DANTE ALIGHIERI IM SPIEGEL DES EICHENBAUMES - Leitsterne im Spiegel der Bäume - BAND 10
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EINE REISE, DIE AM KARFREITAG BEGANN! KARFREITAG Der grosse italienische Dichter Dante schildert in der Ichform eine wundersame Reise, die am Karfreitag beginnt. Diese Reise ist eine der mittelalterlichen Jenseitsvisionen und führt durch die drei Reiche der jenseitigen Welt. Zuerst betritt Dante mit seinem Meister Vergil die Hölle, die als gewaltiger in die Erde führender Trichter mit neun Höllenkreisen, ist. Es sind Strafbezirke für diejenigen, die für ihre Sünden zur ewigen Verdammnis verurteilt sind. In der neunten Ebene trifft er auf den Teufel persönlich, mit seinem dreifaltigen bösen Gesicht. Dann führt sein Weg durch den Läuterungsbereich. Dort trifft er auf jene Seelen, die für Ihre Sünden noch Vergebung erlangen konnten. Dieser Weg ist spiralförmig und führt durch sieben Bussbezirke zum irdischen Paradies. Aus dem irdischen Bereich steigt der Reisende Dante nun zu Beatrice in das himmlische Paradies mit den neun Himmelssphären auf. Dante war ein Vertriebener, der sich durch sein Schicksal dennoch der Menschheit verpflichtet fühlte. Er war seit 1302 als von seiner Vaterstadt Florenz Verbannter im Exil. Dante`s Commedia hat einen außerordentlichen Einfluss auch auf Werke der bildenden Kunst ausgeübt. Es ist nicht übertrieben dieses Werk als Heilmittel durch das Wort zu erfassen. Die Göttliche Komödie als Hörbuch zum Einstieg ist sehr zu empfehlen.
Kapitel 1 Dante Alighieri 1265 -1321 im Spiegel des Eichenbaumes STECKBRIEF Dante Alighieri ist geboren im Mai oder Juni 1265 in Florenz; gestorben am 14. September 1321 in Ravenna. Er war ein Dichter und Philosoph italienischer Sprache. Dante ist der bekannteste Dichter des Italienischen und gilt als einer der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters. Sein Werk schöpft weit und künstlerisch unvergleichlich aus der Theologie, der Philosophie und den übrigen Wissenschaften seiner Zeit. In bedeutender Symbolträchtigkeit als Dichter stellt er die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den Mittelpunkt seiner Werke. Er beschreibt in der Göttlichen Komödie die Hölle, den Läuterungsberg und die Schau.Wie kein anderer Dichter vor ihm stellt er die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den Mittelpunkt seiner Werke. Kein anderer Dichter vor und nach ihm wurde so oft, so umfangreich und mit einem solch unfassbaren Aufwand an Gelehrsamkeit kommentiert. Italien war in jener Zeit zerrissen von den gewaltsamen politischen Kämpfen zwischen Ghibellinen und Guelfen. Die Ersteren,vertraten die Ansprüche des Kaisers und die Letzteren die des Papstes. Sein Leben lang war er ein Vertriebener. Die Göttliche Komödie ist ein Heilmittel über die Zeiten hinweg.
Kapitel 2 Dante Alighieri DER EICHENBAUM 1265 -1321 im Spiegel des Eichenbaumes ERINNERT SICH LANGSAM ABER BESTIMMT
Der Eichenbaum erinnert sich langsam aber be- Das Genie in diesem irdischen Pilger wirkt, wie bei allen geni- stimmt alen Menschen durch ein Reflexionsorgan. Sein Spiegelbild zeigt sich in einem bedeutenden, großarti- gen literarischen Werk, welches da es so bedeutend ist, die Die Welt, die der Mensch durch sein Erlebnis erfahren kann Jahrhunderte überdauerte und auch in dieser modernen Zeit ist eine äußere Welt. Doch große Erfahrene, Menschen die unzählig viele Menschen inspiriert und geläutert hat. der Welt etwas zu sagen haben, wissen auch von einer inne- ren Welt zu berichten. So ein Mensch ist Dante. Er erlebte die Welt außen, doch sie leitete ihn auf den irdi- schen Pfaden in ein tiefes Dunkel hinein, wo sein Sehnen nach Licht und Erkenntnis, sein Schrei in Bedrängnis in ein Menschen und Eichen ganz bedeutsames Erlebnis führte, welches er in einem wun- derbaren Werk kraft seines Geistes niederschrieb. Dante erlebte sich im äußeren Sein als Mensch und in sei- Menschen sind wie Bäume. Manche entfalten sich rasch, eini- nem