Das Hochrisikoexperiment Vollgeld-Initiative - Portas Capital AG

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Das Hochrisikoexperiment Vollgeld-Initiative - Portas Capital AG
Newsletter April 2018

Das Hochrisikoexperiment
Vollgeld-Initiative

Prof. Dr. Rudolf Minsch
Chefökonom économiesuisse

Am 10. Juni 2018 hat das Schweizer Stimmvolk über                                 Die heutige Geldschöpfung vollzieht sich in zwei
ein Volksbegehren abzustimmen, das einen totalen                                  Schritten. In einem ersten Schritt schafft die National­
Umbau des heutigen Geldsystems der Schweiz for-                                   bank per Knopfdruck Schweizer Franken, indem sie
dert: Die Vollgeld-Initiative. Es kommt nur selten vor,                           Wertschriften, Devisen oder in selteneren Fällen
dass die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimm-                                    auch Immobilien oder andere Wertgegenstände
bürger über eine derart komplexe Vorlage zu be-                                   kauft oder indem sie den Banken mittels Repo-Ge-
finden haben. Um es vorwegzunehmen: Die Initiative                                schäften Geld zur Verfügung stellt. Der Bank, welche
ist ein Hochrisikoexperiment, auf das sich die Schweiz                            den Kauf abwickelt, wird auf ihrem Girokonto bei der
keinesfalls einlassen sollte. Im Folgenden werde ich                              Nationalbank der Kaufpreis in Franken gutgeschrie-
begründen, wieso ich diesen Schluss ziehe.                                        ben. Doch damit ist erst Zentralbankgeld geschaffen
                                                                                  worden, nicht aber Geld im Publikum. Dazu braucht
Beginnen wir mit einer kurzen Erklärung zum heu­                                  es den zweiten Schritt: Die Bank kann nun das Geld
tigen Geldsystem der Schweiz. Die Schweizerische                                  von ihrem Girokonto «abziehen» und zur Kreditver-
Nationalbank (SNB) hat als unabhängige Zentralbank                                gabe benutzen. Die Kunden erhalten den Kredit auf
eine Geld- und Währungspolitik zu führen, welche die                              ihrem Sichtguthaben bei der Bank gutgeschrieben.
Preisstabilität gewährleistet. Sie trägt dabei der kon-                           Nun ist das Geld im Publikum angekommen. Weil die
junkturellen Entwicklung Rechnung. Im Wesent­lichen                               Bank aber nur einen kleinen Teil des Kredites als
setzt sie die Zinspolitik und die Offenmarktpolitik                               ­Mindestreserve halten muss, kann sie deutlich mehr
ein, damit sich die Inflation in einer Bandbreite                                  Kredite verteilen, als sie über Guthaben bei der Na-
­zwischen null und zwei Prozent bewegt. Nach dem                                   tionalbank verfügt. Wenn man vom Geldschöpfungs-
 Ausbruch der Finanzmarktkrise und der starken Auf-                                multiplikator spricht, meint man genau diesen Vor-
 wertung des Frankens setzte sie die Offenmarktpoli-                               gang: Das Bankensystem schafft (ebenfalls per
 tik, also das Kaufen von Devisen und Wertschriften,                               Knopfdruck) Geld.
 vor allem zur Abschwächung der Schweizer Währung
 ein. Auch die Einführung der Negativzinsen war
 ­diesem Umstand geschuldet.

