Connect - Stephan Burianek
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connect Das Geschäftsreisemagazin von CWT | Deutschland/Österreich | Frühling 2020 Mehr Hotel für weniger Geld Die Strategie des Continuous Sourcing Sicherheit auf Reisen Die Travel Risk Map hilft, Risiken rund um den Globus zu erkennen Nehmen Sie’s persönlich Wie Big Data und KI das Reisen verändern AUF GEHT’S, WIEN! Die smarte Zukunft der österreichischen Metropole
14 connect 1/2020 – Destination Die Hofburg, Palast der Radikal modern entwarf Zaha Hadid die ehemaligen Habsburger Kaiser Wiener Wirtschaftsuniversität. Wien E inst das Herz des mächtigsten Reiches in fiel, rückte die einstige Weltmetropole mit ihren zum Verkauf ihrer Autos zu bewegen, zählt Wien Europa, war Wien eine Hauptstadt, die wie eine prächtigen Bauten und der musikalischen Hochkultur heute zu den wohl fußgängerfreundlichsten Haupt- glorreiche, mit Juwelen geschmückte Krone wieder ins internationale Scheinwerferlicht. Plötzlich städten der Welt. In der Innenstadt flaniert man viel- funkelte. Eine Stadt, die die führenden Denker, befand man sich mitten in Europa und viele Unter- fach durch Fußgängerzonen und „Begegnungszonen“ Musiker und Künstler der Welt anzog. In jüngster Zeit nehmen wählten Wien als zentralen Standort für ihre (in denen zwar Autos fahren dürfen, die Fußgänger war sie jedoch eher eine „schlafende Schönheit“, Geschäfte in Osteuropa. aber Vorrang haben). Selbst in den übrigen Stadt- die nur darauf wartete, wiederbelebt zu werden. Jetzt Geht es nach den Analysten der Unternehmens- teilen sind die Distanzen für eine Millionenstadt ver- Ganz schön smart! scheint genau das passiert zu sein. Sie ist erwacht und es gibt Anzeichen, dass die Stadt an der Donau so etwas wie ein cleveres Topmodel wird. Nicht beratung Roland Berger, dann hat die Stadtregierung ganz besonders clever auf diese neue Situation reagiert: Im aktuellen „Smart City Index“ führt Wien gleichsweise gering. Das Netz der öffentlichen Ver- kehrsmittel ist überdies vorbildlich, häufig ist man mit den Wiener Linien sogar schneller als mit dem Auto. In Wien begegnet man der Vergangenheit nur wegen der unzähligen Besucher, die sich an ihrer als „smarteste Stadt der Welt“ eine Liste von mehr An Wochenenden verkehren die fünf U-Bahn-Linien auf Schritt und Tritt. Aber die Stadt Geschichte und Pracht erfreuen, sondern auch als 150 Zentren an. Zu den Konzepten der Donau- und die Schnellbahnen die ganze Nacht hindurch, die wegen der Veränderungen einer „intelligenteren“ metropole zählt die Stärkung von Branchen, die Nachtbusse fahren sogar auch unter der Woche. blickt auch mit sehr viel mehr Selbstver- Stadtphilosophie. aufgrund ihrer Umweltverträglichkeit gut in ein trauen in die Zukunft als manch andere städtisches Umfeld passen. Erst kürzlich wurden Gute Lösung für Mobilität und Umwelt europäische Metropole. Kein Wunder, Starke Branchen, innovative Start-ups 7,5 Millionen Euro für innovative Medien-Start-ups Im „Smart City Index“ wurde Wien gelobt, und zwar denn sie hat sich zu einer der „klügsten“ Lange Zeit stand die österreichische Hauptstadt – bereitgestellt, um nur ein Beispiel zu nennen. nicht nur für die Tatsache, „dass es integrierte Lösun- politisch zwar im Westen, geografisch aber östlicher gen für Mobilität und Umwelt, einen fortschrittlichen Städte der Welt entwickelt. als Prag – im Schatten des Eisernen Vorhangs. Daran