DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
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REPORT 53 * Astrid Schneider Dynamische Fassadengestaltung mit grossen Wintergärten DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN 1 Axel Schultes und Charlotte Frank Als der Deutsche Bundestag am 20. Juni 1991 Die lineare Grossform des «Band des Bundes» realisierten den Neubau des Bundes- entschied, Berlin wieder zur neuen alten Haupt- von Ost nach West kanzleramtes in Berlin. Dabei hatten stadt zu machen, fand sich im Berliner Spreebo- Die nördliche Spreebogenfläche unbebaut als die Berliner Architekten die seltene gen eine städtebaulich ungewöhnlich offene Situ- Park Gelegenheit durch das Gewinnen von ation. Wo einst Berliner Baublocks in direkter Das Nordufer der Spree als geschlossene aufeinanderfolgendem Städtebau- und Nachbarschaft zum Reichstag standen, war nach Stadtkante Architekturwettbewerb sowohl die dem Kriege eine grossflächige Stadtbrache. Im Eine Schiene von Solitären, südlich des «Band grosse Linie als auch den Gebäudeent- Osten wurde sie gefasst vom Verlauf der Berliner des Bundes» wurf zu bestimmen. So fügt sich der Mauer entlang der Spree. Hier grenzte direkt das Doch ihr Ziel, wie im ursprünglichen Entwurf die Baukörper als wesentlicher Bestandteil auch zu DDR-Zeiten dicht bebaute ehemalige Zen- Stadtplanung weit über das eigentliche Wettbe- in das «Band des Bundes» ein. Der trum des historischen Berlin mit der Friedrichstadt werbsgebiet hinaus bis zur Friedrichstrasse zu Artikel ist Teil der Serie über das an. Zur gleichen Zeit hielt der Westen die Flächen beeinflussen, gelang den Architekten nicht. So «Solare Regierungsviertel» in Berlin, für das zukünftige Regierungsviertel rund um den endet das Band heute am Elisabeth-Lüders-Haus. die auch das fast unsichtbare «Band Reichstag gezielt frei. Der Bauplatz war auch be- Und auch das zentrale Stück des Bandes im der Solaranlagen» auf den Dächern der reits Teil der Grossstadtplanungen von Adolf Hitler Spreebogen ist noch unvollendet, denn wichtiger Regierungsgebäude beschreibt. und seinem Chefarchitekten Albert Speer gewe- Teil der linearen Grundform ist das noch nicht sen, die dort einst eine grosse Nord-Süd-Achse gebaute Bürgerforum, welches in der Mitte und eine monumentale Halle gigantischen Aus- zwischen Bundeskanzleramt und Paul-Löbe- masses als Teil ihres faschistischen Stadtumbaus Haus das Band schliessen sollte, wenngleich errichten wollten. Die Schwierigkeit der Bauauf- mit aufgelockerten Formen. gabe bestand daher darin, einerseits eine kräftige und aussagefähige Form zu finden und sich ande- Vom Städtebau zur Fassadengestaltung rerseits gerade an diesem historisch so besetzten und beplanten Ort keine «starken Fehlgriffe» zu Als Axel Schultes und Charlotte Frank im Jahr leisten. Im Jahr 1992 wurde der Wettbewerb für 1995 auch den internationalen Wettbewerb zum * Astrid Schneider die Neuordnung des Regierungsbezirkes im Spree- Bau des Kanzleramtes gewinnen, gehen sie von Dipl. Ing. Architektur bogen ausgelobt, an dem 835 Planungsteams aus einer Realisierung des Gesamtensembles aus. Solar Architecture: aller Welt teilnahmen. Der siegreiche Entwurf von Das gegenüberliegende von Stephan Braunfels Design, Research and Communication Leiterin RG Berlin von EUROSOLAR Axel Schultes und Charlotte Frank ist gekennzeich- geplante Paul-Löbe-Haus, welches die Abgeord- D-10625 Berlin net durch vier Elemente: netenbüros und Sitzungssäle beherbergt, sowie FASSADE FAÇADE 4/ 2004
