main genutzt hatte. Er besaß keine Musterberechtigung für Boeing B 757/767 und war an der Flugdurchfüh- rung nicht beteiligt. - 29 -
Bulletin Angaben zum Luftfahrzeug Das Luftfahrzeugmuster 757-236 PCF des Herstellers Boeing ist ein Ganzmetall- Tiefdecker mit Einziehfahrwerk in Bugradanordnung. Angetrieben wird es von 2 Strahltriebwerken. Das Flugzeug ist im Vereinigten Königreich zum Verkehr zugelas- sen und wird von einem britischen Frachtflugunternehmen betrieben. Im Jahr 2011 wurde das Flugzeug mit der Werknummer 25620 von einem luftfahrt- technischen Betrieb vom Passagier- zum Frachtflugzeug umgebaut (Cargo Conver- sion Number 029). Die höchstzulässige Startmasse war im Load Plan mit 95 604 kg und die maximal zu- lässige Landemasse mit 95 254 kg angegeben. Die in den Beladepapieren kalkulier- te tatsächliche Startmasse betrug 76 232 kg. Es hatte zum Zeitpunkt der Störung ei- ne Gesamtbetriebszeit von etwa 60 790 Stunden, bei der etwa 20 210 Landungen durchgeführt wurden. Abb. 3: Drei-Seiten-Ansicht Quelle: Internet Aufbau und Funktionsweise des Frachttors - 30 -
Bulletin Bei der Umrüstung vom Passagier- zum Frachtflugzeug wurde im vorderen linken Rumpfbereich ein Frachttor eingebaut. Das Frachttor hat eine Breite von 3,40 m und eine Höhe von 2,18 m. Das obere Ende ist mit mehreren Stangenscharnieren mit dem Rumpf schwenkbar verbunden. Das Frachttor wird von 2 Hydraulikhubzylindern (Lift Actuator), die in den beiden oberen Ecken angebracht sind, nach oben geöffnet und nach unten geschlossen. Der Verriegelungsmechanismus für das Frachttor befindet sich an seinem unteren Rand und im Kabinenboden. Der Schließmechanismus wird durch eine Abdeckung nach innen geschützt. Beim Verriegeln werden 8 bewegliche Haken (Latches), die im unteren Bereich des Tores angebracht sind, in 8 Ösen, die sich im Kabinenboden be- finden, eingehakt. Der Verriegelungsmechanismus der Haken besitzt eine gemein- same Verbindungsstange, die über einen Exzenter von einem Hydraulikzylinder an- getrieben wird. Jeder Haken wird durch eine zugehörige Stange, die über einen Hebel mit der Verbindungsstange gekoppelt ist, verfahren. Durch diesen Antrieb grei- fen die Haken in die Ösen und ein interner Mechanismus wird überdrückt, um das Tor fest zu verschließen. Durch das Überdrücken werden im Hakenmechanismus 3 Bohrlöcher übereinander gebracht, durch die an jedem Haken ein Sicherungsstift (Lock Pin) gesteckt wird. Die 8 Sicherungsstifte sitzen auf einer weiteren Verbin- dungsstange und werden durch einen zugehörigen Hydraulikzylinder bewegt. Die Enden der Sicherungsstifte, die durch die Sicherungsbohrungen der Haken ragen, sind farblich markiert. Dadurch kann der korrekte Verschluss von außen durch 8 Schaugläser mit einem innenliegenden Spiegelsystem beobachtet werden. Nachdem die Haken verriegelt und die Sicherungsstifte in ihrer Position sind, wird ein Gestänge (Vent Door Interlock Bar) freigegeben, so dass die beiden Druckaus- gleichsklappen (Vent Door) geschlossen werden können. Ihr Antrieb erfolgt ebenfalls über einen Hydraulikzylinder. Gesteuert und kontrolliert wird das Frachttor über eine Schalttafel (Main Cargo Door – Control Panel), die sich im Eingangsbereich an der linken Cockpitrückwand befin- det. Auf der Schalttafel befindet sich ein gesicherter Hauptschalter, mit dem das Sys- tem eingeschaltet wird. Die Steuerung des Tores erfolgt über 2 federbeaufschlagte Schalter (Zweihandsteuerung), die nach dem Loslassen in ihre Nullposition zurück- schnellen. Des Weiteren befinden sich auf der Schalttafel eine Warnlampe und 4 Statuslampen, die die einzelnen Schließzustände des Tores anzeigen. Wenn das Frachttor vollständig geschlossen ist, sind alle Leuchten erloschen. Angesteuert wer- den die Lampen über Mikroschalter im Schließmechanismus. Jede Funktion ist mit 2 Schaltern gesichert und jeder Schalter verfügt über 2 unabhängige Kabelverbin- - 31 -
