Das Erbrecht - praktische Hinweise - Baden-Württemberg

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Das Erbrecht - praktische Hinweise - Baden-Württemberg
Das Erbrecht
– praktische Hinweise
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- praktische Hinweise
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                                                   Verteilerhinweis

                                                           Diese Informationsschrift wird von der
                                                   Landesregierung in Baden-Württemberg im Rah-
                                                   men ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur
                                                   Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben.
                                                   Sie darf weder von Parteien noch von deren Kan-
                                                   didaten oder Helfern während eines Wahlkampfes
                                                   zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet wer-
                                                   den. Dies gilt für alle Wahlen.

                                                           Missbräuchlich ist insbesondere die Ver-
                                                   teilung auf Wahlveranstaltungen, an Informations-
                                                   ständen der Partei sowie das Einlegen, Aufdrucken
                                                   oder Aufkleben parteipolitischer Informationen
                                                   oder Werbemittel.

                                                           Untersagt ist auch die Weitergabe an
                                                   Dritte zur Verwendung bei der Wahlwerbung.
                                                   Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehen-
                                                   den Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht
                                                   so verwendet werden, dass dies als Parteinahme
                                                   des Herausgebers zugunsten einzelner politischer
                                                   Gruppen verstanden werden könnte. Diese
             Herausgeber: Ministerium der Justiz   Beschränkungen gelten unabhängig vom Ver-
             		           und für Europa           triebsweg, also unabhängig davon, auf welchem
             		Baden-Württemberg                   Wege und in welcher Anzahl diese Informations-
                                                   schrift dem Empfänger zugegangen ist.

                                                          Erlaubt ist es jedoch den Parteien, die
             Satz+Druck: JVA Heilbronn             Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer
             		JuM-01-2018                         Mitglieder zu verwenden.
Das Erbrecht - praktische Hinweise

VO RW O RT

       Erbrecht bedeutet auch Gestaltungsmacht.               Eine individuelle rechtliche Beratung im
Ihre Erbfolge kann daher in weiten Teilen auf Ihre    Einzelfall kann und soll diese Broschüre nicht
persönlichen Wünsche und Bedürfnisse zuge-            ersetzen. Die folgenden Seiten geben Ihnen
schnitten werden. Diese Broschüre soll Sie dazu       jedoch einen Überblick über die einschlägigen
ermutigen, einen Erbfall in Ihrem Interesse vor-      Vorschriften und beantwortet all diejenigen
zubereiten.                                           Fragen, welche in der Praxis besonders häufig
                                                      aufkommen.
       Treffen Sie zu Lebzeiten keine Regelung zur
Erbfolge, richtet sich diese nach dem Bürgerlichen          Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen bei der
Gesetzbuch bzw. dem Lebenspartnerschaftsgesetz.       Planung und Gestaltung Ihres Nachlasses.
Danach erben in erster Linie Kinder und Ehe-
bzw. Lebenspartner. Sind diese nicht vorhan-
den oder bereits verstorben, kommen je nach
Verwandtschaftsgrad weitere Angehörige als
Erben in Betracht.

       Diese gesetzliche Erbfolge kann insbeson-             Guido Wolf MdL
dere bei einer Mehrzahl von Erben zu Zwist und               Minister der Justiz und für Europa
Streit führen. Erbrechtliche Streitigkeiten sind             des Landes Baden-Württemberg
regelmäßig für alle Beteiligten – einschließlich
der damit befassten Rechtsanwälte und Gerichte
– schwer befriedigend auszuräumen. Der enge
Bezug der Erben zum Verstorbenen birgt oftmals
Emotionen, die ganze Familien zerbrechen lassen
können.

        Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, haben
es somit in der Hand, durch eine frühzeitige
Entscheidung über Ihre Vermögensnachfolge
Konflikten nach Möglichkeit vorzubeugen. Dabei
ist zunächst zu klären, ob die gesetzliche Erbfolge
Ihren Vorstellungen entspricht oder ob Sie die
Erbfolge abweichend regeln möchten. Sodann ist
zu entscheiden, wie dies rechtlich umgesetzt wer-
den soll, ob im Rahmen eines Testaments oder
eines Erbvertrags.

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Das Erbrecht - praktische Hinweise

INHALTSVERZEICHNIS

VO RW O RT       ....................................................................................................................................................... 3

A . EI N F Ü H RU N G - D A S E RBRE CH T                       ....................................................................................................... 7

B . D I E G ESET Z L I C H E E R BFOLG E                   ............................................................................................................ 8

   1. Einführung ......................................................................................................................................... 8
   2. Wer erbt im Fall gesetzlicher Erbfolge? .................................................................................. 8
   3. Die Verwandtenerbfolge ............................................................................................................... 8
   4. Das Ehegattenerbrecht und das Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners .... 11
   5. Das Erbrecht des Staates ........................................................................................................ 13

C . D I E G EW I LLK Ü RTE E RBFOLG E                       ........................................................................................................... 14

   1. Der Vorrang der gewillkürten Erbfolge gegenüber dem gesetzlichen Erbrecht ....... 14
   2. Das Testament ..................................................................................................................................... 14
       a) Testierfähigkeit ............................................................................................................................... 14
       b) Die Form des Testament ................................................................................................................ 15
          aa) Das eigenhändige Testament ........................................................................................ 15
               • Eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung ......................... 15
               • Angabe von Datum und Ort der Errichtung ...................................................... 16
               • Aufbewahrung des eigenhändigen Testaments ................................................ 16
               • Eröffnung des eigenhändigen, amtlich verwahrten Testaments ................. 16
          bb) Das öffentliche Testament ................................................................................................... 16
          cc) Kosten ................................................................................................................................... 17
       c) Der Widerruf eines Testaments ........................................................................................... 17
          aa) Das Widerrufstestament ................................................................................................. 17
          bb) Widerruf durch Vernichtung ............................................................................................... 18
          cc) Widerruf eines öffentlichen Testaments .............................................................. 18
          dd) Widerruf durch Neuerrichtung eines anderen Testaments .................................... 18
      d) Die Anfechtung eines Testaments ........................................................................................ 19
   3. Der Erbvertrag ................................................................................................................................... 20
   4. Das gemeinschaftliche Testament ............................................................................................... 21
      a) Formerleichterungen .................................................................................................................. 21
      b) Bindungswirkung ................................................................................................................................. 22

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Das Erbrecht - praktische Hinweise

                      5. Amtliche Verwahrung und Zentrales Testamentsregister ...............................................                                                          23
                      6. Der Inhalt einer Verfügung von Todes wegen ....................................................................                                               23
                         a) Einsetzung eines oder mehrerer Erben ............................................................................                                          24
                         b) Bestimmung von Ersatzerben ..............................................................................................                                  24
                         c) Anordnung von Vor- und Nacherbschaft .......................................................................                                               24
                         d) Enterbung .....................................................................................................................................            25
                         e) Vermächtnis und Teilungsanordnung ..............................................................................                                           25
                         f) Auflage .........................................................................................................................................          27
                         g) Anordnung der Testamentsvollstreckung .......................................................................                                              27

                D . D A S P FLI CH TTE I LSRE CH T                   ................................................................................................................... 28

                E . D I E H A FTU N G D E S E RBE N F ÜR NAC HLASSVERBINDLIC HKEITEN                                                           ....................................... 32

                      1. Was sind Nachlassverbindlichkeiten? ..................................................................................... 32
                      2. Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung ........................................................................... 32

                F.   AN N AH M E U N D AU SSCH L AGUNG DER ERBSC HAF T                                                  ............................................................... 34

                G . D I E M I TE RBE N GE M E I N SCHAF T                     .......................................................................................................... 35
                H . D E R E RBSCH E I N            ...................................................................................................................................... 36

                I.   A U SLÄN D I SCH E S E RBRE CHT                       ............................................................................................................. 38
                J. D AS E RBSCH A FTSTE U E RREC HT                             ....................................................................................................... 40

