DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN

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DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
REPORT        53

 * Astrid Schneider

                                                    Dynamische Fassadengestaltung mit grossen Wintergärten

                                                    DAS BUNDESKANZLERAMT
                                                    IN BERLIN

                                                                                                                                                       1

      Axel Schultes und Charlotte Frank             Als der Deutsche Bundestag am 20. Juni 1991            Die lineare Grossform des «Band des Bundes»
   realisierten den Neubau des Bundes-              entschied, Berlin wieder zur neuen alten Haupt-          von Ost nach West
   kanzleramtes in Berlin. Dabei hatten             stadt zu machen, fand sich im Berliner Spreebo-        Die nördliche Spreebogenfläche unbebaut als
    die Berliner Architekten die seltene            gen eine städtebaulich ungewöhnlich offene Situ-         Park
  Gelegenheit durch das Gewinnen von                ation. Wo einst Berliner Baublocks in direkter         Das Nordufer der Spree als geschlossene
aufeinanderfolgendem Städtebau- und                 Nachbarschaft zum Reichstag standen, war nach            Stadtkante
     Architekturwettbewerb sowohl die               dem Kriege eine grossflächige Stadtbrache. Im          Eine Schiene von Solitären, südlich des «Band
 grosse Linie als auch den Gebäudeent-              Osten wurde sie gefasst vom Verlauf der Berliner         des Bundes»
    wurf zu bestimmen. So fügt sich der             Mauer entlang der Spree. Hier grenzte direkt das      Doch ihr Ziel, wie im ursprünglichen Entwurf die
Baukörper als wesentlicher Bestandteil              auch zu DDR-Zeiten dicht bebaute ehemalige Zen-       Stadtplanung weit über das eigentliche Wettbe-
      in das «Band des Bundes» ein. Der             trum des historischen Berlin mit der Friedrichstadt   werbsgebiet hinaus bis zur Friedrichstrasse zu
        Artikel ist Teil der Serie über das         an. Zur gleichen Zeit hielt der Westen die Flächen    beeinflussen, gelang den Architekten nicht. So
   «Solare Regierungsviertel» in Berlin,            für das zukünftige Regierungsviertel rund um den      endet das Band heute am Elisabeth-Lüders-Haus.
    die auch das fast unsichtbare «Band             Reichstag gezielt frei. Der Bauplatz war auch be-     Und auch das zentrale Stück des Bandes im
der Solaranlagen» auf den Dächern der               reits Teil der Grossstadtplanungen von Adolf Hitler   Spreebogen ist noch unvollendet, denn wichtiger
         Regierungsgebäude beschreibt.              und seinem Chefarchitekten Albert Speer gewe-         Teil der linearen Grundform ist das noch nicht
                                                    sen, die dort einst eine grosse Nord-Süd-Achse        gebaute Bürgerforum, welches in der Mitte
                                                    und eine monumentale Halle gigantischen Aus-          zwischen Bundeskanzleramt und Paul-Löbe-
                                                    masses als Teil ihres faschistischen Stadtumbaus      Haus das Band schliessen sollte, wenngleich
                                                    errichten wollten. Die Schwierigkeit der Bauauf-      mit aufgelockerten Formen.
                                                    gabe bestand daher darin, einerseits eine kräftige
                                                    und aussagefähige Form zu finden und sich ande-
                                                                                                          Vom Städtebau zur Fassadengestaltung
                                                    rerseits gerade an diesem historisch so besetzten
                                                    und beplanten Ort keine «starken Fehlgriffe» zu       Als Axel Schultes und Charlotte Frank im Jahr
                                                    leisten. Im Jahr 1992 wurde der Wettbewerb für        1995 auch den internationalen Wettbewerb zum
                              * Astrid Schneider    die Neuordnung des Regierungsbezirkes im Spree-       Bau des Kanzleramtes gewinnen, gehen sie von
                           Dipl. Ing. Architektur   bogen ausgelobt, an dem 835 Planungsteams aus         einer Realisierung des Gesamtensembles aus.
                             Solar Architecture:    aller Welt teilnahmen. Der siegreiche Entwurf von     Das gegenüberliegende von Stephan Braunfels
           Design, Research and Communication
             Leiterin RG Berlin von EUROSOLAR
                                                    Axel Schultes und Charlotte Frank ist gekennzeich-    geplante Paul-Löbe-Haus, welches die Abgeord-
                                  D-10625 Berlin    net durch vier Elemente:                              netenbüros und Sitzungssäle beherbergt, sowie