Urgedächtnis als Geist. Er ist also nicht nur als Mensch ge wachsen flüchtig oder auch ungestüm und viele von ihnen in der Zeitlichkeit vorhanden gewesen, sondern lebte und vergehen wieder, bevor sie groß geworden sind. lebt weiter durch seine Schöpferkraft im Spiegel seines Wer- Manche Bäume sind groß, doch sie fallen vor ihrer Zeit und kes. Weil er in seinem Leben ein großes Vorbild gefunden hat- manchmal ist es fast so, als wären sie dennoch nie da gewe- te, seinen Lehrer und Meister der Dichtkunst Vergil, war er sen. Viele Bäume wachsen und werden vernichtet oder ge- nicht verlassen und alleine, sondern gerade in seiner großen fällt, bevor sie groß und mächtig sind, aber sie hinterlassen Bedrängnis von ihm geleitet und geführt, hinein in die weiten ihr Zeichen im Boden der Natur. Räume des Geistes, in eine innere Welt der Schöpfung hi- Bestimmte Bäume haben auch das Los einfach nur im Schat- nein. ten zu vegetieren um bald wieder zu vergehen. Gewisse Bäu- Mit dem unzeitlichen, ewigen Werk der Göttlichen Komödie, me wachsen sehr langsam, sind stetig in ihrer vegetativen erfährt der große Dichter Dante jene von normalen Men- Kraft und ihr Holz ist hart und sie werden mächtig und groß. schen ungesehene, innere Welt und bringt sie uns durch die Lektüre einer besonderen Güteklasse ins Gedächtnis. 4
Sie überdauern die Zeit und stehen vielleicht für uns als Zei- Doch um diese Verbindung in sich, für sich selbst und andere chen für die unfassbaren Mächte der Ewigkeit.Eichen sind zu erschaffen, muss er sich erinnern, wer er in Wahrheit ist. solche Bäume. Sie beeindrucken uns Menschen seit sehr lan- Er hat sich zu erleuchten. Und so oft ist es die Sprache, … ger Zeit. nur die Sprache die es kann. In vielen Kulturen gelten sie als heilige Bäume. Eichenwur- zeln sind stark und eine von ihnen, die Pfahlwurzel wächst di- rekt vertikal in die dunkle Erde hinein. Wenn der Baum seine mächtige Krone im Wind, in der Sonne und im Regen be- „Jedes Wort ist ein Strahlenbündel: Der Sinn bricht wegt, ist seine Wurzel vielleicht ebenfalls im Wasser, verbor- in verschiedene Richtungen aus ihm hervor und eilt gen vor den Augen der Welt tief im Erdengrund und verbin- nicht auf den einen, offiziellen Punkt zu. Wenn wir det die unterirdischen Wasser mit den überirdischen Was- »Sonne« sagen, machen wir eine gewaltige Reise, an sern. die wir uns so sehr gewöhnt haben, daß wir sie im Schlaf absolvieren. Poesie unterscheidet sich gerade Es geschieht durch das Unten im Dunkeln einer undurch- dadurch von einer automatischen Rede, daß sie uns dringlichen Natur und durch das Oben einer lichten, von al- weckt und aufrüttelt in der Mitte des Wortes. Dann len Verschleierungen befreiten, strahlenden Welt, so dass der erweist dieses sich als weitaus länger, als wir ge- Baum zu einer Brücke werden kann. dacht haben, und wir erinnern uns, daß Sprechen be- deutet - immer unterwegs zu sein.“ Der Mensch hat durch die Möglichkeit, um über die rein ve- getative und ihn stets bewegende emotionale Ebene hinauszu- Ossip Mandelstam (1891-1838), russischer Dichter gelangen auch den Weg zur höchsten Ebenen des Geistes ge- wählt. Denn er ist in seiner Dreifaltigkeit im Körper, im Ge- müt und in seinem Geist für die Einheit tätig. Die Religionen und die Philosophie, sowie die Wissenschaf- Um sich ins Gedächtnis zu rufen, benötigt der Mensch, wel- ten verhelfen den Menschen, durch sein Streben über alle cher aufgerufen ist groß zu werden, ein Gefäß. Es ist ver- Hindernisse hinweg, das Unten mit dem Oben durch die Kro- gleichbar einem heiligen, immateriellen Behältnis, welcher ne seiner Vernunft und seines Geistes zu verbinden. aufgestellt wird, in einer stillen, wortlosen, dunklen Nacht der Seele, als wäre er ein goldener Kelch. 5