            6
Das Erbrecht - praktische Hinweise

A . E inführung — D as E rbrecht

         Das Erbrecht ist im Wesentlichen im fünf-     schen Erbrecht grundsätzlich fremd.1 Es ist aber
ten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt.       möglich, mehreren Erben Bruchteile des Nachlas-
Es schützt den Erhalt des privaten Vermögens und       ses zuzuwenden.
dient insofern auch volkswirtschaftlichen Interes­
sen. Unsere Verfassung, das Grundgesetz, gewähr-               Der Grundsatz des ,,Vonselbsterwerbs“
leistet in Artikel 14 neben dem privaten Eigentum      besagt, dass es nach dem Todesfall keines geson-
auch das Erbrecht. Als logische Konsequenz des         derten Übertragungsaktes bedarf. Stirbt also der
Privateigentums ist somit auch die Weitergabe          Erb­lasser, so wird der Erbe in diesem Moment
dieses Privateigentums nach dem Tod des Erblas-        auto­matisch Rechtsnachfolger, also Eigentümer
sers von Verfassungs wegen geschützt.                  der in den Nachlass fallenden Gegenstände und
                                                       Schul­dner der Verbindlichkeiten des Erblassers.
       Die drei wesentlichen Grundpfeiler unseres
Erbrechts sind die Testierfreiheit, das Prinzip der            Wenn vom „Nachlass“ des Erblassers die
Gesamtrechtsnachfolge und der Grundsatz des            Rede ist, so ist damit das Vermögen des Verstor-
,,Vonselbsterwerbs“.                                   benen als Ganzes gemeint, das einschließlich der
                                                       Verbindlichkeiten des Erblassers auf den oder die
       Unter der Testierfreiheit ist das Recht         Erben übergeht – gleichgültig, ob die Schulden
einer natürlichen Person zu verstehen, nach freiem     überwiegen oder der „Aktivposten“ (zur Haftung
Belieben und ohne Angabe von Gründen Verfü­            für Nachlassverbindlichkeiten vergleiche E.).
gungen von Todes wegen zu errichten, also rechts-      Maßgeblich ist dabei, welche Vermögensstände
geschäftliche Anordnungen zu treffen, die erst mit     dem Erblasser rechtlich zugeordnet sind. Sind bei-
dem Tode des Verfügenden wirksam werden.               spielsweise Ehegatten je zur Hälfte als Miteigen-
                                                       tümer im Grundbuch eingetragen und stirbt
        Nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnach-         einer der Ehegatten, so gehört zum Nachlass des
folge rückt der Erbe in die gesamte Rechtsstellung     Verstorbenen nur dessen hälftiger Miteigentums-
des Erblassers ein, so wie sie zur Zeit des Erbfalls   anteil. Der verbleibende, dem überlebenden Ehe-
bestand. Der Nachlass geht als Ganzes auf den          gatten zustehende Miteigentumsanteil gehört
Erben über. Eine Sonderrechtsnachfolge im Sinne        nicht zum Nachlass des Verstorbenen, sondern
einer Vererbung einzelner Gegenstände, etwa            gegebenenfalls später zum Nachlass des überle-
eines PKW oder eines Gemäldes, ist dem deut-           benden Ehegatten.

                                                       1 Denkbar ist es jedoch, solche einzelnen Vermögenswerte zum Gegen­
                                                       stand eines Vermächtnisses zu machen, zum Vermächtnis ausführlich
                                                       unten Teil C. 6.e).

                                                                                                                             7
Das Erbrecht - praktische Hinweise

               B. D ie gesetzliche E rbfolge

               1. Einführung

                      Es gibt zwei Möglichkeiten, nach denen          Blut.“ oder ,,Wer will wohl und selig sterben, lass
               sich die Vermögensnachfolge nach Ihrem Tode            sein Gut den rechten Erben“.
               richten kann: Sie können zum einen zu Lebzeiten
               eine sog. Verfügung von Todes wegen treffen.                   Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge
               Unter diesem Begriff werden das Testament,             nicht berücksichtigt werden also Verschwägerte
               der Erbvertrag und das von Ehegatten errichtete        wie beispielsweise die Schwiegermutter und der
               ge­meinschaftliche Testament zusammengefasst.          Schwiegersohn sowie der Stiefvater oder die
                                                                      Stieftochter.
                     Eine solche Verfügung von Todes wegen
               hat immer Vorrang vor dem Gesetz.                              Ausnahmsweise genügt jedoch auch eine
                                                                      rechtliche Verwandtschaft, wie z. B. nach einer Adop-
                        Wenn dies nicht der Fall ist, Sie also kei-   tion (Annahme als Kind). Die Adoption hat grund-
               nerlei Regelung in diesem Sinne getroffen haben,       sätzlich die umfängliche Gleichstellung des Adop-
               tritt die gesetzliche Erbfolge ein.                    tivkindes mit den leiblichen Verwandten zur Folge.

                      Auf diese Weise stellt das Gesetz sicher,                Eine weitere Ausnahme von dem Grund-
               dass niemand ohne Erben stirbt.                        satz, dass gesetzliche Erben nur Bluts­verwandte sein
                                                                      können, besteht für Ehepartner und Partner/Part-
                       Im Folgenden lernen Sie zunächst die           nerinnen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
               Grundsätze der gesetzlichen Erbfolge kennen.           Auch diesen gewährt das Gesetz in Bezug auf den
               Anschließend finden Sie Erläuterungen zu den           jeweiligen Partner ein gesetzliches Erbrecht.
               unterschiedlichen Formen einer Verfügung von
               Todes wegen (Testament, Erbvertrag, gemein-                   Seit 1. April 1998 werden auch nichtehe-
               schaftliches Testament) im Teil C.                     liche Kinder gesetzliche Erben ihrer Väter und
                                                                      Verwandten väterlicherseits. Die früher noch
               2. Wer erbt im Falle gesetzlicher Erbfolge?            geltende Ausnahme für vor dem 1. Juli 1949
                                                                      geborene nichteheliche Kinder wurde im Jahr
                       Nach der gesetzlichen Erbfolge erben           2011 rückwirkend für alle Erbfälle ab dem 29. Mai
               grundsätzlich nur Verwandte, also Kinder, Enkel,       2009 aufgehoben.
               Eltern, Großeltern und Personen, die gemeinsame
               Eltern, Großeltern, Urgroßeltern oder noch ent-        3. Die Verwandtenerbfolge
               ferntere gemeinsame Vorfahren haben. Es wird auf
               die Blutsverwandtschaft abgestellt. Daher rühren               Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
               auch die altdeutschen Sprichworte ,,Erben werden       richtet sich grundsätzlich nach dem sog. Parentel-
               geboren, nicht gekoren.“, ,,Das Gut rinnt wie das      oder Ordnungssystem. Der Begriff ,,Parentelsystem“
           8
Das Erbrecht - praktische Hinweise

kommt aus dem Lateinischen (parens = Elternteil).          Beispiel 1:
Er macht deutlich, dass das Bürgerliche Gesetzbuch
bei der Gliederung der Verwandtschaft auf einen            Der verwitwete Erblasser Anton (A) hat einen
gemeinsamen Elternteil bzw. ein Elternpaar abstellt.       Sohn Bernd (B). Sein Vater Viktor (V) lebt
                                                           noch. Außerdem hat A noch eine Schwester
Das Parentelsystem hat zwei wichtige Folgen:               Susanne (S). Wer erbt, wenn A stirbt und die
                                                           gesetzliche Erbfolge eintritt?
         Zum einen werden die Verwandten je nach
Abstammung in unterschiedliche Ordnungen einge-
teilt. Zum anderen schließen Verwandte der vorher-            B ist hier als Sohn des Erblassers Erbe
gehenden Ordnung Verwandte einer nachfolgenden         erster Ordnung. Er schließt V und S, die Erben
Ordnung von der Erbfolge aus.                          zweiter Ordnung sind, von der Erbfolge aus.