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Was will die Vollgeldinitiative?                                                  Die Vollgeldinitianten orten also das Übel darin, dass
                                                                                  die Banken Kredite per Knopfdruck vergeben können
Genau dieser Mechanismus stört die Vollgeld-Initian-                              und dass auf diese Weise die Geldmenge im Publi-
ten. Sie möchten verhindern, dass die Banken Geld                                 kum ansteigt. Sie blenden aber häufig wichtige Fak-
schöpfen. Dazu möchten sie erstens sogenanntes                                    ten aus, die für das Verständnis des Geldsystems
Vollgeld einführen, welches die Banken ausserhalb                                 wichtig sind.
ihrer Bilanz führen müssten und das deshalb nicht
für die Kreditvergabe zur Verfügung steht. Ähnlich                                Die Kreditvergabe ist nicht endlos. Zwar können
dem heutigen Wertschriftendepot würde das Voll-                                   Banken per Knopfdruck einen Kredit vergeben. Dabei
geldkonto bei einem allfälligen Konkurs der Bank                                  unterliegen sie aber zahlreichen Beschränkungen
nicht in die Konkursmasse einfliessen. Die Initianten                             und Regulierungen. Jede Bank muss die Liquiditäts-
versprechen sich davon, dass das Bankensystem                                     und Eigenkapitalvorschriften erfüllen. Heute gehören
sicherer sei. In der Tat könnte das Vollgeldsystem ver-                           die Schweizer Eigenkapitalvorschriften zu den
hindern, dass es zu einem «Bankensturm» oder «Bank                                strengsten weltweit. Zudem muss jede Geschäfts-
run» kommt: Bei einer Bankenkrise würden die Kun-                                 bank auf ihrem Nationalbankkonto immer mindes-
den nicht versuchen, ihre Geld möglichst rasch zu                                 tens 2,5 Prozent des von ihr geschaffenen Buchgel-
beziehen, denn das Vollgeld wäre ja wie das Wert-                                 des als Reserve halten. Schliesslich schränkt auch der
schriftendepot geschützt. Weil die heutigen Konto-                                Bargeldumlauf die Geldschöpfungsmöglichkeiten der
korrent- oder Lohnkonti verboten würden, müsste                                   Banken ein: Je mehr Bargeld gehalten wird, desto
der Zahlungsverkehr über die Vollgeldkonten abge­                                 kleiner ist der sogenannte Geldschöpfungsmulti­
wickelt werden.                                                                   plikator.

Im Vollgeldsystem könnten Banken zweitens nur                                     Die Banken schaffen Geld immer nur auf Zeit.
noch Kredite sprechen, wenn ihnen die Kunden im                                   Wenn der Kunde den Kredit zurückbezahlt, reduziert
selben Umfang Sparguthaben anvertraut haben oder                                  sich auch die im Publikum befindliche Geldmenge.
wenn sie einen Kredit von der Nationalbank erhalten.                              Mit anderen Worten müssen die Banken immer dar-
                                                                                  auf bedacht sein, dass der Kreditnehmer den Kredit
Drittens wollen die Vollgeldinitianten, dass die Natio-                           auch wieder zurückzahlen kann. Sie müssen sicher-
nalbank Geld «schuldfrei» in Zirkulation bringt.                                  stellen, dass sie Geld nur an solvente Kreditnehmer
Schuldfrei bedeutet konkret, dass die Nationalbank                                mit entsprechenden Sicherheiten verleihen. Jede
Geld an den Staat und die Bevölkerung verschenkt.                                 Kreditvergabe (neues Aktivum) schafft ein neues
Jede Erhöhung der Geldmenge soll direkt der Allge-                                ­Passivum (Sichtguthaben) und führt somit zu einer
meinheit zu Gute kommen. Die Initianten sprechen                                   Bilanzverlängerung. Die Banken verdienen also nicht
davon, dass mit diesen Ausschüttungen Infrastruktur-                               an der Geldschöpfung, sondern am Zinsdifferenz­
projekte finanziert, Steuern gesenkt oder Sozialwerke                              geschäft während der Laufzeit eines Kredites.
saniert werden könnten.

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Der Konkurs einer Schweizer Bank ist extrem                                       Die Vollgeldinitiative träfe kleinere und mittel-
­selten. Der oft zitierte Fall der Spar- und Leihkasse                            grosse Regionalbanken besonders hart. Die Vorgabe,
 Thun (1991) war eine Ausnahme, und seither wurde                                 dass künftig alle Kredite hundertprozentig durch
 die Bankenaufsicht deutlich verstärkt. Heute sind in                             bestehendes Geld vorfinanziert werden müssen,
 der Schweiz Bankguthaben bis zu 100‘000 Franken                                  schränkt die Regionalbanken in ihrem Kerngeschäft
 speziell geschützt. Falls es doch zu einem Konkurs                               stark ein. Anders als die Grossbanken wären Regio-
 kommen sollte, werden diese Forderungen vor allen                                nalbanken kaum in der Lage, sich auf den internatio-
 anderen behandelt. Und falls das Geld dafür nicht                                nalen Geldmärkten das nötige Kapital zu beschaffen.
 ausreichen sollte, kommt die Einlagensicherung Esi-
 suisse zum Zug, die dafür sorgt, dass die Kunden ihr                             Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Die Voll-
 Geld innert 20 Tagen erhalten. Die Einlagenversiche-                             geldinitiative alleine garantiert noch keine sicheren
 rung unterscheidet nicht zwischen Sicht- und Spar-                               Banken. Der Kreditvergabeprozess ist mit oder ohne
 guthaben eines Kunden. Das Vollgeldsystem hingen                                 Vollgeld ein risikoreicher Vorgang. Und ein Schweizer
 garantiert nur Vollgeldkonten. D.h. ohne Einlagenver-                            Vollgeldsystem hätte die Finanzmarktkrise nicht ver-
 sicherung würden die Sparer auch punkto Sicherheit                               hindern können.
 schlechter fahren als heute.

