Commitment mit ICON - eine tragende Säule guter Projektkultur

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Commitment mit ICON –
eine tragende Säule guter Projektkultur
Wolfgang Kötter, GITTA mbH, Berlin

Abstract

    Ohne Commitment zwischen den Projektbeteiligten keine erfolgreiche Projekt-
    arbeit! Doch zu Beginn vieler Projekte gibt es noch keine tragfähigen persönli-
    chen Beziehungen im Projektteam – also fehlt die wichtigste Grundlage für
    Commitment. Das von GITTA und Drift Consulting gemeinsam entwickelten
    ICON-Verfahren (Petersen & Kötter, 2008) beschreibt einen Lösungsansatz für
    dieses Problem: ICON (Innovativ durch Commitments und Networking)
    schafft in sieben Schritten die Voraussetzungen für eine Commitment-Kultur, in
    der die wichtigsten Kriterien für die Wirksamkeit von Commitments erfüllt
    sind: Die Commitments in einer ICON-Projektkultur sind akti-
    ve, ausdrückliche, freiwillige, öffentliche und untereinander vernetzte Verspre-
    chen zwischen den einzelnen Projektakteuren. Durch systematische Vorberei-
    tung, offene Aushandlung, ständigen Kontakt bei der Realisierung des
    Versprechens und gemeinsame Reflexion wird der Commitment-Prozess selbst-
    tragend und selbstoptimierend. Der Vortrag beschreibt diesen selbsttragenden
    Commitment-Regelkreis in der Projektarbeit, die fünf Wirksamkeitskriterien für
    Commitments im Projekt und die sieben Schritte zur Entwicklung einer ICON-
    Projektkultur.

1      Ausgangssituation

Erfolgreiche Projektarbeit erfordert in allen Phasen des Projekts ein hohes Maß an
Engagement, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, neudeutsch Commitment. Gleich-
zeitig steht genau dieses Commitment ständig in Frage: Projektauftraggeber, Projek-
tleiter und Projektmitarbeiter haben unterschiedliche, oft unausgesprochene Interessen
und Erwartungen an das Projekt, sie kommen aus unterschiedlichen Organisationsein-
heiten, Geschäftsbereichen, Fachfunktionen, Standorte oder sogar unterschiedlichen
Unternehmen mit ihren jeweils unterschiedlichen organisationskulturellen Prägungen,
und sie bringen unterschiedliche Kompetenzen, Ausbildungs- und Erfahrungshinter-
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gründe in die Projektarbeit ein. Die Voraussetzungen für offene Kommunikation,
gegenseitiges Vertrauen und wirksames Commitment sind deshalb gerade zu Beginn
noch nicht gegeben.

2      Lösungsansatz: der selbsttragende Commitment-Regelkreis

Der hier vorgeschlagene Weg zur Überwindung dieser strukturellen Hindernisse, die
einer Kultur von Offenheit, Verbindlichkeit und Vertrauen in Projekten entgegenste-
hen, beruht auf der Grundannahme, dass ein Projekt in seinem Innersten als ein Netz-
werk von Commitments, als Geflecht von Selbtverpflichtungen und persönlichen Ver-
sprechen zwischen den Projektbeteiligten aufgefasst werden kann. Unser Ansatz
betont den verpflichtenden Charakter der Kommunikation zwischen den Projektak-
teuren und die Tatsache, dass es sich bei den projektinternen Kooperationsbeziehun-
gen um eine spezifische Form von internen Kunden-Lieferanten-Verhältnissen han-
delt. ICON (Innovativ durch Commitment und Networking) ist ein Verfahren, das die
fünf Kriterien für wirksame Commitments (Sull & Spinoza, 2007) explizit zu
Qualitätskriterien der Kommunikation und Kooperation im Projekt und zwischen Pro-
jekt und Projektumfeld macht. Die Commitments in einer ICON-Projektkultur sind
aktive, ausdrückliche, freiwillige, öffentliche und untereinander vernetzte Versprechen
zwischen den einzelnen Projektakteuren. Durch systematische Vorbereitung, offene
Aushandlung, ständigen Kontakt bei der Realisierung des Versprechens und ge-
meinsame Reflexion wird der Commitment-Prozess selbsttragend und selbstoptimier-
end.

