Erbrecht - Teil II Erbvertrag Pflichtteil Be-, An- und Einrechnungen Vermächtnisse und andere Verfügungen Miterben und Haftung der Erben
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Erbrecht – Teil II Erbvertrag Pflichtteil Be-, An- und Einrechnungen Vermächtnisse und andere Verfügungen Miterben und Haftung der Erben Mag. Oliver Kratz-Lieber
Vertragliche Erbfolge (§§ 1249 ff)
Erbvertrag – Allgemeines • Ehepakt – stärkster Berufungsgrund • Vertragspartner: Ehepartner, eingetragene Partner und Verlobte unter der Bedingung der späteren Verehelichung/Verpartnerung (§ 1217) • Einseitig oder zweiseitig verpflichtend ausgestaltbar • Erbvertrag oder analog Vermächtnisvertrag • Verfügungen zugunsten Dritter gelten als (einseitig widerrufliche) letztwillige Verfügungen
Erbvertrag – Doppelnatur I • Zweiseitiges Rechtsgeschäft auf den Todesfall Doppelnatur • Form: doppelte Formstrenge – Notariatsakt (§ 1 Abs 1 lit a NAktG) – schriftliches Testament (§ 1249 S 2) 2 Notare oder Notar und zwei Zeugen (§ 56 NO)
Erbvertrag – Doppelnatur II • Vertragsrecht: – Abschluss – Nebenbestimmungen (§ 1251) – Willensmängel – Auslegung • Erbrecht: – Erbfähigkeit – Testierfähigkeit – Möglichkeit und Erlaubtheit des Inhalts
Erbvertrag – Umfang und Einschränkungen • Kann nicht einseitig widerrufen werden (Vertragsrecht) • Nur letztwillige Dispositionsfreiheit eingeschränkt, keine Auswirkungen zu Lebzeiten (§ 1252) • Das „freie Viertel“ (§ 1253) muss bleiben • Wird nicht über das freie Viertel verfügt: gesetzliche Erbfolge Keine Umdeutung
Erbvertrag – Das freie Viertel • Berechnung: „(…) worauf weder der jemandem gebührende Pflichtteil, noch eine andere Schuld haften darf.“ • Berechnung strittig, hA: Von den Nachlassaktiven werden Erblasser- und Erbgangsschulden abgezogen • Dann Verringerung um Pflichtteilsansprüche außer des EG/EP • Vermächtnisse bleiben unberücksichtigt
Erbvertrag – Beispiel Beispiel: • E hinterlässt Frau und Vater • Erbvertrag über ¾ des Nachlasses zugunsten der Frau • Nachlassaktiva: 10.000 • Schulden: 1.000 • Vermächtnisse: 2.000 • PT des Vaters: 1000 • Freier Viertel von 8000 = 2000 • Verfügbar für den Erbvertrag: 6000
Erbvertrag – Haftung, Scheidung • Haftung im Außenverhältnis: Keine Änderung • Innenverhältnis: Regress des Erben des freien Viertels gegen den Vertragserben • Bei Scheidung/Auflösung, Aufhebung oder Nichtigerklärung: Erbvertrag erlischt, der schuldlose oder minderschuldige Partner behält Rechte aus dem Erbvertrag (§ 1266)
Pflichtteil (§§ 762 ff)
Pflichtteil – Allgemeines • Mindestanteil am Vermögen soll nächsten Angehörigen zukommen • Minderung und Entziehung nur aus besonderen Gründen • System des Geldpflichtteils • Pflichtteilsrecht - Pflichtteils(ergänzungs)anspruch • Pflichtteil - Noterben (§ 764)
Pflichtteil – Pflichtteilsberechtigte • Abstrakt Pflichtteilsberechtigt: Nachfahren, Vorfahren, EG/EP (§ 762 iVm § 763 u § 42), Adoptivkinder und -eltern (§ 199) • Konkret pflichtteilsberechtigt: Abstrakt PT-Berechtigte, die hypothetisch bei gesetzlichem Erbrecht Erben wären (§§ 765 f)
Pflichtteilsrecht – Abstrakt und Konkret UV1 UM1 UV2 UM2 UV3 UM3 UV4 UM4 GV1 GM1 GV2 GM2 O V M T C1 B1 S C2 N1 K N2 E
Pflichtteil – Enterbung I • Entziehung des Pflichtteils und des EG-/EP-Voraus • Ausdrücklich im letzten Willen oder stillschweigend durch Übergehen (§ 782) • Enterbungsgründe in §§ 768 ff: – Erblasser im Notstand hilflos lassen – Zwanzigjährige oder lebenslange Freiheitsstrafe wegen Vorsatztat(en) – Beharrliche, gegen die die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart • Ehegatte/EP zusätzlich: – Gröbliches Vernachlässigen der Beistandspflicht (§ 769) • Außerdem Erbunwürdigkeitsgründe (§§ 770 iVm 540, 542)
