Das Kulturmagazin für den Raum Basel - November 2005 Einblicke in die armenische Kultur Bilanz und Ausblick: 25 Jahre Kaserne Basel Rückblicke auf ...
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Das Kulturmagazin für den Raum Basel November 2005 Einblicke in die armenische Kultur Nr. 201 | 19. Jahrgang | CHF 6.90 | Euro 5 | Abo CHF 69 Bilanz und Ausblick: 25 Jahre Kaserne Basel Rückblicke auf die Kunst der Achtziger
Baselland Schulen Bildungs-, Kultur-dieund Für unsere Patronatsschule, Sportdirektion Schweizerschule Santiago de Chile suchen wir kulturelles.bl auf Oktober in Liestal 2005, sucht per spätestens 1. Januar 2006jedoch oder auf März 2006 eine ausgewiesene Führungspersönlichkeit als nach Vereinbarung eine/n piano 2 2. – 2 7. 1 1. 2 0 0 5 Schulleiter/in Ressortleiter/in Es wird die Bereitschaft zur Verpflichtung für drei bis fünf Jahre erwartet. Der/die Schulleiter/in (Beschäftigungsgrad: Sparten Aufgaben Musik, 70–80 %)untersteht dem lokalen Schulvor- stand. Im akademischen wie im administrativen Bereich unterstüt- zen Sie ausgewiesene Fachkräfte. Zeitgenössische Kunst- und Kulturförderung (Projektbeiträge, Subventionen) in den Zu Ihren gehören Theater, bildende die Literatur, Kunst, Betriebsverantwortung im ist Film, Video, Fotografie päda- unser Geschäft. gogischen Wir organisieren eigene Kunst- und und administrativen Kulturprojekte Bereich, mit unterschiedlichen Planung, Koordination Partnern/innen in der Region Basel, und wir verstehen uns als Anlaufstelle für Insti- und Kontrolle aller schulischen Aktivitäten, Schulentwicklung, tutionen, Kunstschaffende und Behörden. Wir pflegen einen offenen Kommu- Führung des nikationsstil undTeams von Stufenleitern, sind gegenüber Kontakt Anforderungen neuen kulturpolitischen mit Schülern sowie und Eltern, Pflege künstlerischen der Beziehungen Entwicklungen zu lokalen und schweizerischen In- aufgeschlossen. stitutionen, Personalführung und -evaluation, Repräsentation der Ihr Hauptaufgabengebiet umfasst die Leitung des Ressorts Musik (Schwerpunkt) so- Schule, Strategien für adäquates Marketing und Kommunikation. wie die stellvertretende Leitung von kulturelles.bl. Sie sind zuständig für die Angela Hewitt KKL Luzern Jean-Yves Thibaudet Fazil Say Der/die Schulleiter/in Projektförderung führtLiteratur, in den Sparten die Schule anhand Bildende Kunst, des Leitbildes, Audiovision das und Multi- media. auf dieSieFestigung übernehmen Medien- der und der Position PR-Aufgaben Schule im(Website, Veranstalternetz, chilenischen Bildungs-Re- daktion etc.) sowie allgemeine administrative und organisatorische Aufgaben, u.a. klavier-rezital 1 arcadi volodos markt und ihren weiteren auch im Veranstaltungsbereich. Ausbau zielt. Dafür braucht die Schwei- Dienstag, 22. November Werke von Franz Schubert und Franz Liszt zer Schule eine Persönlichkeit, die Vertrauen, Motivation und Sta- bilität Wir vermitteln erwarten kann. Erforderlich eine Ausbildung ist eine oder mehrjährige erfolgreiche Berufspraxis Führungs- im Bereich Musik und Konzertsaal, 19.30 Uhr erfahrung allenfalls in ähnlichen Bildende Institutionen Kunst. Sie verfügen bzw. über eine guteinterdisziplinären und Sprach- und Allgemeinbil- dung sowie Interesse an kulturellen Fragestellungen, insbesondere auch an der interkulturellen Teams. Kommunikation im politischen Umfeld. Sie haben mehrjährige Praxis in der Um- Kick-Off piano Off-Stage! Mit dennise armitage, al copley, Sie sindvon setzung ein/e ausgeglichene/r, administrativen, führungsstarke/r organisatorischen Mittelschullehrer/in und finanztechnischen Aufgaben- Dienstag, 22. November anke helfrich, chris hopkins, (Sek. II) mit stellungen sowiesolider ein Flair pädagogischer Ausbildung, für qualifizierte Textarbeit Unterrichtspraxis und für den Umgang mit Zah- Luzerner Saal christina jaccard, dado moroni, len und Statistiken (MS-Office-Anwendungen). Sie sind bereit, unregelmässig zu und klaren Ideen zur Schulführung. Zudem haben Sie praktische arbeiten und bewahren auch in hektischen Zeiten einen kühlen Kopf. 19.45–23.00 Uhr david ruosch, rossano sportiello, administrative Erfahrung, Schweizer Nationalität, Auslanderfah- ab 23. November in Luzerner alkis steriopoulos, buddha rung, z. Weitere B. Erfahrung Informationen anIhnen erteilt Schweizer Schulen gerne der im Ausland, Abteilungsleiter, vorzugs- Niggi Ullrich (Tele- Bars und Restaurants scheidegger, robi weber weise fon in Lateinamerika, 061 925 61 52). gute Spanischkenntnisse und Flexibilität, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit. Kennziffer: BKSD 05.045. Bewerbungsfrist: 10. November 2005. Ihre Bewerbung mit klavier-rezital 2 emanuel ax Die offiziellen dem Schweizer Schule Santiago, Bewerbungsbogen für Sie senden welche der bitte an denKanton Basel-Land- Personaldienst der Bil- Mittwoch, 23. November Werke von Johannes Brahms, Kaija schaft Kultur- dungs-, im Auftrag des Bundes und Sportdirektion desdas Patronat Kantons ausübt, gehört Basel-Landschaft, zu den Rheinstrasse 31, Postfach, 4410 Liestal (Telefon 061 925 50 58; E-Mail: personaldienst@bksd.bl.ch) Saariaho, Chen Yi, Aaron J Kernis, angesehensten Bildungsinstituten Chiles. Ein Lehrkörper von 50 Konzertsaal, 19.30 Uhr schweizerischen und lokalen Lehrkräften unterrichtet 550 Schüler Franz Liszt, Frédéric Chopin und Schülerinnen, vom Kindergarten bis zur Mittelschule. Die Schweizer Schule ist einem breiten Publikum zugänglich und ver- sinfoniekonzert mahler chamber orchestra steht sich als Begegnungsschule. Sie wird von einem Schulverein Donnerstag, 24. November daniel harding, Leitung getragen und nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt. Konzertsaal, 19.30 Uhr pierre-laurent aimard, Klavier Für weitere Auskünfte steht Ihnen Dorothee Widmer gerne zur Werke von Anton Webern, Wolfgang Verfügung (Telefon 061 925 50 98). A. Mozart und Robert Schumann Ihre schriftliche Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (persön- lichen Referenzen) schicken Sie bis zum 8. März 2005 an Dorothee klavier-rezital 3 fazil say Widmer, Amt für Volksschulen BL, Postfach 616, 4410 Liestal. Freitag, 25. November Werke von Joseph Haydn, Ludwig van Konzertsaal, 19.30 Uhr Beethoven und Wolfgang A. Mozart Für die Primarschule Niederdorf suchen wir auf Beginn des klavier-rezital 4 angela hewitt Schuljahres 2005/2006, Stellenantritt 1. August 2005, Samstag, 26. November Johann Sebastian Bach: Konzertsaal, 11.00 Uhr «Goldberg Variationen» BWV 988 1 Schulleiter/in Primarschule und Kindergarten klavier-rezital 5 mikhail pletnev (Beschäftigungsgrad: ca. 50%). Samstag, 26. November Wolfgang A. Mozart: Sonaten c-Moll KV 457 Als Kreisschulgemeinde führt die Primarschule Niederdorf neben Konzertsaal, 18.30 Uhr und A-Dur KV 331 den Regelklassen auch die Einführungs- und die Primarkleinklassen Frédéric Chopin: 24 Préludes des Waldenburgertals. An der Schule werden in 13 Klassen ca. 190 Schülerinnen und Schüler von 28 Lehrkräften unterrichtet. klavier-rezital 6 thomas larcher Ihre Hauptaufgaben sind Umsetzung des neuen Bildungsgesetzes, Samstag, 26. November Werke von Franz Schubert, Rebecca Führung des Schulsekretariates, operative Führung der Primarschule Luzerner Saal, 22.00 Uhr Saunders (UA) und Thomas Larcher Niederdorf gemäss Pflichtenheft, Schulentwicklung und Qualitäts- sicherung, Budgetvorbereitung und Controlling. klavier-rezital 7 jean-yves thibaudet Wir bieten Ihnen die Chance, eine vielseitige und anspruchsvolle Robert Schumann: Arabeske C-Dur op. 18, Stelle aufzubauen, ein erfahrenes Schulsekretariat, ein kollegiales Sonntag, 27. November und erfahrenes Lehrer- und Lehrerinnen-Team, gute Infrastruktur Konzertsaal, 11.00 Uhr Douze Etudes symphoniques op. 13 und Schulanlagen. Maurice Ravel: Valses nobles et Für weitere Informationen stehen Ihnen der Schulratspräsident, sentimentales, Gaspard de la nuit Markus Helfenfinger (Telefon 061 961 19 23, E-Mail: markus.helfen- finger@niederdorf.ch), und von der Schulleitung, Daniel Biedert klavier-rezital 8 radu lupu (Telefon 076 433 03 42, E-Mail: daniel.biedert@niederdorf.ch), gerne Sonntag, 27. November Robert Schumann: Waldszenen op. 82, zur Verfügung. Konzertsaal, 18.30 Uhr Humoreske op. 20, Sonate Nr. 1 fis-Moll Bitte senden Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen bis op. 11 21. Februar 2005 an den Schulratspräsidenten der Schule Nie- derdorf, Burghaldenweg 7, 4435 Niederdorf. www.lucernefestival.ch Den Bewerbungsbogen finden Sie unter www.bl.ch/jobs t +41 (0)41 226 44 80 oder Sie erhalten ihn vom zuständigen Personaldienst. f +41 (0)41 226 44 85 Unter der erwähnten Internetadresse finden Sie zudem sponsored by ticketbox@lucernefestival.ch weitere Stelleninserate.