Bulletin dungen zur Schalttafel. Die elektrohydraulische Steuerung des Frachttors erfolgt über eine separate, elektrische Schaltung, die mit einer Spannung von 28 V Gleich- strom aus dem Bordnetz des Flugzeugs gespeist wird. Im Cockpit wird das Frachttor von einer Warnlampe auf der linken Seite des zentralen Instrumentenbretts (P2) überwacht. Die Hydraulikzylinder im Frachttor werden von einem Hydraulikaggregat versorgt, das sich auf der rechten Seite im unteren, vorderen Frachtraum befindet. Das Ag- gregat hat keine Verbindung zur Flugzeughydraulik. Der Elektromotor für die Hydrau- likpumpe wird vom 115 V Wechselstromnetz des Flugzeugs versorgt. Bei Ausfall der elektrischen Versorgung kann die Hydraulik mit einer Handpumpe betrieben werden. Beim Schließvorgang des Frachttors werden zunächst die Hubzylinder mit Hydrau- likdruck versorgt, bis sie das Tor vollständig herabgelassen haben. Die Kontrolllampe „NOT CLOSED“ auf der Schalttafel erlischt. Dann erhöht sich der Systemdruck und über ein Ventil wird, ab einem Druck von 2 000 psi, dieser an den Hydraulikzylinder für die Verschlusshaken weitergegeben, der diese in die Ösen fährt und überdrückt. Die Kontrolllampe „NOT LATCHED“ erlischt. Der Druck wird weiter erhöht und ab ei- nem Wert von 2 400 psi wird dieser über ein weiteres Ventil freigegeben und die 8 Sicherungsstifte werden mit Hilfe des zugehörigen Hydraulikzylinders in die Siche- rungsbohrungen der Haken gesteckt. Daraufhin erlischt die Kontrolllampe „NOT LOCKED“. Zum Schluss werden durch den wiederum erhöhten Hydraulikdruck ge- steuert über ein Ventil, das ab 2 800 psi anspricht, die Druckausgleichsklappen durch den zugehörigen Zylinder geschlossen. Dies führt dazu, dass die Kontrolllampen „VENT DOOR OPEN“ und „MAIN CARGO DOOR“ auf der Schalttafel erlöschen, ebenso wie die Warnlampe „MAIN CARGO DOOR“ im Cockpit. Wenn alle Lampen erloschen sind, ist das Frachttor vollständig verschlossen und verriegelt. Die Bedienung des Frachttors erfolgte immer von der Schalttafel aus. Sie wurde von der Besatzung oder entsprechend ausgebildetem Bodenpersonal durchgeführt. - 32 -
Bulletin Abb. 4: Frachttor Quelle: Hersteller - 33 -
Bulletin Frachtraum Der Kabinenboden wurde mit Befestigungen für Luftfrachtcontainer ausgerüstet. In der Kabine konnten max. 15 Container verstaut werden. Am Ereignistag wurden 11 Container auf den Positionen 1 und 6 bis 15 mitgeführt. Die Positionen 2 bis 5, die sich im Bereich des Frachttors befinden, blieben frei. Abb. 5: Frachträume Quelle: Halter Meteorologische Informationen Die Routinewettermeldung (METAR) von Leipzig/Halle von 04:20 UTC beschrieb folgende Wetterverhältnisse: Wind: 270°/3 kt Sicht: RVR RWY 26L 500 m (Änderungstendenz sinkend) Bewölkung: einzelne Nebelschwaden, ansonsten keine signifikante Bewölkung Temperatur: -15 °C Taupunkt: -17 °C Luftdruck (QNH): 1 038 hPa Im Zeitraum, in dem das Flugzeug auf der Parkposition stand, herrschte gefrierender Nebel, der ab etwa 03:40 UTC in Nebelschwaden überging. Navigationshilfen Der Flug wurde unter Instrumentenflugbedingungen durchgeführt. Für den Anflug und die Landung auf die Piste 08R wurde das Instrumentenlandesystem genutzt. Die Radaraufzeichnung des Fluges wurde der BFU von der Flugsicherungsorganisa- tion zur Auswertung zur Verfügung gestellt (Abb. 1). - 34 -