Die Vollgeld-Initiative würde nicht vor einer Finanz-                             Was sind die möglichen Folgen der Initiative?
marktkrise schützen. Die Krise von 2007/2008 wurde
durch massenhaft «faule» Hypotheken auf dem                                       Schon die bisherigen Präzisierungen und Erklärun-
US-Häusermarkt ausgelöst, die nicht ausreichend ab­                               gen lassen erahnen, dass die geforderte Trennung
gesichert waren, aber in komplexen Anlageprodukten                                zwischen Vollgeld- und Sparguthaben weitreichende
weiterverkauft wurden. Auslöser der Krise waren also                              Konsequenzen haben könnte, ohne das System siche-
falsche Investitionen und Risikoeinschätzungen.                                   rer zu machen. Beschränken wir uns also zunächst
Davor schützt auch Vollgeld nicht. Und ein rein inlän-                            auf die möglichen Konsequenzen dieser Trennung.
disches Vollgeldsystem kann eine Krise der globalen
Finanzmärkte niemals verhindern. Mit der «Too big                                 Die Grundproblematik liegt darin, dass das Vollgeld-
to fail»-Gesetzgebung hat man seit der Finanzmarkt-                               system ins Herz einer arbeitsteiligen Wirtschaft ein-
krise in der Schweiz aber sichergestellt, dass die                                greift: Die Allokation von Kapital. Eine reibungslose
­systemrelevanten Banken auch im Krisenfall den                                   und effiziente Kreditvergabe ist für die Schweizer
 Zahlungsverkehr gewährleisten können.                                            Wirtschaft von eminenter Bedeutung. Gerade die
                                                                                  KMU finanzieren sich überwiegend über Bank­kredite.
                                                                                  Die Vollgeldinitiative streut nun Sand in den Kredit-
                                                                                  vergabeprozess. Ein System, wie die Vollgeld-Ini­
                                                                                  tiative es fordert, wäre schwerfällig und kompliziert
                                                                                  – als Folge steigen die Kreditzinsen und die Kredit-
                                                                                  vergabe wird erschwert. Eine Kreditklemme hätte
                                                                                  direkte Auswirkungen auf die Konjunktur, weil sie
                                                                                  Investitionen in Infrastruktur, Innovation und die
                                                                                  Schaffung von neuen Arbeitsplätzen verhindern
                                                                                  würde.