ProgrammZeitung Nr. 1 | 1996 Bücherschiff mit Blick auf die Kaserne Basel HAUSKULTUR KREATIVE LITERATURVERMITTLUNG 10 Jahre ‹Königin› Dagmar Editorial Und schon wieder ein Jubiläum! Zehn Jahre Vor einem Monat kam die lang erwartete (Er-)Lösung: Das Literaturhaus Basel hat ist es her, seit in der ProgrammZeitung vom wieder ein eigenes Dach über dem Kopf. Nach über zwei Jahren ohne festes Domizil Dezember 1995 Dagmar Brunner als neues kann es im Februar definitiv in die Barfüssergasse umziehen. Und zwar – vor allem Teammitglied vorgestellt wurde. dank Verhandlungsgeschick des Vereinspräsidenten Hans Georg Signer – zu offenbar Mit einem kulturpolitischen Kommentar zur sehr guten Bedingungen. Mit grossem Saal, Büros und einem Tagescafé, dessen Ange- Podiumsdiskussion ‹Braucht es in Basel eine bot sich am literarischen Programm orientiert. Ende gut, alles gut? Sicher, einen bes- Kulturintendanz?› gibt sie ihren Einstand. Sie seren Ort kann man sich nicht wünschen: zentral, ruhig und schön gelegen, ebenerdig, schliesst mit der für sie typischen Aussage: mit Industrieambiente und attraktiver Nachbarschaft ... Aber eigentlich ist das alles se- «Klar wurde an diesem Abend nur, dass die kundär. Die Hauptsache ist und bleibt der Inhalt, die Literatur und ihre Vermittlung. Denkmuster, in denen wir uns bewegen, oft er- schreckend erstarrt sind. Dass dennoch zum Und da darf das Haus, wie manche meinen, gerne noch einen Zacken zulegen, d.h. dritten Mal so viele bereit waren, den Dialog sich stärker profilieren. Die eigene Handschrift sei zuwenig sichtbar, man sei zwar mindestens zu versuchen (…), ist meiner Mei- rührig, aber auch beliebig, sei existent, aber nicht wirklich präsent. Jedenfalls nicht nung nach eine kulturelle Tat für sich.» ausserhalb der engsten Kreise. Das mag auch an der Sparte liegen, Literatur ist nicht Schon im nächsten Heft, das auf dem Cover mehrheitsfähig. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sie zum Stadtgespräch zu machen, fi passend die Königin von Saba ( Abb.) zeigt, nicht nur mit Festivals und Buchmessen, sondern mit Herzblut, pfiffigen Ideen, Kon- figuriert sie als Redaktionsleiterin. Nun sind tinuität, Vernetzung und einem guten Riecher für Aktuelles. es bald 110 Hefte, für die unsere ‹Königin› Demselben Anliegen verpflichtet ist Matthyas Jenny, der ja u.a. die Idee eines Litera- Dagmar verantwortlich zeichnet. turhauses initiiert hatte. Im November wird sein Verlag Nachtmaschine (und damit Dagmar Brunner wächst in der Basler Agglo- auch seine Literaturvermittlungstätigkeit) 30 Jahre alt. Das sollte ursprünglich gross meration bei kulturinteressierten Eltern auf. gefeiert werden, mit einem 30-stündigen Happening. Aber für ein Fest zum eigenen Insgesamt zwanzig Jahre ist sie im Buchhan- del tätig (u.a. bei Wepf, im Narrenschiff, beim Jubiläum wollte Jenny keinen Penny seines knappen Verlagsbudgets ausgeben, lieber Schwabe Verlag und im Verlag am Goethe- macht er damit Bücher. Und so gibt es jetzt immerhin einen Abend mit Wolf Wondra- anum). Ab 1991 beginnt sie ihre journalisti- tschek, einem der ersten Autoren der Nachtmaschine, die Jenny im Winter 1975/1976 sche Karriere u.a. als freie Mitarbeiterin einer im Tessin gründete. Damals lebte er, nach intensiven Reisejahren, als Alleinerziehen- Frankfurter Kulturzeitschrift. Parallel dazu der mit seinen beiden Kindern in Meret Oppenheims Haus Casa Aprile in Carona. Auf studiert sie Journalistik und Kommunika- einer Rotaprint A4 druckte er nachts seine Literaturzeitschrift ‹Nachtmaschine› (fünf tionswissenschaft an der Uni Fribourg. Da- Ausgaben mit viel Lyrik und Zeichnungen, z.B. von Markus Raetz) und, ab 1977 wieder nach geht sie an die Kaserne Basel und wird in Basel, auch Bücher mit Gedichten, Erzählungen, Theaterstücken von z.T. namhaf- schon bald zur ‹ProZ› geholt. Nebenberuflich ten Autoren. Tagsüber war Jenny in Brotjobs tätig, die alle mit Büchern zu tun hatten, engagiert sie sich in verschiedenen kulturellen daneben schrieb und publizierte er selber (in andern Verlagen), und entwickelte mit und sozialen Projekten. Und sie absolviert den hohem persönlichem Einsatz stets neue Projekte zur Literaturvermittlung bis hin zur ersten Kulturmanagement-Lehrgang an der Uni Basel, den sie 2002 erfolgreich mit dem ‹buchbasel› und diversen Literaturfestivals. Letztere organisiert er mit seinem 2001 Master abschliesst. gegründeten Literaturbüro als Ein-Mann-Betrieb – ein volles Programm! «Eigentlich Zehn Jahre ProgrammZeitung sind ein Rekord. sind alle meine Tätigkeiten und mein Leben ein Traum, der sich nie bezahlt gemacht So lange hat es hier noch niemand ausgehal- hat», schrieb er mir einmal. Mehr über seine erstaunliche Kreativität ist auf seiner ten. Dagmar Brunner hat die ProgrammZei- Website zu erfahren. tung auf eindrückliche Art und Weise geprägt. Kreativität ist auch gefragt in der Leseförderung. Dieser sind verschiedene Initiativen Anlässlich eines solchen Jubiläums wird oft gewidmet, die jeweils im November stärker an die Öffentlichkeit treten. Mehr dazu gefragt: «Sind zehn Jahre genug?» Als Verlags- finden Sie auf Seite 15. | Dagmar Brunner leiter kenne ich Dagmar erst seit fünf Mona- Wolf Wondratschek und 30 Jahre Verlag Nachtmaschine, Lesung und Gespräch: Mi 16.11., 20.00, ten. Das ist eindeutig noch nicht genug! Vorstadt-Theater. Moderation: Peter Henning. Eintritt: Ein Buch vom Büchertisch zwischen 10 und | Klaus Egli 49 Franken nach freier Wahl. Infos: www.literaturfestivalbasel.ch, Link ‹Verlag Nachtmaschine›. NOVEMBER 2005 | PROGRAMM ZEITUNG | 3
IMPRESSUM Herausgeberin ProgrammZeitung Nr. 201 ProgrammZeitung Verlags AG November 2005, 19. Jahrgang, ISSN 1422-6898 Gerbergasse 30, Postfach 312, 4001 Basel Auflage: 6 500, erscheint 11 Mal pro Jahr T 061 262 20 40, F 061 262 20 39 Einzelpreis: CHF 6.90, Euro 5 info@programmzeitung.ch Jahresabo (1 1 Ausgaben inkl. ‹kuppler›): www.programmzeitung.ch CHF 69, Ausland CHF 74 Ausbildungsabo: CHF 49 (mit Ausweiskopie) Verlagsleitung Förderabo: ab CHF 169 * Klaus Egli, egli@programmzeitung.ch Tagesagenda gratis: www.programmzeitung.ch Redaktionsleitung Redaktionsschluss Ausgabe Dezember Dagmar Brunner, brunner@programmzeitung.ch Veranstalter-Beiträge ‹Kultur-Szene›: Di 1.11. Kultur-Szene | Redaktion Redaktionelle Beiträge: Fr 4.11. Urs Hofmann, hofmann@programmzeitung.ch Agenda: Do 10.11. Inserate: Fr 11.11. Agenda Erscheinungstermin: Fr 30.11. Ursula Correia, agenda@programmzeitung.ch Verkaufsstellen ProgrammZeitung Inserate Ausgewählte Kioske, Buchhandlungen und Claudia Schweizer, schweizer@programmzeitung.ch Kulturhäuser im Raum Basel Abo/Administration Sonja