    Zu unterscheiden sind dabei allerdings zwei unterschiedliche Ebenen von Projekt-
kultur: Zunächst einmal geht es in jedem einzelnen Projekt von Neuem jenseits der
durch Projektmanagement-Handbuch und andere Organisationsanweisungen definier-
ten technischen Regeln, die für das Projekt gelten, um die Bestätigung der im Unter-
nehmen wirksamen „tieferen“, im Sinne von Simon (2004) als informelle und gram-
matische Regeln zu charakterisierenden Regelsysteme – oder aber um die
Modifizierung oder gar Überwindung dieser Regelsysteme zu Gunsten einer eigenen,
für dieses Projekt spezifischen Arbeitsweise.

    Diese Möglichkeit, nämlich die Herausbildung einer projektspezifischen Kommu-
nikations- und Kooperationskultur, verweist auf die zweite Ebene von Projektkultur,
nämlich die der grundlegenden organisationskulturellen Prägung, die alle Projekte in
einem Unternehmen zunächst einmal gemeinsam haben.
Paper-Headline                                                                           3

    ICON setzt auf beiden Ebenen an: es eröffnet Mittel und Wege zur Stärkung der
Commitment-Kultur in einem besonders wichtigen Einzelprojekt, aber es beschreibt
auch das Vorgehen zur Entwicklung einer commitment-basierten Projektkultur im
Gesamtunternehmen (Pardo & Petersen, 2007; Petersen & Kötter, 2008).

3        Fünf Kriterien für wirksame Commitments

Das ICON-Verfahren kann sich auf umfangreiche Forschungen der Forscher- und
Beratergruppe um Donald N. Sull und Charles Spinosa stützen (Sull & Spinosa, 2005,
2007), in denen fünf Kriterien für wirksame Commitments identifiziert wurden. Wirk-
same Commitments sind demnach
    •   öffentlich
    •   aktiv
    •   freiwillig
    •   explizit
    •   motiviert (engl. „mission-based“)

    Der öffentliche Charakter wirksamer Commitments beruht auf der schlichten Er-
fahrungstatsache, dass nach einem solchen Versprechen „unter Zeugen“ für denjeni-
gen, der es abgibt, weitaus mehr an Reputation und Glaubwürdigkeit auf dem Spiel
steht als bei einem Versprechen unter vier Augen.

    Der aktive Charakter eines solchen Versprechens trägt schon allein dadurch zu
seiner Wirksamkeit bei, dass sich der „Lieferant“ in ganz anderem Maß mit der Leis-
tung identifizieren kann, die er selbst erdacht und seinem „Kunden“ aktiv vorgeschla-
gen und versprochen hat, als mit einer Anforderung von außen, die er lediglich entge-
gen genommen hat.

    Die Freiwilligkeit des Leistungsversprechens ist ein besonders kritischer Punkt: So
lange der Lieferant nicht die Möglichkeit hat, „Nein“ zu sagen, wenn er die Leistung
nicht mit gutem Gewissen versprechen kann, ist sein „Ja“ nicht viel wert!

    Ausdrücklich sollte ein Versprechen schon deshalb sein, weil in vielen Fällen erst
das konkrete Benennen der vermeintlichen Selbstverständlichkeiten rund um die ge-
forderte Leistung zur Entdeckung und Klärung von Missverständnissen, gegensätzli-
chen Erwartungen und unterschiedlichen Annahmen über die erwartete Leistung führt.

    Motiviert sollte das Leistungsversprechen vor allem deshalb sein, weil erst das
Wissen um die Bedeutung der Leistung für den weiteren Arbeitsfortschritt des Leis-
tungsempfängers den „Lieferanten“ in die Lage versetzt, sich wirklich auf die Bedürf-
4                                                                         Wolfgang Kötter

nisse des Leistungsempfängers einzustellen, und weil dieses Wissen auch dabei helfen
kann, den Sinn der eigenen Arbeit besser zu verstehen und daraus die Motivation zur
Überwindung etwaiger Schwierigkeiten zu beziehen.

