Lebensversicherungen im Erbrecht

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Lebensversicherungen im Erbrecht
HAUS + GRUND MÜNCHEN INFORMIERT

                      Lebensversicherungen im Erbrecht
                                von Stefan Spangenberg
                                     Rechtsanwalt
                        convocat GbR München und Unterhaching
                                   www.convocat.de

In Zeiten großer Verunsicherung über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme gewinnt
die private Vorsorge immer größere Bedeutung. Bereits im Jahre 2007 waren in Deutschland
ca. € 1,65 Billionen in rund 77,6 Millionen Kapitallebensversicherungs- und privaten Renten-
versicherungsverträgen angelegt. Dies ist Anlass genug über die erbrechtlichen Auswirkun-
gen von Lebensversicherungen aufzuklären, da statistisch gesehen fast jeder Einwohner
Deutschlands von diesem Thema betroffen ist.

Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den beiden Grundformen der Lebensversicherun-
gen, die das Todesfallrisiko zumindest teilweise absichern – also der Risikolebensversiche-
rung und der Kapitallebensversicherung. Während erstere sich nur auf die Todesfallleistung
richtet, umfasst die Kapitallebensversicherung auch eine Erlebensfallleistung. Die nachfol-
genden Ausführungen behandeln jedoch überwiegend nur die Probleme, die sich im Zu-
sammenhang mit der Todesfallleistung stellen.

Ganz grundsätzlich gilt auch für das Thema der Lebensversicherung, dass sich hier vielfälti-
ge Chancen und Möglichkeiten zu einer sinnvollen und steueroptimierten Nachfolgeplanung
und -gestaltung bieten. Doch lauern auch hier natürlich Risiken, die es zu minimieren gilt.

1. Lebensversicherung ohne Bezugsberechtigung

Soweit der Versicherungsnehmer keine Regelungen über eine Bezugsberechtigung trifft,
erhält er mit Ablauf des Versicherungszeitraumes die Versicherungssumme ausgezahlt (=
Erlebensfallleistung) bzw. fällt die Versicherungssumme in den Nachlass, soweit es sich um
eine Todesfallleistung handelt. Begünstigt wird beim Erlebensfall somit der Versicherungs-
nehmer (= Erblasser). Erbschaftsteuerliche Folgen sind hieran nicht geknüpft.

        Praxishinweis:
        Bitte beachten Sie, dass bei Verträgen, die nach dem 31.12.2004 abge-
        schlossen wurden, der Ertragsanteil des Auszahlungsbetrages zu den Ein-
        künften aus Kapitalvermögen zählt (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Dieser Er-
        tragsanteil unterliegt der Abgeltungsteuer und errechnet sich aus der Versi-
        cherungsleistung abzüglich der Beitragssumme. Dieser Ertragsanteil unter-
        liegt nur zur Hälfte der Einkommensteuer, soweit die Auszahlung nach

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Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt und seit dem Abschluss des Ver-
        sicherungsvertrages mindestens 12 Jahre vergangen sind. Jedoch erfolgt
        dann keine Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz von 25%, sondern
        mit dem persönlichen Grenzsteuersatz im Jahr der Auszahlung.

        Versicherungsleistungen aus Verträgen, die vor dem 01.01.2005 abge-
        schlossen worden sind und zumindest 12 Jahre bestanden haben, sind
        steuerfrei.

Mangels Bezugsberechtigung fällt die Versicherungssumme im Todesfall in den Nachlass,
weshalb die Erben des Versicherungsnehmers allein begünstigt werden. In Höhe der Versi-
cherungssumme erhöht sich somit der erbschaftsteuerpflichtige Erwerb der Erben.

2. Klassischer Fall – Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung für einen Dritten

In den allermeisten Fällen erklärt der Versicherungsnehmer jedoch gegenüber seiner Versi-
cherung, dass ein Dritter die Versicherungsleistung im Todesfalle erhalten soll.