Fritschi, fritschi@programmzeitung Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion keine Haftung; Marketing für Fehlinformationen ist sie nicht verantwort- COVER Film von Sergej Paradjanow Sandra Toscanelli, toscanelli@programmzeitung.ch lich. Textkürzungen und Bildveränderungen db. In Zusammenarbeit mit dem Festival ‹Cul- Korrektur behält sie sich vor. Die AutorInnen verantworten turescapes› zeigt das Stadtkino eine Reihe von Karin Müller, karin.mueller@nextron.ch den Inhalt ihrer Beiträge selbst. Abos verlängern Filmen des armenisch-georgischen Bildma- sich nach Ablauf eines Jahres automatisch. giers Sergej Paradjanow (1924—1990), so auch Gestaltung * Die ProgrammZeitung ist als gemeinnützig den Langspielfilm ‹Die Farbe des Granatapfels› Anke Häckell, haeckell@programmzeitung.ch anerkannter Kulturbetrieb auf finanzielle (Sayat Nowa) mit Musik von Tigram Mansurian Druck Unterstützung angewiesen. Beiträge von mindes- (1968). Das opulente Filmgedicht folgt den tens CHF 100 über den Abo-Betrag hinaus Schwabe AG, Farnsburgerstrasse 8, Muttenz Spuren eines armenischen Volkssängers, Hof- T 061 467 85 85, www.schwabe.ch sind als Spenden vom steuerbaren Einkommen dichters, Mönchs und Märtyrers. Das Meister- abziehbar. Helfen auch Sie uns durch ein Förder- werk war in der Sowjetunion verboten, Paradja- abo (ab CHF 169). Besten Dank! now jahrelang im Straflager. Fellini zählte zu fi seinen Bewunderern. Mehr dazu S. 54 PostFinance präsentiert Peter Seiffert, Tenor Petra-Maria Schnitzer, Sopran Peter Seiffert gilt nicht nur als Hel- Das Programm dentenor, sondern auch als einer der Die Stars singen Arien, die uns von besten Wagner-Interpreten über- Dvofiák über Puccini, Strauss bis hin haupt. Freuen wir uns also darauf, zu Wagner führen. Begleitet werden wie er, gemeinsam mit seiner Le- sie dabei von der Württembergischen bensgefährtin, der Sopranistin Petra- Philharmonie Reutlingen unter der Maria Schnitzer, diese zehnte Auflage Leitung des leidenschaftlichen Diri- der PostFinance Classics zum Erfolg genten Norichika Iimori. singt. Genf, Victoria-Hall Vorverkauf ab 17. Oktober 2005. Dienstag, 6. Dez. 2005, 20.30 Uhr Weitere Informationen: Luzern, KKL Donnerstag, 8. Dez. 2005, 19.30 Uhr Mo – Fr: 8.00 –13.00 Uhr Basel, Casino (CHF –.86/min) Freitag, 16. Dez. 2005, 19.30 Uhr Zürich, Tonhalle Dienstag, 20. Dez. 2005, 19.30 Uhr Postcard-Besitzer/-innen profitieren von günstigen Konditionen! Bern, Casino Donnerstag, 22. Dez. 2005,19.30 Uhr Infos: www.postfinance.ch 4 | PROGRAMM ZEITUNG | NOVEMBER 2005 ProgramZeiBa_189x139.indd 1 6.10.2005 9:51:14 Uhr
INHALT Graffiti Horburgstrasse REDAKTION Kultur des Kaukasus Das Festival ‹Culturescapes› bietet Einblicke in die armenische Kultur | Alfred Ziltener 7 Feilen am Profil Die Kaserne Basel wird 25 Jahre alt. Ein Interview mit Barbara Riecke | Urs Hofmann 10 Neuer Blick auf gestern Das Museum für Gegenwartskunst widmet sich der Kunst der Achtzigerjahre | Sibylle Ryser 17 Reiches Erbe Das Ali Akbar College of Music vermittelt seit 20 Jahren indische Musik | Dagmar Brunner 6 Notizen Alfred Ziltener (az), Urs Hofmann (uh), Dagmar Brunner (db), Oliver Lüdi (ol), Boris Schibler (bs) 6—18 Vielseitig Die 10. Musikfesttage Bohuslav Martinu ehren den mit Basel verbundenen Komponisten | Alfred Ziltener 7 Suche nach den verlorenen Frauen Jim Jarmuschs neuer Film ‹Broken Flowers› | Michael Lang 8 Tödliche Delikatessen Der Dokumentarfilm ‹Darwin’s Nightmare› deckt eine Katastrophenkette auf | Michael Lang 9 Vom Reiz der Gefahr Die Compagnie Anomalie präsentiert atemberaubende zirzensische Kunst | Felizitas Ammann 11 Schelm mit Dachs auf Reisen Christoph Simons neuer Roman ‹Planet Obrist› | Oliver Lüdi 12 Freiheit fürs Wort Eine Lesung mit Gespräch erinnert an den nigerianischen Autor Ken Saro-Wiwa | Martin Zingg 13 Achterbahn mit Shakespeare Die neue Schauspielleitung am Goetheanum zeigt ihre erste Regiearbeit | Dagmar Brunner 14 Kinder machen Bücher Die ‹Buchkinder› aus Leipzig gestalten einen poetischen Kalender | Dagmar Brunner 15 Ungewisse Zukunft Das Medienkunst-Festival Viper steht vor entscheidenden Veränderungen | Dominique Spirgi 16 Gastro.sophie Im Restaurant Das Schiff sind ‹Viel- und Feinesser› willkommen | Oliver Lüdi 18 Relevanz des Temporären ‹Stadtgespräche› wollen das Potenzial von Zwischennutzungen aufzeigen | Dagmar Brunner 19 Wortgast Stadtentwicklung orientiert sich an ‹Flüssen und anderen Avenues› | Anton Marty 19 Rocknews Mitteilungen des Rockfördervereins der Region Basel (rfv) | Patrik Aellig 20 | 21 KULTUR-SZENE Gastseiten der Veranstaltenden 22—55 Orchester Liestal 42 Plattform.bl 37—44 Swiss Chamber Concerts 28 The Bird’s Eye Jazz Club 30 Film Landkino 44 Kunst Stadtkino 54 Aargauer Kunsthaus Aarau 52 Kultkino Atelier | Camera | Club | Movie 55 ARK | Ausstellungsraum Klingental 54 Fondation Beyeler 53 Theater | Tanz Kunstmuseum Basel 51 Basler Lehrerinnen- u. Lehrertheater 25 Ortsmuseum Trotte 41 Cathy Sharp Dance Ensemble 37 Das Neue Theater am Bahnhof | NTaB 25 Diverse Echo 37 Act Entertainment 31 Junges Theater Basel 22 Auftakt Stadtkirche Liestal 45 Rigolo 24 Burghof Lörrach 25 Theater auf dem Lande 40 Feldenkrais 48 Theater Basel 22 Festival Culturescapes 30 Theater Palazzo 40 Forum für Zeitfragen 35 Theater Puravida 40 Historisches Museum 51 Theater Roxy 38 | 39 Kaserne Basel 36 Theater im Teufelhof 23 Kulturforum Laufen 41 Vorstadt-Theater 23 Kulturscheune Liestal 41 Lichtblicke Liestal 45 Musik Naturhistorisches Museum Basel 50 A Cappella-Chor Zürich 28 Offene Kirche Elisabethen 49 Basler Bach-Chor 29 Ostquai 46 Basel Sinfonietta 42 Palaver Loop 26 Basler Madrigalisten 28 Parkcafépavillon Schützenmattpark 46 Gare du Nord 43 Terres des hommes 48 Gesellschaft für Kammermusik 28 Théatre La Coupole | St. Louis 26 Konzertchor Oberbaselbiet 42 Union 47 Kuppel 30 Unternehmen Mitte 32 | 33 Mädchenkantorei Basel 43 Volkshochschule beider Basel 50 Musikontext 41 Werkraum Warteck pp 34 | 35 Musique des Lumières 29 Oratorienchor BL 42 AGENDA 56—71 SERVICE Museen | Kunsträume 72—75 Veranstalteradressen 76—77 Restaurants, Bars & Cafés 78 NOVEMBER 2005 | PROGRAMM ZEITUNG | 5