54 REPORT das Elisabeth-Lüders-Haus auf der östlichen Spreeseite nehmen Bezug auf das Bundeskanz- leramt. Beide Gebäudekomplexe haben die glei- che Breite. Wie Schienen werden die Bürokämme parallel zur Hauptachse organisiert. Wo das Paul- Löbe-Haus jedoch offene Höfe hat, werden beim Bundeskanzleramt die Höfe als Atrien verglast und geschlossen. Als Teil der städtebaulichen Grossform des «Band des Bundes» bilden die Bürokämme beider Gebäude harte Kanten nach Norden und Süden aus. Betont wird hierdurch die Dynamik der Ost-West-Bewegung. Die Fassaden der Baukörper sind hier wie Brandwände ge- schlossen, während die Fenster sich ausschliess- lich zu den Höfen und Wintergärten hin orientie- ren. Von Osten nach Westen hingegen öffnen sich die Gebäude entlang ihrer Haupterschlies- sungsachsen. Dynamische Fassadengestaltung: 2 das Bundeskanzleramt Den Kontrast zwischen den «rationalen» und or- thogonalen Bürokämmen als ruhiger und ge- schlossener Klammer und einer «im Fluss» ste- henden Mitte bilden Axel Schultes und Charlotte Frank radikal aus. Der Hauptkörper des Gebäu- des hebt sich als Kubus mit doppelter Höhe von den Bürokämmen ab. Hier ist die Leitung des Hauses, der Bundeskanzler, untergebracht. Dieser Kubus wird nun in Ost- und Westrichtung aufge- löst und dynamisiert. Dabei bedienen die Archi- tekten sich einer doppelten Wellenform, die sich im Schnitt und in den Grundrissen abzeichnet. Die untere Hälfte des Kubus ist räumlich stark ge- prägt von einer geschwungen verlaufenden Stahlbetondecke, welche beidseitig ein dramati- sches Foyer entstehen lässt. Im Zentrum der un- teren Hälfte des Kubus ist ein kreisrunder Sit- zungssaal eingestellt, der durch seine runde Form die Foyerwände dynamisiert. Die obere Kubus- hälfte springt durch den sich trichterförmig ins Gebäude ziehenden Aussenraum zurück. Wo un- 3 ten die Foyers sind, öffnen sich hier grossflächige Terrassen nach Ost und West, die wunderbare Ausblicke zur Stadt geben. Von dort führen geschwungene Aussenwände, die sich in den Innenraum fortsetzen, den Besucher wieder zurück ins Gebäude. Zur plastischen Durcharbeitung der sich dynami- sierenden und öffnenden Ost- und Westfassaden haben die Architekten sich ein zusätzliches Ge- staltungselement erlaubt: «tanzende Säulen» werden als Raumskulpturen vor und in das Ge- bäude gestellt und durchdringen die Fassade. Ohne tragende Funktionen dienen sie vornehm- 4 lich der Raumgestaltung, sollen den Blick leiten, FASSADE FAÇADE 4/ 2004
REPORT 55 mal schützen, mal öffnen und die Durchdringung von innen und aussen befördern. Einige Säulen im Ehrenhof tragen kleine Bäume, die laut Schul- tes das steife Zeremoniell des Ehrenhofes mil- dern und eine Saite Deutscher Sehnsucht anspre- chen sollen. Die Ausformung des Leitungskubus ist bestimmt von dem Wunsch, der Demokratie ein Gesicht zu geben und ihr einen poetischen Raum zu bescheren. Zugleich wollten die Archi- tekten das Gebäude weitest möglich öffnen, ohne aber mit der klassischen Glasfassade vor 5 