Hierdurch wird erreicht, dass die Versicherungssumme außerhalb des Nachlasses an die
bezugsberechtigte Person fällt. Mit dem Tod des Versicherungsnehmers erwirbt die bezugs-
berechtigte Person einen eigenen Anspruch gegenüber der Versicherung auf Auszahlung
der Versicherungssumme. Da die bezugsberechtigte Person nicht Erbe sein muss, ist für die
Auszahlung der Versicherungssumme kein Nachweis der Erbenstellung notwendig. Somit ist
gewährleistet, dass die Person, deren Versorgung vom Erblasser (= Versicherungsnehmer)
beabsichtigt war, in relativ kurzer Zeit – meist innerhalb eines Monats nach Todesfall – über
liquide Mittel verfügt.

Der Erwerb der Versicherungsleistung durch die bezugsberechtigte Person ist gemäß § 3
Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig.

a) Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung

Bei der Einsetzung einer bezugsberechtigten Person ist darauf zu achten, dass die Einset-
zung grundsätzlich widerruflich zu gestalten ist. Nur so wird gewährleistet, dass der Versi-
cherungsnehmer, der auch die Versicherungsprämien einzahlt, zu seinen Lebzeiten frei über
die Versicherungssumme verfügen kann.

b) Bezeichnung der bezugsberechtigten Person

Oftmals wird als bezugsberechtigte Person der Ehegatte genannt. Dabei ist zu beachten,
dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes damit diejenige Person be-
zeichnet ist, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages mit dem Versi-
cherungsnehmer verheiratet war. Dies gilt unabhängig vom Bestand der Ehe im Zeitpunkt

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des Todesfalles. Um hier ungewollte Ergebnisse zu vermeiden, sollte die Bezugsberechti-
gung gegenüber dem Versicherungsunternehmen zu Gunsten des „Ehegatten des Versiche-
rungsnehmers zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles“ erteilt werden.

        Praxistipp:
        Ganz grundsätzlich gilt jedoch, dass bei einer Trennung oder gar Schei-
        dung von Ehegatten die Bezugsberechtigungen der Lebensversicherungs-
        policen stets zu überprüfen sind. Bei einer widerruflichen Bezugsberechti-
        gung kann der Versicherungsvertrag problemlos auf die neuen Gegeben-
        heiten angepasst werden und der Eintritt unliebsamer Rechtsfolgen verhin-
        dert werden.

Soweit der Versicherungsnehmer seine Erben als Bezugsberechtigte angibt, so erwerben
diejenigen die Versicherungsleistung, die im Todesfall als seine Erben berufen sind. Der Er-
werb der Versicherungsleistung im Todesfall vollzieht sich dann ebenfalls neben dem Nach-
lass und kommt es auf die Annahme der Erbschaft nicht an.

Beispiel:
E hat eine Ehefrau F, mit der er in Zugewinngemeinschaft lebt und zwei gemeinsame Kinder
hat. Er schließt eine Lebensversicherung mit einer Versicherungsleistung von € 200.000 ab
und erteilt eine Bezugsberechtigung zu Gunsten seiner Erben. Er verstirbt ohne Hinterlas-
sung eines Testamentes und wird somit aufgrund gesetzlicher Erbfolge von F zu ½ und sei-
nen beiden Kindern zu je ¼ beerbt. Der Nachlass ist überschuldet, weshalb F und die beiden
Kinder die Erbschaft ausschlagen. Die Lebensversicherungsleistung steht F und den beiden
Kindern dennoch in Höhe ihrer Erbquoten zu, da sie aufgrund der erteilten Bezugsberechti-
gung nicht in den Nachlass fällt. Die Versicherung zahlt somit € 100.000 an F und an die
beiden Kinder jeweils € 50.000 aus.

c) Pflichtteilsergänzung

Soweit der Erblasser aufgrund der Erteilung einer Bezugsberechtigung seinen Nachlass um
die Versicherungssumme schmälert, stehen seinen pflichtteilsberechtigten Hinterbliebenen
Pflichtteilsergänzungsansprüche zu. Ihr Wert wird aufgrund von zwei Entscheidungen des
BGH vom 28. April diesen Jahres (Az.: IV ZR 73/08 und IV ZR 230/08) anhand des Rück-
kaufswertes bzw. anhand des Veräußerungserlöses bestimmt, den der Erblasser in der letz-
ten Sekunde vor seinem Tode erzielt hätte. Mit diesen Entscheidungen hat der BGH seine
langjährige Rechtsprechung geändert, nach der die Pflichtteilsergänzungsansprüche anhand
der vom Versicherungsnehmer (= Erblasser) geleisteten Prämien zu berechnen waren. Un-
erhört blieben jedoch auch die lautstarken Kritiker des BGH, die eine Bemessung der Pflicht-
teilsergänzungsansprüche anhand der Versicherungsleistung forderten.

