DAS BETRETUNGS- UND ANNÄHERUNGSVERBOT - NACH 38a SPG - JKU ePUB

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Eingereicht von
                                           Lukas Trojan

                                           Angefertigt am
                                           Institut für Verwaltungs-
                                           recht und Verwaltungslehre

                                           Betreuerin
                                           a.Univ.Prof.in Dr.in
                                           Gudrun Trauner

                                           März 2021

DAS BETRETUNGS- UND
ANNÄHERUNGSVERBOT
NACH § 38a SPG

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium der

Rechtswissenschaften
an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Johannes Kepler Universität Linz
                                                   JOHANNES KEPLER
                                                   UNIVERSITÄT LINZ
                                                   Altenberger Straße 69
                                                   4040 Linz, Österreich
                                                   www.jku.at
                                                   DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht
benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Wien, 24.02.2021

Unterschrift
Lukas Trojan                                                INHALT                                                           Seite I

INHALT
INHALT ....................................................................................................................... I
ABKÜRZUNGEN ........................................................................................................ III

I.    Einleitung ........................................................................................................... 1

II. Entwicklung des Betretungsverbots ................................................................ 3

III. Voraussetzungen des Betretungsverbots ....................................................... 5
      A. Bestimmte Tatsachen ............................................................................................ 5
      B. Gefährderin bzw Gefährder und gefährdete Person ......................................... 6
          1. Gefährderin bzw Gefährder ........................................................................... 7
          2. Gefährdete Person .......................................................................................... 8
      C. Wohnung ................................................................................................................ 8

IV. Anordnung des Betretungsverbots ............................................................... 10
      A. Zuständigkeit ........................................................................................................ 10
          1. Sicherheitsbehörden ...................................................................................... 10
          2. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes .............................................. 11
      B. Grundrechte ........................................................................................................ 11
      C. Organbefugnisse ................................................................................................. 12
          1.   Aufgaben/Befugnisse ....................................................................................         12
          2.   Verhängung des Betretungs- und Annäherungsverbots ............................                                   13
          3.   Ermessen der Organe ....................................................................................         13
          4.   Verhältnismäßigkeit .......................................................................................      14
          5.   Verbotsbereiche des Betretens und Annäherns .........................................                            14
          6.   „Zur Kenntnis bringen“ des Verbotsbereichs ...............................................                       16
          7.   Abnahme und Hinterlegung der Schlüssel ..................................................                        16
          8. Gegenstände des persönlichen Bedarfs und Unterkunft ...........................                                    17
          9. Informationspflichten gegenüber Gefährderin bzw Gefährder und
              gefährdeter Person ........................................................................................       18
          10. Abgabestelle .................................................................................................    19
          11. Wegweisung und Kontrolle des Betretungs- und Annäherungsverbots ....                                              19
          12. Dokumentation und Information der Sicherheitsbehörde ......................... 21
D. Befugnisse der Sicherheitsbehörde ......................................................................... 21
          1. Überprüfung und Aufhebung des Betretungs- und Annäherungs-
             verbots ............................................................................................................ 21
          2. Ausnahmen vom Betretungs- und Annäherungsverbot ............................ 22
      E. Dauer des Betretungs- und Annäherungsverbots ............................................. 24
Lukas Trojan                                                INHALT                                                           Seite II

      F. Gewaltpräventionsberatung .............................................................................. 25

V. Rechte der gefährdeten Person und Opferschutz ....................................... 27
      A. Opferschutz .......................................................................................................... 27
      B. Opferschutzeinrichtungen .................................................................................. 28
      C. Einstweilige Verfügung ........................................................................................ 29
          1. Schutz vor Gewalt in Wohnungen (§ 382b EO) ........................................... 30
          2. Allgemeiner Schutz vor Gewalt (§ 382e EO) ............................................... 30
          3. Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre (§ 382g EO) .................................. 31
      D. Besondere Schutzbedürftigkeit ........................................................................... 33

VI. Herausforderungen für die Exekutive ........................................................... 35
      A. Polizeilicher Ablauf in der Praxis .......................................................................... 35
          1. Einsatzvergabe ............................................................................................... 35
          2. Sachverhaltsfeststellung ................................................................................            35
          3. Maßnahmen (nur bei Gefährdung) .............................................................                         36
              Exkurs: Betretungs- und Annäherungsverbot gegen Diplomatinnen
              und Diplomaten .............................................................................................        37
          4. Rechte und Umgang der bzw des Betroffenen bei der Ausübung von
              Befugnissen .....................................................................................................   37
          5. Protokollierung und Dokumentation ............................................................                       38
          6. Informationen .................................................................................................      39
          7. Verständigungspflichten ...............................................................................              40
          8. Bedrohungsmanagement, Gefährdungsanalyse .......................................                                     40
          9. Gewaltschutzdatei ........................................................................................           41
          10. Aus- und Fortbildung der Beamtinnen und Beamten .................................                                   41
      B. Problemstellungen bei „Gewalt in der Privatsphäre – Amtshandlungen“ ...... 43
          1.   Bagatellisierung der Gewalt .........................................................................              43
          2.   Beurteilung einer Momentaufnahme ...........................................................                       44
          3.   Sprachliche Barrieren und spezifische Opferbedürfnisse ...........................                                 44
          4.   Erfahrungen, Vorurteile und Werthaltungen ...............................................                          45
          5.   Mangelnde Akzeptanz der Maßnahmen und Arbeitsaufwand ................                                              45

VII. Maẞnahmebeschwerde ................................................................................ 47

VIII.Zusammenfassung ......................................................................................... 49

LITERATUR ................................................................................................................ 52
Lukas Trojan                      ABKÜRZUNGEN                                Seite III

ABKÜRZUNGEN
AB             Assistenzbereich
Abs            Absatz
Art            Artikel
AV             Annäherungsverbot
AVG            Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz       1991   (AVG),   BGBl
               1991/51 idF BGBl I 2018/58
BGBI           Bundesgesetzblatt
BlgNR          Beilage/n zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates
B-VG           Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1920/1 idF BGBl I 2021/2
bzgl           bezüglich
bzw            beziehungsweise
EMRK           Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfrei-
               heiten (EMRK), BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139
EO             Gesetz vom 27. Mai 1896, über das Exekutions- und Sicherungs-
               verfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl 1896/79 idF BGBl I
               2020/16
f              und der/die folgende
ff             und der/die folgenden
GeSchG         Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen
               Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizei-
               gesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie –
               GeSchG), BGBl 1996/759.
Hrsg           HerausgeberIn
idF            in der Fassung
idR            in der Regel
iSd            im Sinne des, - der
iVm            in Verbindung mit
LKA            Landeskriminalamt
LPD            Landespolizeidirektion
LVwG           Landesverwaltungsgericht
RLV            Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für
               das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
               erlassen werden (Richtlinien-Verordnung – RLV), BGBl 1993/266 idF
               BGBl II 2012/155
Lukas Trojan                    ABKÜRZUNGEN                                Seite IV