                                                                                                                       FASSADE       FAÇADE      4/ 2004
DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
54   REPORT

                                 das Elisabeth-Lüders-Haus auf der östlichen
                                 Spreeseite nehmen Bezug auf das Bundeskanz-
                                 leramt. Beide Gebäudekomplexe haben die glei-
                                 che Breite. Wie Schienen werden die Bürokämme
                                 parallel zur Hauptachse organisiert. Wo das Paul-
                                 Löbe-Haus jedoch offene Höfe hat, werden beim
                                 Bundeskanzleramt die Höfe als Atrien verglast
                                 und geschlossen. Als Teil der städtebaulichen
                                 Grossform des «Band des Bundes» bilden die
                                 Bürokämme beider Gebäude harte Kanten nach
                                 Norden und Süden aus. Betont wird hierdurch die
                                 Dynamik der Ost-West-Bewegung. Die Fassaden
                                 der Baukörper sind hier wie Brandwände ge-
                                 schlossen, während die Fenster sich ausschliess-
                                 lich zu den Höfen und Wintergärten hin orientie-
                                 ren. Von Osten nach Westen hingegen öffnen
                                 sich die Gebäude entlang ihrer Haupterschlies-
                                 sungsachsen.

                                 Dynamische Fassadengestaltung:
                             2   das Bundeskanzleramt

                                 Den Kontrast zwischen den «rationalen» und or-
                                 thogonalen Bürokämmen als ruhiger und ge-
                                 schlossener Klammer und einer «im Fluss» ste-
                                 henden Mitte bilden Axel Schultes und Charlotte
                                 Frank radikal aus. Der Hauptkörper des Gebäu-
                                 des hebt sich als Kubus mit doppelter Höhe von
                                 den Bürokämmen ab. Hier ist die Leitung des
                                 Hauses, der Bundeskanzler, untergebracht. Dieser
                                 Kubus wird nun in Ost- und Westrichtung aufge-
                                 löst und dynamisiert. Dabei bedienen die Archi-
                                 tekten sich einer doppelten Wellenform, die sich
                                 im Schnitt und in den Grundrissen abzeichnet.
                                 Die untere Hälfte des Kubus ist räumlich stark ge-
                                 prägt von einer geschwungen verlaufenden
                                 Stahlbetondecke, welche beidseitig ein dramati-
                                 sches Foyer entstehen lässt. Im Zentrum der un-
                                 teren Hälfte des Kubus ist ein kreisrunder Sit-
                                 zungssaal eingestellt, der durch seine runde Form
                                 die Foyerwände dynamisiert. Die obere Kubus-
                                 hälfte springt durch den sich trichterförmig ins
                                 Gebäude ziehenden Aussenraum zurück. Wo un-
                             3
                                 ten die Foyers sind, öffnen sich hier grossflächige
                                 Terrassen nach Ost und West, die wunderbare
                                 Ausblicke zur Stadt geben. Von dort führen
                                 geschwungene Aussenwände, die sich in den
                                 Innenraum fortsetzen, den Besucher wieder
                                 zurück ins Gebäude.
                                 Zur plastischen Durcharbeitung der sich dynami-
                                 sierenden und öffnenden Ost- und Westfassaden
                                 haben die Architekten sich ein zusätzliches Ge-
                                 staltungselement erlaubt: «tanzende Säulen»
                                 werden als Raumskulpturen vor und in das Ge-
                                 bäude gestellt und durchdringen die Fassade.
                                 Ohne tragende Funktionen dienen sie vornehm-
                             4
                                 lich der Raumgestaltung, sollen den Blick leiten,