Mit seiner neuen Konstruktion erreicht der BGH, dass der Wert der Bemessungsgrundlage
für die Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche weiterhin unter der Versicherungs-

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summe bleibt. Insoweit bleibt die Lebensversicherung ein probates Mittel zur Reduzierung
von Pflichtteils(ergänzungs)ansprüchen, auch wenn nicht mehr so attraktiv wie bisher.

Beispiel:
Witwer E hat zwei Söhne aus erster Ehe. Seine Lebensgefährtin F ist seine testamentarische
Alleinerbin und bezüglich seiner Lebensversicherung bezugsberechtigt. Die Versicherungs-
summe beträgt € 200.000, der Rückkaufswert an seinem Todestag beträgt lediglich
€ 100.000, eingezahlt hat er einen Gesamtbetrag von € 50.000,00.

Ohne Bezugsberechtigung fiele die Versicherungsleistung in den Nachlass des E. Damit
wären die beiden Söhne des E gesetzliche Erben und erhielten jeweils € 50.000. Wegen der
Bezugsberechtigung zu Gunsten der F erhält diese die Versicherungssumme aufgrund eines
eigenen Anspruches gegenüber der Versicherung. Die Versicherungssumme fällt somit nicht
in den Nachlass. Der Nachlass des Erblassers E ist somit um den Wert der Lebensversiche-
rung reduziert, weshalb die beiden Söhne des Erblassers E über ihre Pflichtteilsergänzungs-
ansprüche an der Lebensversicherung zu beteiligen sind. Da nach dem BGH der Nachlass
des Erblassers lediglich um den Rückkaufswert der Lebensversicherung im Todeszeitpunkt
geschmälert ist, ist dieser für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen zu Grunde zu legen.
Die beiden pflichtteilsberechtigten Söhne des E erhalten somit lediglich ein ¼ bezogen auf
den Rückkaufswert in Höhe von € 100.000 – also jeweils nur € 25.000.

Nach alter Rechtsprechung hätte nur die Summe der geleisteten Beiträge den Wert der
Nachlassschmälerung ausgemacht. Die beiden Söhne hätten deshalb jeweils lediglich
€ 12.500 (= ¼ * € 50.000) aus Pflichtteilsergänzungsansprüchen geltend machen können.

d) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung

Soweit der Versicherungsnehmer der bezugsberechtigten Person ein unwiderrufliches Be-
zugsrecht einräumt, so verliert er seine Verfügungsbefugnis über die Versicherungssumme,
da er die Bezugsberechtigung gegenüber der Versicherung nur noch mit Zustimmung der
bezugsberechtigten Person abändern kann. Dennoch muss der Versicherungsnehmer wei-
terhin die Prämien auf den Versicherungsvertrag leisten.

Dies kann dennoch eine interessante Gestaltungsmöglichkeit für den Versicherungsnehmer
sein, da er so die Pflichtteilsergänzungsansprüche zur Abschmelzung von einem Zehntel
jährlich bringt. Somit verbessert er die Versorgung der bezugsberechtigten Person, verliert
im Gegenzug jedoch seine Widerrufsmöglichkeit gegenüber dem Versicherungsunterneh-
men.

Zur Erinnerung sei nochmals darauf hingewiesen, dass ohne Erteilung einer Bezugsberech-
tigung die Versicherungssumme in den Nachlass fällt und sich die Bemessungsgrundlage
der Pflichtteilsansprüche somit in Höhe des Wertes der Versicherungsleistung, also des
Auszahlungsbetrages, erhöht.