MUSIK REICHES ERBE Indische Musik in Basel Seit 20 Jahren wird im Ali Akbar College of Music klassische nordindische Musik vermittelt. Lange Zeit galt indische Musik bei uns als Geheimtipp, heute boomt sie, nicht zuletzt durch die indischen Filmproduktionen, die mit ihrem Charme, ihrem gefühlvollen Humor, ihren bril- lanten Tanz- und Musikeinlagen auch den Westen bezaubern. Dennoch ist die reiche indische Musiktradition immer noch viel zu wenig bekannt und ausserhalb Indiens selten zu hören. Am diesjährigen Jubiläumsseminar sind u.a. einer der bekann- Ein Ort, wo eben dieses Erbe seit nunmehr zwanzig Jahren kon- testen Tabla-Spieler Indiens, Pandit Swapan Chaudhuri, und tinuierlich gepflegt wird, ist das in Basel domizilierte Ali Akbar eine der führenden indischen Sängerinnen, Lakshmi Shankar, College of Music, Switzerland. Als Studienzentrum für klassi- zu Lehre und Spiel eingeladen. Letztere hat den indischen sche nordindische Musik wurde es von einem ihrer profiliertes- Gesang u.a. durch ihre Mitwirkung in zahlreichen Filmen (z.B. ten Vertreter, dem heute 83-jährigen Ustad Ali Akbar Khan, ‹Gandhi›) im Westen populär gemacht; ihre melodiöse Stimme gegründet, der auch in Kalkutta und in San Francisco Schulen wird wegen der Klarheit und Perfektion ihres Klanges hoch initiierte und neben seiner regen Konzerttätigkeit viel Zeit dem geschätzt. Neben Kursen für Vokal-, Tabla- und Instrumental- Unterrichten widmete. Das Basler Institut wird von seinem klassen, die aus Platzgründen nur von einer begrenzten Anzahl langjährigen Meisterschüler Ken Zuckerman geleitet, einem Teilnehmenden besucht werden können, bietet das Ali Akbar aus den USA stammenden Lauten- und Sarodspieler und Kom- College of Music in Zusammenarbeit mit dem Studio für ponisten, der an der Musik-Akademie Basel zudem sowohl Aussereuropäische Musik der Musik-Akademie zusätzlich ein klassische nordindische Musik wie mittelalterliche europäische Konzert mit Lakshmi Shankar und Swapan Chaudhuri im Gros- Musik lehrt. Im College, dem auch ein ‹Salon de Musique› ange- sen Saal der Musik-Akademie an. Ausserdem ist an einem Tag schlossen ist, finden neben Einzel- und Gruppenunterricht der offenen Tür mehr über das College und seine Aktivitäten zu auch Workshops, Konzerte und (in Kooperation mit der Musik- erfahren. Und wer beides verpasst, kann sich auch über Tonträ- Akademie) ein jährliches Wochenseminar mit verschiedenen ger nordindische Klänge zu Gemüte führen, es sind bisher fünf Veranstaltungen und namhaften Lehrkräften statt. Wer die CD s erschienen. | Dagmar Brunner freundliche Atmosphäre in dem schönen, schlichten alten Haus Ali Akbar College of Music, Birmannsgasse 42, T 061 272 80 32, schon einmal erlebt hat, wird sich die nächste Gelegenheit, indi- www.KenZuckerman.com 20. Jahres-Seminar: Fr 11. bis Fr 18.11., College und Musik-Akademie sche Musik unverstärkt, auf hohem Niveau und in intimem Rah- Tag der offenen Tür: Sa 12.11., 14.00—18.00, Musik-Akademie men zu hören, nicht entgehen lassen. Konzert: Fr 18.11., 20.00, Musik-Akademie NOTIZEN Foren für vielfältige Ideen Hommage à Erik Satie Basler ‹Weltmusik› db. Mit Idealismus und einem breiten Kultur- az. Es ist etwas Merkwürdiges um den franzö- uh. Es gibt eine angenehme Seite der Globali- begriff betreiben Julian Mettler und Hanns sischen Komponisten Erik Satie (1866–1925): sierung: Das Genre ‹World Music› gewinnt Flück seit zwei Jahren eine offene Bühne für Immer wieder wird seine Musik neu entdeckt von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Die Musik in- künstlerische Darbietungen aller Art. Jeweils und energisch propagiert, doch eine nachhal- novativer KünstlerInnen aus Mexiko, Kongo am ersten Sonntag im Monat können im tige Wirkung bleibt aus. Möglicherweise liegt oder dem Irak dringt zu uns nach Westeuropa, gemütlichen Keller des historischen Engelhofs das daran, dass seine Person und sein Werk in nicht zuletzt dank des Radios. Die 18 aktuell Poetinnen und Musiker, Performer und Tanz- sich widersprüchlich sind und in keine Schub- besten Stücke von Bands aus der ganzen Welt schaffende, Film- und Theaterleute bei Kurz- lade passen: Er war Gründer einer mystischen sind nun auf einem Sampler versammelt, zu- auftritten ihre Künste demonstrieren. Drei bis ‹Eglise métropolitaine d’Art de Jésus Conduc- sammengestellt von der DRS3-World-Music- vier Acts sind so an einem Abend zu erleben, teur› und gleichzeitig Hauspianist in verschie- Redaktion. Darunter finden sich, neben manchmal entsteht zudem Spontanes, und ge- denen Pariser Künstlerkabaretts; in seinem berühmten Namen wie Khaled oder Mory legentlich produzieren sich auch bekannte Werk finden sich die tief religiöse ‹Messe des Kanté, als Schweizer Vertreter erfreulicher- Köpfe. Statt Gagen gibts was zu trinken. Pauvres›, das laszive Chanson ‹Je te veux› und weise zwei Basler Bands. Zum einen der auf Ebenfalls mit verschiedenen künstlerischen das groteske Stück ‹Le piège de Méduse›; in Basler Bühnen gut bekannte, charismatische Aktivitäten möchte Martin Burr den Acker- seinem Klavierwerk stehen die anrührend- Famara, zum anderen ‹The Amber Ensemble›. mannshof beleben. Mit dem von namhaften schlichten ‹Gymnopédies› neben der bizarren Letzteres fusioniert auf einzigartige Weise Persönlichkeiten getragenen Verein ‹Impri- Komik der ‹Embryons désséchés›. Nun ver- spanische und osteuropäische Einflüsse zu merie Arts Vivants› will er eine internationale wandelt der Verein Zwischenzeit bis in den einem Stil, der weder Flamenco noch Klezmer Plattform für vielfältige Produktionen und nächsten Sommer ein Haus in der Spalenvor- genannt werden kann; das Akkordeon spielt Präsentationen schaffen, geplant sind etwa stadt zum Satie-Zentrum, mit einer perma- dabei eine zentrale Rolle. Verdient haben sich Kunst-, Theater-, Mode- und Medienevents. nenten Ausstellung und zahlreichen Veran- die beiden Basler Bands ihren Auftritt neben Offene Bühne: So 6.11., ab 21.00, Engelhof, Na- staltungen. Mit von der Partie sind u.a. die weltbekannten Grössen durchaus – mit dem delberg 4, www.offene-buehne.ch. Anmeldung Pianistinnen Grete Wehmeyer – eine Satie- unnachahmlichen Stil und der hoch stehenden erwünscht: T 061 681 39 62 Expertin – und Marianne Schröder sowie die Qualität ihrer Musik. ‹Matrices›: Mo 7./Di 8.11., 20.30, Imprimerie, World Music Special, EMI 2005 Diseuse Colette Greder. www.imprimerie-basel.ch ‹SATIErique›: ab Fr 11.11., 18.00 (Vernissage) bis Sa 24.6.06, Spalenvorstadt 33, T 061 411 41 82, www.zwischenzeit.ch 6 | PROGRAMM ZEITUNG | NOVEMBER 2005