FASSADE   FAÇADE   4/ 2004
DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
REPORT     55

mal schützen, mal öffnen und die Durchdringung
von innen und aussen befördern. Einige Säulen
im Ehrenhof tragen kleine Bäume, die laut Schul-
tes das steife Zeremoniell des Ehrenhofes mil-
dern und eine Saite Deutscher Sehnsucht anspre-
chen sollen. Die Ausformung des Leitungskubus
ist bestimmt von dem Wunsch, der Demokratie
ein Gesicht zu geben und ihr einen poetischen
Raum zu bescheren. Zugleich wollten die Archi-
tekten das Gebäude weitest möglich öffnen,
ohne aber mit der klassischen Glasfassade vor
                                                                              5
Metallstütze zu arbeiten, wie es das «an eine
rheinische Sparkasse» erinnernde Bundeskanz-
leramt in Bonn tat. Stattdessen verwenden sie
expressive plastische Ausdrucksmittel. Zugleich
zitieren sie klassische architektonische Raum-
kompositionen: die eines barocken Schlosses mit
Seitenflügel und Hauptkörper, mit räumlich ins-
zenierten Foyers und zentralen Treppenanlagen,
Ehrenhof und rückwärtigem Park. Auch das hi-
storische Säulenthema findet sich im Bau reflek-
tiert.

Die Materialität des Gebäudes

Hierzu sagt Axel Schultes: «Was wir in unseren
modernen Zeiten noch wollen können, worauf
wir noch hoffen dürfen, wäre räumliche Fülle bei
aller Schlichtheit des Materials.» Ihre plastischen
Raumgedanken setzen Schultes und Frank daher
vor allem mit einem Material um: mit Stahlbeton.
Gegen die plastische Wirkung der gebogenen
Wände und Decken treten die Verglasungen aus
grossflächigen schlanken Pfosten- und Riegel-
konstruktionen aus Stahl und Aluminium als eher
unsichtbare Trennschicht zurück.
Die geschlossenen Aussenfassaden unterschei-
den sich je nach Himmelsrichtung:
 Die organisch geformten Ost- und Westfassa-
                                                                              6
   den sind als Sichtbetonelemente ausgeführt.
   Hier kam Ortbeton mit einer 80–120 mm star-
   ken Kerndämmung zum Einsatz.
 Die Fassaden der Nord- und Südseiten sind als
   klassische mit 120 mm Steinwolle wärmege-
   dämmte Stahlbetonfassaden mit vorgehängter
   Sandsteinverkleidung realisiert.

Licht und Beleuchtung
im Leitungsgebäude

Tageslicht wird von den Architekten nicht nur als
Lichtquelle, sondern vor allem als ästhetische
und raumbildende Komponente betrachtet. So ist
der «Kubus» vertikal und horizontal durchdrun-
gen von Sichtbeziehungen zum Aussenraum.
Räumlich stark wirksam sind auch die Oberlich-
ter. So werden zwischen Hauptkörper und Büro-                                 7

                                                      FASSADE   FAÇADE   4/ 2004
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56     REPORT