Metallstütze zu arbeiten, wie es das «an eine rheinische Sparkasse» erinnernde Bundeskanz- leramt in Bonn tat. Stattdessen verwenden sie expressive plastische Ausdrucksmittel. Zugleich zitieren sie klassische architektonische Raum- kompositionen: die eines barocken Schlosses mit Seitenflügel und Hauptkörper, mit räumlich ins- zenierten Foyers und zentralen Treppenanlagen, Ehrenhof und rückwärtigem Park. Auch das hi- storische Säulenthema findet sich im Bau reflek- tiert. Die Materialität des Gebäudes Hierzu sagt Axel Schultes: «Was wir in unseren modernen Zeiten noch wollen können, worauf wir noch hoffen dürfen, wäre räumliche Fülle bei aller Schlichtheit des Materials.» Ihre plastischen Raumgedanken setzen Schultes und Frank daher vor allem mit einem Material um: mit Stahlbeton. Gegen die plastische Wirkung der gebogenen Wände und Decken treten die Verglasungen aus grossflächigen schlanken Pfosten- und Riegel- konstruktionen aus Stahl und Aluminium als eher unsichtbare Trennschicht zurück. Die geschlossenen Aussenfassaden unterschei- den sich je nach Himmelsrichtung: Die organisch geformten Ost- und Westfassa- 6 den sind als Sichtbetonelemente ausgeführt. Hier kam Ortbeton mit einer 80–120 mm star- ken Kerndämmung zum Einsatz. Die Fassaden der Nord- und Südseiten sind als klassische mit 120 mm Steinwolle wärmege- dämmte Stahlbetonfassaden mit vorgehängter Sandsteinverkleidung realisiert. Licht und Beleuchtung im Leitungsgebäude Tageslicht wird von den Architekten nicht nur als Lichtquelle, sondern vor allem als ästhetische und raumbildende Komponente betrachtet. So ist der «Kubus» vertikal und horizontal durchdrun- gen von Sichtbeziehungen zum Aussenraum. Räumlich stark wirksam sind auch die Oberlich- ter. So werden zwischen Hauptkörper und Büro- 7 FASSADE FAÇADE 4/ 2004
56 REPORT 1 Ansicht Bundeskanz- spangen Lichtfugen gebildet, welche die Baukör- leramt in Berlin. per voneinander abheben und die Wandflächen von oben mit Licht bestrahlen. Der Hauptkörper 2 Entwurf für die städte- bauliche Gestaltung des zeigt sich als Inszenierung von Licht und Masse. Spreebogens von 1992 von Auch das Kunstlicht sollte nach Möglichkeit die Axel Schultes und Char- Wirkung der Architektur unterstreichen. Daher lotte Frank. entwickelte der Lichtplaner Andreas Schulz zu- sammen mit den Architekten ein Konzept, das sie 3 Lageplan der Regie- «Licht aus dem Loch» tauften. Die Leuchten soll- rungsgebäude im ten hier nicht als «Lampen» körperlich in Erschei- Spreebogen: die Solar- stromanlagen sind blau nung treten, sondern das Kunstlicht sollte aus eingezeichnet. den Löchern in der Decke herausstrahlen. Zu die- sem Zweck wurden randlose, in die Betondecke 4 Grundriss 6. Oberge- zurückspringend eingesetzte Downlights ent- schoss mit Dachaufsicht wickelt. Insgesamt 8000 Betonarmaturen wur- auf die Bürotrakte mit den den in die massiven Betondecken und Wände Solaranlagen darauf. eingegossen. Als Leuchtmittel kommen 35-Watt- 8 9 Halogen-Metalldampflampen zum Einsatz. Sie 5 Grundriss des 1. Oberge- schosses: das Foyer öffnet liefern bis zu 95 Lumen pro Watt und sind be- sich nach beiden Seiten sonders lichteffizient. Die Lichtausbeute steigert begleitet von den Büro- sich noch durch die Verwendung besonders lei- kämmen. stungsfähiger Reflektorsysteme in den Leuchten. 