Pflichtteil – Enterbung II • Enterbungsgrund muss im Zeitpunkt der Enterbung bestehen • Grund muss nicht genannt, aber vom Erben bewiesen werden (§ 771) • Liegen keine Gründe vor: iZ „negatives Testament“ - nur Pflichtteil • Anspruch auf notwendigen Unterhalt bleibt bestehen (§ 795)
Pflichtteil – Enterbung III • Enterbung aus guter Absicht (§ 773): Befürchtung, dass der verschuldete oder verschwenderische Noterbe den PT aufbrauchen werde Nur möglich, wenn der PT an die Nachfahren zugewendet wird (zB über § 780) • Widerruf möglich (Testamentsform, § 772), auch stillschweigend möglich (zB Vernichten der Verfügung) • Verzeihung reicht nicht
Pflichtteil – Höhe des Pflichtteils • Quoten: – Nachfahren und EG/EP: die Hälfte (§ 765) – Vorfahren: ein Drittel (§ 766) des Anteils nach gesetzlicher Erbfolge • Pflichtteilsminderung auf die Hälfte bei Nachkommen und Vorfahren (§ 773a) • Nur, wenn Erblasser und Noterbe zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis standen, wie es in einer Familie gewöhnlich besteht
Pflichtteil – Nachkommen von PT-Berechtigten • Nachkommen vorverstorbener PT-berechtigter Kinder erwerben selbst PT-Recht (§ 763) • Bei anderen Ausfallgründen hängt es davon ab, ob formelles oder materielles Repräsentationsrecht gilt • Es gibt aber ausdrückliche Regelungen: – Nachkommen eines rechtmäßig enterbten Kindes (iZ nur) PT- berechtigt (§ 780) – Nachkommen übergangener vorverstorbener Kinder können die Rechte nach §§ 776-778 ausüben (§ 779 Abs 1) – Nachkommen eines vorverstorbenen auf den PT gesetzten Noterben erhalten auch nur den PT (§ 779 Abs 1) – Nachkommen eines ausgefallenen Kindes mit gemindertem Pflichtteil erhalten nur den geminderten Pflichtteil (§ 779 Abs 2)
Pflichtteil – Deckung des Pflichtteils • In den PT einzurechnen ist alles, was durch Legate und andere letztwillige Verfügungen erhalten wurde (§ 787) • Bestimmte Zuwendungen zu Lebzeiten sind anzurechnen, da sie den Pflichtteil vorweg abdecken sollen (antizipierte Erbfolge, §§ 788, 789) • PT kann gesetzlich, vertraglich oder letztwillig erfüllt werden, wenn die Zuwendung geeignet ist (§ 774) • Zuwendung muss ganz frei bleiben. Daher können einschränkende Bedingungen und Belastungen angefochten werden.
Pflichtteilsanspruch – Freistellungsanspruch • Anspruch auf Freistellung von Bedingungen und Belastungen (§ 774) • Noterbe kann Freistellung des ihm zugewendeten PT von einschränkenden Bedingungen und Belastungen fordern • Freistellungsanspruch ersetzt den Geldpflichtteilsanspruch, daher keine Ausschlagung des Erbrechts unter Vorbehalt des Geldpflichtteils (§ 774) • Belastungen können nicht angefochten werden, wenn die hinterlassene Sache Pflichtteilsdeckung darstellt
Pflichtteilsanspruch – Geldpflichtteil • Wenn Pflichtteil nicht vertraglich, gesetzlich oder letztwillig gedeckt: Geldpflichtteilsanspruch • Verpflichtet: Erben und Legatare, außer Voraus des EG/EP (§ 783) • Anspruch ist verzichtbar, abtretbar, verpfändbar, pfändbar und verjährt in drei Jahren • Nachlasspflichtteil (§ 784) – Schenkungspflichtteil (§ 785)
Pflichtteilsanspruch – Geltendmachung • Soweit der Pflichtteilsanspruch im reinen Nachlass Deckung findet: Streitige Geltendmachung gegen Nachlass bzw. nach Einantwortung gegen Erben • Verständigungspflichten und allenfalls Sicherstellungspflicht des Verlassenschaftsgerichts • Auch unbeschränkt haftender Erbe haftet nur bis zum Wert des reinen Nachlasses
Be-, Ein- und Anrechnungen
Berechnung des Erbteils und des Pflichtteils • Erbteil und Pflichtteil sind Quote eines Ganzen • Bezugsgröße ist prinzipiell der Nachlass • Für Erbteil: Summe der Aktiva Miteigentum der Erben im Verhältnis der Erbquoten und (beschränkte oder unbeschränkte) Haftung für Verbindlichkeiten • Für Pflichtteil: Reiner Nachlass (Aktiva minus Passiva) • Bewertung der Aktiva: Verkehrswert • Passiva: Erblasser- und Erbgangsschulden, nicht Legate, etc.
