Auf dem Weg zu einer "COAL-PEC"?
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Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? Die Bedeutung von Kohle wird heute oft unter- Die Bedeutung der Kohle als Energieträger Clemens Haftendorn chaftendorn@diw.de schätzt, da sie lange als eine Ressource der Ver- nimmt derzeit weltweit rapide zu. Insbeson- gangenheit galt. Dabei ist Kohle nach wie vor dere im Bereich der Stromerzeugung ist Kohle Christian von Hirschhausen chirschhausen@diw.de Grundpfeiler der Stromerzeugung in den meisten keineswegs eine Ressource der Vergangenheit, Ländern: Ein Viertel des weltweiten Primärenergie- und dies trotz zunehmender Klimaschutz- Franziska Holz fholz@diw.de verbrauchs wird durch Kohle gedeckt. Während die bemühungen. Die Kohlereserven reichen mit größten Kohleproduzenten China, USA und Indien 133 Jahren statistischer Verfügbarkeit erheblich auch gleichzeitig die größten Konsumenten sind, weiter als die der anderen fossilen Brennstoffe beteiligen sich kleinere Kohleproduzenten und (Erdöl 42 Jahre, Erdgas 60 Jahre).1 Momentan -verbraucher in umfangreichem Maße am inter- werden neue innovative Techniken entwickelt, nationalen Handel. Insbesondere der seewärtige die auf eine Kompatibilität der Kohlenutzung Kohlehandel hat seit Anfang der 90er Jahre stark mit den klimapolitischen Zielen hoffen lassen, zugenommen. In den vergangenen zwei Jahren insbesondere die Kohlendioxidabscheidungs- sind auch die Preise für Importkohle deutlich ge- und Speichertechnologie (Carbon Capture and stiegen. In den letzten Wochen mussten Importeu- Sequestration, CCS) (Kasten 1). re in Europa Spitzenpreise von über 200 US-Dollar pro Tonne zahlen, ein Vielfaches des langjährigen Anders als bei Erdöl und Gas sind bei Kohle die Durchschnitts. In diesem Zusammenhang wird zu- größten Produzenten auch die größten Konsu- nehmend die Befürchtung laut, der internationale menten (Abbildung 1). China ist bei Weitem das Kohlemarkt könne sich – analog zum Ölmarkt, wichtigste Kohleland, gefolgt von den Vereinig- welcher nach wie vor von der OPEC dominiert ten Staaten und Indien. Aber auch Länder ohne wird – in Richtung eines Anbieterkartells entwi- große einheimische Kohlereserven konsumieren ckeln, einer „COAL-PEC“. beträchtliche Mengen. Dies sind insbesondere die rohstoffarmen ostasiatische Ländern Japan, Korea Tatsächlich war in den vergangenen Jahren eine und Taiwan, sowie Deutschland und Großbritan- starke Tendenz der Unternehmenskonzentration nien. Diese Länder müssen Kohle importieren. auf dem internationalen Kohlemarkt zu beobach- Die verhältnismäßig kleineren Produzenten und ten. Die gestiegenen Preise könnten somit auch Konsumenten sind stärker auf den internationa- aus Marktmacht resultieren. Weitere Gründe für len Handel angewiesen. den Preisanstieg sind stark steigende Nachfrage, insbesondere aus China und Indien, Kapazitäts- Das Wachstum des Kohleverbrauchs und des engpässe in der Produktion und der Verschiffung gesamten Primärenergieverbrauchs ist in den sowie mangelnde Investitionen. Auch in Zukunft vergangenen Jahren parallel verlaufen. Der Anteil ist mit einem engen Markt und hohen Kohleprei- der Kohle am Primärenergieverbrauch ist seit sen zu rechnen. 1995 bei einem Niveau von rund 25 Prozent kon- stant geblieben. Kohle ist somit einer der wich- tigsten Energieträger, und auch ein großer Teil des Wachstums der weltweiten Energienachfrage wird durch Kohle gedeckt. 1 BP: Statistical Review of World Energy. London 2008. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008 603
Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? Abbildung 1 Abbildung 2 Steinkohleproduktion und -verbrauch im Jahr 2007 Internationaler Handel mit Kesselkohle In Millionen Tonnen In Millionen Tonnen China 700 USA 600 Indien Australien 500 Südafrika Russland 400 Indonesien Polen 300 Kasachstan Sonstiger Handel (Land, Binnengewässer) Kolumbien 200 Deutschland Seewärtiger Handel Produktion Großbritannien 100 Verbrauch Japan 0 Südkorea 84 986 988 990 992 994 996 998 000 002 004 006 Taiwan 19 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 Rest der Welt Quelle: IEA Coal Information 2008. DIW Berlin 2008 0 500 1 000 1 500 2 000 2 500 Quelle: IEA Coal Information 2008. DIW Berlin 2008 Traditionell gibt es zwei große Nachfrageregionen im Weltkohlemarkt: Asien und Europa. In der Boom des Welthandels Vergangenheit bildeten diese beiden Regionen zwei getrennte Märkte: den pazifischen Markt Die seewärtig gehandelten Mengen von Kessel- für Asien, und den atlantischen Markt für Euro- kohle, der Kohleart, die für die Stromerzeugung pa und Amerika. Inzwischen haben sich diese genutzt wird, sind seit Mitte der 80er Jahre konti- Märkte integriert,2 und es gibt auch Handelsflüsse nuierlich gestiegen (Abbildung 2). Sie haben sich zwischen den zwei Becken (Abbildung 3). Im Jahr bis 2000 auf 357 Millionen Tonnen pro Jahr mehr 2006 wurden zum Beispiel größere Mengen aus als verdreifacht. In den vergangenen Jahren hat Indonesien nach Europa importiert. sich die Expansion noch verstärkt, der Welthan- del boomt: Im Jahr 2007 wurden 607 Millionen 2 Die Integration der regionalen Märkte wurde in einigen ökono- Tonnen Kesselkohle über See gehandelt. Weitere metrischen Studien bestätigt: Warell, L.: Market Integration in the International Coal Industry: A Cointegration Approach. In: Energy 63 Millionen Tonnen wurden auf dem Landweg Journal. Bd. 27(1), 2006, 99–118; und Li, R.: International Coal Market oder über Binnengewässer transportiert. Integration. Dept. of Economics, Macquarie University, Sydney 2008. Kasten 1 CO 2-Abscheidung und -Speicherung In Anbetracht der Klimaproblematik kommt der ber hinaus plant Vattenfall die erste großtechnische Entwicklung der CO2 -Abscheidung und -Speicherung Anwendung an einem 500 MW-Block in Jänschwalde eine besondere Bedeutung für den Einsatz von Kohle (Brandenburg). Auch RWE hat Pläne für eine Anlage mit zur Stromerzeugung zu. Diese Technologien sollen in CCS-Technologie in Hürth (NRW). In Europa sind weitere Zukunft ermöglichen, einen großen Teil des von Kohle- Anlagen, zum Beispiel in Großbritannien, geplant und kraftwerken emittierten Kohlendioxids abzuscheiden die Europäische Kommission hat Anfang 2008 einen und sicher in geologischen Speichern zu lagern. Auch Vorschlag für eine Direktive unterbreitet mit dem Ziel, in Deutschland werden Anstrengungen auf diesem einen rechtlichen Rahmen für die Verbreitung dieser Gebiet unternommen. Die erste 30 MWth -Pilotanlage1 Technologien zu schaffen.2 von Vattenfall in Schwarze Pumpe (Brandenburg) wurde Anfang September 2008 in Betrieb genommen. Darü- 2 Europäische Kommission, KOM 2008/18: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die 1 MWth: Megawatt thermisch: Wärmeleistung, da diese Anlage nur geologische Speicherung von Kohlendioxid. COD 2008/0015. Prozesswärme und keinen Strom erzeugt. Brüssel 2008. 604 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008
Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? Abbildung 3 Handelsströme von Kesselkohle 2007 In Millionen Tonnen Russland Polen 74 13 USA 20 China 59 62 Kolumbien 147 Indonesien Australien 69 111 Südafrika Quelle: IEA Coal Information 2008. DIW Berlin 2008 Größe und Richtung der Handelsflüsse variieren Parallel zu den Entwicklungen in Europa stieg die von Jahr zu Jahr, und die seewärtigen Transport- Nachfrage der damals aufstrebenden asiatischen kosten spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Länder Südkorea und Taiwan kontinuierlich an, Höhe der Frachtraten, die bis zu 40 Prozent der zusätzlich zu einer beständigen Importnachfrage Importkosten betragen können,3 bestimmt, ob Japans. Diese Länder verfügen kaum über eigene es lohnend ist, die Kohle über längere Strecken Ressourcen. Importierte Kohle, hauptsächlich aus zu transportieren. Die Frachtraten hängen von Australien, bot einen günstigen Weg zur Strom- der weltweiten Nachfrage nach dem Transport erzeugung. von Massenschüttgütern ab. Kohle steht beim seewärtigen Transport im Wettbewerb mit ande- Die Produktion und der Export folgten dem stei- ren Gütern wie Metallen und Mineralien, insbe- genden Bedarf auf dem Weltmarkt. Die Erzeugung sondere Eisenerz aber auch Agrargütern. Da seit der traditionellen Produzenten Australien und 2003 die Nachfrage nach Eisenerz in China stark Südafrika wuchs stetig und es kamen neue Länder gewachsen ist, sind auch die Frachtraten kräftig auf den internationalen Kesselkohlemarkt, wie gestiegen. Weil der Ausbau der Flotte bisher nicht Indonesien und Kolumbien. Nach einem kurzen ausreicht, um genügend Transportkapazität be- Preishoch Anfang der 80er Jahre stabilisierte sich reitzustellen, bleiben die Frachtraten vorerst auf der Weltmarktpreis für Kesselkohle auf einem Ni- einem hohen Niveau. veau von etwa 40 US-Dollar pro Tonne. Zyklische Schwankungen waren bedingt durch erhöhte Nachfrage und die darauf folgende Erhöhung Steigende Nachfrage bei knappem Angebot der Produktionskapazitäten (Abbildung 4). In den 80er Jahren wurde in Europa, insbesonde- Bis Anfang des Jahrtausends sanken die Preise re in Deutschland und England, die einheimische für Kesselkohle tendenziell, was zu einer gerin- Kohleproduktion schrittweise zurückgefahren, gen Investitionsbereitschaft der Produzenten weil sie im internationalen Markt nicht mehr führte.4 Neben der ab 2003 stark wachsenden wettbewerbsfähig war. Die bestehende Struktur Nachfrage, insbesondere aus China und Indien, des Kraftwerkparks wurde aber nicht geändert, und Transportproblemen sind die unzureichen- da die Stromerzeugung mit importierter Kohle den Produktionskapazitäten die Hauptursache günstig blieb. für den starken Preisanstieg seit 2003/2004. Derzeit herrscht auch Knappheit an Investi- 4 Vgl. Kopal, C.: Entwicklung und Perspektive von Angebot und Nach- 3 Vgl. Ritschel, W., Schiffer, H.-W.: Weltmarkt für Steinkohle. RWE, frage am Steinkohleweltmarkt. In: Zeitschrift für Energiewirtschaft. 2007. Bd. 31(1), 2007, 15–34. Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008 605
Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? Abbildung 4 zusätzliche Mengen zu importieren. Von 2004 bis 2006 sind die Exporte an Kesselkohle von Importpreis1 für Kesselkohle in die EU In US-Dollar je Tonne 75 Millionen Tonnen auf 54 Millionen Tonnen pro Jahr zurückgegangen und die Importe wuchsen 130 von vier auf elf Millionen Tonnen. In der ersten Jahreshälfte 2007 wurde China sogar zum ersten 110 Mal Nettoimporteur. 