Bulletin Funkverkehr Der Funkverkehr zwischen der Besatzung und den Flugverkehrskontrollstellen wurde aufgezeichnet. Eine Umschrift der Aufzeichnungen wurde der BFU zur Verfügung gestellt. Angaben zum Flugplatz Der internationale Verkehrsflughafen Leipzig/Halle verfügte über 2 Pisten mit einem Belag aus Beton. Die Pisten haben die Bezeichnung 08R/26L bzw. 08L/26R und wa- ren jeweils 3 600 m lang und 60 bzw. 45 m breit. Der Flughafen verfügte über 5 Vor- felder mit einem Belag aus Beton. Die Parkposition, auf der das Frachtflugzeug vor dem Abflug abgestellt war, befand sich auf dem Vorfeld 4. Flugdatenaufzeichnung Der Flugdatenschreiber (FDR), Honeywell SSFDR-12311, und der Cockpit Voice Recorder (CVR), Honeywell SSCVR-0829, standen der BFU zur Auswertung zur Verfügung. Die Rekorder konnten ohne Probleme ausgelesen werden. FDR Diagramm In Abbildung 6 sind folgende Parameter des gesamten Fluges dargestellt: Pressure Altitude in [ft], Computed Airspeed in [kt], Vertical Speed in [ft/min], Head- ing Magnetic in [°], Roll Angle in [°], Left Aileron Position in [°], Right Aileron Position in [°],Lateral Acceleration in [g], Vertical Acceleration in [g], Angle of Attack in [°] sowie den Status der Autopiloten A/P-L, A/P-C und A/P-R (ein- oder ausgeschalteter Zustand). - 35 -
Bulletin Abb. 6: FDR Daten des gesamten Fluges Quelle: BFU - 36 -
Bulletin Das Diagramm in Abbildung 7 zeigt einen Zeitraum von 2,5 min vor und ca. 6 min nach der Öffnung des Frachttors mit den gleichen Parametern, die auch in Abbil- dung 6 dargestellt wurden. Nach dem Einfahren der Klappen und der Beschleuni- gung des Flugzeugs auf ca. 240 kt kam es um 04:34:29 UTC in einer Höhe von ca. 5 100 ft (AMSL) zu einem plötzlichen Anstieg der seitlichen Beschleunigung (Lateral Acceleration) von 0 auf +0,1 g und einer Änderung des Steuerkurses um 5° nach rechts. Zu diesem Zeitpunkt war auf dem Cockpit Voice Recorder eine starke Zu- nahme der Lautstärke der Umgebungsgeräusche zu hören. In dieser Phase des Flu- ges war der Autopilot A/P-C aktiv. Das Flugzeug reagierte, wie in Abbildung 7 darge- stellt, zunächst mit einem geringen Rollwinkel nach rechts, welcher durch die Querruderausschläge (Left und Right Aileron Position) kompensiert wurde und dann zu einer Schräglage von 5° bis 8° nach links führte. Der Steuerkurs verringerte sich danach (bis 04:35:19 UTC) auf den ursprünglich eingestellten Steuerkurs. Um 04:34:37 UTC drückte die Besatzung den Altitude HOLD Schalter auf dem Mode Control Panel. Das Flugzeug beendete den Steigflug und ging um 04:34:49 UTC in den Sinkflug über. Nachdem um 04:35:23 UTC der Steuerkurs für eine Linkskurve zurück zum Flugha- fen Leipzig/Halle eingegeben wurde, stieg die seitliche Beschleunigung auf ca. 0,15 g an und das Flugzeug änderte zunächst den Steuerkurs. Ab einem Steuer- kurs von ca. 160° (um 04:37:29 UTC) erkennt man jedoch in Abbildung 7, dass sich dieser kaum noch änderte. Um 04:38:25 UTC wurde der A/P-C ausgeschaltet (Abb. 7) und das Flugzeug manuell gesteuert. Danach wurden unter anderem zu- nächst größere Querruderausschläge und ein kurzeitiger Anstieg des Rollwinkels auf ca. 37° nach links vom FDR aufgezeichnet. Zusätzlich kam es zu einer weiteren Än- derung der seitlichen Beschleunigung auf ca. 0,25 g. Die Änderung des Steuerkurses nahm wieder zu und die Linkskurve wurde weiter fortgeführt. In Abbildung 8 sind neben der seitlichen Beschleunigung und des Rollwinkels auch Kraftstoff- und Triebwerksparameter dargestellt. Vor Abschalten des A/P-C um 04:38:10 UTC wurde im linken Haupttank eine Kraft- stoffmenge von 2 703 kg und im rechten eine von 2 993 kg angezeigt (Abb. 8). Diese Differenz von 290 kg zwischen beiden Haupttanks änderte sich um 04:39:16 UTC auf 792 kg, 25 s nachdem die seitliche Beschleunigung auf ca. 0,25 g angestiegen war. Die EICAS Meldung L AFT FUEL PUMP wurde um 04:38:57 UTC ausgelöst, etwa zur gleichen Zeit, als sich die seitliche Beschleunigung auf ca. 0,25 g änderte, und verschwand um 04:39:29 UTC wieder. Zu dieser Zeit betrug die seitliche Beschleuni- gung ca. 0,05 g. Die EICAS Meldung FUEL CONFIG wurde um 04:39:29 UTC aus- gelöst, 13 s nachdem die Differenz der beiden Haupttanks 792 kg betragen hatte. - 37 -