RV             Regierungsvorlage
SNaP           Specific Needs and Protection Orders
SPG            Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung
               und die Ausübung der Sicherheitspolizei (SPG), BGBl 1991/566 idF
               BGBl I 2020/144
StGB           Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher
               Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl
               1974/60 idF BGBl I 2020/154
StPO           Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 1975/631 idF BGBl I 2020/148
SVA            Sicherheits- und Verwaltungspolizeiliche Abteilung
UVS            Unabhängiger Verwaltungssenat
VfSlg          Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des
               Verfassungsgerichtshofes [ab 2012: Ausgewählte Entscheidungen
               des Verfassungsgerichtshofes]
vgl            vergleiche
VStG           Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl 1991/52 idF BGBl I
               2018/58
VwGH           Verwaltungsgerichtshof
VwGVG          Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte
               (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 2013/33
               idF 2020/119
VwSlg A        Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungs-
               gerichtshofes/Administrativrechtlicher Teil
Z              Ziffer
Lukas Trojan                                  I. Einleitung                         Seite 1

I.       Einleitung

„Funkwagenstreife XY von Funkstelle, fahren Sie in die Xyz-Straße X. Laut dem Auffor-
derer ist in der dortigen Wohnung ein heftiger Streit zwischen Mann und Frau hörbar –
Näheres ist unklar.“

Ein solcher oder ähnlicher Funkspruch ist für die Polizei in Österreich keine Seltenheit.
Ich selbst bin Polizist und war knapp vier Jahre im 15. Wiener Gemeindebezirk (Ru-
dolfsheim-Fünfhaus) als Streifenpolizist tätig. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte
und der multikulturellen Bevölkerung im 15. Bezirk gilt dieses Gebiet im Polizeijargon
als „starker“ Bezirk. Einsätze wegen Streitigkeiten, häuslicher Gewalt oder anderen
Gewaltdelikten waren tägliche Begleiter in meinem Polizeialltag. Das Einschreiten
wegen physischer und psychischer Gewalt, die vor allem hinter verschlossenen Türen
ausgeübt wird, stand auf der Tagesordnung. Als Polizeibedienstete stießen wir bei der
Einschätzung und dem Handlungsbedarf bei Gewalt in der Familie oftmals an unsere
Grenzen.

Nicht nur meine persönliche Erfahrung, sondern auch die veröffentlichten Zahlen
sprechen für sich. Die Statistik der Wiener Interventionsstelle für Gewalt an Frauen und
häuslicher Gewalt veröffentlichte, dass in Österreich im Jahr 2018 knapp 18.500 Opfer
familiärer Gewalt in Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut wurden.
Diese Zahlen umfassen nur jene Fälle, bei denen es zu einer polizeilichen Intervention
kam, die Dunkelziffer von häuslicher Gewalt dürfte um einiges höher sein.1

Die Statistik zeigt, dass häusliche Gewalt nicht nur als individuelles Schicksal, sondern
vielmehr als ein gesamtgesellschaftliches Problem gesehen werden muss. Es bedarf
als solches einer gesamtgesellschaftlichen Lösung und geeigneter Schutzmaßnah-
men für die Opfer.

Bei einem Einsatz mit Gewalt in der Familie sind das Verhalten der ersteinschreiten-
den Beamtinnen und Beamten und deren Situationseinschätzung wesentlich. Ihre

1     (abgefragt 13.04.2020).
Lukas Trojan                                    I. Einleitung                      Seite 2

Beurteilungen zum Zeitpunkt des Einschreitens wirken sich nicht nur maßgeblich auf
die Gefährderin bzw den Gefährder aus, sondern spielen auch bei der ersten Be-
treuung des Opfers eine essenzielle Rolle.

Wenn aufgrund bestimmter Tatsachen davon ausgegangen werden kann, dass die
Gefährderin bzw der Gefährder einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit
oder Freiheit der gefährdeten Person(en) begeht, wird ein Betretungs- und Annähe-
rungsverbot verhängt. Die Beurteilung des Betretungs- und Annäherungsverbots liegt
grundsätzlich im Ermessen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Gerüchte
oder Mutmaßungen über ein mögliches zukünftiges Verhalten der Gefährderin bzw
des Gefährders sind keinesfalls ausreichend.2

Zum einen ist der Wissensstand der Beamtinnen und Beamten zum Zeitpunkt des
Einschreitens ausschlaggebend für diese Entscheidung, zum anderen spielen aber
auch die allgemeine Lebenserfahrung und ihre Erfahrungswerte eine große Rolle.3 In
der Theorie ist von einer ausreichenden Tatsachengrundlage dann auszugehen,
wenn die Aussage des Opfers, vergangene einschlägige Vorfälle, Vorstrafen oder
Verletzungen, die Notwendigkeit für den Opferschutz ersichtlich machen.

In der Praxis ist die Beurteilung des Gesamtbildes jedoch oft schwierig und stellt nicht
selten eine Herausforderung dar.4 Es gilt in kurzer Zeit – in einer meist hektischen und
unübersichtlichen Situation – alle Interessen der beteiligten Personen abzuwägen
und sich ein Gesamtbild von der Situation zu machen, welches in weiterer Folge als
Entscheidungsgrundlage für den Erlass eines Betretungs- und Annäherungsverbots
dient.

Das Ziel der Diplomarbeit ist es, § 38a Sicherheitspolizeigesetz zu erläutern und die
Herausforderungen bei der Umsetzung im Exekutivbereich zu bewerten.