MUSIK ETC. Lakshmi Shankar (links) Bohuslav Martinu (Mitte) Fotokunst: Vahram Aghasyan VIELSEITIG KULTUR DES KAUKASUS Bohuslav Martinu zu Ehren Festival ‹Culturescapes› Der Erfolg ist verdient: Die vergleichsweise Während eines Monats wird mit zahlreichen Veranstaltungen ein facettenreiches Bild kleinen, aber gediegenen Basler ‹Musikfest- von Armenien gezeichnet. tage B. Martinu› – uneitel, klug konzipiert und Gleich zwei Festivals werben im November um die Aufmerksamkeit des regionalen auf die Musik konzentriert – können heuer ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Die Veranstal- Publikums: die ‹Musikfesttage B. Martinu› (s. Text nebenan) und die dritte Auflage tungsreihe unter der künstlerischen Leitung von ‹Culturescapes›. Sind solche Veranstaltungen neben dem ohnehin reichhaltigen des Pianisten Robert Kolinsky erlaubt jedes Kulturangebot der Regio nicht einfach überflüssig? Jahr vielfältige Begegnungen mit dem reich- Ja und nein. Natürlich ist ein Renommieranlass wie ‹Les muséiques›, dessen reizvol- haltigen Werk des mährischen Komponisten, les ursprüngliches Konzept schon längst purer Beliebigkeit gewichen ist, obsolet. der unserer Region ja besonders eng verbun- Doch Festivals können sinnvoll sein – wenn sie in der Vielfalt des Angebots interes- den war. Kolinskys beharrliche, seriöse Arbeit sante Schwerpunkte setzen und dem Publikum die Gelegenheit bieten, sich vertieft findet Anerkennung: Immer wieder sind auf ein Thema einzulassen. Das ist bei beiden Veranstaltungsreihen der Fall: Beim grosse Namen bereit, auch für kleinere Gagen Martinu-Festival steht ein Komponist im Zentrum, während sich ‹Culturescapes› – bei den Festtagen aufzutreten, und im Patro- nach der Ukraine und Georgien – in diesem Jahr Armenien widmet und erstmals mit natskomitee sitzen u.a. Moritz Leuenberger einigen Konzerten auch in Genf, Zürich und Bern präsent ist. und Vaclav Havel. Das Jubiläumsprogramm setzt bewährte Tra- Die winzige Kaukasusrepublik ist in der letzten Zeit in die Schlagzeilen geraten durch ditionen fort und stellt unterschiedliche Facet- die heftige Reaktion der Türkei auf Versuche, den Völkermord an den ArmenierInnen ten von Martinus Schaffen nebeneinander. zu Beginn des letzten Jahrhunderts wieder ins Bewusstsein zu rücken. Eine Million Das Eröffnungskonzert mit dem Sinfonie- Menschen sind damals umgebracht oder vertrieben worden. Noch heute, so Festival- orchester Basel wird geleitet vom grossen Pia- leiter Jurriaan Cooiman, lebten rund doppelt so viele ArmenierInnen in der Diaspora, nisten und Dirigenten Vladimir Ashkenazy. vor allem in den USA und Frankreich, wie in der Heimat. Sie finanzierten letztlich das Auf dem Programm stehen Martinus neoba- Land; anderseits bremsten sie die Aussöhnung mit dem grossen Nachbarn Türkei, die rocke ‹Ouverture› und zwei vom Impressionis- von der Bevölkerung Armeniens gewünscht werde. Heute befinde sich das Land auf mus beeinflusste Kompositionen, das zweite dem schwierigen Weg vom Kommunismus zur freien Marktwirtschaft und sei von tie- Klavierkonzert und die Orchestersuite ‹Die fen Gegensätzen geprägt. Fresken des Piero della Francesca›; dazu kom- men Debussys ‹L’Après-midi d’un Faune› und Blutige Geschichte Ravels populärer ‹Bolero›. Die Aufführungen Vergangenheit und Gegenwart Armeniens werden im breit gefächerten Programm in werden auf CD aufgezeichnet. Vorträgen und literarischen Lesungen thematisiert. Dazu kommt ein zweitägiges Dem Filmkomponisten Martinu gilt ein Abend Symposion mit Fachleuten aus Istanbul, Genf und Frankfurt über den Genozid und im Stadtkino mit Vladislav Vancuras ‹Die die politisch begründete Weigerung des Westens, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Die untreue Marijka› von 1934, einer mehrspra- blutige Geschichte des Landes spiegelt sich auch in einigen künstlerischen Beiträgen chigen Eifersuchtstragödie im ländlichen des Festivals, beispielsweise in Atom Egoyans Film ‹Ararat›, der ebenso wie Werke Ruthenien, für die Martinu die Musik geschaf- des Kino-Poeten Sergej Paradjanow im Stadtkino gezeigt wird. fen hat. Jiri Menzel präsentiert diesen Film und seine eigene Verfilmung von Vancuras Ein weiterer Schwerpunkt ist die Musik. Der zunehmend auch international beachtete Roman ‹Ein launischer Sommer›. Der Jazz- 66-jährige Komponist Tigran Mansurian ist als Composer in Residence zu Gast; sein pianist Jean-Paul Brodbeck gestaltet mit Schaffen wird in verschiedenen Konzerten mit namhaften Interpreten wie Kim Kash- Freunden einen Abend im Bird’s Eye mit kashian, dem Hilliard Ensemble und dem Rosamunde Quartett vorgestellt. Seine Mu- Musik von Martinu und Improvisationen über sik sei konzis und durchsichtig, schildert Cooiman, «mit einem besonderen, ganz ei- seine Themen. Für Kinder gibt es ein eigenes genen Kolorit». Zudem werden Werke weiterer armenischer Komponisten, auch der Konzert im Museum Jean Tinguely. Im jüngsten Generation, aufgeführt. Ferner gibt es ein ‹Instrument in Residence›: den Schlusskonzert (u.a. mit Heinz Holliger) hört Duduk. Die melancholischen Gesänge dieses traditionellen Instruments zwischen man Kammermusik von Mozart bis Britten und Oboe und Klarinette werden mehrfach zu hören sein. lernt eine Rarität kennen: Martinus Fantasie Im Unternehmen Mitte sind Video- und Fotoarbeiten junger Kunstschaffender aus Je- für Theremin, Oboe, Streichquartett und Kla- rewan zu sehen. Dort hat das Publikum an einem Stammtisch auch die Möglichkeit, vier. Der Abend wird von Radio DRS aufge- zeichnet und soll auch auf DVD erscheinen. mit den armenischen Gästen ins Gespräch zu kommen. | Alfred Ziltener | Alfred Ziltener Festival ‹Culturescapes› in Basel: Mi 26.10. bis So 27.11., diverse Orte fi S. 32, 43, 54 Ausserdem: Tagung ‹Der Gral im Osten›, aus der Kunst- und Geistesgeschichte Armeniens. Musikfesttage B. Martinu: So 30.10. bis So Mit Frank Teichmann u.a.: Fr 4. bis So 6.11., Goetheanum 13.11., diverse Orte, www.martinu.ch NOVEMBER 2005 | PROGRAMM ZEITUNG | 7
FILM SUCHE NACH DEN VERLORENEN FRAUEN NOTIZEN Jim Jarmuschs Spielfilm ‹Broken Flowers› Ein kauziger Mittfünfziger sucht seinen unbekannten Sohn und findet dabei einen Teil Suff als Lifestyle seines Selbst. db. Mit 15 leerte er eine ganze Flasche Whisky im Tag, nach dem dritten Alkoholentzug steht Don Johnston ist Mitte fünfzig. Er lebt in einem stieren amerikanischen Vorort und er jetzt an einem Scheideweg: Andres, der im verdient sein Geld mit Computern. Allerdings steht keiner in seinem Haus, denn Don Dokumentarfilm von Alain Godet porträtierte sitzt lieber auf dem Sofa vor dem Fernseher und schaut sich alte Liebesfilme an. Jim Jugendliche. Sein eindrückliches Schicksal ist Jarmuschs grosser kleiner Film beginnt damit, dass Dons Freundin (Julie Delpy) ent- kein Einzelfall, mehr als die Hälfte der 16- nervt auszieht. Sie hat den Kauz satt. Jährigen betrinkt sich regelmässig, darunter Immerhin ist er nicht allein. Nebenan lebt der Äthiopier Winston. Er hat drei Jobs, eine zunehmend Mädchen. Saufen vom Schwips bezaubernde Gattin und fünf Kinder. Zudem ist er Hobby-Detektiv, und plötzlich bis zu Vollrausch und Komatrinken ist ange- winkt ihm die Chance, den kriminalistischen Spürsinn praktisch anzuwenden. Don sagt, Chillers, Alcopops, Designerdrinks oder bekommt einen anonymen Brief auf rosarotem Papier. Die Absenderin erklärt, dass sie Selbstgebrautes