                         Copyright bei convocat GbR, M€nchen und Unterhaching
Beispiel:
In obigem Beispiel erteilt E seiner Lebensgefährtin F eine unwiderrufliche Bezugsberechti-
gung. Diese Rechtsposition kann F nur mit deren Zustimmung wieder entzogen werden. Be-
rechnungsgrundlage für die Pflichtteilsergänzungsansprüche der Söhne des E ist insoweit
der Rückkaufswert zu diesem Zeitpunkt. Diese Bemessungsgrundlage schmilzt jährlich noch
um ein Zehntel ab. Die weiteren Prämien, die E an die Versicherung zahlt, fließen nur inso-
weit in die Berechnung ein, als sie den Rückkaufswert erhöhen. Für diese jeweiligen Erhö-
hungen gilt wiederum die Abschmelzungsregel. Sollte der E in seinen letzten zehn Lebens-
jahren keinerlei Beiträge zur Versicherung mehr geleistet haben, so wären seine beiden
Söhne in keiner Weise am Wert der Lebensversicherung zu beteiligen.

        Praxishinweis:
        Diese Regelung der Abschmelzung der Berechnungsgrundlage für die
        Pflichtteilsergänzungsansprüche gilt nicht für Zuwendungen an Ehegatten!
        Wäre E in obigem Beispiel mit F verheiratet, so wären zumindest die ge-
        leisteten Beiträge des E bzw. ein höherer Rückkaufswert der Lebensversi-
        cherung gegenüber den Pflichtteilsberechtigten auszugleichen.

e) Sicherungsabtretung der Lebensversicherung

Vorsicht ist geboten bei der Sicherungsabtretung von Lebensversicherungen, beispielsweise
an kreditgebende Banken. Denn die Sicherungsabtretung führt dazu, dass das widerrufliche
Bezugsrecht in Höhe der Sicherheitsleistung im Rang hinter diese zurücktritt, also quasi wi-
derrufen wird zu Gunsten des abzusichernden Kreditgebers. Daraus folgt, dass im Todesfall
des Versicherungsnehmers die Versicherungsleistung zunächst zur Tilgung der abgesicher-
ten Verbindlichkeiten des Erblassers herangezogen wird. Somit fällt die Versicherungsleis-
tung in Höhe der Sicherheitsleistung in den Nachlass, da insoweit das Vermögen des Erb-
lassers erhöht wird. Lediglich der überschießende Restbetrag der Versicherungsleistung –
soweit ein solcher nach Tilgung der Erblasserverbindlichkeit noch vorhanden ist – steht der
bezugsberechtigen Person zu.

Beispiel:
Erblasser E hat einen Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter Ehe mit F im gesetzlichen Gü-
terstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. E schließt im Jahre 2000 eine Lebensversi-
cherung ab und erteilt eine widerrufliche Bezugsberechtigung zu Gunsten seiner Ehefrau F.
Als Todesfallleistung wird ein Betrag von € 400.000 vereinbart.

Im Jahr 2005 nimmt E einen Kredit bei seiner Hausbank auf und sichert diesen ab, indem er
der Hausbank sicherungshalber seinen Auszahlungsanspruch in Höhe von € 400.000 abtritt.
Im Jahr 2010 verstirbt E. Die Versicherung zahlt die gesamte Versicherungssumme in Höhe
von € 400.000 an die Hausbank. Der übrige Nachlass des E hat einen Wert von € 200.000.
F ist testamentarische Alleinerbin des E, sein Sohn ist somit mit einer Quote von ¼ pflicht-
teilsberechtigt. Sein Pflichtteilsanspruch beträgt hier somit € 150.000 (= ¼ * € 600.000,00).

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f) Widerruf des Bezugsrechtes durch die Erben

Wurde im Lebensversicherungsvertrag ein Bezugsrecht bestimmt, so erhält der Bezugsbe-
rechtigte im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers einen Anspruch gegenüber der
Versicherung auf Auszahlung der Versicherungsleistung. Dies ist unmittelbare Folge des
Vertrages zwischen dem Erblasser (= Versicherungsnehmer) und der Versicherung. Auf die-
sen Vertrag hat lediglich der Erblasser Einfluss, er kann das Bezugsrecht jederzeit abändern.
Etwas anderes gilt nur bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht, dann benötigt der Erblasser
zur Änderung des Bezugsrechtes die Zustimmung des Bezugsberechtigten.