Es geschieht, um die Sterne zu bitten ihr Fluidum zu spen- einem Aufbruch, nach einer Zeit der Dunkelheit im Kerker den, damit der Grund sich füllen kann. der Begrenzung durch die Zyklen der Zeit. Die Lichter am dunklen Himmel, weit, schweigend und doch Das Wesen in der Eichel träumt still und leise. Solange, bis es so nah, erzählen durch ihren tonlosen, unerhörten Gesang in vom Licht der Sonne, diesem besonderen Stern am Himmels- der Stille des menschlichen Geistes von ewigen Geheimnissen zelt, gerufen wird die Wandlung der Kraft des Wachstums des unbegrenzten Raumes im Wesen der Zeit. von innen nach außen voranzutreiben. Der Mensch leert den Kelch der Weisheit, trinkt von der Am- Die Frucht und ihr Same vergisst die Drangsal ihrer Ahnen, brosia. Er füllt sich, gespeist vom Nektar der Ewigkeit hinter ist ganz für die Zukunft bereit und doch - es ist seltsam - erin- der Zeit. Er lernt den Geist durch sein Bewusstsein zu begrei- nert sie sich, weil er Gedächtnis ist. fen, obwohl er in Wirklichkeit nicht zu begreifen ist. Zuerst dringt ihr Aufgebrochenes Sein als unscheinbarer Er erfährt über das Geheimnis, leuchtend in jeder das Licht Spross durch die Unterwelt. Erlebt sich durch Gründe und scheinbar begrenzenden Struktur und erlebt durch sich selbst Abgründe einer irdischen, begrenzten, dunklen Arena, um die Wahrheit, den tiefen Sinn aller makellosen Zeichen und ihren besonderen Durchbruch im Kampf ganz mit oder oh- Mächte der Ewigkeit im Spiegel der Zeit. ne Zuschauer zu erschaffen. Als Spross läutert er sich von aller Begrenzung, von allem Streit mit der Erdenschwere. Badet sich im großen Licht und füllt sich durch das Lichte von vielen tausend kleinen und kleinsten Sternen am unendlichen, weiten Himmelszelt. Frucht und Same, Idee und Genie Ausgebreitet durch die Äste der Krone genießt der Baum den Wechsel, findet Gefallen am Wachstum und am Gedeihen. Vielleicht ist die Eichel am Ende eines langen Sommers das Erfährt sich am Aufstieg durch sich selbst und wenn er durch wachsende Zeichen bis in den Herbst hinein, dass ein beson- sein Streben eine gewisse Höhe erreichen konnte, an der es derer, ungesehener Austausch zwischen Himmel und Erde nicht mehr weiter aufwärts gehen kann, genießt die Eiche, auf dem blauen Planeten stattfinden kann. die Königin der Bäume, den Mythos des Lebens und erfüllt sich seinen Traum durch die Mächte des „Vereint- Seins“. Wie wäre es denn sonst zu erklären, wie in einer Frucht, die auch gleichzeitig der Same ist, die ganze Welt jenes mächti- gen Baumes zusammengefaltet als Erinnerung träumt, von 6
Dante Alighieri und seine Zeit manchmal sogar zu Tode gebracht oder aus der Stadt gejagt und verbannt. Opfer dieser extremen Machtpolitik gab es viele und einer So wie der Baum in seiner individuellen Vegetation auf der von ihnen, der zum Scheiterhaufen verurteilt wurde und ins Erde eine Zeit lang dieses besondere Leben von Anfang bis Exil flüchten sollte, war Dante Alighieri. zum Ende verbringt, ist auch der besondere Mensch, der trotz allen Kampfes den Streit in den Gegensätzen durch Ein- Dante war in der Schlacht von Campaldino (1289-90) auch satz, Vernunft und Weisheit gewinnt. ein Krieger. Als Soldat beteiligte er sich am Kampf der guelfi- schen Bürgerwehr, bei der die Florentiner Guelfen den an die Dante Alighieri lebte am Ende des ausgehenden Mittelalters Macht gekommenen Ghibellinen eine schwere Niederlage zu- (geb. 1265 in Florenz -14.09.1321) in Italien. Er verlor mit 10 fügten. Ein Jahr später war er an der Erstürmung der pisani- Jahren seine Mutter und nur ein paar Jahre später auch sei- schen Festung Caprona beteiligt. nen Vater. Schon in jungen Jahren wurde er zu einem politi- schen Menschen, der sich durch seine Meinung über Kirche Der heimattreue Florentiner stand mitten in einem Krieg der und Staat und die damaligen Kämpfe zwischen den Parteien mentalen, emotionellen und materiellen Mächte. Durch diese (Guelfen und Ghibellinen) in eine äußerst schwierige Lage Wirkung war er ein getriebener Heimatloser, der versuchte brachte. einen Weg zu finden, um sich und sein Wesen in diesem von Betriebsamkeit gezeichneten Leben einen Fußpunkt zu erhal- Die „schwarzen“ Ghibellinen (Waiblinger) waren die Partei- ten, um sich zu verwurzeln und sicher zu begründen. Dante gänger des Kaisers. Die Gegengruppierung wurde durch die stand nicht nur im Krieg der Gegensätze, zwischen schwar- Guelfen (Welfen) gesetzt, welche das Papsttum unterstützten. zen und weißen Kräften und seinen vielfältigen Ausdrucksfor- Die italienischen „weißen“ Guelfen unterstützten aber auch men, sondern auch inmitten einer im Untergang begriffenen, manchmal die Sache des Kaisers, wenn es nützlich schien. sich unwiederbringlich vollendenden Zeit. Die Trennung in Ghibellinen und Guelfen spaltete sich wei- Es ist die Zeit, in welcher das Mittelalter gipfelte, aber auch ter auf. Um 1300 verfolgten in Florenz die weißen Guelfen bereits die Anzeichen des heraufkommenden neuen Zeital- (kaiserfreundliche Guelfen) einen Kompromiss mit dem Kai- ters deutlich wurden. Der Gipfel ist der Zenit oder ein Schei- ser, während die schwarzen Guelfen (Papstgetreuen), gegen- telpunkt, welcher unweigerlich überschritten werden wird. So über dem Kaiser eine harte Politik vertraten. Je nach dem, kann das Ende dann wieder, nach dem Gesetz von Zeit und welche Regierung in den Kommunen an der Macht war, wur- Ewigkeit, zu einem neuen Anfang werden. den Anhänger der einen oder der anderen Partei verfolgt, 8
Die Frucht wird zum Samen, damit sich das inwendige Ge- Dante und die Liebe heimnis, noch formlos und unerkannt, in einer besonderen, der Zeit angemessenen Gestalt, nach außen kehren kann. Dann wird sie auch erneut zum Kelch, empfängt die Geheim- Das wohl wichtigste Erlebnis, noch als Spross mit 9Jahren, nisse, die wie Samen Ideen enthalten, welche noch keiner war die Liebe verheißende Begegnung mit der ein Jahr jünge- kennt, als wären diese unendlich kostbare Geschenke von fer- ren Beatrice, die er von diesem kindlichen Alter an vergötter- nen Sternensphären und Himmelswelten, gefallen in den te. Kelch der irdischen Welt. Diese Liebe für die „glorreiche Herrin seines Herzens“ war eine unerfüllte. Als Beatrice mit 23 Jahren unglücklich verhei- ratet wurde und mit 25 Jahren starb, Dante und Beatrice wa- ren sich immer nur sehr flüchtig begegnet, wurde von Dante das Versprechen gegeben, sie in ihrer ganzen Glorie zu be- Es gehört zum Wesen des Geschichtlichen, daß eine schreiben. Gestalt erst dann ganz deutlich wird, wenn sie unter- Dantes Hang zur Philosophie und das Studium von gelehrten zugehen beginnt. Darin drückt sich die Tragik des Le- Schriften und Dichtungen veranlasste ihn zu Werken wie der bendigen aus, denn Vollendet-werden bedeutet Voll- Vita Nova. Jenes Prosawerk entstand in den Jahren bis 1293 werden, aber eben im Ende. (Incipit Vita nova: „Es beginnt das neue Leben“, der erste Druck erschien 1576), in der er seine Liebe besang. Ossip Mandelstam (1891-1838),berühmter russischer Dichter* ,Zitate Den Tod Beatrices, den er vorher im Traum gesehen hatte, aus seinen Dante Studien stellt Dante wie auch ihre erste Begegnung unter das mysti- sche Zeichen der Zahl 9. Am 9. Juni 1290 starb Beatrice. Nach syrischer Zeitrechnung im 9. Monat des Jahres. Das Jahr 1290 umfasst neunmal die Zahl 10, welche die Zahl der Vollkommenheit darstellte, in der alles enthalten war (1+2+3+4=10). Dante nimmt Bezug auf das ptolemäische Weltbild und des- sen 9 Himmel. Für ihn und seine Deutung zeigte die Bezie- hung Beatrices zur 9 an, dass bei ihrer Geburt die 9 Himmel 9
in bester Konstellation zueinander gestanden waren. Symbo- lisch war Beatrice selber die Zahl 9, deren Wurzel die heilige Dreifaltigkeit ist. Die Unerfüllte Liebe, der Hang zur Wissenschaft der Weis- heit, der Philosophie, die unruhige und unzufriedene Situati- on als politischer Mensch, der sogar verurteilt und verfolgt wurde förderten eine gewisse Tristheit und gleichzeitig eine Sehnsucht nach anderen Dimensionen. Vielleicht auch einen Hang zur Sehnsucht nach dem Tode, der ein Übertritt ist in ein neues Leben. Um sich mit diesen Gegebenheiten sinnvoll auseinanderzusetzen, entstand durch das Niederschreiben seiner Gedanken und das Studium ver- schiedenartiger Literatur sein Werk als Spiegel, in den wir noch heute, längst vergangen ist sein irdischen Leben, hinein- schauen können. Ähnlich wie der große Eichenbaum, gewachsen in vergange- nen Zeiten, durch sein wertvolles Holz noch heute so viel von sich und seinem ganzen Leben zu erzählen weiß, kann auch das unerschöpfliche Werk Dantes, besonders das unsterbliche Buch Die Göttliche Komödie, eine große dreifaltige Ge- schichte erzählen, die uns alle zu berühren und zu erleuchten weiß. 10