2   Vgl Erlacher/Forster, Sicherheitspolizeigesetz 75.
3   VwSlg 17.728 A/2009.
4   Vgl Erlacher/Forster, Sicherheitspolizeigesetz 75.
Lukas Trojan                      II. Entwicklung des Betretungsverbots                        Seite 3

II. Entwicklung des Betretungsverbots

Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG)5 wurde am 3. Oktober 1991 im Nationalrat be-
schlossen, es trat mit 1. Mai 1993 in Kraft.6 Mit dem Sicherheitspolizeigesetz gelang
dem Gesetzgeber eine Teilkodifikation des Rechtsbereichs der allgemeinen Sicher-
heitspolizei. Das Sicherheitspolizeigesetz beendete den zuvor bestehenden Zustand
großer Unübersichtlichkeit.7 Trotz zahlreicher Novellierungen blieb die Stammfassung
des Gesetzes bis heute weitgehend erhalten. Es gab in den letzten beiden Jahrzehn-
ten zwar viele punktuelle Ergänzungen des Gesetzes, jedoch kaum Eingriffe in seine
Substanz.8

Das am 1. Mai 1997 in Kraft getretene „Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der
Familie (GeSchG)“9 anerkannte die gesellschaftliche Verantwortung für häusliche
Gewalt und sah diese nicht mehr als Privatsache an. Der neu eingefügte § 38a SPG
„Wegweisung und Rückkehrverbot bei Gewalt in Wohnungen“ dient hauptsächlich
dem Schutz vor Gewalt in der Familie. Die Polizei ist seither ermächtigt, gewalttätige
Personen aus der Wohnung zu weisen. Die Bestimmung ermöglicht ein schnelles
Einschreiten der Exekutive und bietet sofortigen Opferschutz.10 Im Jahr 2018 wurde in
Österreich knapp über 8.000-mal von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht und
damit Opferschutz gewährleistet.11

Die Präventions-Novelle 2016 (BGBl I 2016/61) brachte neue präventive Maßnahmen
zur Deradikalisierung und Gewaltprävention. In Bezug auf die Gewaltprävention kam
es auch zu einem Ausbau des § 38a SPG. Der Schutz gefährdeter unmündiger
minderjähriger Personen wurde gestärkt, denn nunmehr konnte ein Betretungsverbot

5    Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheits-
     polizei (SPG), BGBl 1991/566 idF BGBl I 2020/144.
6    Vgl § 94 Abs 1 SPG, BGBl 1991/566 idF BGBl I 2019/113.
7    Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz 39.
8    Vgl Wiederin, Sicherheitspolizeirecht 14.
9    Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung
     und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG),
     BGBl 1996/759.
10   Vgl Erlacher/Forster, Sicherheitspolizeigesetz 75.
11    (abgefragt 13.04.2020).
Lukas Trojan                      II. Entwicklung des Betretungsverbots                          Seite 4

für eine Schul- bzw Kindergarteneinrichtung getrennt von einem Betretungsverbot für
die Wohnung ausgesprochen werden. Diese Neuregelung kommt zum Einsatz, wenn
die Verhängung eines Betretungsverbots für die Wohnung nicht in Frage kommt,
etwa wenn der Gefährderin oder dem Gefährder die Wohnadresse der Wohnung
gar nicht bekannt ist.12 Des Weiteren wurde § 38a Abs 6a SPG eingefügt. Dieser
Absatz spricht von einer präventiven Rechtsaufklärung und ermächtigt die Sicher-
heitsbehörde, die Gefährderin oder den Gefährder bei einem aufrechten Betre-
tungsverbot vorzuladen, um über rechtskonformes Verhalten zu belehren.13

Das Gewaltschutzgesetz 201914 fasste § 38a SPG gänzlich neu: „Betretungs- und
Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt“. § 38a SPG idF BGBl I 2019/105 trat – mit
Ausnahme seines Abs 8 – mit 01.01.2020 in Kraft (§ 94 Abs 47 SPG). § 38a Abs 8 idF
BGBl I 2019/105 und idF BGBl I 2020/144 tritt mit 01.09.2021 in Kraft (§ 94 Abs 47 und
Abs 48 SPG).

12   Vgl ErläutRV 1151 BlgNR 25 GP 3.
13   Vgl RV 1151 BlgNR 25 GP 3.
14   Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Namensänderungsgesetz, das Allgemeine
     bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Jugendgerichtsgesetz 1988, die Strafprozeß-
     ordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968 [...] geändert werden (Gewaltschutzgesetz 2019), BGBl I
     2019/105.
Lukas Trojan                  III. Voraussetzungen des Betretungsverbots       Seite 5

III. VORAUSSETZUNGEN DES BETRETUNGSVERBOTS
Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots
im Sinne des § 38a Abs 1 SPG sind eine Gefährderin bzw ein Gefährder, (zumindest)
eine gefährdete Person, eine Wohnung (in der die gefährdete Person wohnt) und
die Annahme, dass es in diesem Bereich zu gefährlichen Angriffen gegen Leben,
Gesundheit und Freiheit kommen wird.

A. Bestimmte Tatsachen

§ 38a Abs 1 SPG legt fest, dass die Befugnis zur Verhängung eines Betretungs- und
Annäherungsverbots daran geknüpft ist, dass „auf Grund bestimmter Tatsachen (…)
anzunehmen ist“, eine Person – die Gefährderin bzw der Gefährder – werde „einen
gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen.“ Der Gesetzge-
ber definiert die „bestimmten Tatsachen“ iSd § 38a SPG nicht, sondern nennt nur als
Beispiel einen vorangegangenen gefährlichen Angriff.15 „Ein gefährlicher Angriff ist
nach § 16 Abs. 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige
Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätz-
lich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es
sich um einen Straftatbestand u.a. nach dem Strafgesetzbuch handelt.“16

„Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtferti-
gen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu
erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffent-
lichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlich-
keit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den
Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des
Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen.“17

Das Gesetz verlangt nicht, dass sich die bestimmten Tatsachen, über die das Betre-
tungs- und Annäherungsverbot verhängt wird, in der Wohnung ereignen müssen. Der

15   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 152.
16   VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003.
17   VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0241.
Lukas Trojan                  III. Voraussetzungen des Betretungsverbots         Seite 6

zu erwartende gefährliche Angriff muss jedoch mit der Wohnung bzw im Zusammen-
hang mit „dem Wohnen“ stehen und rechtfertigen, dass die Wohnung zum Schutz-
bereich erklärt wird.18

Bestimmte Tatsachen, die auf einen künftigen gefährlichen Angriff auf Leben, Ge-
sundheit oder Freiheit schließen lassen, können etwa sein:
• Verhalten der Gefährderin bzw des Gefährders (Aggressivität, abnormes Verhal-
     ten, Gestiken, etc)19
• Frühere einschlägige Amtshandlungen20
• Vorangegangene einschlägige Vorfälle21
• Zeugenaussagen und Spuren am Einsatzort22
• Aussagen23 der gefährdeten Person bzw deren Erscheinungsbild24
• Eintragungen in der Zentralen Gewaltschutzdatei nach § 58c SPG

Mutmaßungen, bloße Gerüchte, Verdächtigungen, Belästigungen25, laute Be-
schimpfungen26 oder Ähnliches reichen für die Verhängung eines Betretungs- und
Annäherungsverbots nicht aus.27