1 Ansicht Bundeskanz-                            spangen Lichtfugen gebildet, welche die Baukör-
leramt in Berlin.                                per voneinander abheben und die Wandflächen
                                                 von oben mit Licht bestrahlen. Der Hauptkörper
2 Entwurf für die städte-
bauliche Gestaltung des                          zeigt sich als Inszenierung von Licht und Masse.
Spreebogens von 1992 von                         Auch das Kunstlicht sollte nach Möglichkeit die
Axel Schultes und Char-                          Wirkung der Architektur unterstreichen. Daher
lotte Frank.                                     entwickelte der Lichtplaner Andreas Schulz zu-
                                                 sammen mit den Architekten ein Konzept, das sie
3 Lageplan der Regie-
                                                 «Licht aus dem Loch» tauften. Die Leuchten soll-
rungsgebäude im
                                                 ten hier nicht als «Lampen» körperlich in Erschei-
Spreebogen: die Solar-
stromanlagen sind blau                           nung treten, sondern das Kunstlicht sollte aus
eingezeichnet.                                   den Löchern in der Decke herausstrahlen. Zu die-
                                                 sem Zweck wurden randlose, in die Betondecke
4 Grundriss 6. Oberge-                           zurückspringend eingesetzte Downlights ent-
schoss mit Dachaufsicht                          wickelt. Insgesamt 8000 Betonarmaturen wur-
auf die Bürotrakte mit den                       den in die massiven Betondecken und Wände
Solaranlagen darauf.
                                                 eingegossen. Als Leuchtmittel kommen 35-Watt-
                                        8   9    Halogen-Metalldampflampen zum Einsatz. Sie
5 Grundriss des 1. Oberge-
schosses: das Foyer öffnet                       liefern bis zu 95 Lumen pro Watt und sind be-
sich nach beiden Seiten                          sonders lichteffizient. Die Lichtausbeute steigert
begleitet von den Büro-                          sich noch durch die Verwendung besonders lei-
kämmen.                                          stungsfähiger Reflektorsysteme in den Leuchten.

6 Luftbild Spreebogen mit
Blick nach Osten: im                             Die Wintergarten- und Büroriegel
Vordergrund das Bundes-
kanzleramt mit Solar-
                                                 Die Bürokämme gliedern sich durch den Wechsel
anlagen, dahinter das                            von massiven Kuben mit Wintergärten und wer-
Paul-Löbe-Haus.                                  den durch lange Flure erschlossen. In jeder ein-
                                                 zelnen Einheit erschliesst ein Stichflur drei Räume
7 Schnitt durch den                              zur linken und rechten Seite. Die Büros lassen
Hauptkörper: der untere                          sich mit Doppeltüren zu dieser Mitte hin öffnen.
Teil beinhaltet die öffent-                      Leider wird diese Form der Gebäudeorganisation
lichen Bereiche, der obere
                                                 von den dort Arbeitenden wenig goutiert: So ist
Kabinett und Kanzler-
räume.
                                                 der südliche Gebäudeflügel, an dessen Ende die
                                                 Kantine liegt, 335 Meter lang. Der Weg vom vor-
8 Die «tanzenden Säulen»                         deren Ende des Nordflügels zur Kantine und zu-
bilden den fliessenden                           rück kommt für die Mitarbeiter daher bereits ei-
Übergang von Aussen- zu                     10   nem kleinen Spaziergang gleich. Zudem führt die
Innenraum.                                       Längsorganisation zu weniger internen Begeg-
                                                 nungen als in einem kompakter organisierten
9 Die Bürotrakte sind über
                                                 Haus.
Oberlichter vom Hauptkör-
                                                 Dafür sind die Büroräume und Flurbereiche sehr
per abgesetzt – Tageslicht
betont die durchlaufenden                        attraktiv. Zum Wintergarten hin sind die Büros
Wände.                                           voll verglast. Jeder Büroraum ist zwei Fassaden-
                                                 segmente breit. Jeweils eines der Fensterseg-
10 Kanzlerterrasse mit                           mente lässt sich komplett aufschieben. Zusätzlich
Sicht auf den Reichstag                          kann das Oberlicht geöffnet werden. Ob die Höfe
und die Solaranlagen.                            als verglaste Wintergärten oder offen ausgeführt
                                                 werden sollten, wurde intensiv mit dem Bauherrn
11 Blick vom Kabinettsaal
                                                 diskutiert. Durch einen Modellversuch unter dem
auf Reichstag und Solar-
anlagen.
                                                 künstlichen Himmel konnte aber nachgewiesen
                                                 werden, dass der Tageslichtquotient mit
12 Innenansicht Atrium                           2,5–3,5% doppelt so hoch wäre, wie in Bonn
mit Büroräumen: Innenlie-                        und auch weit über den in der DIN geforderten
gende Lamellen sorgen für                        Werten. Um die Tageslichtausbeute zu steigern,
Sonnenschutz.                                    wurden die Wintergärten mit Weissglas ausge-
                                            11
                                                 führt, welches einen TQ von 78% hat, bei gleich-