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Auch für die Bankkunden wäre der Systemwechsel                                    Spekulieren wir noch weiter und überlegen uns den
mit höheren Kosten verbunden. Heute können Banken                                 Fall, dass eine Bank im Ausland Frankenkredite
mit dem Geld, das ihnen anvertraut wird, arbeiten.                                ­vergibt. Da diese Bank der Bankenregulierung des
Dafür erhalten die Kontoinhaber einen Zins, der je                                 ausländischen Staates unterliegt und nicht der
nach Teuerung mal hoch, mal niedriger ausfällt. Das                                schweizerischen, könnte sie wie heute Sichtguthaben
Geld auf den Vollgeld-Konten dürften die Banken                                    in Franken annehmen und mit diesem Geld arbeiten.
nicht anrühren. Trotzdem entstehen Kosten für Konto­                               Wohl müsste auch dieses Vorgehen verboten werden,
verwaltung und den Zahlungsverkehr. Darum gibt es                                  was aber nicht ganz so einfach ist. Wirklich unterbin-
auf den Vollgeld-Konten keine Zinsen mehr, dafür                                   den könnte man dies wohl nur mit der Einführung
höhere Gebühren für alle. Bankkunden müssten neu                                   von Kapitalverkehrskontrollen. Ein absolutes Unding
für ihre Bank- und Maestro-Karten, für den Bargeld-                                für die international vernetzte Schweizer Wirtschaft.
bezug am Automaten oder am Schalter und für Über-
weisungen deutlich mehr bezahlen als heute.                                       Ein weiterer Stolperstein besteht darin, wie denn die
                                                                                  Einführung von statten gehen kann, ohne dass es zu
Doch die künstliche Trennung zwischen Zahlungsver-                                riesigen Verwerfungen an den Finanzmärkten
kehrs- und Sparkonti ist in der Realität kaum umsetz-                             kommt. Selbst kleine geldpolitische Reformen wer-
bar, ohne dass der Regulator eingreift. Die Schweize-                             den üblicherweise geheim gehalten und erst am
rinnen und Schweizer würden die teuren Vollgeldkonti                              Stichtag bekannt gegeben. Denn jeder Zentralbank-
zu umgehen versuchen und die lukrativeren Spar-                                   direktor weiss, dass er sonst den Spekulanten Tür und
konti für den Zahlungsverkehr benutzen. Es ist davon                              Tor öffnet. Die Vollgeld-Initiative verlangt nun einen
auszugehen, dass die Banken diesem Kundenbedürf-                                  geldpolitischen Totalumbau mit Ansage. Es ist gut
nis rasch nachkommen würden. Um das Vollgeld­                                     vorstellbar, dass es schon vor der Einführung von Voll-
system durchzusetzen, müsste der Staat eine Min-                                  geld zu grossen Verwerfungen an den Finanzmärkten
desthaltefrist von vielleicht ein bis drei Monaten                                kommt.
vorschreiben, damit die Bevölkerung die Vollgeld-
konti auch tatsächlich nutzt. Die Initianten haben
schon an diesen Fall gedacht. Sie sehen explizit die
Möglichkeit vor, dass die Nationalbank Mindesthalte-
fristen für Finanzanlagen vorsehen könne. Doch
wenn die Sparguthaben fix gebunden sind, müsste
mehr Geld auf den Vollgeldkonti liegen als heute auf
den Sichtkonti. Sonst könnten unerwartete Ereig-
nisse wie die Notwendigkeit, das Auto nach einem
Unfall zu ersetzen, leicht zu einem Liquiditätspro-
blem führen. Heute sind die Rückzugslimiten meist
genügend gross, um solche einmaligen und uner­
warteten Ereignisse abfedern zu können.

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Unabhängigkeit der SNB wäre gefährdet                                             Die Anhänger von Vollgeld geben sich damit aber
                                                                                  nicht zufrieden und versprechen noch mehr Gratis-­
Die «Wenn und Aber»-Überlegungen zeigen, dass das                                 Geld für alle. Und zwar so: Heute sind rund 550 Milli-
Verbot der heutigen Sichtguthaben und die zwangs-                                 arden Franken Buchgeld (d.h. Kredite und Sichtein­
weise Einführung von Vollgeld mit vielen Stolperstei-                             lagen) in Umlauf. Nach einem Ja zur Initiative muss
nen einhergeht. Wenden wir uns nun dem zweiten                                    dieses Buchgeld aus dem Verkehr gezogen werden.
Teil der Vollgeld-Idee zu: Die Nationalbank soll das                              Aber die gesamte Geldmenge soll nicht so radikal ver-
Geld künftig «schuldfrei» in Umlauf bringen. Alle, die                            kleinert werden. Deshalb wollen die Initianten, dass
sich in der doppelten Buchhaltung auskennen, werden                               die Nationalbank den grössten Teil dieser Gelder
nun die Stirne runzeln. «Schuldfrei» bedeutet: Die                                sofort als Vollgeld wieder ausschüttet: in Form eines
Nationalbank soll jedes Jahr Geld an Bund, Kantone                                Geschenks an die Allgemeinheit. Sie rechnen damit,
und Private verschenken. Die Initianten haben dazu                                dass so über die nächsten zehn bis zwanzig Jahre
zwei unterschiedliche Arten von buchhalterischen                                  weitere 300 Milliarden verteilt werden können, also
Tricks auf Lager, um dieses Vorgehen zu ermöglichen.                              nochmals 15 bis 30 Milliarden pro Jahr. Doch das neu
Die erste Variante sieht ein Aktivum «Beteiligung am                              ausgeschüttete Geld wäre nicht mehr mit einem
Volksvermögen» vor. Die andere Variante sieht die                                 Gegenwert hinterlegt (beispielsweise mit Anleihen,
Schaffung von Eigenkapital per Knopfdruck vor, das                                Aktien oder Gold). In anderen Worten: Das Vollgeld
dann verteilt werden kann. Beide Varianten gehören                                ist eigentlich Leergeld. Ob die Bevölkerung einem
ins Reich der Vodoo-Buchhaltung. Zum Vergleich:                                   Schweizer Franken vertrauen wird, der nur noch mit
Die heutigen Ausschüttungen an Bund und Kantone                                   heisser Luft hinterlegt ist, ist mehr als fraglich.
sind durch Seignorage-Gewinne entstanden. Ohne
Ausschüttung würde sich das Eigenkapital der SNB                                  Zusammenfassend können wir festhalten: Die Initia-
entsprechend erhöhen. Und eine Erhöhung der Geld-                                 tive gibt zwar vor, der Nationalbank mehr Macht zu
menge erfolgt immer durch den Kauf von Aktiven, die                               geben. In Wahrheit aber wird die SNB durch Vollgeld
bei Bedarf auch wieder veräussert werden können.                                  massiv geschwächt, eine unabhängige Geldpolitik
                                                                                  praktisch verunmöglicht.
Genannt werden unterschiedliche Summen für die
Geldgeschenke, aber meistens handelt es sich um
zweistellige Milliardenbeträge. Damit sollen Steuern
gesenkt, Sozialwerke saniert, Infrastrukturprojekte
finanziert oder ganz einfach die Kaufkraft erhöht
werden. Die Nationalbank würde damit Fiskalpolitik
betreiben, was ihr heute zurecht untersagt ist. Solche
Aussichten wecken unweigerlich grosse Begehrlich-
keiten. Der Druck auf die SNB, möglichst viel Geld
auszuschütten, wäre deshalb enorm. Auch dann,
wenn die Ausschüttung geldpolitisch unsinnig ist,
weil die Inflation gerade zu hoch ist. Aber Geld­
geschenke lassen sich nun mal nicht von einem Tag
auf den anderen zurücknehmen, darum droht der
Nationalbank eine politische Instrumentalisierung
und damit der Verlust ihrer Unabhängigkeit.