        Die erste Ordnung wird durch den Erblasser         Beispiel 2:
selbst bestimmt. Gesetzliche Erben erster Ordnung
sind die Abkömmlinge des Verstorbenen, also seine          Der verwitwete Erblasser Anton (A) hat
Kinder, Enkel, Urenkel.                                    einen Sohn Bernd (B), der wiederum einen
                                                           Sohn Julius (J) hat. B ist allerdings bei
        Die zweite Ordnung bilden die Eltern               einem Verkehrsunfall ums Leben gekom-
des Erblassers sowie deren Nachkommen, soweit              men. Außerdem hat A noch eine Schwester
sie nicht der höheren ersten Ordnung angehö-               Susanne (S). Wer erbt, wenn A stirbt und die
ren. Insbesondere gehören also Geschwister des             gesetzliche Erbfolge eintritt?
Erblassers sowie dessen Nichten und Neffen zur
zweiten Ordnung.                                               Auch hier gilt: Der Enkel J schließt als Erbe
                                                       erster Ordnung S, die Erbin zweiter Ordnung ist, aus.
         Gesetzliche Erben dritter Ordnung sind die
Großeltern des Erblassers und deren Abkömm-
linge, also Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen usw.          Beispiel 3:

       Die Erben der vierten und noch entfern-             Der kinderlose verwitwete Erblasser Anton
teren Ordnungen sind die Urgroßeltern und fer-             (A) hat eine Schwester (S). Seine Eltern sind
neren Voreltern des Verstorbenen sowie deren               verstorben. Außerdem hat A noch einen
Abkömmlinge.                                               Onkel Otto (O). Wer erbt, wenn A stirbt und
                                                           die gesetzliche Erbfolge eintritt?
        Nach dem Parentelsystem schließen Ver-
wandte der vorhergehenden Ordnung Verwandte
einer nachfolgenden Ordnung von der Erbfolge aus.             In diesem Beispiel gibt es keine Erben
Das lässt sich am besten an Beispielen verdeutli-      erster Ordnung, da A keine Abkömmlinge hat.
chen:                                                  Seine Schwester S schließt als Abkömmling der
                                                                                                               9
Das Erbrecht - praktische Hinweise

               Eltern des A und damit als Erbin zweiter Ordnung                Hier erben B und C jeweils zur Hälfte. Als
               den O als Erben dritter Ordnung von der Erbfolge        unmittelbare Abkömmlinge des A schließen sie
               aus und wird damit Alleinerbin.                         ihre eigenen Kinder von der Erbfolge aus.
                                                                           Beispiel 5:
                       Anzumerken ist noch, dass ab der vierten
               Ordnung das Parentelsystem nicht mehr gilt. Es              Der verwitwete kinderlose Erblasser Anton
               wird durch das sogenannte Gradualsystem, für                (A) hat eine Schwester Susanne (S). Seine
               das der Grad der Verwandtschaft entscheidend                Eltern Viktor (V) und Martha (M) leben noch.
               ist, ersetzt. Nach dem Gradualsystem erbt also              Wer erbt, wenn A stirbt und die gesetzliche
               die Person, die mit dem Erblasser dem Grad nach             Erbfolge eintritt?
               näher verwandt ist. Der Grad der Verwandtschaft
               zweier Personen bestimmt sich dabei nach der
               Zahl der sie vermittelnden Geburten.                            Auch hier gilt: V und M erben je zur
                                                                       Hälfte, S ist als Abkömmling der Eltern des A von
                       Das Parentelsystem wird durch das Stam-         der Erbfolge ausgeschlossen.
               messystem sowie durch das Repräsentationssystem         
               ergänzt.                                                        Das Repräsentationssystem wird durch
                                                                       das Eintrittsrecht ergänzt. Fällt ein Stammesteil
                       Unter einem Stamm versteht man das Verhält-     schon vor dem Erbfall durch Tod oder Enterbung
               nis einer Person zu ihren Abkömmlingen in abwärtiger    bzw. nach dem Erbfall durch Ausschlagung oder
               Richtung. Jedes Kind des Erblassers bildet als Stamm-   Erbunwürdigkeitserklärung weg, treten an seine
               vater bzw. Stammmutter einen eigenen Stamm. Nach        Stelle die durch ihn mit dem Erblasser verwandten
               dem Stammessystem erhält jeder Stamm innerhalb          Abkömmlinge. Die eintretenden Abkömmlinge
               einer Ordnung denselben Erbteil. Es erfolgt also eine   bilden eigene Unterstämme und schließen ihrer-
               Erbaufteilung nach Stämmen und nicht nach Köpfen.       seits ihre Abkömmlinge von der Erbfolge aus.
                                                                       Auch das Eintrittsrecht lässt sich am besten
                      Das Repräsentationssystem besagt, dass           anhand von Beispielen verdeutlichen:
               innerhalb eines Stammes der Stammvater bzw.
               die Stammmutter den Stamm repräsentiert und
               sämtliche eigenen Abkömmlinge von der Erbfolge              Beispiel 6:
               ausschließt. Was das bedeutet, macht man sich
                                                                           Der verwitwete Erblasser Anton (A) hat drei
               wieder am besten mittels einiger Beispiele klar:
                                                                           Kinder, den Sohn Siegfried (S), die Tochter
                   Beispiel 4:                                             Tatjana (T) und die Tochter Nicole (N). T ist
                                                                           bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekom-
                   Der verwitwete Erblasser Anton (A) hat die              men. Sie hinterlässt zwei Kinder, nämlich die
                   Söhne Bernd (B) und Caspar (C). B und C haben           Tochter Edith (E) und den Sohn Max (M). Wer
                   ihrerseits jeweils 2 Kinder. Wer erbt, wenn A           erbt, wenn A stirbt und die gesetzliche Erb-
                   stirbt und die gesetzliche Erbfolge eintritt?           folge eintritt?

          10
Das Erbrecht - praktische Hinweise

         In diesem Beispiel bilden die Kinder des    ihre beiden noch lebenden Abkömmlinge B und
A drei Stämme. Würden die Kinder des A alle-         P. Insgesamt erbt also B zu 3/4 (1/2 + 1/4) und P
samt noch leben, so würden sie unter Ausschluss      zu 1/4.
aller eigenen Abkömmlinge und aller Verwandten
entfernterer Ordnungen untereinander zu glei-        4. Das Ehegattenerbrecht und das Erbrecht des
chen Teilen erben, also je zu 1/3. T ist aber bei    eingetragenen Lebenspartners
einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Der T zustehende Anteil von 1/3 geht deshalb                In den vorangegangenen Beispielen haben
auf ihre beiden Abkömmlinge über, die ihrerseits     wir gesehen, dass immer Blutsverwandte gesetz-
wiederum zu gleichen Teilen, also zu je 1/6 erben.   liche Erben geworden sind. Ausnahmen von
Gesetzliche Erben des A im Beispielsfall sind also   diesem Grundsatz, dass im Wege der gesetzlichen
S und N zu je 1/3 sowie E und M zu je 1/6.           Erbfolge stets die Verwandten des Erblassers als
                                                     seine Erben eintreten, stellen das Ehegatten-
    Beispiel 7:
                                                     erbrecht und das Erbrecht des eingetragenen
                                                     Lebenspartners dar.
    Der ledige Erblasser Anton (A) hat keine
    Kinder, aber einen Bruder Bruno (B). Sein               Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten
    Vater Viktor (V) und seine Mutter Martha (M)     wird nämlich durch das Erbrecht des überle-
    sind beide bereits verstorben. M hatte aus       benden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners
    erster Ehe einen Sohn Paul (P), der ebenfalls    eingeschränkt.
    noch lebt. Weitere Verwandte gibt es nicht.
    Wer erbt, wenn A stirbt und die gesetzliche             Im Einzelnen ist die Höhe des Ehegatten-
    Erbfolge eintritt?                               erbrechts davon abhängig, in welchem Güter-
                                                     stand die Eheleute zur Zeit des Erbfalls gelebt
                                                     haben und welcher Ordnung die miterbenden
                                                     Verwandten des Erblassers angehören. Es gilt
        A hat keine Erben erster Ordnung. Es erben   Folgendes:
also die Erben zweiter Ordnung. Das wären sein
Vater V und seine Mutter M zu gleichen Teilen,              Grundsätzlich erbt der Ehegatte zunächst
also je zu 1/2, wenn sie noch leben würden. Da
im Beispiel beide vorverstorben sind, gehen ihre     - neben Erben der ersten Ordnung (also Kindern,
Anteile auf ihre jeweiligen Abkömmlinge über.          Enkeln, Urenkeln usw.) zu 1/4,
Man spricht von einem Erbrecht nach Linien,          - neben Erben der zweiten Ordnung (Eltern und
da die zur väterlichen und mütterlichen Linie          deren Kinder und Kindeskinder, also Geschwi-
gehörenden Verwandten der zweiten Ordnung zu           ster und Neffen und Nichten etc.) oder neben
unterscheiden sind. Der Anteil des V (1/2) geht        Großeltern zu 1/2.
vollumfänglich auf B über, da B der einzige noch     - Wenn weder Verwandte der ersten oder der zwei-
lebende Abkömmling des V ist. Der Anteil der           ten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind,
M (1/2) fällt zu gleichen Teilen (also je 1/4) an      den gesamten Nachlass.
                                                                                                         11
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                       Darüber hinaus kommt es auf den Güter-                               Hier hat A einen Erben erster Ordnung, näm-
                stand der Eheleute an. Haben die Ehegatten kei-                     lich seine Tochter S. Seine Frau F erbt also zunächst
                nen besonderen Güterstand in einem Ehe­vertrag                      neben dieser 1/4. Dieser Erbteil wird pauschal
                vereinbart, so gilt der gesetzliche Güterstand der                  um ein weiteres Viertel erhöht, da die Eheleute
                Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall erhöhen                        im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemein-
                sich die eben dargestellten gesetzlichen Erbteile                   schaft gelebt haben. F erbt somit 1/2. Die andere
                des überlebenden Ehegatten pauschal noch-                           Hälfte des Erbes, ebenfalls 1/2, erbt S.
                mals um 1/4.2 Besonderheiten gelten, wenn der
                Ehegatte die Erbschaft ausschlägt. In diesem Fall
                kann er den rechnerischen Zugewinnausgleich                             Beispiel 9:
                und seinen Pflichtanteil verlangen.                                     Der Erblasser Anton (A) lebt mit seiner Frau
                                                                                        Franziska (F) im gesetzlichen Güterstand der
                       Die dargestellten Grundsätze gelten                              Zugewinngemeinschaft. A und F haben einen
                für die Ehe von zwei Personen verschiedenen                             Sohn Bernd (B) und eine Tochter Susanne
                oder gleichen Geschlechts. Entsprechendes gilt                          (S), die bei einem Verkehrsunfall ums Leben
                für Partner/Partner-innen einer eingetragenen                           gekommen ist. S hat zwei Kinder: die Tochter
                                                                                        Claudia (C) und den Sohn Max (M). Weitere
                Lebenspartnerschaft, die im Güterstand der
                                                                                        Verwandte gibt es nicht. Wer erbt, wenn A
                Zugewinngemeinschaft leben, wenn sie nicht                              stirbt und die gesetzliche Erbfolge eintritt?
                durch Lebenspartner-schaftsvertrag etwas anderes
                vereinbart haben.