B. Gefährderin bzw Gefährder und gefährdete Person

Sowohl „Gefährderin bzw Gefährder“ als auch „gefährdete Person“ kann grundsätz-
lich jeder Mensch sein, unabhängig von Geschlecht, Alter und HerkunftDie. Auch die
Beziehung bzw das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Gefährderin bzw dem
Gefährder und der gefährdeten Person ist irrelevant. Ebenso ist es nicht von Bedeu-

18   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 153.
19   Vgl LVwG Tirol 12.10.2015, LvWG-2015/12/2281-4.
20   Vgl UVS Vorarlberg 02.12.1997, 3-51-03/97.
21   Vgl VwGH 31.05.2012, 2012/01/0018.
22   Vgl LVwG Tirol 16.12.2014, LVwG-2014/23/2657-11.
23   Vgl LVwG Kärnten 01.06.2015, KLVwG-2702/10/2014.
24   Vgl LVwG NÖ 05.02.2016, LVwG-M-4/001-2014.
25   Vgl VwGH 24.02.2004, 2002/01/0280.
26   Vgl UVS Steiermark 12.07.2013, 20.3-8/2013.
27   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 152 f.
Lukas Trojan                  III. Voraussetzungen des Betretungsverbots          Seite 7

tung, ob die Gefährderin bzw der Gefährder strafmündig (Vollendung des 14. Le-
bensjahres) oder die Person zurechnungsfähig (§ 11 StGB) ist.28

Das Gesetz spricht sowohl von der Gefährderin bzw dem Gefährder als auch von der
gefährdeten Person im Singular. In der Praxis kommt es jedoch auch vor, dass mehre-
re Gefährderinnen und Gefährder oder mehrere gefährdete Personen vorhanden
sind, wobei letzteres durchaus häufiger anzutreffen ist. In der Praxis wurde bisher von
einem Betretungs- und Annäherungsverbot ausgegangen, welches mehrere Perso-
nen schützt. Da das neue Betretungs- und Annäherungsverbot nun aber auch ein
Annäherungsverbot nach sich zieht, müssen fortan nun einzelne Betretungs- und
Annäherungsverbote ausgesprochen werden. Wenn etwa ein Ehemann seine
Ehegattin und deren beiden Kinder gefährdet, sind gegen ihn drei Betretungsverbo-
te mit drei Annäherungsverboten zu verhängen, auch wenn alle Betretungsverbote
die gleiche Wohnung betreffen.29

1.     Gefährderin bzw Gefährder

Nach § 38a Abs 1 SPG ist die Person, von der die Gefahr des gefährlichen Angriffs
ausgeht, als Gefährderin bzw Gefährder zu benennen. Wie bereits erwähnt, kann
dies grundsätzlich jeder Mensch sein und es ist auch nicht vorausgesetzt, dass die
Gefährderin bzw der Gefährder mit der gefährdeten Person zusammenwohnt, auch
wenn dies in der Praxis sehr häufig vorkommt. Daraus ergibt sich, dass der Gefährde-
rin bzw dem Gefährder das Betreten einer fremden als auch der eigenen Wohnung
verboten werden kann. Handelt es sich beim Betretungs- und Annäherungsverbot
um die eigene Wohnung der Gefährderin bzw des Gefährders, muss vor allem das
Verhältnismäßigkeitsgebot beachtet werden.30 Im SPG ist die Verhältnismäßigkeit in
§ 29 SPG festgesetzt, worauf im Zuge der Arbeit später noch genauer eingegangen
wird.31

Da die Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots keinerlei Beziehung
zwischen der Gefährderin bzw dem Gefährder und der gefährdeten Person voraus-

28   Vgl Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz 135.
29   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 151.
30   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 155.
31   Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz 286.
Lukas Trojan                  III. Voraussetzungen des Betretungsverbots                          Seite 8

setzt, kann es in der Praxis vorkommen, dass die gefährdete Person ihre Gefährderin
bzw ihren Gefährder nicht namentlich kennt. Für solche Fälle sieht § 35 Abs 1 Z 8 SPG
eine Identitätsfeststellungsbefugnis für die einschreitenden Organe vor.32

2.     Gefährdete Person
Bei der Verhängung des Betretungs- und Annäherungsverbots hat die gefährdete
Person kein Mitspracherecht. Weder kann sie das Betretungs- und Annäherungsver-
bot verlangen, noch zustimmen oder ablehnen. ISd Strafprozessordnung (StPO)33 ist
die gefährdete Person ein Opfer mit besonderer Schutzbedürftigkeit. Nach § 6 Abs 1
Z 3 Richtlinienverordnung (RLV)34 sind Opfer von Straftaten aus physischen und
psychischen Gründen nicht in der Lage, die Umstände der Amtshandlung zu erken-
nen und realistisch zu beurteilen. Aus diesem Grund erfahren sie einen besonderen
Schutz und werden mit besonderer Rücksicht behandelt. Ziel des Betretungs- und
Annäherungsverbots ist es daher, die gefährdete Person vor weiteren gefährlichen
Angriffen zu schützen.35

Anders als bei der Gefährderin bzw dem Gefährder muss die gefährdete Person
tatsächlich in der Wohnung wohnen, für die das Betretungs- und Annäherungsverbot
ausgesprochen wird. Die Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots
über eine Gefährderin bzw einem Gefährder ist auf Grundlage des § 38a Abs 1 SPG
nur über eine Wohnung zulässig, in der die gefährdete Person zumindest faktisch
wohnt. Im Zuge des Betretungs- und Annäherungsverbots wird die Wohnung als
Schutzbereich definiert.

C. Wohnung

Räumlicher Anknüpfungspunkt für ein Betretungs- und Annäherungsverbot nach
§ 38a SPG ist eine Wohnung. Die Verhängung eines Betretungs- und Annäherungs-
verbots gemäß § 38a Abs 1 Z 1 SPG ist, wie bereits erwähnt, nur über eine Wohnung

32   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 155.
33   Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl 1975/631 idF BGBl I 2020/148.
34   Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des
     öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung – RLV), BGBl 1993/266 idF
     BGBl II 2012/155.
35   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 156.
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zulässig, in der die gefährdete Person zumindest faktisch wohnt. Der Begriff „wohnen“
beschreibt in diesem Zusammenhang, dass die Räumlichkeiten von der gefährdeten
Person für die Aufbewahrung ihrer persönlichen Gegenstände, zur Nächtigung und
auch zum Verbringen von Freizeit verwendet werden.36 Ob die gefährdete Person in
der von ihr bewohnten Wohnung gemeldet ist, spielt keine Rolle ebenso wenig wie
lange die Person schon in der Wohnung wohnt.37 Die gefährdete Person muss weder
Eigentümer noch Mieter der Wohnung sein, selbst ein widerrechtliches Wohnen reicht
aus.