FASSADE         FAÇADE        4/ 2004
DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
REPORT              57

zeitig noch relativ gutem Sonnenschutz. Die U-                       13 Die Solarstromanlagen
Werte der Isolierverglasungen von Büros und                          sind leicht geneigt auf
Wintergärten liegen bei jeweils ca. 1,4 bis 1,6                      einer Metallunterkonstruk-
                                                                     tion befestigt.
W/m2K. Um den Sonnenschutz zu steigern, ist
eine Konstruktion mit beweglichen Aluminium-                         14 Die Solarmodule
Lamellen vor der vertikalen und horizontalen                         stehen auf den Flach-
Wintergartenverglasung angebracht. Die Büros                         dächern der Bürotrakte
selbst erhalten zusätzlich noch den klassischen                      zwischen den Atrien.
Blendschutz über einen innenliegenden Lamel-
                                                                     15 Grundriss und Schnitt
lenbehang.
                                                                     durch die Bürotrakte.

Lüftung und Raumtemperierung                                         16 Sicht von der Photovol-
                                                                     taikanlage auf die Räume
Die Wintergärten werden natürlich be- und ent-                       des Bundeskanzlers.
                                                      12       13
lüftet. Der mittlere Bereich der Vertikalverglasung
                                                                     17 Die Atrien der
lässt sich öffnen. Die Glasdächer der Winter-
                                                                     Bürokämme werden
gärten sind leicht oberhalb der Flachdächer der
                                                                     natürlich belüftet.
Bürotrakte angeordnet. Dadurch war es möglich,
kleine umlaufende Vertikalfenster zu realisieren.                    18 Der geplante Elektrizi-
Diese dienen insbesondere der Wärmeabfuhr aus                        tätsverbrauch für das
den Wintergärten im Sommer. Messeinrichtun-                          Bundeskanzleramt Berlin
gen steuern über die Haustechnik die jeweilige                       beträgt 55 kWh/m2 BGF –
den Innenraumbedingungen und der Wetterlage                          in Bonn wurden 160 ver-
entsprechende Lüftungsweise. Sie geben auch                          braucht.