Bulletin Um 04:39:24 UTC verringerte sich der EPR (Engine Pressure Ratio) Wert des linken Triebwerks gegenüber dem des rechten (Abb. 8) auf 1,025. Zu diesem Zeitpunkt war der Rollwinkel auf 37° nach links angestiegen. Die Schubhebelstellung TLA (Thrust Lever Angle) beider Triebwerke war in diesem Moment in etwa gleich. Um 04:39:39 UTC, 15 Sekunden später, zeigten beide Triebwerke wieder annähernd gleiche EPR Werte. - 38 -
Bulletin Abb. 7: FDR Daten in einem Zeitraum von 2,5 min vor und 6 min nach Öffnung des Frachttors Quelle: BFU - 39 -
Bulletin Abb. 8: Triebwerks- und Kraftstoffparameter Quelle: BFU Feststellungen am Luftfahrzeug - 40 -
Bulletin Nachdem das Flugzeug gelandet war, blieb es zunächst auf der Landebahn stehen. Die Triebwerke wurden abgestellt. Das Flugzeug wurde äußerlich von Feuerwehr und Bodenpersonal bezüglich möglicher Gefahrenquellen begutachtet. Dabei wurde das Fehlen der Innenverkleidung des Tores festgestellt. Auf einem Foto (Abb. 9), das noch auf der Piste entstanden war, ist zu sehen, dass die Druckausgleichsklappen (Vent Doors) nahezu geschlossen sind. Die Verschlusshaken zeigten hingegen eine nicht ganz vollständig geöffnete Position (Abb. 10). Anschließend wurde das Flug- zeug auf das Vorfeld geschleppt. Es wurden weitere Fotos gemacht, auf denen unter anderem zu erkennen ist, dass alle Kontrolllampen auf der Kontrolltafel des Fracht- tors erleuchtet sind. Ein Foto aus dem Cockpit zeigt, dass die MAIN CARGO DOOR Warnlampe leuchtet. Die Besatzung ging von Bord und das Flugzeug wurde von der Technik übernom- men. Es wurde zunächst in eine in der Nähe befindliche Flugzeughalle geschleppt. Aufgrund der starken Auslastung dieser Halle wurde anschließend entschieden, das Flugzeug zu einer nicht so stark frequentierten Halle zu verlegen. Aus Gründen der Sicherheit und der Forderung des Frachttor-Herstellers, wurde vor dem erneuten Schleppvorgang das Frachttor heruntergelassen. Dies erfolgte mittels der Hubzylin- der. Das Tor wurde mit Seilen und einem Kran gegen ein mögliches Herunterfallen gesichert. - 41 -
Bulletin Druckausgleichs- klappen Abb. 9: Position der Druckausgleichsklappen nach der Landung Quelle: Halter Abb. 10: Position der Verschlusshaken nach der Landung Quelle: Halter Am 15.02.2021 wurde eine Boroskop-Inspektion am Mitteldruck- und Hochdruckver- dichter des linken Triebwerks durchgeführt, die keinen Befund ergab. Für die Untersuchung des Frachttors wurde Kontakt mit dem Hersteller des Fracht- tors aufgenommen und zwei Berater angefordert. Aufgrund der Covid-19- Einreisebestimmungen dauerte die Organisation der Anreise einige Tage. Die Unter- suchung wurde am 20.02.2021 fortgesetzt. Das Flugzeug wies an der linken Tragflä- chennase im Bereich zwischen Rumpf und Triebwerkpylon einige Kratzer auf. Die weitere Untersuchung beschäftigte sich mit dem Frachttorsystem. - 42 -
