Charade (Spielfilm, DVD/Blu-ray) - Booknerds

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Charade (Spielfilm, DVD/Blu-ray)
Immer geht es nur ums liebe Geld, aber selten wurde die
Urgeschichte der Menschheit so unterhaltsam erzählt wie in
„Charade“. Stanley Donens Agenten-Mystery-Thriller-Hitchcock-
Liebes-Komödie ging als eine der wendungsreichsten
Geschichten in die Filmgeschichte ein und wirkt dabei so
charmant, weil es sein Publikum zu keiner Zeit überfordert. Ein
Meisterstück, das seine Komplexität nicht im Tiefgang, sondern
in der Unterhaltung sucht, so wie es heute weitestgehend verlernt zu sein scheint.
Dazu gibt es ein höchst konzentriertes, witziges und von pointierten Dialogen
durchsetztes Drehbuch, einige ikonische Film-Momente und einen legendären
Cast, also alles, was einen waschechten Klassiker ausmacht. Wer „Charade“ noch
nicht hat, sollte nun den Kauf dieser Version in Betracht ziehen (die wenige
Monate nach Donens Tod erscheint), bevor man an eine der vielen grottigen
Exemplare auf dem Markt gerät.

Im Februar dieses Jahres verstarb Stanley Donen 94-jährig, seines Zeichens
Spezialist für das Fach des Komischen in Hollywood. Dass dieses heute wie
damals ein tückisches ist, wird an der großen qualitativen Bandbreite des
Donen’schen Werks deutlich, das von absoluten Stinkern bis zu unangefochtenen
Meisterwerken reicht. Während er im Fall von „Singin‘ In The Rain“ 1952 die
Lorbeeren für die Regieleistung mit Gene Kelly teilte, zeichnete sich der
Filmemacher 1963 gänzlich allein für „Charade“ verantwortlich. Schon durch
seinen Cast, angeführt von Cary Grant, Audrey Hepburn und Walter Matthau,
sowie die Musik von Henry Mancini war der Film als Prestigeprojekt angelegt,
das zusätzlich das Risiko in Kauf nahm, am Anspruch des komplexen Drehbuchs
zu scheitern.
Broadway-Autor Peter Stone entwickelte eine Story,
                           die nichts weniger wollte, als Hitchcock komödiantisch
                           auf die Spitze zu treiben. Es könnte fast die Rede von
                           einer Persiflage sein, wäre der Respekt vor dem wohl
                           größten Regisseur aller Zeiten nicht zu jeder Sekunde
                           zu spüren. Ein fahrender Zug, eine Leiche, die aus ihm
                           fällt: So simpel und überhastet wie „Charade“ beginnt,
so sehr verweist das quietschbunte Intro auf die irre Komplexität des Folgenden.
Regina „Reggie“ Lampert (Audrey Hepburn) trifft im Skiurlaub mit Freunden auf
einen Mann, dem sie frustriert eröffnet, dass sie sich von ihrem scheiden lassen
will. Er habe Geheimnisse, die er nicht preisgeben wolle, sie vermutet eine Affäre.
Reggie kehrt nach Paris zurück, wo eine ausgeräumte Wohnung auf sie wartet
und dann gleich der nächste Schock: Ihr Mann sei tot und hätte zuvor alle
Besitztümer verkauft. Bis auf eine Tasche, deren Inhalt Reggie eröffnet, dass er
ein Agent war.

Während sie sich in dieser verwirrenden Situation an den Mann hält, den sie im
Skiurlaub kennenlernte und der sich als Peter Joshua (Cary Grant) vorstellt,
erscheinen zur Trauerfeier ihres Ehemannes drei weitere mysteriöse Gestalten,
die am offenen Sarg prüfen, ob der Verschiedene nicht nur etwas vorspielt.
Schließlich meldet sich auch noch die amerikanische Botschaft beziehungsweise
die CIA in Person von Mr. Bartholomew (Walter Matthau) bei ihr, der sie davon in
Kenntnis setzt, dass die Männer auf der Suche nach Geld wären, das sie bei ihrem
Mann und nach dessen Ableben bei ihr vermuten. Peter Joshua verspricht, sich
um sie zu kümmern und quartiert sie in einem Hotel ein, doch lange bleibt ihre
Unterkunft nicht geheim. Nachdem sie von einem der drei Beerdigungsgäste
angegriffen wird und Joshua ihn in die Flucht schlagen kann, wird den
Zuschauenden klar, das nichts so ist, wie es scheint – und keiner derjenige ist, der
er vorgibt zu sein.