    Die Bedeutung dieser fünf Gütekriterien für wirksame Leistungsversprechen in der
Projektarbeit liegt auf der Hand: Das beginnt bei der Auftragsklärung zu Projektbe-
ginn, es setzt sich fort bei der Projektplanung und Projektkalkulation/Budgetierung,
und es begleitet alle Beteiligten von da an durch sämtliche kritischen Projektereignisse
vom Kick-Off über die Meilenstein-Meetings bis zur Abschlusspräsentation.

    Immer wieder lautet der Subtext: Ist hier offen geredet worden? Wurden alle Inte-
ressen auf den Tisch gelegt? Sind die Projektrisiken benannt und angemessen bewertet
worden? Wie viel Wunschdenken steckt hinter der Projektkalkulation? Ist die Bedeu-
tung der erfolgskritischen Arbeitspakete allen Beteiligten klar geworden? Hat sich
jeder so eingebracht, dass man sich auf seinen Beitrag verlassen kann? Und: Hätte es
überhaupt die Option gegeben, bei nicht akzeptablen Anforderungen „Nein“ zu sagen?

    Die ICON-Unterstützung zur schrittweisen Bearbeitung all dieser für den gesam-
ten Projekterfolg unterscheidenden Fragen besteht vor allem
    • in projektvorbereitenden und projektbegleitenden bereichsübergreifenden Trai-
      nings zur Förderung von Dialogkompetenz und zur Beachtung der fünf Com-
      mitment-Kriterien beim Verhandeln und Vereinbaren im Projektprozess,
    • in der Fachberatung und Prozessbegleitung bei der Entwicklung eines einfachen,
      auf die Projektsituation zugeschnittenen ICON-Regelwerks,
    • in der Begleitung und Moderation von kritischen Projektergebnissen, so weit das
      zur Etablierung des ICON-Regelwerks und zur Förderung der Commitment-
      Kultur erforderlich erscheint.

4      In sieben Schritten zur Commitment-Kultur für das gesamte
       Projekt-Portfolio

Bislang war davon die Rede, wie mit ICON eine Commitment-Kultur in einem Pro-
jekt gefördert werden kann.

    Doch ein solches auf lediglich ein Projekt fokussiertes Vorgehen erscheint für vie-
le Konstellationen speziell in projektorientierten Unternehmen, Unternehmen mit
komplexen Projekteprogrammen oder Produktionsunternehmen mit einem vielgestal-
tigen Produktentstehungsprozess eher unpassend: Es würde die Forderung nach einem
gemeinsamen Standard für alle Projekte verletzen, die Erkenntnisse aus der ICON-
Anwendung könnten in anderen Projekten erst mit erheblicher Verspätung genutzt
Paper-Headline                                                                          5