Kapitel 4 Dante Alighieri 1265 -1321 im Spiegel des Eichenbaumes DANTE UND SEINE WERKE
Dante und seine Werke in der Zeit des ausgehenden Großartige Schriften wachsen in die Jahrhunderte Mittelalters erinnert schon an die Morgenröte einer hinein wie als wären sie der Baum der Erkenntnis neuen Zeit von Gut und Böse Dante verliert in den Turbulenzen einer Zeit, die sich unwie- Folgende Schriften, Abhandlungen und Werke des grossen ita- derbringlich verändert und in der sich alte scheinbar verlässli- lienischen Dichtergenies erleuchten und vervollkommnen die che Werte auflösen seine politische Stellung. literarische Welt: Auch sein Haus verliert er unwiederbringlich in den Flam- Das Gastmahl (Il Convivio ca.1303-1306), es ist eine unvoll- men und seine Familie, seine Frau Gemma und seine vier endete, aber umfangreiche Abhandlung über den Gebrauch Kinder, die ihm nicht ins Exil folgen werden, lässt er zurück philosophischer Weisheit anhand einiger Kommentare zu und wird nie wieder nach Florenz zurückkommen. Dantes Kanzonen, den lyrische Dichtformen. Er verliert sein Auskommen. Verarmt und mittellos wandert Zwei Bücher Über die Ausdruckskraft der Volksspra- er durch viele verschiedene Stätte und Orte im mittelalterli- che (De vulgari eloquentia, um1845), die Abhandlung ist ei- chen Italien. Die Literatur, die Theologie, die Auseinanderset- ne unvollendete Arbeit über den Gebrauch der gesprochenen zungen mit den Wissenschaften und das Philosophieren ist Sprache in Gedichten im hohen oder tragischen Stil. ihm ein Trost und die Schriften und seine literarische Arbeit Dantes philosophisches Hauptwerk Drei Bücher über die helfen ihm zu überleben. Monarchie (De Monarchia libri tres) in 21 Handschriften ist Sie werden wie das Holz eines längs gefallenen Stammes ei- eine politische Abhandlung. Diese Schrift soll die göttliche ner grossen mächtigen Eiche für die Welt wertvoll und er- Bestimmung des römischen Kaisertums zur Weltherrschaft leuchtend sein. und dessen Unabhängigkeit in weltlichen Dingen von der auf Geistliches zu beschränkenden Herrschaft des Papstes bewei- sen. Die Datierung des Werks ist umstritten. 12
Die Untersuchung über Lage und Form des Wassers „Würden wir Dante hören, so würden wir unverhofft und der Erde (Quaestio de aqua et terra), diesen Werk liegt in einen Kraftstrom eintauchen, der als Ganzes Kom- einem Vortrag zugrunde, den Dante am 20. Januar 1320 in position heißt, in seinem Teilaspekt aber Metapher, der Kapelle der Heiligen Helena in Verona über ein zuvor in in seiner ausweichenden Art schließlich Vergleich, Mantua aufgekommenes Streitthema hielt. In dieser Untersu- ein Kraftstrom, der die Formulierungen deshalb her- chung geht es um die Frage, warum die Erde als niederstes vorbringt, damit sie in ihn zurückkehren, ihn in ih- der vier Elemente nicht vollständig von Wasser bedeckt ist. rem Hinschmelzen reicher machen und, kaum daß Dieses Werk der Philosophie versteht sich als naturwissen- sie der ersten Freude des Werdens für würdig befun- schaftlich ausgerichtete Analyse. Die damaligen wissenschaft- den wurden, ihr Erstgeburtsrecht sofort wieder ver- lichen Abhandlungen wurden auf eine Frage aufgebaut den lieren, indem sie sich der Materie anschließen, die sogenannten Quaestiones (lat. "Frage") zwischen die Bedeutungen strömt und sie umspült.