                        Die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils
                um 1/4 ist unabhängig davon, ob die Eheleute                               A hat hier zwei Erben erster Ordnung,
                tatsächlich einen Zugewinn erzielt haben und                        nämlich seinen Sohn B und seine Tochter S.
                ob dem überlebenden Ehegatten überhaupt ein                         Seine Frau F erbt also zunächst neben diesen
                Ausgleichsanspruch zustünde.                                        1/4. Dieser Erbteil wird pauschal um ein weiteres
                                                                                    Viertel erhöht, da die Eheleute im gesetzlichen
                                                                                    Güter­stand der Zugewinngemeinschaft gelebt
                      Beispiel 8:
                                                                                    haben.
                      Der Erblasser Anton (A) lebt mit seiner Frau
                      Franziska (F) im gesetzlichen Güterstand der                         Andere Regeln gelten, wenn Gütertren-
                      Zugewinngemeinschaft. A und F haben eine                      nung oder Gütergemeinschaft vereinbart war.
                      Tochter Susanne (S). Weitere Verwandte gibt                   Hier kommt es nicht zur pauschalen Erhöhung
                      es nicht. Wer erbt, wenn A stirbt und die                     der Erbquote um das beschriebene Viertel. Bei
                      gesetzliche Erbfolge eintritt?                                Gütertrennung erben der Ehegatte und die
                                                                                    Kinder zu gleichen Teilen, wenn der Erblasser
                                                                                    ein oder zwei Kinder hatte. Sind mehr als
                2 Vgl. ausführlich zur Ausschlagung einer Erbschaft unten Teil F,   zwei Kinder vorhanden, steht dem überlebenden
                  zum Pflichtteilsrecht unten Teil D.                               Ehegatten 1/4 Erbteil zu.
           12
Das Erbrecht - praktische Hinweise

    Beispiel 10:                                     zur Führung eines angemessenen Haushalts benö-
                                                     tigt werden.
    Im Beispiel 10 haben A und F Gütertrennung
    vereinbart. Im Übrigen sind die Verhältnisse             Ausgeschlossen ist das gesetzliche Erb­
    wie im Beispiel 9.                               recht des Ehegatten, wenn im Zeitpunkt des
                                                     Erbfalles die Voraussetzungen für eine Scheidung
                                                     gegeben waren und wenn der Erblasser bereits die
        Würden beide Kinder noch leben, wären        Scheidung beantragt oder dem Scheidungs­antrag
F, B und S bei Gütertrennung jeweils zu 1/3 erbbe-   zugestimmt hat.
rechtigt. Da die Tochter S vor dem Erblasser ver-
storben ist, kommen das Prinzip der Erbfolge nach    5. Das Erbrecht des Staates
Stämmen bzw. das Eintrittsrecht zum Tragen. F
erbt 1/3, ungeachtet dessen, dass eines der Kinder           Ist weder ein Ehegatte oder Lebenpartner
vorverstorben ist. B erhält ebenfalls einen Anteil   vorhanden noch ein Verwandter festzustellen,
von 1/3, während der Anteil der vorverstorbenen      wird der Fiskus des Bundeslandes, in dem sich
S hälftig auf deren Kinder C und M aufgeteilt        der Erblasser zuletzt und nicht nur vorübergehend
wird, die zu je 1/6 erben. Hier wird deutlich,       aufgehalten hatte, gesetzlicher Erbe. Das Gesetz
dass sich das Ergebnis aufgrund des anderen          vermeidet auf diese Weise eine ,,herrenlose“ Erb­
Güterstandes der Ehegatten von der Lösung des        schaft. Gleiches gilt, wenn zwar ein Verwandter
Beispiels 9 unterscheidet.                           oder ein Ehegatte oder Lebenspartner als gesetz-
                                                     licher Erbe vorhanden ist, diese aber das Erbe
       Sie sehen an diesen letzten drei Beispie-     ausschlagen (vgl. zur Ausschlagung einer Erbschaft
len, dass bei der Ermittlung der gesetzlichen        unten Teil F.). Dem Land als gesetzlichem Erbe
Erbfolge immer zunächst der Erbteil des Ehe-         steht ein solches Ausschlagungsrecht nicht zu. Es
gatten bzw. des eingetragenen Lebenspartners         muss also das Erbe antreten und die Nachlassan­
ermittelt werden muss, bevor die Erbteile der        gelegen­heiten besorgen. Auf diese Weise ist
Verwandten bestimmt werden können.                   sichergestellt, dass jeder Bürger einen Erben
                                                     erhält, der sich um seinen Nachlass und seine
        Neben Verwandten der zweiten Ordnung         Beerdigung bemüht.
oder neben Großeltern erhält der überlebende
Ehegatte zusätzlich die zum Haushalt gehörenden               Nachdem das Erbrecht des Staates durch
Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines          Beschluss des Nachlassgerichts festgestellt wurde,
Grundstücks sind sowie die Hochzeitsgeschenke        ist für die Wahrnehmung des sog. Fiskalerbrechts
als sog. Voraus. Neben Verwandten der ersten         in Baden-Württemberg der Landesbetrieb Ver-
Ordnung gilt dies nur, soweit diese Gegenstände      mögen und Bau zuständig.