werden, und die Beharrungskräfte der unternehmensweiten Projektkultur könnten
leicht dazu führen, dass ICON zunächst abgelehnt und dann, beim Transfer in die üb-
rigen Projekte, verwässert wird. In solchen Fällen spricht Einiges für eine unterneh-
mensweite ICON-Einführung. Die sieben Themenkomplexe, die in einem solchen
Vorhaben zu bearbeiten wären, seien hier nur kurz skizziert:
   1. Was haben wir? In Einzel- und Gruppengesprächen mit Projektakteuren und
      Projektumfeld wären die Problemfelder und Ausgangsvoraussetzungen zu er-
      kunden, um eine Abschätzung des Nutzenpotenzials von ICON für die Proje-
      ktkultur vornehmen zu können.
   2. Wo wollen wir hin? Was könnte ICON für uns sein? In einem Workshop des
      maßgeblichen Führungskreises, bedarfsweise ergänzt um Vor-Ort-Experten aus
      den Projekten und dem Project Office, wäre zu erarbeiten
      • eine gemeinsame Standortbestimmung
      • die Vision einer zum Unternehmen passenden Commitment-Kultur in Projek-
        ten
      • eine Vorgehensweise zur Realisierung dieser Kultur
      • die Entscheidung über eine etwaige ICON-Einführung
   3. Wie setzen wir ICON um? In zwei Max-Mix-Workshops mit Vertretern aller
      wesentlichen Akteursgruppen im Projekteportfolio des Unternehmens sollte der
      Veränderungsbedarf klar benannt, der ICON-Anwendungsbereich festgelegt,
      die Projektstruktur zur ICON-Einführung definiert und der Bedarf an ICON-
      Training und ICON-Prozessbegleitung ermittelt werden.
   4. Wie vernetzen wir im Projekt? In bereichsübergreifenden Teams, je nach Si-
      tuation projektübergreifend oder projektspezifisch zusammengesetzt, werden
      die Grundformen der selbstorganisierten Vernetzung im Projekt trainiert und
      gleichzeitig Schritt für Schritt die ICON-Regeln für die im Unternehmen ge-
      wollte Commitment-Kultur entwickelt.
   5. Wie verhandeln wir? Möglichst praxisnah wird in einer zweiten Sequenz von
      Trainings die Dialogkompetenz im Hinblick auf das auszuhandelnde Leistungs-
      versprechen trainiert. Die Aushandlung wirksamer Commitments wird, mit
      Blick auf die fünf Gütekriterien, systematisch begleitet und unterstützt. Dabei
      werden gleichzeitig die ICON-Regeln weiter spezifiziert. Im Zuge dieser Trai-
      nings und der anschließenden Begleitung und Moderation von kritischen Pro-
      jektereignissen erfolgt die Ausbildung von unternehmensinternen ICON-
      Prozessbegleitern, die nach und nach die gesamte Begleitung und Pflege des
      ICON-Prozesses übernehmen sollen.
   6. Wie funktioniert es? In einem oder mehreren projektübergreifenden Vernet-
      zungsforen wird die ICON-Praxis (mit Blick auf den Projekterfolg) betrachtet
      und kritisch reflektiert. Die ICON-Regeln werden bei Bedarf angepasst, und die
      internen ICON-Prozessbegleiter übernehmen nach und nach die Begleitung und
      Pflege des ICON-Prozesses.
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    7. Wie verankern wir? In einem Town-Meeting sämtlicher Projekt-Akteure nach
       einer ICON-Anwendungszeit von ca. 6 Monaten bis 1 Jahr wird die bisherige
       ICON-Umsetzung bilanziert und reflektiert. Es werden Maßnahmen zur weite-
       ren Verbesserung und Verankerung abgeleitet.

5       Status, Ausblick

Während sämtliche Einzelelemente des hier dargestellten ICON-Verfahrens bereits in
unterschiedlichen Unternehmen erfolgreich angewendet werden konnten, steht die in
Abschnitt 4 skizzierte unternehmensweite Anwendung noch aus. Angesichts der
enormen Bedeutung des Themas „Commitment“ gerade in der derzeitigen
Krisensituation gehen wir allerdings fest davon aus, dass eine solche Anwendung
nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Literatur
[Pardo/Petersen 2007] Pardo, Olga, Petersen, Dominik: „Du hast mein Wort“. Systematisches Führen mit
    Commitments. Alpha. Der Kardermarkt der Schweiz, 7./8. Juli 2007.
[Petersen/Kötter 2008] Petersen, Dominik, Kötter, Wolfgang: Commitment-Management – Kooperation
    über Grenzen hinweg. In: Clases, Christoph, Schulze, Hartmut: Kooperation konkret! Lengerich:
    Pabst Science Publishers, 2008 (S. 246-257).
[Simon 2004] Simon, Fritz B.: Gemeinsam sind wir blöd!? Die Intelligenz von Unternehmen, Märkten
    und Managern. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag, 2004.
[Sull/Spinosa 2007] Sull, Donald N., Spinosa, Charles: Promise Based Management. The Essence of
    Execution. HBR, 4/2007.
[Sull/Spinosa 2005] Sull, Donald N., Spinosa, Charles: Using Commitments to Manage Across Units.
    MIT Sloan Management Review, Fall 2005 (Vol. 47, No. 1)
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