“ In der Scholastik des Mittelalters waren viele theologische Ossip Mandelstam und philosophische Werke in dieser Weise aufgebaut. Tho- mas von Aquin, von dessen Werk damals mächtige Pfeiler der Wissenschaft der Theologie aufgebaut wurden, hat in seinem Werk Summe der Theologie über 1000 solchen Fragen (lat. Quaestiones) gestellt und abgehandelt. Eigentlich hieß dieses Werk nach Dante nur schlicht und ein- fach „Die Komödie“ also „Geschichte mit einem guten En- de“. Das verklärende Beiwort „göttliche“ gleich „divina“ hat Das bekannteste und meistübersetzte, meistkommentierte erst nach Dantes Tod sein Bewunderer Giovanni Boccaccio und deshalb heute weltweit berühmteste Werk der Weltlitera- eingeführt. tur von Dante Alighieri ist die Die Göttliche Komödie. Ihre Urschrift ist verschwunden, wie überhaupt keine Zeile von Dantes Schriftwerk überliefert oder erhalten geblieben ist. Dante vereinigt in sich die gesamte gelehrte Tradition des lateinischen Mittelalters und verschont seine Leser in diesem literarischen Wunderwerk der Dichtkunst, die in Terzinen, ei- ner von Dante erfundenen Versform verfasst wurde, nicht mit Namen, Personen und hochmittelalterlichem Wissen und 13
Weltbilderfahrungen. Es sind Personen, die er in seinem Le- Am Übergang zum Paradies wird Beatrice ihren Schüler zur ben gekannt hatte, Personen von Rang und Namen, Politiker, Hälfte weiter durch die 5 von 9 Sternensphären des Paradie- Staatsmänner Kirchenfürsten, Päpste, noch Lebende oder ses bis zu den Pforten des Himmels leiten, wo wiederum die schon lange Verstorbene, mit denen er sich im Hölle, am Läu- dritte Führung durch Bernhard von Clairvaux, dem berühm- terungsberg und im Paradies, den Schauplätzen seines Bu- ten Heiliggesprochenen Zisterziensermönch, den Weg für ches zu beschäftigen hat. Dante ebnet. Mit dem heiligen Bernhard wird es eine weiter Wir befinden uns bei Eintritt in die Geschichte - mit ihm als aufsteigende Reise durch das himmlische Paradies bis zum Erzähler in der Ichform - verloren und durch wilde Tiere be- Empyreum (griech. Empyros - im Feuer befindlich) empor, drängt, in einem dunklen Wald. dem Feuerhimmel, jener Sphäre im ptolemäischen Weltbild jenseits der Fixsterne, die in dem dreiteiligen Werk Dantes Durch ein Tor in die Unterwelt führt der Weg über 9 Stufen als Ort des Lichtes bezeichnet wurde. in die Tiefe bis zum Teufel hinab. Dantes Meister, der be- rühmte römische Dichter Vergil (70 v.Chr.-19.v.Ch.), der sich als längst verstorbenes Idol des Dichters im Limbus, im ers- ten Kreis der Hölle, einem Ort erhabener Melancholie auf- „Sich Dantes Poem als eine lineare Erzählung oder hält, begleitet ihn. nur als eine Stimme vorzustellen, ist völlig verfehlt. Vergil selbst war kein Christ, vielmehr ein ungetaufter Heide Lange vor Bach und in einer Zeit, als man noch keine und Schwermütigkeit war eine Untugend, dadurch eben eine monumentalen Orgeln baute, sondern nur sehr be- Sünde. So lässt sich der Ort, welcher wie eine Vorhölle jen- scheidene, embryonale Prototypen des künftigen seits von Qual und Seligkeit erschien, an dem der große Ver- Monstrums, als das vorherrschende Instrument gil weilte, erklären. noch die stimmbegleitende Zither war, baute Alighie- Durch die in ihrer Ehre auf ewig unantastbare Beatrice, die ri im Raum der Sprache eine unendlich mächtige Or- ebenfalls verstorbene Meisterin seines Herzens, welche vom gel, genoß bereits alle nur denkbaren Register, ließ Himmel hinab gekommen ist, erhält Vergil den Auftrag, Dan- die Bälge sich blähen, dröhnte und girrte mit allen te auf seinem gefährlichen Weg durch die Hölle bis auf den Orgelpfeifen.“ Läuterungsberg über 9 terassenförmigen Stufen hinauf zu führen und zu beschützen. Ossip Mandelstam (studierte Dante, stirbt in einem Arbeitslager in der Nähe von Wladiwostok durch Stalin) 14
Kapitel 5 Dante Alighieri 1265 -1321 im Spiegel des Eichenbaumes BÄUME FALLEN,… MENSCHEN STERBEN,…