6 Luftbild Spreebogen mit Blick nach Osten: im Die Wintergarten- und Büroriegel Vordergrund das Bundes- kanzleramt mit Solar- Die Bürokämme gliedern sich durch den Wechsel anlagen, dahinter das von massiven Kuben mit Wintergärten und wer- Paul-Löbe-Haus. den durch lange Flure erschlossen. In jeder ein- zelnen Einheit erschliesst ein Stichflur drei Räume 7 Schnitt durch den zur linken und rechten Seite. Die Büros lassen Hauptkörper: der untere sich mit Doppeltüren zu dieser Mitte hin öffnen. Teil beinhaltet die öffent- Leider wird diese Form der Gebäudeorganisation lichen Bereiche, der obere von den dort Arbeitenden wenig goutiert: So ist Kabinett und Kanzler- räume. der südliche Gebäudeflügel, an dessen Ende die Kantine liegt, 335 Meter lang. Der Weg vom vor- 8 Die «tanzenden Säulen» deren Ende des Nordflügels zur Kantine und zu- bilden den fliessenden rück kommt für die Mitarbeiter daher bereits ei- Übergang von Aussen- zu 10 nem kleinen Spaziergang gleich. Zudem führt die Innenraum. Längsorganisation zu weniger internen Begeg- nungen als in einem kompakter organisierten 9 Die Bürotrakte sind über Haus. Oberlichter vom Hauptkör- Dafür sind die Büroräume und Flurbereiche sehr per abgesetzt – Tageslicht betont die durchlaufenden attraktiv. Zum Wintergarten hin sind die Büros Wände. voll verglast. Jeder Büroraum ist zwei Fassaden- segmente breit. Jeweils eines der Fensterseg- 10 Kanzlerterrasse mit mente lässt sich komplett aufschieben. Zusätzlich Sicht auf den Reichstag kann das Oberlicht geöffnet werden. Ob die Höfe und die Solaranlagen. als verglaste Wintergärten oder offen ausgeführt werden sollten, wurde intensiv mit dem Bauherrn 11 Blick vom Kabinettsaal diskutiert. Durch einen Modellversuch unter dem auf Reichstag und Solar- anlagen. künstlichen Himmel konnte aber nachgewiesen werden, dass der Tageslichtquotient mit 12 Innenansicht Atrium 2,5–3,5% doppelt so hoch wäre, wie in Bonn mit Büroräumen: Innenlie- und auch weit über den in der DIN geforderten gende Lamellen sorgen für Werten. Um die Tageslichtausbeute zu steigern, Sonnenschutz. wurden die Wintergärten mit Weissglas ausge- 11 führt, welches einen TQ von 78% hat, bei gleich- FASSADE FAÇADE 4/ 2004
REPORT 57 zeitig noch relativ gutem Sonnenschutz. Die U- 13 Die Solarstromanlagen Werte der Isolierverglasungen von Büros und sind leicht geneigt auf Wintergärten liegen bei jeweils ca. 1,4 bis 1,6 einer Metallunterkonstruk- tion befestigt. W/m2K. Um den Sonnenschutz zu steigern, ist eine Konstruktion mit beweglichen Aluminium- 14 Die Solarmodule Lamellen vor der vertikalen und horizontalen stehen auf den Flach- Wintergartenverglasung angebracht. Die Büros dächern der Bürotrakte selbst erhalten zusätzlich noch den klassischen zwischen den Atrien. Blendschutz über einen innenliegenden Lamel- 15 Grundriss und Schnitt lenbehang. durch die Bürotrakte. Lüftung und Raumtemperierung 16 Sicht von der Photovol- taikanlage auf die Räume Die Wintergärten werden natürlich be- und ent- des Bundeskanzlers. 12 13 lüftet. Der mittlere Bereich der Vertikalverglasung 17 Die Atrien der lässt sich öffnen. Die Glasdächer der Winter- Bürokämme werden gärten sind leicht oberhalb der Flachdächer der natürlich belüftet. Bürotrakte angeordnet. Dadurch war es möglich, kleine umlaufende Vertikalfenster zu realisieren. 