sind cool. In der Schweiz wird vor zwanzig Jahren von Don schwanger geworden sei und einen Sohn geboren habe. mit 300 000 alkoholabhängigen Menschen Und genau dieser Filius sei nun auf dem Weg, den Papa zu suchen. Don ist heillos gerechnet, die sozialen Kosten betragen drei Milliarden Franken pro Jahr. Die psychoaktive überfordert, denn er hat keine Ahnung, wer die Mama sein könnte. Aber Winston hat Droge Alkohol wird als Genussmittel banali- eine Idee. Er durchforscht das Liebesleben des Freundes, registriert Adressen und siert, die Auswirkungen werden unterschätzt. nötigt Don sanft dazu, eine Reise ins Ungewisse anzutreten ... Godet fragt in seinem Film nach den Gründen Themen wie solche begeistern den Autorenfilmer Jim Jarmusch seit jeher. Wie in sei- für diesen Konsum und nach wirksamer nen Werken ‹Stranger than Paradise› oder ‹Down by Law› stöbert er mit minimalem Prävention. Sein Streifzug durch die Basler filmischem Aufwand im Dickicht des Alltagslebens, schafft Plattformen für tolle Szene ist im Auftrag des Schweizer Fernse- Schauspieler wie den Musiker Tom Waits, den Komiker Roberto Begnini oder den Cha- hens entstanden und wird erstmals im Union raktermimen Armin Müller-Stahl. In ‹Broken Flowers› nun hat Jarmusch Bill Murray mit anschliessender Diskussion gezeigt. einen ganzen Film auf den Leib geschneidert. Der Amerikaner wurde oft mit Komö- Dokumentarfilm ‹Jung & besoffen›: Fr 24.11., dien wie ‹Ghostbusters› oder ‹Groundhog Day› identifiziert, hat aber seit Sofia Coppo- fi 20.00, Union S. 47 las Drama ‹Lost in Translation› ein neues Image: Er ist ein Mann vom Schlage des Feuchtes Filmbüro legendären Buster Keaton, ein Maestro des tragikomischen Schauspiels. db. Ende August wurden die Büros der Stif- Vergangenheitsbewältigung tung Trigon-Film (und sieben weiterer Klein- ‹Broken Flowers› porträtiert einen Einzelgänger, der nach zwanzig Jahren einige betriebe) in der Alten Spinnerei Wetzikon von seiner Geliebten wieder trifft. Und er zeigt mit humorvoller Melancholie, dass Mann der Limmat überflutet und standen eine Woche unter Wasser. Dabei wurde einiges dabei nicht wirklich gut wegkommt: Einem Konfirmanden gleich klopft er irgendwo in zerstört, allerdings nicht die 160 Titel umfas- den USA an eine Türe, bringt jedes Mal einen Strauss rosaroter Blumen mit. Warum? sende Kollektion und die DVDs mit sehens- Er will mit herbem Charme herausfinden, ob die Liebschaft die Mutter seines Sohnes werten Filmen aus Afrika, Asien und Latein- sein könnte. So gerät er an eine sexy Witwe (Sharon Stone) und deren exhibitionistisch amerika. Doch weil die Spinnerei völlig veranlagte Teenagertochter. Oder an die verhärmte Dora (Frances Conroy) plus Ehe- geräumt werden musste, hat sich das Team zu mann. Die Dritte im Bunde ist eine Tierpsychologin (Jessica Lange), die freilich nicht einem definitiven Umzug ins benachbarte mehr dem männlichen Geschlecht zuneigt. Don, alias Bill Murray, driftet jedenfalls Ennetbaden entschlossen. Seit Ende Oktober emotional permanent ab, weil er mit seiner unverarbeiteten Biografie konfrontiert wird am Wiederaufbau des Betriebs gearbeitet. wird. Einmal wirds sogar richtig schmerzhaft, als er auf Penny (Tilda Swinton) prallt. Im Kino läuft derzeit Dani Kouyatés lebens- Sie lebt auf einer Hippie-Ranch – zusammen mit schlagkräftigen Altrockern. frohes Märchen ‹Ouaga Saga› aus Burkina Ob Don seinen Sohn tatsächlich findet oder eher sich selber? Antworten auf diese und Faso, dem u.a. das neue Trigon-Film Magazin gewidmet ist. andere Fragen aus dem Leben eines Einzelgängers gibts in ‹Broken Flowers›. Schlicht ‹Ouaga Saga›: bis Mi 2.11. im Mittagskino, ab Do und einfach, aber wunderbar. | Michael Lang 3.11. im Kultkino Atelier, www.trigon-film.org Der Film läuft ab Do 3. bis Mi 9.11. im Mittagskino, danach im Kultkino Atelier 8 | PROGRAMM ZEITUNG | NOVEMBER 2005
FILM Filmstill aus ‹Broken Flowers› Plakat und Filmstill aus ‹Darwin’s Nightmare› TÖDLICHE DELIKATESSEN Dokumentarfilm ‹Darwin’s Nightmare› ‹Darwin’s Nightmare› erklärt, warum das alles passiert. Fakt ist, dass die Nil-Barsch-Produkte meistens durch riesige Frachtflug- Hubert Sauper hat ein vielschichtiges Werk über die fatale Ver- zeuge ins Ausland transportiert werden, die von Piloten aus der quickung eines Naturphänomens mit der Wirtschaftsglobalisie- ehemaligen UdSSR gesteuert werden. Sauper ist es gelungen, rung in Afrika gedreht. einigen von ihnen Informationen über ihre tristen Missionen «Obwohl die Gier aus dem Wunsch hervorgeht, etwas zu erlan- abzuringen. Man erfährt, dass diese Reisläufer der Lüfte als Ent- gen, ist sie charakteristischerweise nicht befriedigt, wenn man gelt für ihre Fischladungen nicht etwa Geld, Nahrungsmittel das Gewünschte bekommt. Dadurch wird sie grenzen- und oder Medikamente nach Afrika retour bringen, sondern sehr oft bodenlos.» Diese Worte des tibetischen Religionsführers Dalai moderne Waffen. Die dann verschachert werden, um in den Lama werden im beeindruckenden Dokumentarfilm ‹Darwin’s Bürgerkriegen der Dritten Welt zum Einsatz zu kommen ... Nightmare› des Österreichers Hubert Sauper bestätigt. Erläu- Komplexe Zusammenhänge tert wird ein erstaunliches Naturphänomen, das einerseits kuli- narische Genüsse befriedigt, anderseits als kapitalistische Gier Dass es diesen Kreislauf gibt, hat man vielleicht gewusst. Nach- nach Gewinnvermehrung für eine Katastrophenkette im afrika- vollziehbar sichtbar geworden ist er allerdings kaum je zuvor so, nischen Tansania verantwortlich ist. wie es in ‹Darwin’s Nightmare› gelingt. Ohne Effekthascherei Auf Anordnung der damaligen britischen Kolonialbehörden oder Pathos erhält man sorgfältig recherchierte filmische Ein- wurde im Viktoriasee, dem zweitgrössten Binnengewässer der blicke in die komplexen strukturellen Zusammenhänge zwi- Erde, Ende der Fünfzigerjahre der Nil-Barsch ausgesetzt. Der schen einer kulinarischen Erfolgsstory und den inhumanen Fisch fühlte sich wohl, vermehrte sich rasant, rottete durch Auswirkungen einer wirtschaftlichen Globalisierungsstrategie. seine Fressgier aber unzählige andere Fischarten aus. Das Dazu Regisseur und Autor Sauper: «Ich habe versucht, den grosse Tier wird seitdem von einheimischen Fischern gefangen kurzlebigen Boom, den die bizarre Erfolgsgeschichte eines und sodann in Fischfabriken verarbeitet. Schliesslich wird es Fisches ausgelöst hat, in eine ironische, erschreckende Allego- ins wohlhabende Ausland – vor allem in die EU -Staaten – ver- rie über die so genannte Neue Weltordnung zu verwandeln. Ich kauft und gilt als Delikatesse. Notabene auch bei uns. könnte den gleichen Film in Sierra Leone machen, nur wären die Fische dann Diamanten, in Honduras