Bäume fallen,… Menschen sterben,… geniale Dich- Doch was hat der Vorgang des Sterbens ursprünglich zu ter hinterlassen erleuchtet ihr großartiges Werk sein? Es ist wohl wirklich nur ein Übertreten über die Schwelle. So wie der Baum gefallen ist und sein wertvolles Holz der Welt Was passiert, wenn ein großer, mächtiger Eichenbaum am als Zeichen seiner Kraft und Stärke hinterlässt, ist auch der Ende seines Lebens zu Boden fällt? Mensch ein „Hinterlassender“. Ein bescheidener, bereiter Es ist seine Form, die sich der Erde spendet. Die Elemente, Mensch hinterlässt nicht sich, sondern nur sein Werk. die aus ihm geordnet hervorgingen und eine besondere Farbe Mehr ist es nicht…! Doch gerade deshalb birgt es, wie eine hatten, werden zurück in den Verfall und zur gänzlichen Auf- Frucht den Samen, ein Geheimnis. Es spricht von Erleuch- lösung gebracht. Die Erde empfängt ihre Kinder. Die Seele tung und davon, dass wenn es in reichen Grund und Boden des Baumes, sein Licht und sein Leben entweicht, weil es kei- fällt, einen Ewigkeitswert für den Besitzer der Scholle hat. nen Sinn mehr macht, in einen zerfallenden Kerker mög- Dieser verdient sich, genährt durch den stets geheimnisvoll lichst lange zu überleben. gefüllten Becher, in Zukunft. Und dann wird es wieder einen neuen Anfang geben, auch Er verdient sich im Erleuchtetsein sein ureigenes Vermögen deshalb, weil es ein würdiges Ende gewesen ist. Die Zeit wird auf der Erde, stark und mächtig, hart wie Eichenholz und kommen! Die Ewigkeit hat sich gänzlich unerkannt in den weich wie Sternenstaub, gefallen aus dem Himmeln der Ewig- Hintergrund zu schieben, wenn das Wesen dazu aufgerufen keit, zu sein. wird, seine lichte Kraft wie Sternenfluid in einen bereitgestell- ten Kelch zu ergießen. Mit der Form wird es wachsen. Erfah- Geburt und Sterben scheinen also Prozesse, oder anders ein- rung ist sein Sinn, um Gedächtnis ganz und vollkommen facher gesagt, Entwicklungsgänge zu sein. Vielleicht sind es durch sich selbst zu erleben. Prozesse, die einen Übertritt bedeuten. Vielleicht sind es Vor- gänge, die Erfahrungen machen und Ordnungen in diesen Erfahrungen zu wunderschönen Mustern und Farben, zu Was passiert, wenn ein einfacher, irdischer Mensch, beschei- Kunstwerken von Ewigkeitswert zu gestalten. den und bereit, vom grossen wortgewaltigen Schöpfer gelei- Vielleicht werden diese Erfahrungen auch zu lebendiger Nah- tet, die Macht und Kraft über das Ein- und Ausatmen ver- rung für das Gedächtnis in Raum und Zeit - und ihr Duft ver- liert? strömt sich im Äther der Sternenwelt. Dann verwandeln jene Er stirbt…! Erfahrungen sich, wie als wären sie eingeschlagen in einem 16
Samen, sich wieder neu entfaltend, hinein in jenem uner- „Ein glücklicher und wirklich heiterer Tag war das schöpflichen, unergründlichen Geist der Ewigkeit. Sterben für ihn, an dem ihn Christus, der volle Mittag, er- muss gelernt sein, so wie auch immer wieder geboren werden leuchtete. Ein Tag, an allen Tagen seines Lebens von dürfen bis zur Perfektion zu lernen sein wird. ihm mit so vielen Sehnsüchten erwartet, mit Seuf- Gelerntes wird im Geiste der Vollkommenheit geprüft wer- zern verlangt, in der Meditation schon vor Augen ge- den und dann, wenn es Zeit wird, von der Wirklichkeit zur führt, mit Gebeten im voraus gefeit (gegen die Angrif- Wahrheit transformiert. fe des Bösen). Ein glücklicher Übergang von der Müh- sal zur Erfrischung, von der Erwartung zur Beloh- Sterben will gelernt sein…! Wenn wir sterben leuchtet, viel- nung, vom Kampf zum Sieg, vom Tod zum Leben, leicht wie bei Dante, die Mittagssonne über dem Zenit unse- vom Glauben zum Wissen, von der Pilgerschaft in res geistigen Lebens. Der Fußpunkt, der Nadir in der irdi- die Heimat, von der Welt zum Vater!“ schen Welt, die unsere Heimat ist, und nun im Sterben schon fast Vergangenheit. Und dieser Fußpunkt - er weint vielleicht durch sein Verlassensein. Zitat des Zisterzienser Abts Gottfried über das Sterben des Mystikers Vielleicht quält er sich, wie als wäre er verletzt und oder in und Heiligen Bernhard von Clairvaux Trauer. Doch er tröstet sich schnell, denn die Zeit, die heilt und die Wunden vernarben und frei von Schmerz wird alles irdische Aufgebrochensein. Dante Alighieri hatte ein schweres, ein hartes Leben. Er wur- de durch die Umbrüche in politische Streitereien, in böse Int- rigen um die Macht im Staat und der Kirche verwickelt. Doch weil er sich nicht im dunklen Wald einer ohne Ziele ausgerichteten Welt verloren hatte, konnte er im richtigen Moment dem Aufruf folgen, ein geführter, beschützter, beson- derer, ja ein genialer Mensch zu werden. Das Werk, welches er hinterließ, war nicht nur sein persönli- ches, sondern ein Werk der Kunst und damit ein Geschenk 17