Bulletin Das Frachttor selbst stand etwa 40 cm weit offen und war mit einer Traverse über ei- nen Deckenkran gesichert (Abb. 11). Die Druckausgleichsklappen waren geöffnet. Abb. 11: Zustand am 20.02.2021 Quelle: BFU Bei der Untersuchung des Frachttors wurde festgestellt, dass die Stangenscharniere, die das Frachttor mit dem Rumpf verbanden, Lackabsplitterungen aufwiesen. Die Anschlüsse der Hubzylinder und die beidseitig daneben verlaufenden Kniehebel wa- ren verzogen. Die innere Frachttorverkleidung fehlte. Von den beiden Kabelsträngen, die die Mikroschalter im Frachttor mit der Kontrollta- fel verbinden, war bei dem Vorderen die Ummantelung im Bereich des Steckers am Tor abgezogen. Der hintere Kabelstrang war abgerissen. Eine der beiden flexiblen Hydraulikleitungen, die die Verbindung zwischen dem Frachttor und dem rumpfseitigen Hydrauliksystem herstellten, wies eine Leckage auf. An der Innenseite des Tores haftete Hydraulikflüssigkeit. - 43 -
Bulletin Der Innenbereich des Frachttors wurde auch auf Spuren von Enteisungsflüssigkeit überprüft. Es wurden jedoch keine Reste bzw. Anhaftungen von Enteisungsflüssig- keit gefunden. Die Untersuchung der Verriegelung zeigte, dass die Sicherungsstifte nicht in die Endposition der Bohrungen in den Haken hineingefahren waren. Das Verbindungs- gestänge der Sicherungsstifte wies keine Beschädigungen auf. Die Spitzen der Si- cherungsstifte zeigten hingegen geringfügige Kratzspuren. Die Verschlusshaken wa- ren nicht vollständig geöffnet. Das zugehörige Verbindungsgestänge wies keine Beschädigungen auf. Der Antriebszylinder der Verschlusshaken war nicht vollständig ausgefahren. Die Schraubenköpfe an den einzelnen Haken im Bereich der Siche- rungsbohrungen, sowie die Hakenelemente (Abb. 12) wiesen Beschädigungen in Form von Riefen auf. Beschädigungen Abb. 12: Beschädigungen an den Verschlusshaken Quelle: Halter Eine spätere Untersuchung, bei der der oben beschriebene Öffnungszustand der Haken wieder hergestellt wurde, zeigte, dass sich das Tor in diesem Zustand manu- ell (mit Handkraft) aufdrücken ließ. Dabei rutschten die Haken über die Halteösen am - 44 -
Bulletin Boden. An der Oberseite der Halteösen im Kabinenboden wurden Kratzspuren ge- funden. Im nächsten Schritt wurde versucht, das Verriegelungssystem sowie die Druckaus- gleichsklappen des Frachttors manuell über die Handpumpe des Hydrauliksystems zu bewegen. Dabei wurde ein Fehler in der Bewegungsabfolge des hydraulikmecha- nischen Systems festgestellt. Das Hydrauliksystem wurde näher untersucht und Luft im System festgestellt. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich schon vor der oben beschriebenen Leckage des Hydraulikschlauchs Luft im Hydrauliksystem befand. Aufgrund der Konstruktionsweise des Frachttorsystems, das aus 2 Hauptgruppen besteht, zum einen aus dem hydraulisch-mechanischen Bewegungs- und Ver- schlussmechanismus und zum anderen aus den elektrischen Steuerungs- und Kon- trollschaltungen, werden 2 mögliche Störungsabläufe untersucht. Zunächst wurden die Hydraulik und die Mechanik, wie oben beschrieben, betrachtet. Danach wurde begonnen das elektrische System zu untersuchen. Diese Untersu- chungen ergaben bisher keine Auffälligkeiten. Die Untersuchungen an beiden Baugruppen laufen derzeit noch. Brand Es entstand kein Brand. Zusätzliche Informationen Am 06.12.2014 ereignete sich eine ähnliche Störung in Magadan/Russland. Dort war ebenfalls eine Boeing 757-200 PCF betroffen, bei der sich das Frachttor im Anfangs- steigflug vollständig öffnete. Das Flugzeug kehrte zum Startflughafen zurück und landete ohne weitere Vorkommnisse. Zu der Zeit herrschten Temperaturen von mi- nus14°C und leichter Schneefall. Sicherheitsempfehlungen Der Betreiber des Luftfahrzeugs hat nach dem Vorfall eine Sicherheitsmaßnahme für seine 757-236 PCF Flugzeugflotte herausgegeben. Danach ist das Frachttor nach dem Schließen von außen über die 8 Schaugläser an den Verschlüssen zu kontrol- - 45 -
Sie können auch lesen