Einrechnung • Werte, die im Nachlass sind, und einem Erben/Noterben von Todes wegen zukommen, werden in dessen Erb- bzw. Pflichtteil eingerechnet, er soll nicht doppelt begünstigt werden. – Hineinvermächtnis (§ 648) – Zuwendungen durch Erbvertrag im Verhältnis zum Erbteil – Zuwendungen von Todes wegen an den Noterben im Verhältnis zu ihrem Pflichtteil (§ 787 Abs 1), auch das Vorausvermächtnis nach § 758 (§ 789). – Zuwendung aus dem Nachlass im Verhältnis zum Unterhalt (§§ 233, 796)
Anrechnungen • Wenn Erben oder Noterben zu Lebzeiten Zuwendungen vom Erblasser erhalten, mindert dies den Nachlass • Um Ungleichbehandlungen der einzelnen Erben bzw. Noterben zu verhindern, können bestimmte Zuwendungen unter Lebenden angerechnet werden • bei Erbfolge: §§ 790 ff (Gewillkürt, Vorschüsse, Vorempfänge) • bei Pflichtteil: §§ 788 f (Vorschüsse, Vorempfänge) • bei Schenkungen: §§ 785 ff • bei Vermächtnissen: nur gewillkürt
Anrechnung zum Erbteil I Bei testamentarischer Erbfolge: gewillkürte Anrechnung • Ausgleichspflicht auch ohne wirkliche Zuwendung • Ausgleichspflicht auch ohne Zuwendung an den Anrechnungspflichtigen selbst • Letztwillig (einseitig) durch Testament (§ 790 S 1) oder Kodizill • Zweiseitig durch Vereinbarung (§ 789 pa, § 791)
Anrechnung zum Erbteil II Bei gesetzlicher Erbfolge: • Gesetzliche Anrechnung von Vorempfängen (§ 790 S 2 iVm § 788) auf Verlangen eines Nachkommen von – Ausstattung: unabhängig vom Geschlecht, Zuwendungen aus Anlass der Eheschließung/Verpartnerung, Gründung eines Hausstandes – Antritt eines Amtes oder Gewerbes – Bezahlung von Schulden volljähriger Kinder • und von Vorschüssen (§ 789, bei entsprechender Vereinbarung mit Erben bei Zuwendung)
Berechnung des Nachlasspflichtteils • Grundsätzlich durch Anwendung der Quote auf den reinen Nachlass • Gegebenenfalls Anrechnung von – Vorempfängen (§ 788, wie bei gesetzlicher Erbfolge) – Vorschüssen (§ 789, bei entsprechender Vereinbarung mit Noterben bei Zuwendung) auf Verlangen eines Noterben, Erben oder Legatars • Erblasser kann (nur) den Abzug des Anrechnungspostens vom erweiterten Nachlasspflichtteil erlassen • Inventar nicht bindend
Anrechnung – Vorschüsse und Vorempfänge • Methode für Vorschuss- und Vorempfangsanrechnung auf den Erb- oder Nachlasspflichtteil (JB 114 = GlU 9872): – Fiktion der Nachlasszugehörigkeit der Zuwendungen – Ermittlung der Erb- bzw Pflichtteile von diesem Wert – Abzug der Zuwendungen des jeweiligen Empfängers Nachlassentlastung und Gleichbehandlung • Ausgleich nur mit Mitteln des Nachlasses. Wenn dieser nicht reicht: verhältnismäßige Kürzung der übrigen Erben, keine Rückstellungspflicht des anrechnungspflichtigen Erben (§ 793).