des Schöpfers an den Menschen, welcher sich füllen ließ mit …Bis daß mein Geist von einem Blitz durchzuckt der Schönheit des Wortes. Dieser Aufgerufene überwand die ward, Trauer um die verlorene Liebe, verschmerzte den Mangel ü- In welchem sein Verlangen sich ihm nahte. ber die nicht erhaltende Anerkennung und den Schmerz ü- Der hehren Phantasie gebrach's an Kraft hier, ber die Missachtung seiner Persönlichkeit. Doch schon schwang um mein Wünschen und mein Er lernte im Inneren seines Wesens durch die Philosophie Wollen, den Trost zu finden. Er lernte auch, beobachten zu können. Wie sich gleichförmig dreht ein Rad, die Liebe, Die Macht der Beobachtung ist immer ein nach innen führen- Die da die Sonne rollt und andern Sterne. der Prozess, welcher Früchte trägt, die die Geheimnisse zum erleuchten bringen. Dante, 33.Gesang, Paradiso Es ist merkwürdig, dass gerade jene Menschen, die im Inne- ren ihres Wesens durch die Arbeit an ihrem Werk Erleuch- tung erfahren, von den anderen angegriffen, verunglimpft o- der sogar bis zum gewaltsamen Tode verfolgt werden. Es geschieht vielleicht, um das Irdische, welches sie noch bin- det an die Welt, dem hohen Dienst am Nächsten und einer besseren Welt vollkommen zu opfern. Entsagung durch Ge- waltlosigkeit ist das Gesetz, dem sie uneingeschränkt aus frei- em Herzen folgen, als wäre der Schmerz auf der Schwelle niemals wahrhaft zu fürchten. Dazu braucht es eine gewisse Härte. Als wäre der Mensch geschnitzt aus hartem beständi- gem Eichenholz, welches die Jahrhunderte überdauert, weil es im Kern nicht angegriffen oder zersetzt werden kann. 18
Dante Alighieri 1265 -1321 KURZ- im Spiegel des Eichenbaumes CHARAKTERISTIK
Eichenbaum Nr.10 Kurzcharakteristik des Eichenbaums: Die Bewegung in der Zeit lässt alles andere, auch das, was nach Ruhe förmlich schreit, nicht wirklich still werden. Alles, was Form besitzt, ist im Joch der Betriebsamkeit und deshalb angebunden. Gleich wie ein einsames Rädchen im Uhrwerk der gesamten Schöpfung ruft es, bewegt durch den Zwang. Es hofft auf einen Erlass, ununterbrochen getrieben und bewegt zu sein. Arbeit an sich selbst, gefördert durch die Eichenbaum-Essenz: Obwohl sich alles immer nur in Bewegung befindet, gibt es in der Mitte der Zeit die ruhende Kraft. Sie ist die regenerierende Macht, die das Alte aus dem Zwang, sich durch das Leben stets verausgaben zu müssen, befreit. Die Furchtlosigkeit und der feste Glaube in der Gegenwart ist die Medizin für die Stärke des Bewusstseins. xx
Einfluss auf die körperliche Ebene (positiv): Einfluss auf die körperliche Ebene (negativ): Stärkung der Knochen Erschöpfung Rückenmuskulaturkräftigung Schmerzen der Knochen Zahnwurzelstärkung durch Nervenstärkung Rückenschwäche Nerventonikum Altersschwäche Befreiung aus körperlichen Zwängen Magen-Darmschwäche Sehnen und Bänderstärkung Regenerationsschwäche Verjüngung durch Entspannung Fühlt sich in einer unbestimmten Weise verbraucht und alt nervenstärkend Kiefer-Knochenbelastung Zahnprobleme, Entzündung, Gewebsschwäche Rheuma- Gelenkbeschwerden Bandscheibenbelastung xxi
DANTE ALIGHIERI IM SPIEGEL DES EICHENSBAUMES Leitsterne im Spiegel der Bäume Band 10 © Doris Richter Joy-Edition, Verlag für Wort und Bild Bilder: Eva Pant Webdesign doris@praxisrichter.com Sankt-Martinstrasse 67, 6430 Schwyz CH www.praxisrichter.com xxii
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