dem Bürobenutzer ein Signal, ob es günstiger ist,
über die Fenster zu lüften oder über die mechani-
sche Zuluft. Das System ist so ausgelegt, dass bei
Aussentemperaturen zwischen 5 und 20 °C eine
vollständig freie Lüftung der Büros über die Fens-
ter zum Wintergarten stattfindet. Bei Aussentem-
peraturen unter 5 °C und über 20 °C wird me-                   14
chanisch be- und entlüftet. Dabei wird die Zuluft
im Sommer leicht vorgekühlt. Hierzu wird die                         Bildnachweis:
warme Abluft befeuchtet und so von ca. 27 °C                         Bild 1, 10 – Fotograf Rudi
                                                                     Meisel, Berlin
auf ca. 20 °C heruntergekühlt. Diese Kälte wird
über einen Gegenstromwärmetauscher auf die
                                                                     Bild 12 – Fotograf Ulrich
Zuluft übertragen. Ein Kreislaufverbundsystem                        Schwarz, Berlin
ermöglicht die Wärmerückgewinnung. Im Winter
wird Abwärme aus dem Blockheizkraftwerk ge-                          Bild 6 – Luftbild Berlin,
                                                               15
nommen, um die Frischluft vorzuwärmen. Dabei                         Oltmann Reuter
dient die Zulufttemperierung aber nicht der ei-
gentlichen Raumheizung oder Kühlung, sondern                         Bild 2, 4, 5, 7, 15 – Axel
nur der isothermen Deckung des Frischluftbedar-                      Schultes Architekten –
                                                                     Frank, Schultes, Witt –
fes. Die Grundtemperierung der Büros erfolgt
                                                                     Berlin
über eine Bauteilaktivierung in den Fussböden:
der 120 mm starke Verbundestrich, der auch ge-                       Bild 3 – Bundesbaugesell-
nutzt wird, um Kabel- und Lüftungskanäle aufzu-                      schaft Berlin mbH, Berlin
nehmen, beinhaltet 17 mm starke Polyethylen-
rohre. Mit einer Vor- und Rücklauftemperatur von                     Bild 18 – Energiebeauf-
28/25 °C kann so mit geringer Temperatursprei-                       tragter des Bundes Römm-
zung geheizt und mit 19/22 °C mit geringer                           ling, IEMB – Institut für Er-
                                                                     neuerung und Modernisie-
Kältedifferenz gekühlt werden. Zur schnellen
                                                                     rung von Bauwerken e.V.
Raumheizung stehen zusätzlich Konvektoren zur
                                                                     an der TU Berlin
Verfügung.
Da die Büros einen reduzierten Wärmeschutz                        Bild – 8, 9, 11, 13, 14, 16,
haben, wird die Wintergartentemperatur auch                       17 – Astrid Schneider,
im Winter auf 15 °C gehalten.                         16       17 Solar Architecture Berlin

                                                           FASSADE      FAÇADE          4/ 2004
DAS BUNDESKANZLERAMT IN BERLIN
58      REPORT

                                                                                                       lage für die Wintergärten oder als Bestandteil der
                                                                                                       Fassaden integriert werden können. Die entspre-
                                                                                                       chenden Vorschläge der Fachplaner und Berater
                                                                                                       stiessen bei den Architekten jedoch nicht auf
                                                                                                       Gegenliebe. Die mögliche Poesie von Licht und
                                                                                                       Schatten einer PV-Anlage wurde daher bei die-
                                                                                                       sem Projekt nicht voll ausgeschöpft. Die Architek-
                                                                                                       ten hätten es auch am liebsten gesehen, wenn
                                                                                                       die Solarmodule ganz horizontal hätten instal-
                                                                                                       liert werden können. Als Kompromisslösung ent-
                                                                                                       schied man sich für eine Flachdachaufständerung
                                                                                                       mit nur ca. 3° Neigung. Dies erlaubt aber trotz-
                                                                                                       dem eine sehr dichte Stellung der Modulreihen,
                                                                                                       so dass in der Fernsicht vom Reichstag der Ein-
                                                                                                       druck einer geschlossenen gläsernen Fläche ent-
                                                                                                 18    steht. Da die Bürokämme vom Leitungsgebäude
                                                                                                       aus einsehbar sind, trägt das glänzende Blau der
Energieversorgung                                   Durch die sehr effiziente Beleuchtung und Haus-    Anlage so auch zum Erscheinungsbild des Ge-
                                                    technik gelang es den Stromverbrauch pro Qua-      bäudes bei. Die Unterkonstruktion wurde eigens
Die Energieversorgung des Gebäudes erfolgt vor-                                                        gefertigt aus in der Betondecke verankerten
                                                    dratmeter auf etwa die Hälfte des in Bonn benö-
wiegend aus regenerativen Energien. Eine grosse                                                        Stahlprofilen und Querträgern. Die Solarmodule
                                                    tigten Verbrauches zu reduzieren. Gemäss den
PV-Anlage trägt dazu bei. Im Zentrum der Ener-                                                         wurden als Glas-Glas-Module in Giessharztech-
                                                    Planungen liegt er bei 56 Kilowattstunden pro
gieversorgung steht ein Blockheizkraftwerk mit                                                         nologie ausgeführt und mit monokristallinen Zel-
                                                    Quadrat bgf und Jahr – und damit etwas höher
500 kW elektrischer Leistung, welches mit Bio-                                                         len versehen. Der Jahresertrag im Jahr 2002 lag
                                                    als gewünscht, während der Heizwärmebedarf
diesel aus Rapsöl versorgt wird. Eine Absorp-                                                          bei knapp 90 Megawattstunden. Bei einem ge-
                                                    mit 9,9 kWh/(m3a) ca. ein Drittel unter den Pla-
tionskältemaschine erzeugt aus der Abwärme der                                                         planten Gesamtstromverbrauch von 3471 MWh
                                                    nungswerten liegt und die Anforderungen auch
BHKW Kälte. Ein Spitzenkessel mit über 2500 kW                                                         werden also ca. 2,5% des Strombedarfs durch
                                                    der Energieeinsparverordnung ca. um die Hälfte
Leistung und drei Kompressionskältemaschinen                                                           die Photovoltaikanlage erzeugt.
                                                    unterschreitet.
ergänzen das Energiesystem. Die Wärmerückge-
winnung mit einer Effizienz von 80% ermöglicht
                                                    Photovoltaikanlage
im Jahr ca. 680 Megawattstunden einzusparen.
Der Anschluss an den grossen Aquiferspeicher im     Auf die geschlossenen Dächer der Bürokämme
Spreebogen erfolgte jedoch nur für die Wärme-       wurde eine 149 Kilowatt leistende Solarstroman-
seite. Das Bundeskanzleramt hatte das Bedürfnis,    lage mit über 1270 m2 Fläche gesetzt. Alternativ
sich möglichst autark zu halten.                    hätte die Photovoltaik auch als Verschattungsan-