§ 38a Abs 1 SPG definiert nicht, was unter einer „Wohnung“ zu verstehen ist. Nach
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH),38 wenn auch in einem anderen
Zusammenhang, kann darunter jeglicher abgeschlossene räumliche Bereich ver-
standen werden, der im weitesten Sinn Wohnzwecken dienen kann. An eine
Wohnung sind keine qualitativen Voraussetzungen gebunden, weshalb als Wohnung
auch folgende Bereiche in Betracht kommen: Hotelzimmer, Zelt, Krankenzimmer,
Unterkünfte jeglicher Art und sogar ein bewohnter Bretterverschlag.39

36   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 156.
37   Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz 384.
38   Vgl VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0068.
39   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 157.
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IV. ANORDNUNG DES BETRETUNGSVERBOTS
A. Zuständigkeit

1.    Sicherheitsbehörden

Sachlich zuständige Sicherheitsbehörden des Bundes sind gemäß Art 78a B-VG40 und
§ 4 SPG die Bezirksverwaltungsbehörden, also die Bezirkshauptfrau bzw der Bezirks-
hauptmann oder die Bürgermeisterin bzw der Bürgermeister in Statutarstädten. Sie
unterstehen den in jedem Bundesland eingerichteten Landespolizeidirektionen (LPD),
denen wiederum der Bundesminister für Inneres (Generaldirektion für die öffentliche
Sicherheit) übergeordnet ist. Eine Ausnahme bilden die Gebiete der in § 8 SPG
angeführten Gemeinden41, in denen die jeweilige Landespolizeidirektion zugleich
Sicherheitsbehörde erster Instanz ist. In jedem Bundesland gibt es eine Landespolizei-
direktion mit dem Landespolizeidirektor an der Spitze, nur in Wien trägt der Landespo-
lizeidirektor die Funktionsbezeichnung Landespolizeipräsident (Art 78b Abs 1 B-VG).

Die örtliche Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten der Sicher-
heitspolizei ergibt sich aus § 14 Abs 1 SPG, wonach die Sicherheitsbehörden in Aus-
übung der Sicherheitspolizei grundsätzlich innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereichs
zuständig ist. Wenn aber keine örtlich zuständige Behörde durch ihre Organe die
notwendigen Maßnahmen rechtzeitig setzen kann oder dies im Interesse einer
raschen und zweckmäßigen Besorgung des Exekutivdienstes liegt, können die ein-
schreitenden Organe gemäß § 14 Abs 3 SPG auch rayonsübergreifend Betretungs-
und Annäherungsverbote aussprechen. Und zwar dann, wenn sich der Vorfall, der
die Amtshandlung auslöst, in einem anderen Rayon als jenem ereignet, in dem die
Wohnung liegt.42

40   Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1920/1 idF BGBl I 2021/2.
41   Für das Gebiet der Gemeinden Eisenstadt und Rust; Graz und Leoben; Innsbruck; Klagenfurt am
     Wörthersee und Villach; Linz, Steyr und Wels; Salzburg; Sankt Pölten, Wiener Neustadt, Schwechat,
     Fischamend, Klein-Neusiedl, Schwadorf gelegenen Teile des Flughafens Wien-Schwechat; Wien.
42   Vgl Mayrhofer, Annäherungsverbot 375.
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2.    Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

Gemäß § 5 Abs 1 SPG versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in
der Sicherheitsverwaltung den Exekutivdienst für die Sicherheitsbehörden. Organe
des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 5 Abs 2 SPG Angehörige des Wach-
köpers Bundespolizei, Angehörige der Gemeindewachkörper, Angehörige des
rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden (sofern diese mit unmittelbare
Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet sind) und unter den in § 5 Abs 2 Z 4 SPG
genannten Voraussetzungen auch sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen
und des Bundesministeriums für Inneres. Der Begriff Wachkörper ist in Art 78d B-VG
legaldefiniert. Demnach sind Wachkörper „bewaffnete oder uniformierte oder sonst
nach militärischem Muster eingerichtete Formationen, denen die Aufgaben polizeili-
chen Charakters übertragen sind.“ Während der Wachkörper Bundespolizei vom
Bund eingerichtet wurde, werden Gemeindewachkörper gemäß Art 118 Abs 8 B-VG
von den Gemeinden errichtet.43

B. Grundrechte

Ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht ist ein subjektiv-öffentliches Recht,
welches dem Einzelnen durch eine Rechtvorschrift im Verfassungsrang eingeräumt ist
(Art 144 B-VG).44 Art 8 EMRK,45 wonach jedermann Anspruch auf die Achtung seines
Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs hat, ist im Zu-
sammenhang mit der Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots von
besonderer Relevanz.

Eingriffe in dieses unter Gesetzesvorbehalt stehende Freiheitsrecht sind nach Art 8
Abs 2 EMRK nur zulässig, wenn diese gesetzlich vorgesehen sind und eine Maßnahme
darstellen, „die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die
öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidi-
gung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der

43   Vgl Leitl-Staudinger, Besonderes Verwaltungsrecht 268.
44   Vgl VfSlg 17.507/2005.
45   Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210 idF BGBl III
     2018/139.
Lukas Trojan                   IV. Anordnung des Betretungsverbots             Seite 12

Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer
notwendig ist.“

In der Regel wird davon ausgegangen, dass eine gefährdete Person die Wahrheit
sagt und sich tatsächlich in Gefahr befindet und somit ein Betretungs- und Annähe-
rungsverbot gegen die Gefährderin bzw den Gefährder zu verhängen ist. Von Seiten
der einschreitenden Exekutivorgane muss jedoch eine Prognoseentscheidung
getroffen bzw das Vorliegen bestimmter Tatsachen überprüft werden, damit ein
Grundrechtseingriff iSd § 38a Abs 1 SPG gerechtfertigt ist.46

Auch die Richtlinien-Verordnung (RLV) stellt die Achtung der Menschenwürde durch
die einschreitenden Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten sicher. Sie gibt vor,
dass bei Fällen der Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsge-
walt dafür gesorgt werden muss, dass die maßgeblichen Umstände für ein solches
Einschreiten nachvollzogen werden können.