                                                                                                          13
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                C. D ie gewillkürte E rbfolge

                        Im vorherigen Abschnitt haben Sie die           Gründen als Erbe einzusetzen. Jeder­kann die
                Regelungen der gesetzlichen Erbfolge kennen-            Verteilung und Verwaltung seines Vermögens
                gelernt. Nehmen Sie sich nun ein wenig Zeit             nach seinem Tod frei festlegen. Die Testierfreiheit
                und ein Blatt Papier zur Hand. Skizzieren Sie           des Erblassers kann eingeschränkt sein, wenn er
                Ihre Verwandtschaftsverhältnisse. Berücksichtigen       bereits einen Erbvertrag oder ein gemeinschaft-
                Sie Ihren Ehepartner oder Ihren eingetragenen           liches Testament errichtet hat. Daraus können
                Lebenspartner und wenden Sie dann die eben              sich Bindungen des Erblassers ergeben, die spä-
                dargestellten Regelungen einmal auf Ihre per-           teren anderslautenden letztwilligen Verfügungen
                sönliche Situation an. Stellen Sie sich die Frage,      entgegenstehen können. Im Übrigen gilt aber:
                wer Erbe sein würde, wenn heute in Ihrem Falle          Niemand kann sich nach deutschem Recht ver-
                die gesetzliche Erbfolge einträte. Überprüfen Sie,      traglich wirksam verpflichten, eine Verfügung von
                ob das gefundene Ergebnis Ihren Vorstellungen           Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten,
                entspricht. Falls ja, besteht für Sie persönlich kein   sie aufzuheben oder nicht aufzuheben.
                Anlass, eine Verfügung von Todes wegen, also
                ein Testament oder einen Erbvertrag, zu errichten.             Zu den Beschränkungen der Testierfreiheit
                Anderenfalls erscheint es für Sie empfehlenswert,       gehören außerdem das Pflichtteilsrecht (dazu
                die gesetzliche Erbfolge durch eine persönliche         unten Teil D.) und allgemeine Vorschriften: So
                Gestaltung auszuschließen oder zu modifizieren.         darf ein Testament oder ein Erbvertrag selbst-
                Was Sie dabei beachten können und müssen,               verständich nicht gegen ein gesetzliches Verbot
                soll in den nächsten Abschnitten dargestellt wer-       verstoßen oder sittenwidrig sein.
                den.
                                                                        2. Das Testament
                1. Der Vorrang der gewillkürten Erbfolge gegen-
                über dem gesetzlichen Erbrecht                                   Im Folgenden erfahren Sie, wer ein
                                                                        Testament errichten kann und in welcher Form
                       Zunächst ist zu beachten, dass die gewill-       dies geschehen muss. Daran anschließend wird dar-
                kürte Erbfolge der gesetzlichen immer vorgeht.          gestellt, wie Sie ein wirksam errichtetes, aber nicht
                                                                        mehr Ihrem Interesse entsprechendes Testament
                         Soweit ein Erblasser also in einem             widerrufen können und was Sie alles in einem
                Testament oder einem Erbvertrag Anordnungen             Testament oder einem Erbvertrag regeln können.
                trifft, die mit der gesetzlichen Erbfolge nicht in
                Einklang stehen, sind durch diese Verfügung von         a) Testierfähigkeit
                Todes wegen die gesetzlichen Regelungen ausge-
                schlossen. Dies ist Ausfluss der bereits eingangs              Die Errichtung eines Testaments setzt
                erwähnten Testierfreiheit, die von Verfassungs          zunächst die Testierfähigkeit voraus. Testierfähig
                wegen geschützt ist. Sie ermöglicht es einem            ist jede volljährige Person, die nicht an einer
                Erblasser, jede beliebige Person ohne Angabe von        krankhaften Störung der Geistestätigkeit, an
           14
Das Erbrecht - praktische Hinweise

Geistesschwäche oder an Bewusstseinsstörung lei-      aa) Das eigenhändige Testament
det. Wer ein Testament errichtet, muss dabei in
der Lage sein, die Bedeutung der von ihm abge-               Das eigenhändige Testament setzt eine
gebenen Erklärung einzusehen und nach dieser          eigenhändig geschriebene und unterschriebene
Einsicht zu handeln.                                  Erklärung des Erblassers voraus.

       Die Anordnung einer Betreuung bleibt           • Eigenhändig geschriebene und unterschriebene
auch dann ohne Auswirkung auf die Testierfrei-        Erklärung
heit, wenn ein sog. Einwilligungsvorbehalt ange-
ordnet wurde. Einzelheiten finden sich insofern in           Eigenhändigkeit liegt nur vor, wenn der
unserer Broschüre ,,Das Betreuungsrecht – prak-       Erblasser das Testament persönlich abgefasst
tische Hinweise“.                                     und in seiner eigenen Schrift geschrieben hat.
                                                      Ein mechanisch abgefasstes Testament (z.B. mit
       Minderjährige können ohne Zustimmung           Schreibmaschine oder Computer) genügt also
des gesetzlichen Vertreters ein Testament durch       nicht den Formerfordernissen.
mündliche Erklärung gegenüber dem Notar oder
durch Übergabe einer offenen Schrift errichten,               Die ganze Erklärung muss eigenhändig
wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben.          abgefasst sein. Wird in einem solchen Testament
                                                      auf andere Schriftstücke Bezug genommen,
b) Die Form des Testaments                            so ist Voraussetzung, dass auch diese anderen
                                                      Schriftstücke ebenfalls eigenhändig geschrieben
        Bei der Errichtung eines Testaments sind      und unterschrieben sind.
bestimmte, strenge Formerfordernisse zu beachten.
Genügt das Testament diesen Erfordernissen nicht,             Bei der Fertigung eines eigenhändigen
so ist es nichtig. Die vermögensrechtlichen Folgen    Testaments ist die Unterstützung durch eine
nach dem Tod richten sich dann nicht nach den         fremde Person nur in Fällen zulässig, in denen der
eigentlich gewollten, aber formnichtigen Regelun-     Testierwillige wegen körperlicher Gebrechlichkeit
gen des Testaments, sondern nach dem gesetz-          nicht mehr selbst zur Erstellung in der Lage
lichen Erbrecht.                                      ist. Eine zulässige Unterstützung ist aber nur
                                                      dann anzunehmen, wenn der Erblasser einver-
      Ein Testament kann auf verschiedene             standen war und am Schreibvorgang mitgewirkt
Weise errichtet werden:                               hat, keinesfalls dagegen, wenn er völlig unter der
                                                      Herrschaft und Leitung des Helfers stand.
       Die verbreitetste Testamentsform ist das
eigenhändige Testament. Neben diesem gibt es                  Die Unterschrift des Erblassers muss die
noch die sog. öffentlichen, zur Niederschrift eines   Erklärung abschließen. Ein später noch unterhalb
Notars errichteten Testamente sowie die – nur         der Unterschrift angefügter Zusatz (P.S.) kann
in bestimmten Ausnahmesituationen zulässigen          unwirksam sein. Entscheidend kommt es hier
– Not- und Seetestamente.                             darauf an, ob der Zusatz eine neue Verfügung bein-
                                                                                                           15
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                haltet oder lediglich das Voranstehende erläutert     teren Vorteil: Beim Tod des Erblassers wird das
                oder ergänzt. Im letzteren Fall ist der Zusatz als    Nachlassgericht3 automatisch be­nach­­richtigt und
                wirksam anzusehen.                                    bestimmt dann von Amts wegen den Termin zur
                                                                      Eröffnung des Testaments, zu dem die gesetzlichen
                • Angabe von Datum und Ort der Errichtung             Erben des Erblassers und die sonstigen Beteiligten
                                                                      geladen werden können. Darüber hinaus ist eine
                       Die Angabe von Datum und Ort der               sogenannte „stille Eröffnung“ der Verfügung von
                Testamentserrichtung ist dagegen keine zwin-          Todes wegen ohne Terminladung möglich. In
                gende Voraussetzung. Dennoch empfiehlt sich           diesem Fall hat das Gericht den Beteiligten den
                eine solche aus Gründen der Beweiserleichterung       sie betreffenden Inhalt des Testaments oder
                unbedingt. Vor allem dann, wenn mehrere               Erbvertrags schriftlich bekannt zu geben. Für die
                Testamente existieren, kann die Datums- und           Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen
                Ortsangabe in der Testamentsurkunde entschei-         durch das Nachlassgericht fallen Gebühren an.
                dend sein, da vorrangig immer dasjenige Tes­
                tament gilt, das zuletzt errichtet wurde.                    Gelangen Sie – auf welchem Wege auch
                                                                      immer – in den Besitz eines Testaments, das nicht
                • Aufbewahrung des eigenhändigen Testaments           in besondere amtliche Verwahrung gebracht ist,
                                                                      so sind Sie verpflichtet, es unverzüglich, nachdem
                        Nach der Errichtung können Sie das            Sie vom Tode des Erblassers Kenntnis erlangt
                Testament an jedem beliebigen Ort aufbewahren.        haben, an das Nachlassgericht abzuliefern.
                Beispielsweise können Sie es bei sich zu Hause
                in einer Schreibtischschublade oder an einem          bb) Das öffentliche Testament
                anderen geschützten Ort deponieren. Wenn Sie
                allerdings befürchten, dass Ihr Testament dort                Neben dem eigenhändigen handschrift-
                nach Ihrem Tod nicht oder nicht rechtzeitig auf-      lichen Testament kann ein Testament auch
                gefunden wird oder bereits zuvor verloren wird        in öffentlicher Form errichtet werden. Dies
                oder in Vergessenheit gerät, sollten Sie es besser    ge­schieht, indem der Erblasser entweder dem
                in amtliche Verwahrung geben. Zuständig hierfür       Notar gegenüber mündlich seinen letzten Willen
                sind die Nachlassgerichte, in Baden-Württemberg       erklärt oder aber eine selbst zuvor hand- oder
                bis 2017 die Notariate, ab 2018 die Amtsgerichte.     maschinenschriftlich abgefasste Erklärung dem
                Hier ist Ihr Testament bestmöglich vor Verlust        Notar übergibt und diesem mitteilt, dass die
                oder Verfäl­schung ­geschützt. Es wird im Zentralen   Schrift seinen letzten Willen enthalte. In diesem
                Testamentsregister registriert (vgl. unten 5).        Fall kann die Schrift offen oder verschlossen
                                                                      übergeben werden. Auch braucht sie nicht vom
                • Eröffnung des eigenhändigen, amtlich ver-           Erblasser selbst handgeschrieben zu sein.
                wahrten Testaments
                                                                      3 In Baden-Württemberg waren bis zum 31. Dezember 2017 die staatlichen
                       Die amtliche Verwahrung des eigenhän-          Notariate als Nachlassgericht zuständig. Nunmehr ist - wie im übrigen
                                                                      Bundesgebiet auch bereits zuvor - das Amtsgericht als Nachlassgericht
                digen Testaments hat darüber hinaus einen wei-        zuständig.