Natürlich profitieren auch Wiens Besucher von der E-Health-Ansatz und offene Verwaltungsdaten bietet. TEXT: Stephan Burianek konnte auch ihre diplomatische Sonderstellung als durchdachten Entwicklungsplanung. Weil von den Es hat auch ein standardisiertes Überwachungssys- ein Sitz der Vereinten Nationen wenig ändern. Erst Stadtvätern in den vergangenen Jahrzehnten so tem für ihre Smart-City-Projekte eingeführt. Alles wird als der Stacheldrahtzaun entlang der Ostgrenze ziemlich alles dafür getan wurde, um die Einwohner von der zentralen Smart City Agency koordiniert, ››
16 connect 1/2020 – Destination 17 einer Einheit, die technisches Fachwissen bündelt und noch vergleichsweise moderat, was wohl gar nicht Neue Gebäude mit Flussblick (l.) bilden Kontraste zur kaiserlichen Architektur (r.) die Verbindungen zwischen Stadtverwaltung, For- so sehr mit alternativen Vermietungsplattformen wie und zeigen den Besuchern eindrucksvoll, wie Wien sich weiterentwickelt. schung, Wirtschaft und Industrie fördert.“ Airbnb zu tun hat, die auch in Wien von Behörden und Hotelverbänden bekämpft werden, sondern eher Die Begründung der Stadt für ihr fortschrittliches mit der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren Denken ist so einfach wie clever: Die Stadt wächst extrem schnell und eine kluge Strategie war notwen- dig, damit Wien wieder florieren kann. Vor einigen Jahren löste die Donaumetropole sogar Hamburg als zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum ab: Wiener Abende Zwar hatte auch Wien in den 1990er-Jahren 1,6 1 Klassische Musik/Oper: Wien sieht sich als Welt- Millionen Einwohner, aber demografische Studien hauptstadt der klassischen Musik und verfügt über sagen, dass die Zwei-Millionen-Marke in etwa einem drei Opernhäuser (Staatsoper, Theater an der Wien, Jahrzehnt überschritten wird. Dann wird die einstige Volksoper) sowie zwei große Konzerthäuser (Musikverein und Konzerthaus). Im Juli und August sind diese Häuser Habsburgermetropole wieder so viele Bewohner allerdings geschlossen bzw. an fremde Veranstalter haben wie zu ihrer letzten Hochblüte um 1900. vermietet – dann locken das Filmmusik-Festival auf dem Natürlich haben sich die Bedürfnisse der Menschen Rathausplatz und das neue FreudeNOW-Festival auf der verändert, sie benötigen heute mehr Platz. Vor allem historischen Galopprennbahn Freudenau. in der Ebene östlich der Donau, früher abschätzig www.freudenow.com 2 Essen im Museum: Jeden Donnerstag von 18.30 bis „Transdanubien“ genannt, wird fleißig gebaut, aber 22.00 Uhr verwandelt sich die marmorne Kuppelhalle des auch auf den ehemaligen Gleisen des Nordbahnhofs Kunsthistorischen Museums in ein Gourmetrestaurant – beim Praterstern oder rund um das Areal eines zwischen den Gängen kann man individuell durch die früheren Schlachthauses in St. Marx sind neue vergleichsweise leeren Ausstellungsräume flanieren. An Stadtviertel mit einer ansehnlichen, modernen einem Dienstag im Monat wird die Kuppelhalle zudem zur „Kunstschatzi“-Cocktailbar. www.khm.at Architektur entstanden, die in der Stadt für einen 3 Heurige: Ihre Zahl ist in den vergangenen beiden Jahr- spannenden Gegensatz aus alter und neuer Bausub- zehnten zurückgegangen, dafür ist die Qualität ge- stanz sorgt. Der von Zaha Hadid entworfene Campus stiegen – in den traditionellen Heurigen am Fuße der der Wirtschaftsuniversität nördlich des Praters ist Weinberge am Rande der Stadt