Pflichtteilsanspruch – Schenkungspflichtteil I • Ausgleich von Ungleichbehandlung durch Schenkungen vor dem Tod des Erblassers • Auf Antrag eines konkret pflichtteilsberechtigten Kindes oder EG/EP (nicht Vorfahren) • Nur hinsichtlich bestimmter Schenkungen
Pflichtteilsanspruch – Schenkungspflichtteil II Hinsichtlich Schenkungen als schon ein PT-berechtigtes Kind vorhanden war bzw während der Ehe (§ 785 Abs 2) Ausgenommen (§ 785 Abs 3) bei – Schenkungen aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens – Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken – Schenkungen in Entsprechung einer sittlichen Pflicht oder aus Rücksichten des Anstands – Schenkungen zugunsten nicht pflichtteilsberechtigter Personen, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Schenkers gemacht wurden – Vorempfänge und Vorschüsse (§§ 788 f)
Berechnung des Schenkungspflichtteils • Zusammenrechnen der relevanten Schenkungen, davon Berechnung des Schenkungs-PT mit der PT-Quote • Auf den Schenkungspflichtteil muss sich der Noterbe die selbst erhaltene Schenkung anrechnen lassen (§ 787 Abs 2) • Nachlasspflichtteil + Schenkungspflichtteil = erhöhter Pflichtteil
Pflichtteilsanspruch – Schenkungswiderruf • Reicht der Nachlass nicht zur Deckung der PT-Ansprüche aus, können die verkürzten Noterben von den Beschenkten, deren Schenkung gem § 785 hinzugerechnet wurde, den Restbetrag bzw. den gesamten PT verlangen (§ 951) • Zuerst haften die späteren Beschenkten, dann die früheren, gleichzeitig Beschenkte haften verhältnismäßig • Ist der Beschenkte selbst Noterbe, haftet er nur im über seinen erhöhten PT hinausgehenden Ausmaß (§ 951 Abs 2) • Besitzt der Beschenkte die Sache nicht mehr, haftet er nur bei Unredlichkeit
Anrechnungen – Beispiel I Erblasser Emil hinterlässt • EP Paul • Kinder Albert, Berta und Clara • Testamentserbin: Clara • Reiner Nachlass: 900 000 • Schuldentilgung von 90 000 bei Berta • Albert erhielt vor 10 Jahren eine Villa im Wert von 900 000 geschenkt
Anrechnungen – Beispiel I Lösung: • Vorausvermächtnis von P • Pflichtteile: P: 1/6 A, B und C: 1/9 • § 788: Anrechnung der Schuldentilgung: Erhöhter Nachlass: 990 000
Anrechnungen – Beispiel I • Nachlasspflichtteil: P: 165 000 A: 110 000 B: 20 000 (110 000 – 90 000) C: 110 000 • Schenkungspflichtteil gem § 785: P nicht anrechnungsberechtigt (da vor 10 Jahren noch gar keine EP möglich war zum Zeitpunkt der Schenkung nicht abstrakt PT-berechtigt)
Anrechnungen – Beispiel I Berechnung des Schenkungs-PT vom Wert der Schenkung (900.000) B und C: 100 000 zusätzlich A: nichts zusätzlich (100 000 – 900 000) • Pflichtteilsansprüche: P: 165.000 NL-PT A: 110.000 NL-PT B: 20.000 NL-PT + 100.000 Schenkungs-PT Cs PT (110.000 NL-PT + 100.000 Schenkungs-PT) ist gedeckt (NL 900.000 – PT-Ansprüche 395.000 = 505.000)
Anrechnungen – Beispiel II Erblasserin Eva hinterlässt • Söhne Sebastian und Florian, Töchter Sabine und Sonia, Klara, die Adoptivtochter des vorverstorbenen Sohnes Hans, sowie Mutter Friederike • Testamentserben: Florian, Sabine und Sonia • Reiner Nachlass: 120.000 • Ausstattung von 10.000 bei Sebastian • Unterstützung zum Gewerbeantritt von 6.000 bei Florian • Schuldentilgung von 24.000 bei Sabine • Drei Jahre vor dem Tod Schenkung eines Gemäldes im Wert von 16.000 an Friederike und eines im Wert von 8.000 an Florian, ein Jahr vor dem Tod Schenkung einer Yacht im Wert von 80.000 an Friederike