18 Der geplante Elektrizi- Diese dienen insbesondere der Wärmeabfuhr aus tätsverbrauch für das den Wintergärten im Sommer. Messeinrichtun- Bundeskanzleramt Berlin gen steuern über die Haustechnik die jeweilige beträgt 55 kWh/m2 BGF – den Innenraumbedingungen und der Wetterlage in Bonn wurden 160 ver- entsprechende Lüftungsweise. Sie geben auch braucht. dem Bürobenutzer ein Signal, ob es günstiger ist, über die Fenster zu lüften oder über die mechani- sche Zuluft. Das System ist so ausgelegt, dass bei Aussentemperaturen zwischen 5 und 20 °C eine vollständig freie Lüftung der Büros über die Fens- ter zum Wintergarten stattfindet. Bei Aussentem- peraturen unter 5 °C und über 20 °C wird me- 14 chanisch be- und entlüftet. Dabei wird die Zuluft im Sommer leicht vorgekühlt. Hierzu wird die Bildnachweis: warme Abluft befeuchtet und so von ca. 27 °C Bild 1, 10 – Fotograf Rudi Meisel, Berlin auf ca. 20 °C heruntergekühlt. Diese Kälte wird über einen Gegenstromwärmetauscher auf die Bild 12 – Fotograf Ulrich Zuluft übertragen. Ein Kreislaufverbundsystem Schwarz, Berlin ermöglicht die Wärmerückgewinnung. Im Winter wird Abwärme aus dem Blockheizkraftwerk ge- Bild 6 – Luftbild Berlin, 15 nommen, um die Frischluft vorzuwärmen. Dabei Oltmann Reuter dient die Zulufttemperierung aber nicht der ei- gentlichen Raumheizung oder Kühlung, sondern Bild 2, 4, 5, 7, 15 – Axel nur der isothermen Deckung des Frischluftbedar- Schultes Architekten – Frank, Schultes, Witt – fes. Die Grundtemperierung der Büros erfolgt Berlin über eine Bauteilaktivierung in den Fussböden: der 120 mm starke Verbundestrich, der auch ge- Bild 3 – Bundesbaugesell- nutzt wird, um Kabel- und Lüftungskanäle aufzu- schaft Berlin mbH, Berlin nehmen, beinhaltet 17 mm starke Polyethylen- rohre. Mit einer Vor- und Rücklauftemperatur von Bild 18 – Energiebeauf- 28/25 °C kann so mit geringer Temperatursprei- tragter des Bundes Römm- zung geheizt und mit 19/22 °C mit geringer ling, IEMB – Institut für Er- neuerung und Modernisie- Kältedifferenz gekühlt werden. Zur schnellen rung von Bauwerken e.V. Raumheizung stehen zusätzlich Konvektoren zur an der TU Berlin Verfügung. Da die Büros einen reduzierten Wärmeschutz Bild – 8, 9, 11, 13, 14, 16, haben, wird die Wintergartentemperatur auch 17 – Astrid Schneider, im Winter auf 15 °C gehalten. 16 17 Solar Architecture Berlin FASSADE FAÇADE 4/ 2004
58 REPORT lage für die Wintergärten oder als Bestandteil der Fassaden integriert werden können. Die entspre- chenden Vorschläge der Fachplaner und Berater stiessen bei den Architekten jedoch nicht auf Gegenliebe. Die mögliche Poesie von Licht und Schatten einer PV-Anlage wurde daher bei die- sem Projekt nicht voll ausgeschöpft. Die Architek- ten hätten es auch am liebsten gesehen, wenn die Solarmodule ganz horizontal hätten instal- liert werden können. Als Kompromisslösung ent- schied man sich für eine Flachdachaufständerung mit nur ca. 3° Neigung. Dies erlaubt aber trotz- dem eine sehr dichte Stellung der Modulreihen, so dass in der Fernsicht vom Reichstag der Ein- druck einer geschlossenen gläsernen Fläche ent- 18 steht. Da die Bürokämme vom Leitungsgebäude aus einsehbar sind, trägt das glänzende Blau