wird hauseigener Wein seit der Eröffnung vor sechs Jahren eine Touristen- ausgeschenkt. Warmes, bodenständiges Essen holt man viele neue Betten in den Kategorien von drei bis fünf über „ins Ausland entsandte Mitarbeiter“, die von sich am Buffet. Empfehlenswert sind u. a. Weinbau Ober- attraktion. mann (Grinzing), Hengl-Haselbrunner (Oberdöbling), Sternen auf den Markt gekommen sind, z. B. auf dem Klima, Krankheit und Kommunikationsfähigkeit bis Fuhrgassl-Huber (Neustift am Walde), Zahel (Mauer) und neuen Areal rund um den Wiener Hauptbahnhof. hin zu Kriminalität, Umwelt und politischer Situation Viele Betten, moderate Preise Gerhard Klager (Stammersdorf). Aber Achtung: Auch die Meeting-Industrie lässt die Korken knallen: reichen. Wien ist stolz auf das frische Trinkwasser aus Der Tourismus boomt ebenso. Im Jahr 2018 verzeich- Die Öffnungszeiten variieren stark und sollten vor dem 4.685 Kongresse, Firmenveranstaltungen und den österreichischen Alpen und auf die funktionieren- nete man 16,5 Millionen Übernachtungen, so viele Besuch überprüft werden. Incentives sorgten im Jahr 2018 mit rund 631.000 de Infrastruktur. Außerdem ist man rasch im Grünen: wie nie zuvor. Trotzdem sind die Hotelpreise immer Tagungsteilnehmern und über 1,9 Millionen Über- Zu den Weinbergen nach Grinzing und den dort nachtungen für einen neuen Rekord in diesem Bereich angesiedelten Heurigen (traditionelle Weinbars) – jede achte Nacht geht somit auf einen Tagungs- benötigt die Straßenbahn von der Innenstadt ›› gast zurück. Die Wiener Staatsoper ist ein Opernhaus von Weltrang, Das Kunsthistorische Museum ist das perfekte Wiens internationale Beliebtheit ist nicht zuletzt das jedes Jahr rund 350 Vorstellungen anbietet. Ambiente für ein festliches Diner. auf das reiche Kultur- und Kulinarikangebot zurück- zuführen, denn die Stadt lebt ihre zahlreichen Unterwegs nach und in Wien Klischees auf authentische Art: Die legendäre Kaffee- Flugzeug: Vom Flughafen Wien-Schwechat fahren hauskultur ist trotz zunehmender Verdrängung regelmäßig Regionalzüge und die Schnellbahn S7 in die durch internationale Modeketten immer noch höchst Stadt. Die schnellste Verbindung liefert der Privat- lebendig, es gibt mehr erstklassige Opernaufführun- anbieter City-Airport-Train (CAT) in 16 Minuten nonstop zur Station Wien-Mitte. gen und klassische Konzerte als in jeder anderen Öffis: Eine einfache Fahrt kostet € 2,40, eine Tages- Stadt von vergleichbarer Größe und in prunkvollen karte € 5,80, ein 24-Stunden-Ticket € 8,00. Gebäuden besucht man Werke weltbekannter Maler. www.wienerlinien.at Außerdem lockt neben der bodenständigen Wirtshaus- Fahrräder/Roller: Die Stadt verfügt über zahlreiche küche à la Wiener Schnitzel und Gulasch ein gutes Fahrradwege. Leihradanbieter sind Citybike Wien und der dänische Anbieter Donkey Republic (www.donkey. Angebot an Haute Cuisine und hippen Bars. Und dann bike, www.citybikewien.at). Auch E-Scooter sind sind da natürlich noch die österreichischen Weine, beliebt, u. a. von Lime (www.li.me), Bird (www.bird.co) die längst zur Weltspitze aufgeschlossen haben. und Tier (www.tier.app). Uber/Taxis: Uber funktioniert derzeit noch, wird aber Offiziell beglaubigte Lebensqualität von den eingesessenen Taxi-Unternehmen mit zuneh- mendem Erfolg bekämpft. Passend dazu wurde Wien in der jährlichen Mercer- Per pedes: Wien ist sehr fußgängerfreundlich. In der Lebensqualitätsstudie 2019 zum zehnten Mal in Innenstadt kommt man auf den eigenen zwei Beinen ge- Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt erklärt (vor nerell am besten voran – und man sieht noch dazu mehr. Zürich und Vancouver). Die Studie bewertet Daten