C. Organbefugnisse

1.    Aufgaben/Befugnisse

Grundsätzlich unterscheidet das SPG präzise zwischen Aufgaben und Befugnissen
der Sicherheitsexekutive. Das SPG versteht unter Aufgaben (§§ 19 ff SPG), das zu
erreichende Ziel bzw eine Vorgabe. Die Befugnisse im SPG (§§ 32 ff SPG) stellen die
Werkzeuge und Eingriffserlaubnisse dar, welche die einschreitenden Organe ver-
wenden dürfen, um eben diese Aufgaben zu erreichen. Rechtlich gesehen sind
Befugnisse die Erlaubnis an die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, um in
geschützte Rechte eingreifen zu können. Stellt sich eine Aufgabe, bedeutet es
jedoch nicht automatisch, dass die Ausübung der dafür vorgesehenen Befugnisse
zulässig ist. Das SPG sieht in § 28a Abs 3 vor, dass primär versucht werden soll eine
Aufgabe mit nicht-eingreifenden Mitteln zu erfüllen.47 „In die Rechte eines Menschen
dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche
Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel

46   Vgl LVwG Salzburg 05.01.2017, 405-12/8/1/15-2017.
47   Vgl Keplinger, Grundzüge des SPG 36.
Lukas Trojan                      IV. Anordnung des Betretungsverbots          Seite 13

zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel
außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht“ (§ 28a Abs 3 SPG).

2.     Verhängung des Betretungs- und Annäherungsverbots

Zweck des Betretungs- und Annäherungsverbots ist der Schutz von Menschen vor
Gewalt in Wohnungen und dies unabhängig davon, ob es zuvor zu (gerichtlich)
strafbaren Handlungen gekommen ist.48 Die Verhängung eines Betretungs- und
Annäherungsverbots hat sich demnach auf eine ausreichende Tatsachengrundlage
zu stützen, welche von den einschreitenden Organen in Erfahrung gebracht werden
muss. IdR geht man dann von einer ausreichenden Tatsachengrundlage aus, wenn
die Opferaussage, frühere einschlägige Vorfälle, Vorstrafen oder Verletzungen, die
Notwendigkeit des Gewaltschutzes ersichtlich machen.49

3.     Ermessen der Organe

§ 38a Abs 1 SPG ermächtigt die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur
Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots50: „Die Organe des öffentli-
chen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt (…), das Betreten einer Wohnung, (…) zu
untersagen.“ Diese Bemächtigung darf jedoch nicht als eine Einräumung eines freien
Ermessensspielraums gesehen werden. Die Aufgabennormen des SPG stellen nicht
bloß das schützende Interesse dar, sondern ordnen auch an, dass diese Interessen
verpflichtend zu erfüllen sind. Wenn also die Voraussetzung der Aufgabenerfüllung
des § 38a SPG 1 SPG (vorbeugender Rechtsgüterschutz) vorliegt, sind die notwendi-
gen Befugnisse zur Erreichung der Schutznorm verpflichtend einzusetzen. Aus diesem
Grund muss, wenn die Vorrausetzungen vorliegen und die Aufgabe nicht mit milde-
ren Mitteln gleichwertig erfüllt werden kann, von der Befugnis des § 38a Abs 1 SPG
Gebrauch gemacht werden. Beim § 38a SPG werden jedoch solche gelinderen
Mittel kaum in Betracht gezogen.51

48   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 138.
49   Vgl Erlacher/Forster, Sicherheitspolizeigesetz 75.
50   Vgl Leitl/Staudinger, Öffentliches Recht I Rz 15/48.
51   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 146.
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4.     Verhältnismäßigkeit

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich schon aus dem in der österreichischen
Bundesverfassung verankerten Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG). Demnach ergibt
sich für den Staat ein allgemeines „Sachlichkeitsgebot“ und fordert ein „sachliches“
und somit verhältnismäßiges Vorgehen. Im Sicherheitspolizeigesetz wird die Verhält-
nismäßigkeit nochmals in § 29 Abs 1 SPG verdeutlicht: „Erweist sich ein Eingriff in
Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur ge-
schehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg
wahrt.“ Dieser Grundsatz ist vor allem bei der Aufgabenerfüllung und Ermessensent-
scheidung, welche in Grundrechte der Betroffenen eingreifen, für die einschreiten-
den Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten von großer Bedeutung.

Jede Maßnahme bzw Ermessensentscheidung muss – aus einer ex-ante Betrachtung
heraus – dreifach bedingt sein52:
•    Eignung: Die konkrete Maßnahme muss zur Erreichung des Zwecks geeignet sein.
•    Erforderlichkeit: Es muss jene Maßnahme gewählt werden, welche am wenigsten
     in die Rechte eingreift und sie muss für die Zweckerreichung unabdingbar sein.
•    Angemessenheit: Die durch die Maßnahme erforderlichen Eingriffe stehen in
     einem vernünftigen Verhältnis zur Erreichung des Zwecks.

Im § 29 Abs 2 SPG sind noch weitere Kriterien verankert, welche bei der Verhältnis-
mäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus sind Exekutivbeamtinnen
und Exekutivbeamte nicht dazu angehalten, sich bei der Erfüllung von Aufgaben
unzumutbaren Gefahren auszusetzten, nur um gelinderte Mittel anwenden zu
können.

5.     Verbotsbereiche des Betretens und Annäherns
a.     Betretungsverbot

Der Verbotsbereich umfasst die Wohnung selbst und einen Bereich im Umkreis von
100 Metern von den Außenmauern der Wohnung. Die 100 Meter sind zweidimensio-
nal, im Sinne eines Blicks auf die Wohnung von oben, zu sehen. Bei Hochhäusern

52   Vgl Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz 100.
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bedeutet dies, dass sich auch unter oder über der Schutzwohnung befindliche
Wohnungen im verbotenen Umkreis befinden. Um diese während des aufrechten
Betretungs- und Annäherungsverbots betreten zu dürfen, benötigt die Gefährderin
bzw der Gefährder eine Ausnahmebewilligung gemäß § 38a Abs 9 SPG.53 Eine
Abänderung des gesetzlichen Verbotsbereichs ist den Organen des öffentlichen
Sicherheitsdienstes nicht gestattet, Ausnahmen können – unter Berücksichtigung
bestimmter Voraussetzungen – lediglich die Sicherheitsbehörden verfügen.54

b.     Annäherungsverbot

Seit dem Gewaltschutzgesetz 2019 ist mit einem verhängten Betretungsverbot ex
lege ein Annäherungsverbot verbunden (§ 38a Abs 1 erster Satz SPG).