Bananen, in Libyen, Dreckiger Handel Nigeria oder Angola Roh-Öl. Nach Hunderten von Jahren der So weit, so gut. Oder auch nicht: Der Nil-Barsch hat die ökologi- Sklaverei und Kolonialisierung in Afrika ist die Globalisierung sche Balance im Viktoriasee aus dem Lot gebracht, und das Ende der afrikanischen Märkte die dritte und tödlichste Demütigung der lukrativen Fischverwertung ist nahe. In absehbarer Zeit wer- für die Menschen dieses Kontinents. Die Arroganz, mit der den die Fischfabriken schliessen müssen und damit die Bevöl- die reichen Länder der Dritten Welt gegenübertreten, stellt eine kerung noch mehr ins Elend stürzen: Schon jetzt, das zeigt uneinschätzbar gefährliche Bedrohung für die Zukunft aller ‹Darwin’s Nightmare› in erschütternden Szenen, herrschen Völker dar.» nämlich an den Küsten chaotische Zustände. Den Ansässigen Hubert Saupers mehrfach preisgekröntes Werk ist ein Beispiel bleiben als Nahrung vom leckeren Nil-Barsch nur die von für investigativen, couragierten, handwerklich überzeugenden Maden übersäten Köpfe und andere minderwertige Reste. und ethisch berührenden Filmjournalismus. Das macht die Zudem erkennt man eine Reihe von fatalen gesellschaftlichen Welt nicht besser. Aber es hilft mit, den Blick auf die Welt zu Nebenerscheinungen. Die Gewaltbereitschaft unter den Men- schärfen und zu sensibilisieren. | Michael Lang schen, vor allem auch Kindern, ist gross. Es grassieren Prostitu- tion, Drogensucht, Aids und andere Krankheiten. fi Der Film läuft ab Do 3.11. im Kultkino Atelier S. 55 Vorpremiere mit Regisseur: Mi 2.11. 21.00, Atelier NOVEMBER 2005 | PROGRAMM ZEITUNG | 9
KULTURRAUM FEILEN AM PROFIL Jubiläum der Kaserne Basel Die ehemals ‹alternativen› Kulturhäuser kommen in die Jahre: In Zürich feiert die Rote Fabrik, in Basel die Kaserne ihr 25- jähriges Bestehen. Anlass zu Rückblicken, Bilanzen und einem Interview zur aktuellen Situation der Kaserne mit Barbara Riecke, Dramaturgin Theater und Tanz in der Kaserne Basel. Barbara Riecke, Sie sind vor etwas mehr als einem Jahr an die Kaserne gekommen. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Als ich nach Basel kam, hatte ich sieben Jahre Erfahrung in der professionellen Zusammenarbeit mit der freien Theater- und Tanzszene. Ich bin froh, dass ich diese Arbeit in Basel fort- führen kann. Ich hatte den Eindruck, hier gibt es Bedarf. Wo liegen die Schwierigkeiten? In Basel fehlt das Bewusstsein, dass eine lebendige, innovative freie Theater- und Tanzszene ein Aushängeschild für die Stadt sein kann, die nicht nur das Kulturleben belebt, sondern auch interessante Leute in diese Stadt lockt, die hier arbeiten und sich austauschen möchten. Anderseits hat Basel mit dem Roxy und dem Raum 33 Spielorte, die sich seit Jahren um eine kontinuier- unterstützen und ihnen gute Bedingungen anbieten. Eric Bart liche Weiterentwicklung der freien Szene kümmern. hat versucht, internationales Theater zu machen. Wenn wir jetzt Signale geben, dass die lokale Szene wieder gerne gesehen ist, Euch wird vorgeworfen, dass ihr den kleinen Häusern die freien dann kommt sie natürlich auch. Gruppen abzieht. Es gibt Platz für alle. Jeder Ort kann für bestimmte Arbeiten Ist die Kaserne zwischen die ‹Alternativkultur› und das Stadt- richtig sein. Um die Reithalle künstlerisch und auch mit Publi- theater gefallen? kum zu füllen, braucht es eine andere Ausstrahlung als für die Dieser Eindruck täuscht nicht. Die politische Aufbruchstim- kleineren Räume. Ich halte es für eine natürliche Entwicklung, mung der Achtzigerjahre ist vorbei. Die Dinge haben sich relati- dass Gruppen, die an kleinen Orten Erfolg hatten, sich in einem viert, man kämpft nicht mehr gegen das Stadttheater. Die Stärke grösseren Raum ausprobieren wollen. Wir können sie mit unse- der Kaserne ist es, Leute anzuziehen, die den Freiraum, den das ren Ressourcen – Technik, Öffentlichkeitsarbeit, Dramaturgie – Haus bietet, nutzen wollen. Unsere Chance liegt darin, beim Nachwuchs die berühmten Trüffeln zu suchen, und jenen Leu- ten, die durch das Stadttheater gegangen sind und wieder frei produzieren wollen, einen Ort zu bieten. Wir müssen uns da aber noch stärker positionieren. Diesen Freiraum gilt es doch jetzt mit Experimenten zu füllen. 25 JAHRE KASERNE BASEL Sicher gibt es die Leute nicht mehr, die auf die Bühne springen Jubiläumspublikation und sagen, hey – ich mach irgendwas. Diese Art von Experiment uh. «Die Kaserne ist ein Dreispartenhaus für TanzMusikTheater der findet an anderen Orten statt. Aber man kann durchaus auch auf freien Szene und ein kultureller Treffpunkt im Kleinbasel», steht im einem professionelleren Level experimentieren, das hat das dramaturgischen Credo der aktuellen Kasernenleitung. Um diese Kürze freie Theater in den letzten Jahren gezeigt. Es gibt Projekte, die und Klarheit wurde intern lange Jahre gerungen. Die beiden Historike- nur im freien Theater stattfinden können, weil die Institution rinnen Barbara Rettenmund und Katrin Küchler blicken in ihrer Publi- Stadttheater zu viele Beschränkungen auferlegt. Um das Profil kation zum 25-jährigen Bestehen des Hauses zurück auf die Anfänge der Kaserne unverwechselbar zu gestalten, müssen wir viel aus- der Kulturwerkstatt. Anhand von Akten der Kaserne, Presseberichten und Gesprächen mit involvierten Personen zeichnen die Autorinnen probieren, und es braucht Kontinuität und Geduld – das hat der den konfliktreichen Weg der Institution zu ihrem heutigen Selbstver- Kaserne in den letzten Jahren gefehlt. Auch durch die Verände- ständnis als Dreispartenhaus nach. rungen der Gastronomie. Hier muss wieder ein Ort entstehen, Die Form des Heftes nimmt geschickt das Thema auf, das die Kaserne in wo die Leute gerne hingehen und sich austauschen können. ihrer Vergangenheit immer wieder beschäftigte: die oft widersprüchli- Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft von Theater und Tanz in chen Erwartungen, die an das Kulturhaus herangetragen wurden. Der der Kaserne Basel? nach verschiedenen Seiten mehrfach auseinander faltbare, bebilderte Umschlag gibt immer wieder neue Ansichten auf die Kaserne frei, bevor Ich wünsche mir, dass die Kaserne finanziell so ausgestattet man in seinem Innern auf die gut verpackten Textseiten stösst. Sie er- wird, dass die drei Standbeine wirklich programmiert werden zählen von ‹Strukturen›, ‹Politik und Projekten› und zuallererst vom können, das heisst für lokale und regionale Gruppen Produkti- ‹Ent-stoh-loh›. onsort, für Schweizer und gerne auch wieder für namhafte in- Dass die Kaserne hat entstehen können und dass sie heute noch exi- ternationale Gastspiele Spielort zu sein. Ausserdem sollte es stiert, ist nach dem Blick auf ihre Vergangenheit nicht selbstverständ- möglich sein, das Haus mit aussergewöhnlichen Aktionen zu lich – umso mehr ein Grund zum Feiern und vor allem, um weitere beleben, und dass der Umbau fertig wird und vieles mehr ... Schritte nach vorne zu tun. | Das Interview führte Urs Hofmann Barbara Rettenmund und Katrin Küchler, ‹Herzblut, Hand und Hirn›. 25 Jahre Kultur in der Kaserne. Christoph Merian Verlag, Basel 2005. Geburtstagsfest: Do 24.11., 19.00. Tag der offenen Tür: So 27.11. fi S. 36 32 Bild- und 32 Textseiten, br., CHF 29 10 | PROGRAMM ZEITUNG | NOVEMBER 2005