Anrechnungen – Beispiel II Lösung: • Pflichtteile: Kinder: 1/8 Klara: Adoption wirkt nicht gegenüber Vorfahren Friederike: Nicht konkret PT-berechtigt (1. Parentel nicht leer) • § 788: Anrechnung der Vorempfänge: Erhöhter Nachlass: 160.000
Anrechnungen – Beispiel II • Nachlasspflichtteil: Sebastian: 10.000 (20.000 – 10.000) Florian: 14.000 (20.000 – 6.000) Sonia: 20.000 Sabine: 0 (20.000 – 24.000) • Schenkungspflichtteil gem § 785: Berechnung des Schenkungs-PT vom Wert der Schenkung (88.000) Sebastian, Sonia, Sabine: 11.000 Florian: 3.000 (11.000 – 8.000)
Anrechnungen – Beispiel II • Pflichtteilsanspruch: Sebastian: 10.000 NL-PT + 11.000 Schenkungs-PT • Pflichtteilsdeckung: Vom Nachlass ist Sebastians PT zu zahlen, danach bleiben jedem der drei Erben je 33.000 Florian: 14.000 NL-PT + 3.000 Sch-PT durch Erbteil gedeckt Sonia: 20.000 NL-PT + 11.000 Sch-PT durch Erbteil gedeckt Sabine: 11.000 Sch-PT durch Erbteil gedeckt
Anrechnungen – Beispiel III Erblasser Bernhard verstirbt im März 2014 • hinterlässt Söhne Johannes und Kurt und Ehefrau Frieda • Jänner 2012: Schenkung einer Liegenschaft im Wert von € 2 Millionen an Lebensgefährtin Gerda • Juni 2012: Schenkung eines Gasthofs (€ 30 Millionen) an Gerda • Nachlass: Drei Oldtimer (je € 500.000), drei Liegenschaften (je € 3 Millionen, € 1,5 Millionen Kontoguthaben) • Testament: Gerda Alleinerbin
Anrechnungen – Beispiel III Lösung: • Pflichtteile: Kinder und Ehefrau: 1/6 Gerda: Nicht PT-berechtigt Nachlasspflichtteil: je € 2 Millionen
Anrechnungen – Beispiel III • Schenkungspflichtteil gem § 785: Relevante Schenkungen: Schenkung der Liegenschaft x Schenkung des Gasthofs Berechnung des Schenkungs-PT vom Wert der Schenkung (€ 30 Millionen) € 5 Millionen zusätzlich
Anrechnungen – Beispiel III Pflichtteilsanspruch: € 2 Millionen NL-PT + € 5 Millionen Schenkungs-PT € 7 Millionen erhöhter Pflichtteil
Vermächtnisse (§§ 647 ff)
§ 535 ABGB Wird jemanden kein solcher Erbtheil, der sich auf den ganzen Nachlaß bezieht; sondern nur eine einzelne Sache, Eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung; eine Summe; oder ein Recht zugedacht; so heißt das Zugedachte, obschon dessen Werth den größten Theil der Verlassenschaft ausmacht, ein Vermächtniß (Legat), und derjenige, dem es hinterlassen worden, ist nicht als ein Erbe, sondern nur als ein Vermächtnißnehmer (Legatar) zu betrachten.
Das Vermächtnis - Grundlegendes • Vermächtnis/Legat, Vermächtnisnehmer/Legatar • Rechtserwerb von Todes wegen • Letztwillige Verfügung, die nicht in der Hinterlassung eines Erbteils besteht
Das Vermächtnis – Personen • Erblasser (muss testierfähig sein) • Vermächtnisnehmer (Legatar, erbfähig und erbwürdig) • Verpflichteter (Erbe oder anderer Legatar, § 649) • iZ von allen Erben zu tragen • Kann Miterben oder Legatar aufgetragen werden (Sublegat, Untervermächtnis)
Das Vermächtnis – Gegenstand • Sache aus dem Nachlass (nur hier Singularsukzession) • Sache des Verpflichteten (§ 662) • Beschaffungslegat (§ 658) • Gegenstand einer Schuldforderung (§ 653) • Ausführliche Auslegungsregeln in §§ 656 ff.