der Energieversorgung Durch die sehr effiziente Beleuchtung und Haus- Anlage so auch zum Erscheinungsbild des Ge- technik gelang es den Stromverbrauch pro Qua- bäudes bei. Die Unterkonstruktion wurde eigens Die Energieversorgung des Gebäudes erfolgt vor- gefertigt aus in der Betondecke verankerten dratmeter auf etwa die Hälfte des in Bonn benö- wiegend aus regenerativen Energien. Eine grosse Stahlprofilen und Querträgern. Die Solarmodule tigten Verbrauches zu reduzieren. Gemäss den PV-Anlage trägt dazu bei. Im Zentrum der Ener- wurden als Glas-Glas-Module in Giessharztech- Planungen liegt er bei 56 Kilowattstunden pro gieversorgung steht ein Blockheizkraftwerk mit nologie ausgeführt und mit monokristallinen Zel- Quadrat bgf und Jahr – und damit etwas höher 500 kW elektrischer Leistung, welches mit Bio- len versehen. Der Jahresertrag im Jahr 2002 lag als gewünscht, während der Heizwärmebedarf diesel aus Rapsöl versorgt wird. Eine Absorp- bei knapp 90 Megawattstunden. Bei einem ge- mit 9,9 kWh/(m3a) ca. ein Drittel unter den Pla- tionskältemaschine erzeugt aus der Abwärme der planten Gesamtstromverbrauch von 3471 MWh nungswerten liegt und die Anforderungen auch BHKW Kälte. Ein Spitzenkessel mit über 2500 kW werden also ca. 2,5% des Strombedarfs durch der Energieeinsparverordnung ca. um die Hälfte Leistung und drei Kompressionskältemaschinen die Photovoltaikanlage erzeugt. unterschreitet. ergänzen das Energiesystem. Die Wärmerückge- winnung mit einer Effizienz von 80% ermöglicht Photovoltaikanlage im Jahr ca. 680 Megawattstunden einzusparen. Der Anschluss an den grossen Aquiferspeicher im Auf die geschlossenen Dächer der Bürokämme Spreebogen erfolgte jedoch nur für die Wärme- wurde eine 149 Kilowatt leistende Solarstroman- seite. Das Bundeskanzleramt hatte das Bedürfnis, lage mit über 1270 m2 Fläche gesetzt. Alternativ sich möglichst autark zu halten. hätte die Photovoltaik auch als Verschattungsan- Bautafel Lichtplaner: Licht-Kunst-Licht GmbH Elektrizitätsbedarf: 3580 MWh/a – Andreas Schulz, Berlin/Bonn 56 kWH/(m2a) Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, ver- treten durch die Bundesbaugesellschaft Technische Gebäudeausrüstung: Schmidt Kältebedarf: 1309 mWh/a – Berlin, mbH, Berlin Reuter Partner, Berlin/Köln 20,5 kWh/(m2a) Energiebeauftragter des Bundes: Projektbeteiligte: Solarstromanlage: Uwe Römmling, IEMB e. V., Berlin Architekt: Axel Schultes Architekten – Hersteller Solarmodule: Scheuten Solar Frank, Schultes, Witt Technology GmbH, Gelsenkirchen Planungswerte Energieverbrauch: Generalfachplaner: Ingka Ingenieure Energiebereitstellung aus BHKW: >70% Installation: engotec GmbH, Stuttgart Kanzleramt GbR, Berlin Solarmodule in Glas-Glas-Giessharztech- Jahresheizwärmebedarf bezogen auf das nologie Tragwerksplanung: GSE Ingenieurgesell- beheizte Raumvolumen: 3471 MWh/a – schaft mbH, Berlin, Saar, Enseleit und Part- 9,9 kWh/(m3a) Zelltyp: monokristallin ner mit Schlaich, Bergermann und Partner, Energiekennwerte bezogen auf die Brutto- Installierte Photovoltaik-Leistung: Stuttgart (Vordach) 149 kWp geschossfläche Fassadentechnik: R + R Fuchs, Ingenieur- Jahresertrag 2002: 89,182 kWh büro für Fassadentechnik, München FASSADE FAÇADE 4/ 2004
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