     Bautafel                                         Lichtplaner: Licht-Kunst-Licht GmbH                Elektrizitätsbedarf: 3580 MWh/a –
                                                      Andreas Schulz, Berlin/Bonn                        56 kWH/(m2a)
     Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, ver-
     treten durch die Bundesbaugesellschaft           Technische Gebäudeausrüstung: Schmidt              Kältebedarf: 1309 mWh/a –
     Berlin, mbH, Berlin                              Reuter Partner, Berlin/Köln                        20,5 kWh/(m2a)

                                                      Energiebeauftragter des Bundes:
     Projektbeteiligte:                                                                                  Solarstromanlage:
                                                      Uwe Römmling, IEMB e. V., Berlin
     Architekt: Axel Schultes Architekten –                                                              Hersteller Solarmodule: Scheuten Solar
     Frank, Schultes, Witt                                                                               Technology GmbH, Gelsenkirchen
                                                      Planungswerte Energieverbrauch:
     Generalfachplaner: Ingka Ingenieure              Energiebereitstellung aus BHKW: >70%               Installation: engotec GmbH, Stuttgart
     Kanzleramt GbR, Berlin                                                                              Solarmodule in Glas-Glas-Giessharztech-
                                                      Jahresheizwärmebedarf bezogen auf das
                                                                                                         nologie
     Tragwerksplanung: GSE Ingenieurgesell-           beheizte Raumvolumen: 3471 MWh/a –
     schaft mbH, Berlin, Saar, Enseleit und Part-     9,9 kWh/(m3a)                                      Zelltyp: monokristallin
     ner mit Schlaich, Bergermann und Partner,
                                                      Energiekennwerte bezogen auf die Brutto-           Installierte Photovoltaik-Leistung:
     Stuttgart (Vordach)                                                                                 149 kWp
                                                      geschossfläche
     Fassadentechnik: R + R Fuchs, Ingenieur-                                                            Jahresertrag 2002: 89,182 kWh
     büro für Fassadentechnik, München

FASSADE         FAÇADE      4/ 2004
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