Das Vermächtnis – Geltung und Auslegung Wie bei Erbeinsetzung (Testament oder Vertrag): – Erbwürdigkeit – Möglichkeit und Erlaubtheit des Inhalts – Wirkung von Bedingungen, Befristungen und Auflagen – Formfragen – Möglichkeit des Widerrufs – Auslegungsfragen – Bestimmtheit des Vermächtnisnehmers
Das Vermächtnis – Mit-, Ersatz- und Nachlegatare • Regelungen über Mitvermächtnisnehmer sinngemäß wie bei Miterben (§§ 554 ff) • Mehrere Mitvermächtnisnehmer bilden eine Gemeinschaft gem §§ 825 ff • Ersatzvermächtnisnehmer und Nachvermächtnisnehmer (§§ 652 iVm 604 ff bzw 608 ff) • Konstruktives Nachvermächtnis (§§ 707 f) • Bei Mitvermächtnis ansonsten Anwachsung (§ 689) möglich
Das Vermächtnis – Unterschiede zum Erben • Unterschiede zur Erbeinsetzung: – Schuldrechtlicher Anspruch (Damnationslegat) – Kein Annahmeerfordernis, daher – Erlöschen des Ersatzvermächtnisses schon bei Anfall des Rechts an den Hauptvermächtnisnehmer – wenn Gegenstand ausreichend bestimmt: uU keine Inventarisierung gem § 165 Abs 1 Z 4 AußStrG – § 724 f: besondere widerlegliche Widerrufsvermutungen – § 651: Herabgesetzte Bestimmtheitsanforderungen beim Verteilungsvermächtnis zugunsten von Verwandten, Dienstpersonen und Armen
Das Vermächtnis – Speziesvermächtnis I • Vermächtnis einer bestimmten Sache (Stück- oder Speziesvermächtnis) • Individuell bestimmte Sache, idR unvertretbar, (zB „meine Yacht“, „meine Briefmarkensammlung“) • Vermächtnis einer fremden bestimmten Sache iZ unwirksam Beschaffungspflicht muss ausdrücklich angeordnet werden (§ 662 Verschaffungsvermächtnis)
Das Vermächtnis – Speziesvermächtnis II • Will der Eigentümer nicht verkaufen: Wertersatz zum Schätzungspreis • Wahlvermächtnis: Wahlrecht aus mehreren vorhandenen Sachen im Zweifel beim Erben
Das Vermächtnis – Gattungsvermächtnis • Echtes Gattungsvermächtnis: Verschaffungspflicht, wenn Sache nicht im Nachlass • unechtes Gattungsvermächtnis: Nur aus dem Nachlass zu befriedigen • Wahlrecht aus mehreren Sachen iZ beim Erben (§ 659) • Bei mehrfacher Anordnung ist auch mehrfach zu leisten (§ 660 S 2) • Auch Wahl zwischen Spezies- und Gattungssachen möglich (zB Auto oder 2000€)
Das Vermächtnis – Forderungen • Forderungsvermächtnis: Anspruch auf Abtretung der Forderung (§ 664) • Befreiungsvermächtnis: Befreiung von einer Forderung des EL gegen den Legatar (§ 663) • Schuldvermächtnis: Erbe zu Anerkennung und zur Zahlung der Schuld bei Fälligkeit der Legate (meist nach einem Jahr) unter Entfall von Bedingungen und Befristungen verpflichtet (§ 665)
Das Vermächtnis – Vorausvermächtnis • Legat an Miterben möglich • Echtes Vorausvermächtnis (Prälegat, § 648): zusätzlich zum Erbteil, vorweg zuzuteilen • Ausschlagung der Erbschaft und Annahme des Legats möglich • Hineinvermächtnis: Wird zur Gänze auf den Erbteil angerechnet • Gesetzliches Vorausvermächtnis des EG/EP (§ 758)
Das Vermächtnis – Vermächtniserwerb • Anfall, Entstehen: Tod des Erblassers (§ 684) • Späterer Anfall bei aufschiebender Bedingung (§ 703) • Bei aufschiebender Befristung Anfall bei Tod des EL (§ 705) • Bei wiederkehrenden Vermächtnissen muss Beginn des jeweiligen Zeitraums vom Legatar erlebt werden (§ 687) • Annahme nicht nötig, Ausschlagung möglich Verbleib beim Vermächtnisschuldner
Das Vermächtnis – Priorität • Vermächtnis ist Erbfallsschuld • Erblasser- und Erbgangsschulden gehen vor • Voraus des EG/EP: – Vorrang vor anderen Legaten – Keine Beteiligung an der Deckung von Pflichtteilen (§ 783)
Das Vermächtnis – Haftung des Legatars • Haftet nur für persönliche Schulden des EL, die sich auf die vermachte Sache beziehen • Bei Hypothek für andere Nachlassschulden: Regressanspruch • Unternehmen: § 40 UGB zu beachten