Das Annäherungsverbot an die gefährdete Person umfasst ebenfalls einen Bereich
im Umkreis von 100 Metern um die gefährdete Person, welcher nicht von der Ge-
fährderin bzw vom Gefährder betreten werden darf. Der Gefährderin bzw dem
Gefährder ist es ausdrücklich verboten, sich an die gefährdete Person anzunähern.
Sie bzw er ist allerdings nicht dazu verpflichtet, Ihren bzw seinen Standort zu verlassen,
sollte sich die gefährdete Person nähern, etwa in der U-Bahn, im Gasthaus, etc.
Insofern handelt es sich daher nicht um eine absolute „Bannmeile“.55

Die bisherigen Schutzbereiche für Schulen, Horte und Kindergärten entfallen, da die
gefährdete Person, unabhängig vom Alter, an allen Orten durch das Annäherungs-
verbot geschützt ist.56 Wenn notwendig, kann jedoch für solche Örtlichkeiten eine
gerichtliche einstweilige Verfügung nach § 382e Exekutionsordnung (EO)57 ausge-
sprochen werden.58

53   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 158.
54   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 159.
55   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 159.
56   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 158.
57   Gesetz vom 27. Mai 1896, über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO),
     RGBl 1896/79 idF BGBl I 2020/16.
58   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 158.
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6.     „Zur Kenntnis bringen“ des Verbotsbereichs

Gemäß § 38a Abs 2 Z 1 SPG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
der Gefährderin bzw dem Gefährder den Verbotsbereich des verhängten Betre-
tungs- und Annäherungsverbots mitzuteilen. Die Verhängung ohne Mitteilung an den
Betroffenen, etwa in seiner Abwesenheit, ist nicht zulässig.59

Wie oben ausgeführt, umfasst der Verbotsbereich nach § 38a Abs 1 SPG zum einen
den Bereich des Betretungsverbots, also die Wohnung samt 100-Meter-Bereich um
diese herum, als auch des Annäherungsverbots, sprich den 100-Meter-Bereich um
die gefährdete Person. Die Mitteilung über das Annäherungsverbot setzt voraus, dass
die Gefährderin bzw der Gefährder informiert wird, wer von den Organen des öffent-
lichen Sicherheitsdienstes als gefährdete Person angesehen wird. Die Organe müssen
zwar der Gefährderin bzw dem Gefährder seine Verbote mitteilen, jedoch keine
Details bezüglich des 100-Meter-Bereichs. Es obliegt also der Gefährderin bzw dem
Gefährder selbst, dass sie bzw er sich darüber informiert, wo die 100 Meter um die
Wohnung im konkreten Fall enden.60

Der Schutzbereich und weitere wichtige Informationen werden nicht nur verbal,
sondern auch mittels eines Informationsblatts zur Kenntnis gebracht.61

7.     Abnahme und Hinterlegung der Schlüssel

Bei Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots sind der Gefährderin
bzw dem Gefährder zwecks Sicherung des Betretungs- und Annäherungsverbots alle,
in der Gewahrsam befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen (§ 38a Abs 2 Z 2
SPG).62 Im Falle, dass die Gefährderin bzw der Gefährder die Schlüssel nicht freiwillig
aushändigt, können diese mit Zwang (§ 50 SPG) abgenommen werden. Seit der
Novelle 2019 erlaubt das Gesetz die Durchsuchung der Gefährderin bzw des Ge-
fährders, um die Schlüssel abnehmen zu können. Die Durchsuchung ist jedoch nicht
routinemäßig und wird nur erforderlichenfalls durchgeführt, wenn angenommen

59   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 149.
60   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 160.
61   Vgl Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz 138.
62   Vgl Erlacher/Forster, Sicherheitspolizeigesetz 71.
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wird, dass die Person den Schlüssel bei sich hat, diesen jedoch nicht freiwillig abgibt.
Durch den Verweis auf § 40 Abs 3 und 4 SPG wird klargestellt, dass die Durchsu-
chungsbefugnis ebenfalls für das Öffnen und Durchsuchen von Behältnissen, die die
bzw der Betroffene bei sich hat, gilt. Die Durchsuchung muss sich allerdings auf den
Körper und die Bekleidung beschränken.63

Die Abnahme der Schlüssel ist nur bei der Anordnung des Betretungs- und Annähe-
rungsverbots möglich und kann nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Unter
Schlüssel wird nicht nur der herkömmliche Schlüssel verstanden, sondern sind auch
elektronische Schlüssel wie Chipkarten, Magnetkarten oder Transponder zu verste-
hen.64

Nach Aufhebung oder Beendigung des Betretungs- und Annäherungsverbots müs-
sen die abgenommenen Schlüssel der Gefährderin bzw dem Gefährder wieder
ausgehändigt werden. Werden die Schlüssel, trotz nachweislicher Information der
Gefährderin bzw des Gefährders über die Abholungsmöglichkeit, nicht binnen einer
zweiwöchigen Frist abgeholt, können die Schlüssel auch einer anderen verfügungs-
berechtigten Person ausgefolgt werden. Sechs Wochen nach Aufhebung oder
Beendigung des Betretungs- und Annäherungsverbots gelten die nicht abgeholten
Schlüssel als verfallen (§ 38a Abs 11 SPG).

8.     Gegenstände des persönlichen Bedarfs und Unterkunft

Neben vielen Pflichten hat die Gefährderin bzw der Gefährder das Recht, dringend
benötigte Gegenständige des persönlichen Bedarfs mitzunehmen. Die Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Verpflichtung, der Gefährderin bzw dem
Gefährder diese Möglichkeit zu geben (§ 38a Abs 2 Z 3 SPG). Unter dringend benö-
tigten Gegenständen versteht man Sachen, die erfahrungsgemäß in den nächsten
zwei bis vier Wochen gebraucht werden, wie etwa Bargeld, Ausweispapiere, Doku-
mente, Hygieneartikel, Medikamente, Kleidungsstücke oder Arbeitsunterlagen.65

63   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 160.
64   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 161.
65   Vgl Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz 138.
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§ 38a Abs 3 letzter Satz SPG sieht vor, dass die Gefährderin bzw der Gefährder in
Ausnahmefällen – in Begleitung eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes
und mit Zustimmung der gefährdeten Person – auch bei aufrechtem Betretungs- und
Annäherungsverbot die Wohnung betreten darf, um dringend benötigte Gegen-
stände des persönlichen Bedarfs abzuholen.