Dennoch haben die Erben die Möglichkeit, die Versicherungssumme von der bezugsberech-
tigten Person herauszuverlangen. Denn unabhängig vom Versicherungsvertrag, aus dem der
Bezugsberechtigte die Auszahlung der Versicherungssumme im Todesfall des Versiche-
rungsnehmers (= Erblasser) verlangen darf, ist ein hiervon unabhängiger Vertrag mit dem
Erblasser notwendig, der der bezugsberechtigten Person gestattet, die empfangene Versi-
cherungsleistung zu behalten.

In der Regel handelt es sich dabei um einen Schenkungsvertrag zwischen dem Erblasser
und der bezugsberechtigten Person. Anhand der umfassenden Rechtsprechung zu diesem
Thema ist erkennbar, dass zu Lebzeiten des Erblassers häufig kein solcher Vertrag ge-
schlossen wird. Deshalb wird unterstellt, dass das Versicherungsunternehmen als Bote des
Erblassers das Angebot zum Abschluss eines Schenkungsvertrages zwischen ihm und dem
Begünstigten an diesen überbringt. Hier können nun die „übergangenen“ Erben ansetzen
und einen solchen Vertragsschluss unter gewissen Umständen verhindern und somit die
Versicherungssumme vom Bezugsberechtigten herausverlangen.

Hierzu folgender Fall, der auf einem Urteil des BGH vom 21.05.2008 (Az. IV ZR 238/06)
beruht und zu einem „Windhundrennen“ um die Lebensversicherung führt:

Der Erblasser Adam hatte bei einer Lebensversicherung seine Lebensgefährtin Eva als Be-
zugsberechtigte benannt. Nach dem Erbfall erlangt Eva Kenntnis von ihrer Bezugsberechti-
gung und verlangt die Todesfallleistung. Die Versicherungsgesellschaft fordert daraufhin Un-
terlagen zur Prüfung des Sachverhalts an. Währenddessen hat der gesetzliche Erbe von
Adam, dessen Sohn Josef, der Lebensversicherungsgesellschaft gegenüber die rechtsge-
schäftliche Erklärung des Adam, mit welcher dieser die Versicherungsgesellschaft beauftragt
hat, der Eva als Begünstigte seiner Lebensversicherung ein Angebot zum Abschluss eines
Schenkungsvertrages mit ihm zu übermitteln, widerrufen.

Wer hat Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme?

Diese Frage wird allein durch das Valutaverhältnis beantwortet, also durch die Vereinbarun-
gen zwischen Adam und Eva. Hier muss ein Grund zum „Behaltendürfen“ gegeben sein.

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Nach Ansicht des BGH in seiner Entscheidung vom 21.05.2008 beinhaltet die Anordnung der
Bezugsberechtigung (hier: zu Gunsten Eva) regelmäßig den Auftrag an die Versicherung,
dem Bezugsberechtigten nach Eintritt des Versicherungsfalles das Zuwendungsangebot des
Versicherungsnehmers (hier: des Adam) als Bote zu überbringen. Wird das Zuwendungsan-
gebot überbracht und nimmt der Bezugsberechtigte, hier also Eva, dieses an, kann sie die
Versicherungsleistung behalten. Es kommt dann nachträglich ein Schenkungsvertrag zwi-
schen dem Erblasser und dem Begünstigten zustande. Nach Ansicht des BGH wird ein sol-
ches Zuwendungsangebot dem Berechtigten jedoch nicht schon dadurch übermittelt, indem
die Versicherung Unterlagen zur Prüfung des Sachverhalts anfordert. Während dieser
Schwebezeit können die Erben das Zuwendungsangebot des Erblassers bis zur Auszahlung
der Versicherungssumme oder der anderweitigen Übermittlung der Erklärung wirksam wider-
rufen. Da vorliegend der Erbe des Adam das Schenkungsangebot noch vor der Auszahlung
der Versicherungssumme widerrufen hat, geht Eva in diesem Fall also leer aus.

Es kommt somit in solchen Fällen zum Wettlauf zwischen Widerruf des Schenkungsange-
bots und Auszahlung der Versicherungssumme. Erben sollten deshalb immer prüfen, inwie-
weit der Erblasser Lebensversicherungen mit Bezugsberechtigungen abgeschlossen hat und
dann schnellstmöglich das Schenkungsangebot des Erblassers widerrufen. Denn ab Zugang
des Schenkungsangebotes darf die bezugsberechtigte Person die Versicherungsleistung
behalten.