Das Vermächtnis – Vermächtniskürzung • Reicht der Nachlass nicht zur Entrichtung aller Vermächtnisse aus und haftet Erbe beschränkt: verhältnismäßige Kürzung (§ 692) • Vorrang des Unterhaltsvermächtnisses (§ 691) • Leistungsverweigerungsrecht, kann durch Sicherheit abgewendet werden • Wenn bereits ausbezahlt: Rückforderungsanspruch (§ 693) • facultas alternativa: Rückstellung des Vermächtnisses
Das Vermächtnis – Pflichtteilsdeckung • Alle Erben und Legatare müssen zur Deckung von Pflichtteilen beitragen (§ 783) • Unterschied zu § 692: Erben und Legatare nach ihren Anteilen am Erhaltenen • Bei vollkommener Erschöpfung des Nachlasses durch Vermächtnisse tragen Legatare alleine die Pflichtteilslast • Keine Haftung im Außenverhältnis, belangt wird der Erbe
Das Vermächtnis – Fälligkeit • Fälligkeit ein Jahr nach dem Tod (§ 685), außer – andere Anordnung des Erblassers – einzelne Verlassenschaftsstücke (extensiv ausgelegt, jedenfalls nicht Geld, § 685) – kleine Belohnungen der Bediensteten (§ 685) – fromme Vermächtnisse (§ 685) – Unterhaltsvermächtnis (§ 691) – Pflichtteilsvermächtnis – Vorausvermächtnis des EG/EP (§ 758)
Schenkung auf den Todesfall uä
Schenkung auf den Todesfall I • Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des EL erfolgen soll • Unechte ~ (§ 956 S 1 ABGB): – Jederzeitige Widerrufsmöglichkeit Vermächtnis • Echte ~ (§ 956 S 2 ABGB): – Gültig bei o Annahme des Versprechens durch den Beschenkten o ausdrücklichem Widerrufsverzicht des EL o Notariatsaktsform
Schenkung auf den Todesfall II Echte Schenkung auf den Todesfall: • Da aufschiebende Befristung vorliegt, muss Erbfall nicht erlebt werden, um Recht aus Schenkung weiter zu vererben (§ 705 ABGB) • Vereinbarte Bedingungen dürfen nicht den Widerrufsverzicht entwerten • Bei Lebzeiten als Vertrag, nach dem Tod als Vermächtnis zu behandeln: Mittelstellung zwischen Geschäften unter Lebenden und solchen von Todes wegen
Schenkung auf den Todesfall III • Geschenk bleibt Teil des NL schuldrechtlicher Anspruch gegen den Nachlass, nicht anrechenbar gem § 785 ABGB • Schon zu Lebzeiten Unterlassungsansprüche gegen die Leistung beeinträchtigende Handlungen; Bei bereits erfolgter Vereitelung: Schadenersatz gegen Erbe / Nachlass und gegebenenfalls gegen Dritte wegen Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht
Übergabe auf den Todesfall • Übergabe einer Sache des Erblassers mit der Abrede, dass nach dem Tod des Erblassers die Sache dem Übernehmer gehören soll • Mangels Einhaltung der Form für Vermächtnisse bzw für Schenkungen auf den Todesfall: ungültig • Nach hA keine „Heilung“ als formungültiges Vermächtnis nach § 1432 durch Erfüllungshandlung
Auftrag auf den Todesfall • Übergabe einer Sache des EL an einen Dritten mit der Abrede, sie nach dem Tod des EL an einen Begünstigten herauszugeben • Rechtsnatur und Wirkungen strittig, vor allem in Hinblick auf § 1022 ABGB (Vollmacht kann Tod überdauern) • Nach hA aber ungültig da kein Titel für Rechtserwerb: – § 1022 nicht geeignet – Für Vermächtnis oder Schenkung als Titel fehlt die Form – Heilung durch Vorwegerfüllung auch hier abgelehnt – Via § 881 sollen Formvorschriften nicht ausgehebelt werden können
Miterben
Miterben - Allgemeines • Vor Einantwortung: Miterbengemeinschaft (§ 550 1. Satz) • Danach: Miteigentümergemeinschaft an den einzelnen Bestandteilen (§§ 825 ff) • Zwischen Erben und Noterben nur fingiert zur Berechnung der Pflichtteile (§ 786 S 2) • Rechte am Ganzen (§ 810) und am jeweiligen Anteil (§ 829 iVm 1278)