Des Weiteren haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 38a
Abs 2 Z 3 SPG die Pflicht, der Gefährderin bzw dem Gefährder darüber Auskunft zu
geben, wo sie bzw er unterkommen kann. Es ist jedoch festzuhalten, dass keine
Unterkunft gesucht werden muss, es reicht die Aushändigung einer schriftlichen
Information mit Notschlafstellen.66

9.     Informationspflichten gegenüber Gefährderin bzw Gefährder und
       gefährdeter Person

Gemäß § 38a Abs 2 Z 4 SPG haben die einschreitenden Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes die Gefährderin bzw den Gefährder über die verpflichtende
Gewaltpräventionsberatung (Abs 8) und über die Strafbarkeit bei einer Zuwiderhand-
lung iSd § 84 Abs 1b Z 3 SPG zu informieren. Diese Regelung traten erst mit 01.09.2021
in Kraft.

Auf der anderen Seite ist die gefährdete Person über die Möglichkeit einer einstweili-
gen Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO und über eine geeignete Opferschutz-
einrichtung (§ 25 Abs 3 SPG) zu informieren (§ 38a Abs 4 SPG). Die Informationspflicht
beinhaltet keine detaillierten und ausführlichen Informationen, es handelt sich ledig-
lich um ein „in Kenntnis setzen“ dieser Möglichkeiten. Einzelinformationen sind bei
den verwiesenen Opferschutzeinrichtungen einzuholen.67 Handelt es sich um eine
minderjährige gefährdete Person und erfordert es der Einzelfall, sind jene Menschen
über die Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbot zu informieren,
welche die regelmäßige Obhut innehaben (§ 38a Abs 4 Z 1 SPG). Weiters sind auch
die örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger über die Verhängung zu
informieren (§ 38a Abs 4 Z 2 SPG).

66   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 161.
67   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 165.
Lukas Trojan                      IV. Anordnung des Betretungsverbots            Seite 19

10. Abgabestelle

Die Gefährderin bzw der Gefährder muss von den Organen des öffentlichen Sicher-
heitsdienstes dazu aufgefordert werden, eine gewünschte Abgabestelle zu nennen
(§ 38a Abs 2 Z 5 SPG). Die Abgabestelle ist jener Ort, an dem Dokumente der Ge-
fährderin bzw des Gefährders zugestellt werden dürfen. Als Abgabestelle kann nicht
nur eine Wohnung benannt werden, sondern auch eine sonstige Unterkunft, Betrieb-
stätte, Sitz oder Geschäftsraum, Kanzlei oder Arbeitsplatz (§ 2 Z 4 ZustG). Mit der
Bekanntgabe einer Abgabestelle soll die Zustellung von Schriftstücken nach § 38a
SPG oder der Exekutionsordnung ermöglicht werden.

Im Falle, dass die Gefährderin bzw der Gefährder keine Abgabestelle bekannt gibt,
kann die Zustellung ohne vorausgehenden Zustellversuch durch Hinterlegung erfol-
gen. Darüber muss die Gefährderin bzw der Gefährder jedoch von den Organen des
öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgeklärt werden.68

11. Wegweisung und Kontrolle des Betretungs- und Annäherungsver-
    bots

Die Wegweisung iSd § 38a Abs 2 Z 6 SPG dient der Durchsetzung eines Betretungs-
und Annäherungsverbots und beschreibt die Anordnung, die Wohnung und deren
umliegenden 100-Meter-Bereich zu verlassen. Diese Anordnung gibt zwar den Befehl
diesen Bereich zu verlassen, es ist jedoch nicht möglich der Gefährderin bzw dem
Gefährder vorzuschreiben, in welche Richtung oder an welchen Ort sie bzw er sich
begeben muss.69 Eine Wegweisung aus einer Wohnung kommt nur dann in Betracht,
wenn sich die Gefährderin bzw der Gefährder selbst in der Wohnung aufhält. Sollte
die Gefährderin bzw der Gefährder die Wohnung nach der Wegweisung nicht
freiwillig verlassen, dann kann die Wegweisung mit Zwang durchgesetzt werden (§ 50
SPG).70 Demnach kann die Wegweisung auch in einer Wegbringung bestehen. Unter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips darf auch in eine Wohnung oder in einen
Teil einer Wohnung eingedrungen werden, um das Betretungs- und Annäherungs-
verbots durchzusetzen. Wenn sich etwa die Gefährderin bzw der Gefährder im

68   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 162.
69   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 162 f.
70   Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz 385.
Lukas Trojan                     IV. Anordnung des Betretungsverbots           Seite 20

Schlafzimmer eingesperrt hat, ist es den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes
gestattet, die Türe aufzubrechen, um die Wegweisung bzw Wegbringung durchfüh-
ren zu können.71

Die Wegweisung iSd § 38a Abs 2 Z 6 SPG kann auch der Durchsetzung eines Annähe-
rungsverbots dienen. Dies kommt zum Einsatz, wenn das Betretungs- und Annähe-
rungsverbot nicht in einer Wohnung, sondern an einem anderen Vorfallort
ausgesprochen wird und sowohl Gefährderin bzw Gefährder als auch die gefährde-
te Person anwesend sind. Nach Abschluss der Amtshandlung kann somit die Gefähr-
derin bzw der Gefährder weggewiesen werden.72

Die Missachtung der Wegweisung nach § 38a Abs 2 Z 6 SPG ist an sich nicht strafbar.
Wenn die Gefährderin bzw der Gefährder jedoch den Verbotsbereich nach Aus-
sprache des Betretungs- und Annäherungsverbots erneut betritt, liegt eine Verwal-
tungsübertretung nach § 84 Abs 1b Z 1 oder Z 2 SPG vor.73

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Pflicht, die Einhaltung des
Betretungs- und Annäherungsverbots während der ersten drei Tage des Geltungszeit-
raums zumindest einmal zu überprüfen (§ 38a Abs 5 SPG). Die Überprüfung sieht das
Nachschauen in der Wohnung vor, um sicherzugehen, dass sich die Gefährderin bzw
der Gefährder nicht in diesem festgelegten Schutzbereich aufhält. Eine gesonderte
Kontrolle des Annäherungsverbots ist gesetzlich nicht vorgesehen.74

Missachtet die Gefährderin bzw der Gefährder das Betretungs- oder Annäherungs-
verbot im Schutzbereich und wird auf frischer Tat beim Betreten des Schutzbereichs
ertappt, so ist dieser nach § 84 Abs 1b SPG, unter Hinweis auf das Vorliegen einer
Verwaltungsübertretung aufzufordern, den Verbotsbereich zu verlassen. Gemäß
§ 38a Abs 5 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes befugt, die
Gefährderin bzw den Gefährder bei Verstoß gegen das Betretungs- und Annähe-
rungsverbot mit Zwangsgewalt wegzuweisen. Verharrt die Gefährderin bzw der

71   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 163.
72   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 162.
73   Vgl Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, in Bauer/Keplinger (Hrsg) 163.
74   Vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz 392.
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