ZIRKUS | TANZ ETC. Abb. Theaterfestival Basel, 1999: ‹The Five Angry Men›, The Bells, Australlien (links); Compagnie Anomalie NOTIZEN Morgenland trifft Abendland db. Islamische Kultur hat viele Facetten. Und nur wenige davon sind den meisten von uns bekannt. Annette Rommel vom Vorstadt-Thea- ter möchte hier gegensteuern. Sie hat diesen Sommer in Syrien verbracht und u.a. arabisch VOM REIZ DER GEFAHR gelernt. Und sie hat in Kooperation mit andern Compagnie Anomalie Veranstaltern die Reihe ‹Orient meets Okzi- dent› organisiert, die zu interkulturellen Martin Zimmermann und seine Truppe präsentieren zum Jubiläum der Kaserne Basel Begegnungen einlädt. Gezeigt werden soll vor atemberaubende zirzensische Kunst. allem das besondere Potenzial von Kunstschaf- Martin Zimmermann kennt man in Basel vornehmlich als Teil des Zürcher Kollektivs fenden, die in Europa leben und ihre islami- Metzger/Zimmermann/de Perrot, kurz MZ d P . Die Gastspiele ihrer Stücke ‹Gopf›, schen Traditionen aus der Türkei, Iran, Irak, ‹Hoi› und ‹Janei› in der Kaserne wurden mit Begeisterung aufgenommen –, und auch Algerien, Palästina und Ägypten mit euro- international tourt das Trio mit grossem Erfolg. Nun ist Martin Zimmermann in einem päischer Kultur verbinden. Während zwei neuen Zusammenhang zu sehen, der für ihn allerdings eine Rückkehr bedeutet: zum Wochen sind Theater, Literatur, Musik, ein Zirkus und zu seinen ehemaligen Mitstudierenden des Pariser Centre National des Kinderanlass, Diskussionen und eine ara- Arts du Cirque ( CNAC ). Mit ihnen hatte er nach Schulabschluss 1995 die Compagnie bisch-kulinarische Nacht zu erleben. Ferner Anomalie gegründet. gibt es derzeit auch in Lörrach kulturelle Ange- bote zum Thema Islam (s.u.). Zimmermann wusste schon als Kind «mit absoluter Bestimmtheit, dass ich später ein- ‹Orient meets Okzident — kulturelle Perspekti- mal zum Zirkus gehe». Neben seiner Ausbildung zum Dekorationsgestalter in Zürich fi ven›: Fr 11. bis Mo 23.11. S. 23 trainierte er fleissig Breakdance, Clownerie und Jonglieren. Als er dann 1991 am Thea- Ausserdem: Kulturzeitschrift ‹du› Nr. 761, terspektakel ein Stück der ersten AbsolventInnen der französischen Zirkusakademie November 2005, zum Thema ‹Istanbul. Hippe CNAC sah, war es beschlossene Sache. Er bewarb sich kurzerhand und wurde prompt Stadt am Horn›, u.a. mit einem Text des türki- schen Autors Orhan Pamuk. aus Hunderten von Bewerbungen ausgewählt. Heute zählt der 34-Jährige bereits zu den bekanntesten VertreterInnen des so genannten ‹nouveau cirque›. Man nennt den Persische Impressionen zeitgenössischen Zirkus auch ‹cirque pur›, weil er ohne Raubtiere, Glitzer und Dauer- az. «Was man nicht sehen kann, hat keine lächeln auskommt – nicht aber ohne das Können der Beteiligten und nicht ohne das Ri- Rechte» – der Satz fällt in Helena Waldmanns siko. Dieses macht den Zirkus letztlich aus. Packt einer nicht im richtigen Moment zu neuem Tanztheater ‹Letters from Tentland› oder steht jemand nur ein bisschen am falschen Ort, hat das Folgen. Die ArtistInnen und er hat hier ein besonderes Gewicht: Un- können sich jederzeit schwer verletzen. Gleichzeitig ist es just dieser Kitzel der Ge- sichtbar sind nämlich die Frauen. Die Produk- fahr, der das Publikum in Bann zieht. tion der Berliner Choreografin, die mit ‹Wodka konkav› vor einigen Jahren in der Klug, lustvoll, risikoreich, poetisch Kaserne gastierte, ist auf Einladung des Dra- Martin Zimmermann macht diese Grundvoraussetzung seiner Arbeit zum Thema von matic Arts Center in Teheran entstanden. Das ‹Anatomie Anomalie›. Er zeichnet als Regisseur und Bühnenbildner verantwortlich, Paradox, mit Tänzerinnen in einem Land zu steht aber zum ersten Mal nicht selbst auf der Bühne. Das Stück reflektiert das Genre, arbeiten, in dem der weibliche Körper nicht ge- es ist klug gemacht, doch deswegen nicht weniger atemberaubend. Das Bühnenbild be- zeigt werden darf, hat Waldmann zur Grund- steht aus hohen Türmen, die wie Mitspieler auf der Bühne stehen und sich dazu auch lage ihres Stücks gemacht. Ihre sechs irani- noch verschieben. Darauf und dazwischen balancieren acht Artistinnen und Artisten, schen Darstellerinnen sind den ganzen Abend schleudern sich hoch hinauf oder stürzen in die Tiefe. Immer ist da die Lust zu fliegen, über verborgen in Zelten, die zu Lebewesen eigener Art werden und wie «Blumen im das Risiko zu stürzen und der Sog ins Leere ... Wind» – so eine Kritik – auf der Bühne tanzen. ‹Anatomie Anomalie› lebt von der Präsenz, dem Wagemut und der körperlichen Aus- Nur die Stimmen der Frauen sind zu hören. druckskraft der Mitwirkenden. Die mitreissende und charmante Truppe setzt sich aus Sie begehren auf gegen die Einschränkung eigenwilligen Persönlichkeiten zusammen. Das Stück zeigt in Kürzestgeschichten die ihrer Freiheit, empfinden die Verhüllung aber Einsamkeit der Angst, aber auch das Glück des Vertrauens, das Aufgehobensein in der auch als Schutz. Musik und Video unterstüt- Gruppe. Die Akteure suchen die Gefahr und lachen, wenn sie der Schwerkraft ein zen die suggestiven Bilder. Das Stück gastierte Schnippchen schlagen können. Das ist technisch beeindruckend gemacht und verzau- mit grossem Erfolg bereits an verschiedenen bert gleichzeitig mit einer Poesie, die an Keaton, Chaplin oder Fellini denken lässt. internationalen Festivals. Nicht ganz zufällig sind es diese Filmgrössen, die Martin Zimmermann verehrt. So ‹Letters from Tentland›: Di 8.11., 20.00, Burg- pendelt das Stück zwischen Nervenkitzel, Melancholie und unbändiger Entdeckerlust. fi hof, Lörrach S. 25 Ausserdem: Konzert mit Meistern der persi- Das ist auch der fein gemachten und anspielungsreichen Musik zu verdanken, die wie schen Musik: So 13.11., 20.00, Burghof bei MZ d P von Dimitri de Perrot stammt. | Felizitas Ammann ‹Anatomie Anomalie›: Do 17. bis Sa 19.11., Kaserne Basel fi S. 36 Abb. «Alle Menschen werden frei und gleich an Würde und Rechten geboren.» Aus: Gabriele Mandel, ‹Gemalte Gottesworte›. Das arabische Alphabet. Marixverlag NOVEMBER 2005 | PROGRAMM ZEITUNG | 11
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