           16
Das Erbrecht - praktische Hinweise

        Wenn Sie sich dazu entschließen, Ihr          Eröffnung einen Erbschein, wenn nach dem
Testament in notariell beurkundeter Form zu           Todesfall ein Grundstück auf die Erben über-
errichten, so hat dies neben der sicheren amtlichen   schrieben werden soll. Auf diese Weise kann
Verwahrung, die bei notariellen Testamenten           also ein Erblasser den späteren Erben Kosten
vorgeschrieben ist, und neben der Registrierung       ersparen.
im Zentralen Testamentsregister den weiteren
Vorteil, dass der Notar verpflichtet ist, Ihnen bei   c) Der Widerruf eines Testaments
der Abfassung und Formulierung zu helfen und
Sie zu beraten.                                              Sowohl ein handschriftlich errichtetes als
                                                      auch ein öffentliches Testament können Sie jeder-
         Für ein solches notarielles Testament fal-   zeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen.
len Gebühren an, die sich nach dem Wert des           Die Testierfreiheit gewährleistet nämlich nicht
Vermögens, das Sie vererben, richten. Diese           nur das Recht des Erblassers, eine beliebige von
Kosten sollten Sie aber nicht davon abhalten, ein     der gesetzlichen Erbfolge abweichende Verfügung
notarielles Testament zu errichten. Denn mögli-       von Todes wegen zu errichten, sondern auch die
cherweise ist dies gut investiertes Geld: Vielfach    Möglichkeit, eine einmal getroffene Regelung
lässt sich nämlich in der Praxis nach dem Todes-      wieder rückgängig zu machen. Für den Widerruf
fall einer ohne rechtliche Beratung erstellten        eines Testaments gibt es mehrere Möglichkeiten.
Erklärung eines Erblasser der gewollte Inhalt im
Wege der Auslegung nicht mit Sicherheit entneh-       aa) Das Widerrufstestament
men. So sind langwierige und häufig wesentlich
kostenintensivere gerichtliche Auseinanderset-                Zum ersten können Sie ein Widerrufs-
zungen vorprogrammiert.                               testament errichten. Ein solches braucht keine ande-
                                                      re Verfügung als den Widerruf des bisherigen Testa-
cc) Kosten                                            mentes zu enthalten. Auch das Widerrufstestament
                                                      muss den Formerfordernissen eines Testaments
        Beträgt beispielsweise der Wert des Nach­     genügen, also entweder vom Erblasser eigenhändig
lasses 100.000 Euro, so fallen für die Beurkundung    geschrieben und unterschrieben oder in öffentlicher
eines Testaments beim Notar Gebühren i.H.v.           Form errichtet sein. Allerdings muss das Widerrufs-
273,- Euro an. Beläuft sich der Nachlasswert auf      testament nicht in derselben Form errichtet werden
250.000 Euro, so kostet das notarielle Testament      wie das widerrufene Testament. Möglich ist also
535,- Euro. Zusätzlich fällt eine Gebühr von          beispielsweise der Widerruf eines notariellen Testa-
75,- Euro an, wenn das Testament in amtliche          ments durch ein eigenhändig geschriebenes und
Verwahrung genommen wird (bei notariell beur-         unterschriebenes Widerrufstestament.
kundetem Testament obligatorisch).
                                                              Liegt ein wirksames Widerrufstestament
      Im Gegensatz zu einem eigenhändigen             vor, so kommt dem ursprünglichen Testament
Testament ersetzt ein notarielles Testa­ment im       keine Bedeutung mehr zu, und es tritt die gesetz-
Zusammenhang mit der Nieder­schrift über seine        liche Erbfolge ein.
                                                                                                             17
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                bb) Widerruf durch Vernichtung                        in einem Testament das Datum der Errichtung
                                                                      anzugeben. Auf diese Weise lässt sich feststellen,
                       Ferner können Sie die ursprüngliche            welches von mehreren Testamenten das jüngste
                Testamentsurkunde vernichten oder verändern.          und damit das gültige ist.
                Im Fall der Veränderung sollten Sie aber darauf
                achten, dass Ihr Aufhebungswille deutlich erkenn-           Widerspricht das neue Testament nur zu
                bar wird. Denkbar ist z.B., dass Sie den ursprüng-    einem Teil, so bleibt der Rest des früheren Test-
                lichen Text durchstreichen oder handschriftlich       aments gültig.
                einen Zusatz wie ,,ungültig“ oder ,,aufgehoben“ auf
                das ursprüngliche Testament schreiben.                        Besonderheiten gelten wegen der Bin-
                                                                      dungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamen-
                       Keine Vernichtung stellt dagegen der           ten. Sie können nicht einseitig von einem Erblas-
                nicht willentliche Verlust eines Testaments dar.      ser durch ein nur von ihm eingereichtes neues
                Auch bei bloßer Unauffindbarkeit der Testaments-      Testament aufgehoben werden. Es gelten Sonder-
                urkunde bleibt diese wirksam. Ihr Inhalt kann         regeln (vgl. unten C.4.).
                dann im Prozess beispielsweise durch Zeugen-
                aussage nachgewiesen werden.                              Beispiel 11:

                cc) Widerruf eines öffentlichen Testaments                Der Erblasser Anton (A) hat einen Sohn Bernd
                                                                          (B) und eine Tochter Susanne (S). In einem
                       Ein öffentliches Testament kann durch              formwirksamen Testament aus dem Jahr
                                                                          1980 hat er seinen langjährigen Schulfreund
                Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung wi-
                                                                          Kuno (K) zum Alleinerben eingesetzt. Als er
                derrufen werden. Das Nachlassgericht belehrt
                                                                          2006 bei einer Urlaubsreise Julia (J) ken-
                Sie dabei über die Folgen. Anderes gilt für               nenlernt, errichtet er ein zweites, ebenfalls
                handschriftliche Testamente, die nicht zuhause            formwirksames Testament, in dem er J zu
                aufbewahrt, sondern in amtliche Verwahrung                1/4 als Erbin einsetzt. Im Jahr 2007 stirbt A.
                beim Notar gegeben wurden. Zwar kann auch                 Wer erbt in welcher Höhe?
                hier jederzeit Rückgabe verlangt werden. Die
                bloße Rückgabe hat in diesem Fall allerdings auf
                die Wirksamkeit des Testaments keinen Einfluss.
                                                                             Beide Testamente sind wirksam errichtet.
                dd) Widerruf durch Neuerrichtung eines ande-          Es sind zunächst die Regelungen des zeitlich
                ren Testaments                                        später errichteten Testaments aus dem Jahr 2006
                                                                      maßgeblich. Dieses allerdings regelt die Erbfolge
                      Schließlich kann ein Testament auch da-         nur unvollständig. J wird hiernach Erbin zu 1/4.
                durch widerrufen werden, dass ein neues Tes-          Nur insofern sind durch das Testament aus dem
                tament mit anderem Inhalt errichtet wird, der         Jahr 2006 die Regelungen des Testaments aus dem
                zum ursprünglichen Inhalt des ersten Testaments       Jahr 1980 widerrufen. Hinsichtlich der übrigen 3/4
                in Widerspruch steht. Insofern ist es wichtig,        schweigt sich das Testament aus dem Jahr 2006
           18
Das Erbrecht - praktische Hinweise

aus. Teilweise verbleibt es daher bei den 1980                                Voraussetzung für eine wirksame An­fech-
getroffenen Anordnungen. K wird also Erbe zu 3/4.                      tung ist das Vorliegen eines Anfechtungs-
Da die beiden Testamente zusammen die Erbfolge                         grundes. Ein Anfechtungsgrund liegt zunächst vor,
nach dem Tod des A umfänglich regeln, ist die                          wenn sich der Erblasser bei der Abfassung seines
gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen. B und S, die                      Testaments in einem Inhalts- oder Erklärungs-
bei gesetzlicher Erbfolge als Erben erster Ordnung                     irrtum befunden hat.
zu je 1/2 berufen wären, erben nichts.4
                                                                               Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn sich der
d) Die Anfechtung eines Testaments                                     Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im
                                                                       Irrtum befand. Ein Erklärungsirrtum ist gegeben,
       Unter bestimmten Voraussetzungen kann                           wenn sich der Erblasser in seinem Testament ver-
ein Testament angefochten werden. Ziel einer                           schreibt oder, bei einem öffentlichen Testament,
Testamentsanfechtung ist es, dem wirklichen                            verspricht.
Willen des Erblassers im Rahmen der Vermögens­
nachfolge so weit wie möglich Geltung zu verschaf-                              Zudem ist ein Anfechtungsgrund gegeben,
fen. Anfechtbarkeit bedeutet, dass ein vorhandener                     wenn sich der Erblasser bei der Abfassung des
Willensmangel, etwa ein Irrtum des Testierenden                        Testaments in einem Motivirrtum befunden hat.
über einen wichtigen Umstand oder ein Schreib-                         Hinsichtlich dieses Irrtums ist erforderlich, dass der
versehen, nicht bereits kraft Gesetzes zur Nichtig-                    Erblasser irrige Erwartungen und Vorstellun­gen bei
keit der abgegebenen Erklärung führt, sondern                          der Testamentserrichtung tatsächlich gehegt hat
erst dann, wenn der Anfechtungsbe­rechtigte von                        und diese Erwartungen ein bestimmendes Motiv für
seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht.                                die Testamentserrichtung darstellten. Das spätere
                                                                       Aufkommen irriger Vor­    stellung hingegen recht-
       Dabei ist zu beachten, dass der sich irren-                     fertigt keine Anfechtung. So ist z.B. das Vergessen
de Erblasser grundsätzlich selbst nicht anfech-                        einer früheren Testa­mentserrichtung unerheblich.
tungsberechtigt ist. Bemerkt er nach Errichtung                        Hat aber beispielsweise der Erblasser testamen-
des Testaments seinen Irrtum, so kann er – wie                         tarisch seine nichteheliche Lebensgefährtin als
eben dargestellt – auf unterschiedliche Weise sein                     Alleinerbin bedacht, weil er sich zu diesem Zeit-
Testament widerrufen und irrtumsfrei neu testie-                       punkt sicher war, dass sie gemeinsam den Lebens-
ren. Eines zusätzlichen Anfechtungsrechts bedarf                       abend verbringen werden, und kommt es kurz
es daher in diesem Fall nicht.                                         darauf zunächst zur Trennung und dann zum Tod
                                                                       des Erblassers, ohne dass dieser sein Testament
        Anfechtungsberechtigt sind vielmehr dieje-                     noch widerrufen konnte, so sind die gesetzlichen
nigen Personen, denen die Aufhebung des irrtums-                       Erben im Zweifelsfall anfechtungsberechtigt.
behafteten Testaments unmittelbar zustatten kom-
men würde, die also z.B. im Fall der Aufhebung                                Ein Sonderfall des Motivirrtums ist gege-
selbst Erben würden.                                                   ben, wenn der Erblasser in seinem Testament
4 B und S könnten in diesem Beispiel lediglich Pflichtteilsansprüche   einen Pflichtteilsberechtigten übergeht, von des-
gegen die Erben geltend machen, dazu unten Teil D.                     sen Existenz er bei Errichtung des Testaments
                                                                                                                                19
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                nichts wusste oder nichts wissen konnte. Häufige       alle Beteiligten gewünscht ist. Eine solche lässt
                Anwendungsfälle in der Praxis sind hier etwa           sich mit einem Einzeltestament allein nicht errei-
                die Wiederverheiratung oder das Hinzukommen            chen.
                neuer Kinder.
                                                                               Beispielsweise liegt der Abschluss eines
                       Schließlich ist ein Testament anfechtbar,       Erbvertrages nahe, wenn sich im Vermögen des
                wenn der Erblasser durch eine widerrechtliche          Erblassers ein Unternehmen befindet und der
                Drohung zur Errichtung des Testaments bestimmt         Erblasser möchte, dass eines oder mehrere seiner
                wurde.                                                 Kinder in seinem Unternehmen mitarbeiten.
                                                                       Hier kann in einem Erbvertrag bindend für alle
                       Die Anfechtung ist fristgebunden. Die           vereinbart werden, dass die Kinder im elterlichen
                Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr und beginnt in dem   Unternehmen mitarbeiten, wenn sie umgekehrt
                Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberech-           als Erben eingesetzt werden. Ein Erbvertrag ist
                tigte Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt.           ferner regelmäßig zu erwägen, wenn in einer
                                                                       einheitlichen Urkunde gleichzeitig ein Ehevertrag
                       Betrifft die Anfechtung eine Erbeinset-         oder ein Lebenspartnerschaftsvertrag oder auch
                zung, den Ausschluss eines gesetzlichen Erben          die Änderung des bestehenden Güterstandes ver-
                von der Erbfolge, die Ernennung eines Testa-           einbart werden soll.
                mentsvollstreckers oder die Aufhebung einer
                solchen Verfügung, muss die Anfechtung                        Erforderlich für den Abschluss eines
                gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden.          Erbvertrages ist zunächst die unbeschränkte
                Dagegen ist die Anfechtung beispielsweise eines        Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Sodann muss
                Vermächtnisses gegenüber dem Begünstigten zu           der Erblasser (nicht aber sein Vertragspartner!)
                erklären.                                              den Erbvertrag höchstpersönlich abschließen.
                                                                       Eine Stellvertretung ist also in seinem Fall nicht
                3. Der Erbvertrag                                      möglich. Schließlich muss der Erbvertrag zur
                                                                       Niederschrift beim Notar bei gleichzeitiger
                        Wie das Testament ist auch der Erbvertrag      Anwesenheit beider Vertragsteile geschlossen
                eine Verfügung von Todes wegen. Aus dem                werden.
                vertraglichen Charakter ergibt sich allerdings im
                Unterschied zum Testament eine stärkere Bin­                  Die Besonderheit des Erbvertrags im Ver-
                dungswirkung und damit eine Einschränkung der          gleich zum Testament besteht darin, dass eine
                Testierfreiheit.                                       in einem Erbvertrag getroffene vertragsmäßige
                                                                       Verfügung, etwa die dargestellte Einsetzung der
                       Da ein Testament – wie eben gesehen –           Kinder als Erben, grundsätzlich nicht mehr wie
                durch den Erblasser jederzeit und ohne Angabe          ein handschriftliches oder ein öffentliches Testa-
                von Gründen frei widerrufen werden kann, kann          ment widerrufen werden kann. Vielmehr sind
                ein Erbvertrag die geeignete Gestaltungsform           sowohl frühere als auch spätere Verfügungen von
                sein, wenn eine sofortige Bindungswirkung für          Todes wegen, die eine andere Regelung als die im
           20
Das Erbrecht - praktische Hinweise