Miterben – Erbteilung • Erbteilung: Aufhebung der Gemeinschaft, Zuweisung einzelner Vermögenswerte zu den Erben im Verhältnis ihrer Quoten • Durch Erblasser in letztwilliger Anordnung – für Erben bindend (einvernehmliches Abgehen möglich) – Wird mehr als Quote zugedacht: • Korrektur der Teilungsanordnung entsprechend der Werte der Erbquoten • wenn aber gewollte Begünstigung: echtes Vorausvermächtnis
Miterben – Erbteilung II • Durch die Miterben: Einvernehmlich, häufig in einem (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Erb(teilungs)übereinkommen • Gerichtliche Teilung (§ 830) • Aufgriffsrechte – Bestimmte Dinge aus dem Nachlass können gegen bestimmtes Entgelt erworben werden – Bei Erben uU Teilungsanordnung – Vertraglich – Gesetzlich (Höferecht)
Haftung der Erben
Erbenhaftung – Definitionen • Erblasserschulden: Schulden des Erblassers zu Lebzeiten • Erbgangsschulden: Kosten des Verlassenschaftsverfahrens (Inventar, Gerichtskommissär, etc.) • Erbfallsschulden: Erb- und familienrechtliche Schulden, die durch den Erbfall ausgelöst werden (PT-Ansprüche, Unterhaltsansprüche des PT-Berechtigten nach § 795, Vermächtnisse, Auflagen und Unterhalt nach §§ 233, 796, Vorausvermächtnis nach § 758)
Erbenhaftung – Vor und nach Einantwortung • Vor Einantwortung: Es haften nur Nachlassaktiva (Haftung cum viribus, § 821) • Nach Einantwortung: – Unterhaltsansprüche (§§ 233, 795, 796): Haftung immer nur bis zum Wert der Verlassenschaft – Voraus des EG/EP und PT-Ansprüche: Haftung über den Wert des Nachlasses nicht möglich
Erbenhaftung – Vor und nach Einantwortung – Unbedingte Erbantrittserklärung (§ 801): Solidarische unbegrenzte Haftung aller Erben bei internem Regress nach Erbquoten (§ 820 ff) für Erblasserschulden, Erbgangsschulden, Vermächtnisse und Auflagen – Bedingte Erbantrittserklärung (§ 802): „Wohltat des Inventars“ für alle Erben (§ 807) Haftung bis zum Wert der übernommenen Nachlass-Aktiva (Haftung pro viribus), Kürzung der Forderungen
Erbenhaftung – Reihenfolge der Befriedigung Reicht der Nachlass nicht für alle Forderungen aus, werden sie in dieser Reihenfolge erfüllt: 1. Erblasserschulden 2. Erbgangsschulden 3. Vorausvermächtnis des EG/EP (§ 783) 4. Pflichtteile (§§ 783 f, 786) 5. Unterhalt (§ 691) 6. Vermächtnisse (§ 692), Auflagen
Erbenhaftung – Gläubigerkonvokation • Gläubiger werden mit Edikt aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer gesetzten Frist anzumelden (§ 813) • Bei bedingter Erbantrittserklärung von Amts wegen (§ 165 Abs 2 AußStrG), sonst auf Antrag • Erbe kann bis zum Ende der Ediktalfrist mit Befriedigung warten • Verspätet auftretende Gläubiger werden nur mehr nach Maßgabe noch vorhandener Aktiva befriedigt (§ 814) • Ohne Konvokation haftet der Erbe auch bei bedingtem Erbantritt über die Nachlassaktiven hinaus (§ 815)
Erbenhaftung – Nachlassseparation I • Ab Erbfall bis Einantwortung: Absonderung des Nachlassvermögens (§ 812) • Kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden • Subjektive Besorgnis und Forderung müssen bescheinigt werden • Sondervermögen vom Separationskurator verwaltet
Erbenhaftung – Nachlassseparation II • Zwingende Inventarisierung (§ 165 Abs 1 Z 3 AußStrG) und allenfalls Sicherstellung (§ 147 AußStrG) • Daher beschränkte Erbenhaftung nur cum viribus gegenüber Separationsgläubigern • Bleibt auch nach Einantwortung bestehen Aufhebung nach Befriedigung oder Sicherstellung aller Gläubiger.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bei Rückfragen: oliver.kratz-lieber@univie.ac.at thomas.rainer.schmitt@univie.ac.at 01 4277 34823
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