90 Auch in Indien ist der Kohlekonsum seit 2003 70 aufgrund des steigenden Bedarfs an Elektrizität schneller gestiegen als in den Jahren zuvor. Da die 50 einheimische Kohleproduktion die entstehende Angebotslücke nicht schließen konnte, wurde 30 auch hier zunehmend Kohle importiert. Von 2002 bis 2007 wuchsen die Kesselkohleimporte 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 von neun auf 31 Millionen Tonnen pro Jahr.7 Bis 1 Cost-Insurance-Freight (CIF); 1. Quartal 2008: Schätzung des DIW Berlin. Quelle: IEA Coal Information 2008. DIW Berlin 2008 7 International Energy Agency: Coal Information. Paris 2004 und 2008. tionsgütern, die notwendig sind, um die Produk- tionskapazitäten zu erweitern. Dementsprechend Kasten 2 sind 2007 und 2008 auf dem Weltmarkt starke Preisausschläge beobachtet worden. Die kräftig Das COALMOD-Modell des DIW Berlin erhöhten Frachtraten haben ebenfalls zum Preis- anstieg beigetragen. Ende August 2008 hat der Das am DIW Berlin entwickelte numerische Simula- Referenzimportpreis in Europa (in Amsterdam- tionsmodell (COALMOD) bildet die Handelsflüsse Rotterdam-Antwerpen, ARA) Werte von über von Kesselkohle auf dem Weltmarkt ab.1 Folgende 200 US-Dollar pro Tonne erreicht. Exportländer beziehungsweise -regionen werden berücksichtigt: Australien, Indonesien, Südafrika, In der chinesischen Wirtschaft spielt Kohle eine Russland West, Russland Ost, China, Kolumbien besonders große Rolle, da die Stromerzeugung und die USA. Dem stehen folgende Importländer zu 80 Prozent auf diesem Brennstoff basiert. Auf- gegenüber: Japan, Taiwan, Südkorea, das Vereinigte grund der rasch steigenden Elektrizitätsnachfrage Königreich, Deutschland, die USA, Spanien, Italien, ist der Kesselkohlekonsum stark gestiegen. 2002 Indien und China. wurden 686 Millionen Tonnen Kesselkohle für die Stromerzeugung verbraucht, 2006 bereits Das Verhalten der Exportländer orientiert sich an 1 188 Millionen Tonnen. Diese Entwicklung wird dem Ziel der Gewinnmaximierung. Dabei können zwei mit einer geschätzten Nachfrage nach Kesselkoh- unterschiedliche Marktstrukturen simuliert werden: le für die Stromerzeugung von 2 710 Millionen Cournot-Nash-Oligopol oder vollständiger Wettbe- Tonnen im Jahr 2010 weiter anhalten.5 Die ge- werb. Im Cournot-Szenario üben die Kohleexporteure samte installierte Kapazität an Kohlekraftwerken Marktmacht aus, das heißt sie können eine Marge ist zwischen 2000 und 2006 von 319 GW auf (Preisaufschlag) zusätzlich zum Grenzkostenpreis 622 GW gestiegen.6 Dies entspricht einem jähr- generieren. Im Falle des vollständigen Wettbewerbs lichen Kapazitätszubau in Höhe der gesamten können die Exporteure dagegen keinen Einfluss auf bestehenden Kapazität in Großbritannien. die Preise ausüben, Marktmacht wird also ausge- schlossen. Das Modell ist ein Handelsmodell, in dem Um der steigenden Kohlenachfrage nachzukom- Importnachfrage und Exportangebot die Grundlage men, wurden in China tief greifende Reformen der Simulation bilden. zur Modernisierung und Erweiterung der Koh- leproduktion eingeleitet. Dennoch reicht die Zusätzlich zur Marktstrukturanalyse identifiziert das einheimische Produktion nicht mehr aus. 2003 Modell eventuelle Engpässe bei der Produktionska- begann China seine Exporte zu reduzieren und pazität und bei der Exportkapazität (Hafenverlade- kapazität). 5 Sagawa, A., Koizumi, K.: Present State and Outlook of China’s Coal 1 Haftendorn, C., Holz, F.: Analysis of the World Market for Industry. Institute of Energy Economics Japan, 2007, eneken.ieej. Steam Coal Using a Complementarity Model. DIW Discussion or.jp/en/data/pdf/410.pdf. Paper 818, Berlin 2008. 6 International Energy Agency: World Energy Outlook. Paris 2007. 606 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008
Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? 2030 wird mit einem Anstieg auf 168 Millionen Tabelle Tonnen gerechnet.8 Exportierte Mengen nach dem COALMOD-Modell In Millionen Tonnen 2005 2006 Zunehmende Konzentration auf der Vollständiger Cournot- Referenz- Vollständiger Cournot- Referenz- Exportseite – droht eine COAL-PEC? Wettbewerb Wettbewerb Daten Wettbewerb Wettbewerb Daten Australien 66,06 54,08 109,58 62,40 51,97 104,53 Der internationale Kohlemarkt hat sich in den Indonesien 92,98 62,80 82,52 110,55 68,08 100,42 letzten 15 Jahren strukturell stark verändert. Die Südafrika 44,35 44,35 37,20 35,98 36,13 36,99 Zahl der exportierenden Länder ist gestiegen, Russland 39,59 39,59 41,77 51,09 51,81 48,31 aber die Zahl der produzierenden Unterneh- China 56,64 45,79 55,20 45,00 45,27 46,44 men innerhalb der Länder hat sich verringert. Kolumbien 63,05 59,94 30,42 50,92 51,06 34,62 Dieser Konsolidierungsprozess ist noch nicht USA 0,46 5,52 1,31 3,10 6,23 2,25 abgeschlossen. Insbesondere haben sich vier Durchnittlicher Importpreis in multinationale Unternehmen herausgebildet, US-Dollar je die in den wichtigen Exportländern Australien, Tonne 59,07 88,72 62,50 68,61 95,23 61,24 Südafrika und Kolumbien tätig sind. Diese „Big Quelle: Berechnungen des DIW Berlin. DIW Berlin 2008 Four“ sind BHP-Billiton, Rio Tinto, Xstrata und Anglo American. Im Jahr 2005 haben sie ein Drittel der gesamten international gehandelten Menge produziert. Mit seinem COALMOD-Modell (Kasten 2) hat das DIW Berlin den internationalen Kesselkoh- In einzelnen Ländern ist die Konzentration der lemarkt abgebildet und insbesondere die Wett- Exportunternehmen noch höher als auf dem Welt- bewerbssituation und die eventuelle Ausübung markt. So betrug 2006 der Anteil der „Big Four“ von Marktmacht untersucht. Die Tabelle zeigt am Export Australiens 55 Prozent. In Südafrika die Modellergebnisse für den Fall des vollstän- hatten Anglo American, BHP-Billiton und Xstrata digen Wettbewerbs sowie für oligopolistischen einen Exportanteil von 77 Prozent; Zusammen Wettbewerb. Die Referenzdaten liegen in der mit den zwei einheimischen Untenehmen SA- Regel zwischen den beiden Fällen. Dies legt nahe, SOL und Exxaro waren es 86 Prozent. Von den dass auf dem heutigen Markt kein vollständiger Kohleexporten Kolumbien entfielen 97 Prozent Wettbewerb herrscht, er aber auch noch weit auf Anglo American, BHP-Billiton, Xstrata und von dem aus dem Erdölmarkt bekannten Kartell die amerikanische Firma Drummond. Auch in entfernt ist. Zu berücksichtigen ist, dass auf dem Indonesien ist die Unternehmenskonzentration Kohlemarkt – anders als beim Öl – die Mehrheit hoch. Sechs inländische Firmen stellten 2006 der Akteure privatwirtschaftliche, multinationale 67 Prozent der Exporte bereit.9 In China will Unternehmen sind. Jedoch können die Akteure die nationale Kommission für Entwicklung und durch die räumliche Trennung des Marktes und Reformen mittelfristig sechs bis acht große Koh- hohe Transportkosten unter Umständen regional leunternehmen etablieren. Marktmacht ausüben. Der Versuch des größten Bergbauunternehmens Den Konzentrationstendenzen wirken auch die der Welt, BHP-Billiton, die Nummer zwei (Rio Bestrebungen der vertikalen Integration von Sei- Tinto) zu übernehmen, lässt vermuten, dass sich ten der Konsumenten entgegen, sich Vorkommen die Unternehmen mehr von dem Konzentrations- im Ausland zu sichern. Japanische Firmen haben prozess erhoffen als nur reine Effizienzgewinne. schon lange Beteiligungen an australischen Mi- Diese Fusion würde neben dem