Verlieren die Erben diesen Wettlauf, so kommt – wie oben erläutert – zumindest ein Pflicht-
teilsergänzungsanspruch in Betracht, sofern die Erben zum Kreis der pflichtteilsberechtigten
Personen gehören.

        Praxistipp:
        Generell gilt, wer eine Bezugsberechtigung in einer Lebensversicherung
        ändern möchte, sollte dies immer direkt gegenüber der Lebensversiche-
        rungsgesellschaft vornehmen. Ein in der Praxis oftmals vorkommender fol-
        genschwerer Fehler ist der Widerruf der Bezugsberechtigung in einem Tes-
        tament. Grundsätzlich ist der Erblasser zwar gemäß § 332 BGB befugt, die
        Bezugsberechtigung testamentarisch insofern zu ändern, dass er einen
        anderen Bezugsberechtigten benennt, jedoch wird § 332 BGB in der Regel
        im Versicherungsvertrag durch § 13 ALB formularmäßig ausgeschlossen.

Der Widerruf ist also nur dann wirksam, wenn die Änderung der Bezugsberechtigung der
Versicherungsgesellschaft noch vor dem Tod des Erblassers zugeht.

3. Begünstigter als Versicherungsnehmer

Viele der oben genannten Probleme lassen sich vermeiden, indem die zu begünstigende
Person einen Lebensversicherungsvertrag abschließt, also Versicherungsnehmer wird, und

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der Erblasser als die versicherte Person bestimmt wird, was mit dessen Zustimmung gegen-
über dem Versicherungsunternehmen möglich ist.

Verstirbt nun der Erblasser (= versicherte Person) so erhält die begünstigte Person als Ver-
sicherungsnehmer die Versicherungsleistung aufgrund eines eigenen vertraglichen An-
spruchs. Dieser Vorgang ist nicht erbschaftsteuerpflichtig, allerdings werden die Prämienzah-
lungen, soweit sie durch den Erblasser erfolgen, als Schenkungen erfasst. Insoweit lässt sich
bei dieser Gestaltung der Liquiditätsvorteil der Lebensversicherungen für die Hinterbliebenen
noch steigern. Dies ist auch der Grund dafür, dass potenzielle Erben, die ein illiquides Ver-
mögen vom Erblasser, wie beispielsweise wertvolle Immobilien erhalten werden, Lebensver-
sicherungen auf den Erblasser abschließen, um die zu erwartenden hohen Erbschaftsteuer-
pflichten erfüllen zu können.

Die Versicherungssumme fällt bei dieser Konstruktion nicht in den Nachlass. Die Pflichtteils-
berechtigten des Erblassers sind lediglich entsprechend ihrer Pflichtteilsquoten im Wege der
Pflichtteilsergänzung an der Summe der durch den Erblasser geleisteten Prämien zu beteili-
gen. Soweit der Versicherungsnehmer nicht der Ehegatte des Erblassers ist, gilt sogar noch
die jährliche Abschmelzung für diese durch den Erblasser aufgebrachten Versicherungsbei-
träge.

Nachteil dieser Konstruktion ist, dass der Erblasser keinerlei Einfluss mehr auf den Versiche-
rungsvertrag hat. Doch ist zumindest für den Fall, dass ein unwiderrufliches Bezugsrecht
geplant ist und die Reduzierung von Pflichtteils(ergänzungs)ansprüchen im Vordergrund
steht, diese Lösung vorzuziehen.

4. Fazit

Der Erblasser, der eine Versorgung bestimmter Personen mit Hilfe einer Lebensversicherung
plant, muss auf vielfältige Probleme achten. Gerade die Möglichkeit zur Reduzierung von
Pflichtteilsansprüchen sowie die kurzfristige Verschaffung von Liquidität der Hinterbliebenen
macht die Lebensversicherung auch für erbrechtliche Gestaltungen attraktiv.

Aufgrund der Komplexität dieses Themas sollten Sie sich jedoch von einem steuerlich ver-
sierten Erbrechtsexperten beraten lassen.

Veranstaltungshinweis:
Am 12.01.2011 wird das Thema Lebensversicherung im Erbrecht im Rahmen des Se-
minars „Abwehr und Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen“ in einem ausführli-
chen Exkurs behandelt.

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