18 connect 1/2020 – Destination Alternativer Citytipp: unterirdisches Wien Unterirdische Kirchen, Gräber, alte Keller und das Kanal- system: Das „unsichtbare“ Wien ist unter der Erde. Manche verborgenen Schätze sind öffentlich zugänglich, wie die Virgilkapelle in der U-Bahn-Station Stephansplatz oder die Kellergewölbe des Feinkostladens Haas & Haas in der Ertl- Die Virgilkapelle an der straße (wo sich zur Römerzeit ein Stadttor des Legionslagers U-Bahn-Station Stephansplatz Vindobona befand). Andere Orte wie die Gruft unter der Michaelerkirche oder Kanaltouren auf den Spuren des Film- klassikers „Der dritte Mann“ sind bei Führungen zu besich- tigen (www.michaelerkirche.at, www.drittemanntour.at). gerade einmal 20 Minuten. Und doch scheinen Standl“ („Einen anderen Würstelstand“). Die Erklärung: die Schönheit der Stadt und ihre Lebensqualität nur Ein Wirt kann alle seine Produkte empfehlen, eine schwer erträglich zu sein, denn die Wiener mögen derartige Frage kränkt ihn. Manche Vertreter dieser smart sein, sie gelten aber als mäkelsüchtig. Urwiener Institution stemmen sich überdies heroisch Auch das ist quasi offiziell, denn die jüngste Inter- gegen den Lauf der Zeit: „Haben Sie etwas Vegeta- Nations-Expat-Studie listet Wien als drittunfreund- risches?“ – Antwort: „Jo, a Serviett’n konnst hobm“ lichste Stadt der Welt, nur übertroffen von Paris („Ja, eine Serviette kannst du haben“). Man sollte und Kuwait-Stadt. Die Wiener selbst nahmen die solche Äußerungen mit Humor nehmen, denn sie Fotos: iStock (3), Shutterstock, imago images/allOver, KHM-Museumsverband ihnen nachgesagte Unfreundlichkeit schon immer sind nicht persönlich gemeint. Zum Schmäh gesellt mit Selbstironie: „Wie schön wäre Wien ohne die sich in Wien die verbale Doppeldeutigkeit, mit Wiener!“, sang der legendäre Wiener Kabarettist der Neuankömmlinge nur wenig vertraut sind: Wenn Georg Kreisler in einem humorigen Lied in den Ihnen ein Wiener sagt, Sie sähen „gut aus“, dann 1960er-Jahren. könnte er damit meinen, dass Sie seit dem letzten Zusammentreffen einige Kilogramm zugelegt haben. Nicht alles persönlich nehmen Oder er meint es tatsächlich als Kompliment. Der Allerdings basiert das harte Urteil der in Wien leben- Schlüssel zum richtigen Verständnis liegt im Tonfall, den Expats wahrscheinlich auf einem Missverständnis, und der erfordert Übung und Geduld. Wer in ein genauer gesagt auf dem sogenannten Wiener traditionelles Wiener Kaffeehaus geht, der sollte Schmäh. Darunter versteht man eine von hoher Schlag- noch eine weitere kulturelle Besonderheit kennen: fertigkeit geprägte Art, seinem Gegenüber die Der Kellner ist ein „Sir“, dem man mit dem ihm Grenzen aufzuzeigen. Zu beobachten ist das häufig gebührenden Respekt oder besser noch mit einer im Dienstleistungsgewerbe. Wenn ein hungriger Spur Unterwürfigkeit begegnet. Wer sich diesem Passant den Inhaber eines der zahlreichen Würstel- Wiener Naturgesetz widersetzt, der bekommt es stände fragt: „Was können Sie denn empfehlen?“, freilich mit dem Wiener Schmäh zu tun – ein cleveres dann lautet dessen Antwort womöglich: „A ondares Topmodel darf seine Allüren haben.
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