Erbvertrag getroffene vorsehen, unwirksam, soweit      4. Das gemeinschaftliche Testament
sie das Recht des Vertragspartners beeinträchti-
gen.                                                          Ein gemeinschaftliches Testament ist die
                                                       Zusammenfassung von gemeinschaftlich getrof-
         Weitestgehend unbeschränkt bleibt             fenen, letztwilligen Verfügungen von Eheleuten
allerdings das Recht des Erblassers, über sein         bzw. Partnern oder Partnerinnen einer eingetra-
Vermögen durch Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten            genen Lebenspartnerschaft. Hier liegen also immer
zu verfügen. Der Erbvertrag bewirkt eine rein          zwei Verfügungen von Todes wegen vor, da die
erbrechtliche Bindung. Das Gesetz schützt den          Eheleute zwar zusammengefasst in einer Urkunde
Vertragspartner lediglich, wenn der Erblasser          verfügen, hierbei aber jeder für sich über sein
durch Verfügungen zu Lebzeiten sein Verfü-             Vermögen.
gungsrecht missbraucht. So kann der Vertragserbe,
nachdem ihm kraft Erbvertrages die Erbschaft                  Die Besonderheiten des gemeinschaft-
angefallen ist, die Herausgabe eines Geschenks         lichen Testaments bestehen zum einen in
verlangen, das der Erblasser einem anderen in          Erleichterungen bei der Form und zum anderen
der Absicht gemacht hat, den Vertragserben zu          in einer stärkeren Bindungswirkung im Vergleich
beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung          mit zwei getrennt errichteten Einzeltestamenten.
liegt allerdings nicht vor, soweit der Erblasser ein
Geschenk an einen Pflichtteilsberechtigten macht,      a) Formerleichterungen
das geeignet ist, dessen Pflichtteil zu decken, da
Pflichtteils­ansprüche vorab zu erfüllen sind.5               Das Gesetz sieht zunächst für Eheleute
                                                       bzw. Partner/Partnerinnen einer eingetragenen
        Nur in wenigen Fällen kann die erbver-         Lebenspartnerschaft Formerleichterungen vor.
tragliche Bindungswirkung durchbrochen werden:         So genügt es, dass einer der Ehegatten bzw.
                                                       Lebenspartner den letzten Willen beider eigen-
        So können die Vertragsparteien den             händig schreibt und unterschreibt. Der andere
Erbvertrag aufheben oder einen anderweitigen           muss dann lediglich die Erklärung noch mit
Erbvertrag abschließen. Erforderlich ist aber          seinem Namen unterschreiben. Dabei sollte zu
die Mitwirkung beider Vertragsparteien. Eine           Beweiszwecken der mitunterzeichnende Ehe-
einseitige Abänderung oder Aufhebung durch             gatte bei seiner Unterschrift angeben, zu welcher
den Erblasser ist nicht möglich. Nur unter eng         Zeit und an welchem Ort er seine Unterschrift
begrenzten Voraussetzungen kann der Erblasser          beigefügt hat.
einen Erbvertrag anfechten oder von ihm zurück-
treten.                                                        Verlobte oder Partner einer nichtehelichen
                                                       Lebensgemeinschaft und alle sonstigen Personen
                                                       können kein gemeinschaftliches Testament errich-
                                                       ten. Ihnen bleiben lediglich die Möglichkeiten
                                                       getrennter eigenhändiger oder öffentlicher Ein-
5 Vgl. zum Pflichtteilsrecht unten Teil D.             zeltestamente oder eines Erbvertrages.
                                                                                                            21
Das Erbrecht - praktische Hinweise

                b) Bindungswirkung                                              Zu Lebzeiten der beiden Ehegatten bzw.
                                                                        eingetragenen Lebenspartner ist ein Widerruf
                       Inhaltlich können die Ehegatten oder ein-        solcher wechselseitiger Verfügungen zwar noch
                getragenen Lebenspartner und Lebenspartnerin-           uneingeschränkt möglich. Allerdings setzt der
                nen in einem gemeinschaftlichen Testament alle          Widerruf hier eine notariell beurkundete Erklä­
                Verfügungen treffen, die sie sonst in Einzeltesta-      rung gegenüber dem anderen Ehegatten bzw.
                menten treffen würden.                                  eingetragenen Lebenspartner voraus, um sicher-
                                                                        zustellen, dass dieser seine eigene Verfügung der
                       Die Besonderheit des gemeinschaftlichen          veränderten Situation anpassen kann.
                Testaments besteht in der Möglichkeit, sog. wech-
                selbezügliche Verfügungen zu treffen.                          Stirbt dagegen einer der Ehegatten bzw.
                                                                        eingetragenen Lebenspartner, so erlischt damit
                        Hierunter versteht man Verfügungen,             das Widerrufsrecht des Überlebenden. Dieser
                die ein Ehegatte bzw. Lebenspartner ohne die            ist nunmehr endgültig an die im gemeinschaft-
                Verfügung des anderen nicht getroffen hätte.            lichen Testament getroffenen Regelungen ge-
                Entscheidend ist also, dass die Verfügung des           bunden.
                einen eine innere Abhängigkeit zur Verfügung
                des anderen aufweist. Wenn eine solche innere                   Will er diese Bindung nicht, so bleibt
                Abhängigkeit bei beiden Ehegatten bzw. Lebens­          in dieser Konstellation als eine Möglichkeit die
                partnern, die ein gemeinschaftliches Testament          Ausschlagung der Erbschaft, die ihm durch den
                errichten, gewollt ist, tritt eine stärkere Bin-        Erstverstorbenen zugewendet wurde. Schlägt der
                dungs­wirkung ein, als dies bei zwei getrennten         Überlebende das ihm von seinem Ehegatten bzw.
                Ein­zeltestamenten der Fall wäre.                       eingetragenen Lebenspartner Zugewendete aus,
                                                                        so verliert er seine Stellung als Erbe, kann aber
                        Zum einen hat die Nichtigkeit der einen         danach seine eigene Verfügung von Todes wegen
                Verfügung automatisch auch die Nichtigkeit der          aufheben und eine andere Regelung treffen.
                anderen zur Folge. Verstößt also beispielsweise         Auf das Recht zur Ausschlagung einer Erbschaft
                die Verfügung eines Ehegatten gegen ein gesetz-         werden wir nachher noch ausführlich eingehen
                liches Verbot oder ist sie sittenwidrig, so ist nicht   (unten Teil F.).
                nur sie, sondern automatisch auch die gerade im
                Hinblick auf sie abgegebene Verfügung des ande-                Daneben wird einem überlebenden Ehe-
                ren Ehe­gatten unwirksam.                               gatten nach dem Tod des anderen hinsichtlich
                                                                        seiner eigenen wechselbezüglichen Verfügungen
                       Zum anderen bestehen Abweichungen                ein Anfechtungsrecht eingeräumt. Die Anfech­
                zum Einzeltestament, wenn es um Fragen des              tung der eigenen Verfügung setzt allerdings das
                Widerrufs einer wirksam getroffenen, aber später        Vorliegen eines Anfechtungsgrundes voraus [s.
                aus welchen Gründen auch immer nicht mehr               dazu im Einzelnen oben Teil C. 2d)]. In der Praxis
                gewollten Verfügung von Todes wegen in einem            von großer Bedeutung ist hier die Anfechtung
                gemeinschaftlichen Testament geht.                      wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten,
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