Eisenerzmarkt nen erworben, und Firmen aus anderen Ländern auch die Marktstruktur auf dem Kohlemarkt wie Indien und Südkorea verfolgen ebenfalls verändern. Die Konzentrationsprozesse auf verstärkt eine solche Strategie. der Angebotsseite – in einer Periode steigender Preise und steigender Nachfrage – lassen somit befürchten, dass sich eine oligopolistische Markt- Fazit struktur mit nur wenigen Anbietern entwickelt. Im Extremfall könnte dies zu einer Art COAL- Kohle wird im weltweiten Energieträgermix wei- PEC, in Analogie zum Ölmarkt, führen. terhin eine wichtige Rolle spielen. Sie verdient eine größere Aufmerksamkeit in der Energie-, Klima- und Wettbewerbspolitik. Um den ge- genwärtig diskutierten Klimazielen gerecht zu 8 International Energy Agency: World Energy Outlook. Paris 2007. werden, muss die Kohleverstromung möglichst 9 Ritschel, W., Schiffer, H.-W.: Weltmarkt für Steinkohle. RWE, 2007. CO2-frei sein. Dies setzt eine Beschleunigung Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008 607
Auf dem Weg zu einer „COAL-PEC“? der Entwicklung der Technologien zur CO2-Ab- und Kapazitätsengpässen in der Transportkette scheidung und Sequestrierung (CCS) voraus, kann dies auch mit den Konzentrationsprozes- insbesondere in Europa und den USA. Im wachs- sen auf der Angebotsseite zusammenhängen. tumsstarken Asien wird die steigende Strom- Berechnungen mit dem COALMOD-Modell nachfrage in erster Linie mit Kohlekraftwerken deuten darauf hin, dass Kohleproduzenten Markt- gedeckt. Der internationale Handel wird damit macht ausüben, insbesondere durch geografische JEL Classification: L11, L72, C69 weiter steigen, wodurch hohe Investitionen in Preisdifferenzierung. Die Wettbewerbsbehörden neue Minen und die Transportinfrastruktur in den betroffenen Produktions- und Konsum- Keywords: erforderlich werden. ländern sollten daher die potentiell entstehende Coal, Energy, Marktkonzentration nicht nur aufmerksam be- Market structure, Die Kohlepreise sind in den letzten Jahren dras- obachten, sondern ihr gegebenenfalls auch aktiv Simulation model tisch gestiegen. Neben der erhöhten Nachfrage gegensteuern. 608 Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 40/2008
Wochenbericht Nr. 40/2008 vom 1. Oktober 2008 Impressum DIW Berlin Mohrenstraße 58 10117 Berlin Tel. +49-30-897 89-0 Fax +49-30-897 89-200 Herausgeber Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann (Präsident) Prof. Dr. Tilman Brück Dr. habil. Christian Dreger Prof. Dr. Claudia Kemfert Prof. Dr. Viktor Steiner Prof. Dr. Gert G. Wagner Prof. Dr. Christian Wey Redaktion Kurt Geppert PD Dr. Elke Holst Carel Mohn Dr. Vanessa von Schlippenbach Manfred Schmidt Pressestelle Renate Bogdanovic Tel. +49 – 30 – 89789–249 presse@diw.de Vertrieb DIW Berlin Leserservice Postfach 7477649 Offenburg leserservice@diw.de Tel. 01805 –19 88 88, 14 Cent/min. Reklamationen können nur innerhalb von vier Wochen nach Erscheinen des Wochenberichts angenommen werden; danach wird der Heftpreis berechnet. Bezugspreis Jahrgang Euro 180,– Einzelheft Euro 7,– (jeweils inkl. Mehrwertsteuer und Versandkosten) Abbestellungen vonAbonnements spätestens 6 Wochen vor Jahresende ISSN 0012-1304 Bestellung unter leserservice@diw.de Satz eScriptum GmbH & Co KG, Berlin Druck USE gGmbH, Berlin Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe und unter Zusendung eines Belegexemplars an die Stabs abteilung Kommunikation des DIW Berlin (Kundenservice@diw.de) zulässig. Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier. 479
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