Das folgende Katz-und-Maus-Spiel ist so reich an Wendungen,
dass sie kaum zu zählen und in einem Flussdiagramm nicht ohne
Verwirrung aufzudröseln sind. Darin liegt das Verdienst von
„Charade“ für den Status der Filmkunst, denn über kein anderes
Medium wäre dieser Stoff ohne die Überforderung der
Rezipienten möglich gewesen. Einzig durch die effiziente und
höchst effektive Behandlung als Unterhaltungsformat konnte
„Charade“ seine vollkommene Wirkung entfalten und wurde gar zu einem
erfolgreichen Kassenschlager. Die Zuschauenden müssen sich zunächst
überfordert fühlen, auf diese Weise werden sie ja erst vor das Mysterium gestellt,
sie bleiben aber deswegen am Ball, weil der Plot so unterhaltsam erzählt wird,
dass von purem Entertainment die Rede sein kann.

Stanley Donen zeigt darin, dass sich künstlerischer Anspruch und Kassenerfolg
nicht ausschließen müssen. Was Hitchcock bis dahin schon perfektioniert hatte,
ist in der Folge allerdings immer mehr abhandengekommen und wirkt heute
vollkommen verloren: Gute Unterhaltungsfilme scheinen spätestens mit der
Übermacht der Comic-Verfilmungen ausgestorben zu sein. Lange Zeit wurde der
Blockbuster belächelt, heute wird er schmerzlich vermisst, aber dabei darf nicht
vergessen werden, dass auch Unterhaltung eine höchst anspruchsvolle Disziplin
darstellt. „Charade“ dürfte dafür eine Blaupause sein, gelingt doch sowohl die
Verquickung von Thriller, Krimi, Romanze und Komödie zu einer zu keiner Zeit
peinlichen Mischung als auch die Erzählung einer komplexen Story ohne
überdeutliche Logiklöcher – beziehungsweise der geschickten Auflösung von
vermeintlichen.

                           Und es stört auch nicht, dass „Charade“ wenig Subtext
                           vermittelt. Eine überforderte Frau, die sich inmitten
                           eines von Männern und ihrer Gier generierten
                           Tohuwabohus als Geschichte der Kriegswirren
                           wiederfindet, daran lässt sich noch am ehesten eine
                           Zeitdiagnose erstellen und Kritik formulieren. Ob
                          Reggie da nicht zu einer naiven Ehefrau reduziert
wird, die eben nicht wie Skylar White in „Breaking Bad“ auf ihre Schuld hin
hinterfragt wird? Und sie auf ihre, auf klischeehafte Weise mit Weiblichkeit
verbundenen Emotionen, ihr Herz hören muss, damit sie ans Ziel kommt?
Immerhin bekam Audrey Hepburn als erste Frau einen prozentualen Anteil an den
Gewinnen des Films, wodurch der Film hinter der Kamera zu einem Meilenstein
in Richtung Gleichberechtigung wurde. „Charade“ ist nicht an der großen
Gesellschaftskritik interessiert, am ehesten noch an der Moralübung im
Spezialfall von Agenten und der alltäglichen Angelegenheit der Lüge, ohne die
der Film aber auch gar nicht funktionieren würde. Doch vornehmlich ist der Film
an Unterhaltung interessiert und selten kam jemand neben Hitchcock so nah an
seine pure Form wie Stanley Donen.
Gut, dass „Charade“ nun noch einmal auf Blu-ray erscheint, denn manch eine
DVD-Version auf dem Markt ist von solch einer miserablen Qualität, dass es
schade um den Rohling ist, auf den er geschrieben wurde. Erst in einem
angemessenen Format lässt sich die clevere Herangehensweise von Stanley
Donen erkennen, der schon in den ersten Minuten Symbole etabliert, mit
Stimmungen spielt und den Bedeutungsraum aufweicht, den wir „Wahrheit“
nennen. Später entwickelt sich dann ein Kammerspiel, das sich nur in
entscheidenden Szenen aus den Innenräumen (die in ihren architektonischen
Kompositionen ebenfalls wichtige Rollen übernehmen) traut, um das
kosmopolitische Paris effektvoll einzusetzen. Ständig werden die Involvierten
gegeneinander ausgespielt, die Rolle des Spielballs wechselt stetig und kein noch
so kleines Schlupfloch wird ausgelassen.

Cover und Szenebilder © Arthaus

       Titel: Charade
       Produktionsland und -jahr: USA, 1963
       Genre:
       Komödie
       Liebesfilm
       Krimi
       Thriller
       Erschienen: 18.04.2019
       Label: Arthaus
       Spielzeit:
       ca. 113 Minuten auf 1 DVD
       ca. 113 Minuten auf 1 Blu-Ray
       Darsteller:
       u.a.
       Cary Grant
       Audrey Hepburn
       Walter Matthau
       Regie: Stanley Donen
       Drehbuch:
       Peter Stone
       Marc Behm (story)
       Kamera: Charles Lang
Schnitt: Jim Clark
Musik: Henry Mancini
Extras: –
Technische Details (DVD)
Video: 1,85:1
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,85:1 (1080/24p Full HD)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D
FSK: 12
Sonstige Informationen:
Produktseite
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