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Die Schweiz soll als Versuchskaninchen herhalten                                   Übrigens: Hinter der Vollgeld-Initiative steht eine
                                                                                   Bewegung, die in 25 Staaten aktiv ist, insbesondere
Zurück zur eingangs formulierten Schlussfolgerung:                                 in Deutschland. In den meisten Ländern findet die
Die Vollgeld-Initiative macht die Schweiz zum Ver-                                 Idee kaum Wiederhall. Anders in der Schweiz: Dank
suchskaninchen für ein hochriskantes Experiment.                                   kräftiger Unterstützung der ausländischen Schwes-
Noch nie hat irgendein Land auf der Welt seine Geld-                               terorganisationen ist es dem Verein «Monetäre
politik derart auf den Kopf gestellt und seine Natio-                              Modernisierung» (MoMo) gelungen, die nötigen
nalbank gezwungen, Geld ohne Gegenwert in Umlauf                                   Unterschriften für eine Volksabstimmung zusammen­
zu bringen. Es gibt keinen Grund, sich einem solchen                               zubringen. Ein wichtiges Ziel der Initiative ist es, der
Risiko auszusetzen.                                                                Debatte auch international zu mehr Aufmerksamkeit
                                                                                   zu verhelfen. Manche ausländische Vollgeld-Anhän-
                                                                                   ger stehen offen dazu, dass ihnen die Schweiz als
                                                                                   Versuchsfeld dienen soll. Besonders stossend ist, dass
                                                                                   diese Personen die einschneidenden Konsequenzen
                                                                                   gar nicht selber tragen müssen. Oder anders gesagt:
                                                                                   Die Schweiz soll als Versuchskaninchen dienen. Und
                                                                                   falls das Experiment schiefgeht, sind viele der Verant-
                                                                                   wortlichen weit weg.

                        Prof. Dr. Rudolf Minsch ist Chefökonom bei économiesuisse.
                        Er leitet innerhalb des Dachverbandes der Schweizer Unternehmen den Bereich «Wirtschaftspolitik,
                        Bildung, Energie/Umwelt».

                        In einem Nebenamt ist er für die Weiterentwicklung des volkswirtschaftlichen Simulationsmodells
                        SwissSim im Rahmen der Weiterbildungsstufe der Universität St. Gallen verantwortlich und ist dort auch
                        als Referent tätig. Darüber hinaus wirkt Rudolf Minsch als Gastprofessor für Wirtschaftspolitik an der
                        Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur, wo er bis zu seinem Stellenantritt bei économie­
                        suisse vollamtlicher Professor für Volkswirtschaftslehre war. Rudolf Minsch hat an der Universität
                        St. Gallen Volkswirtschaftslehre studiert und absolvierte im Anschluss daran das «Program for Beginning
                        Doctoral Students» bei der Stiftung der schweizerischen Nationalbank in Gerzensee. Danach vertiefte
                        er seine Studien an der Boston University.

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