Das Lexikon im Kopf Ein psycholinguistisches Modell der Einzelwortverarbeitung und des Lesens und Schreibens Aus "Lexikalische Störungen bei ...
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Ein psycholinguistisches Modell der Einzelwortverarbeitung und des Lesens und Schreibens Das Lexikon im Kopf Aus „Lexikalische Störungen bei Aphasie“ von A. Kotten (1997)
2 1. Organisation des mentalen Lexikons: Ordnung oder Chaos? • Da es zu Störungen beim Abruf des internen Lexikons kommen kann, muss es im „störungsfreien“ Zustand eine Ordnung geben. • Experiment: Erkennen von Wörtern und Pseudowörtern (Caplan 1993, Levelt 1992) • Relativ wenige Fehler in der Sprachproduktion sind Hinweis auf Ordnungsstrukturen. • Suchstrategien
3 2. Wie viele Wörter gibt es, und wie kann man diese Wörter zählen? • Wieviel Wörter hat unsere Sprache? • Welche sprachliche Einheit ist überhaupt ein Wort? • Neue Wörter des gleichen Wortstamms • Bedeutungsverschiebungen • Identische Morpheme können auch sehr unterschiedliche Funktionen haben. • Es gibt auch Wörter, die keine Rückführung auf den Wortstamm zulassen. • Welche Wörter sind also für eine Zählung zu verwenden? • Die Menge der Wörter wird immer größer (Vergleich nach Miller (1992) in England).
4 2.1. Das ständig wachsende Lexikon und seine Benutzer • Man unterscheidet den aktiven und den passiven Wortschatz. • Welche Wörter des Gesamtwortschatzes kennt der individuelle Sprecher? • Ist der individuelle Wortschatz eines jeden Sprachteilhabers immer gleich oder individuell gegliedert ? • Wie lässt sich die Kenntnis über das Sprachsystem vom sprachlich vermittelten Wissen über Fakten unterscheiden?
5 3. Wort ist nicht gleich Wort – vom Unterschied der Wörter • Wörter der geschlossenen Klasse • Wörter der offenen Klasse 4. Wie groß ist das individuelle mentale Lexikon? • In einer amerikanischen Studie von Aitchison 1990 mit Collage-Studenten wurde herausgefunden, dass ca. 58.000 Grundwörter bekannt sind. • Caplan (1993) spricht in seiner Untersuchung von mehr als 20.000 Einheiten (Items) des mentalen Lexikons.
6 5. Wie ist das mentale Lexikon geordnet? • Ordnungsmöglichkeiten in Lexika sind u.a.: - alphabetisch - nach Sachgebieten - nach Bedeutungsverwandtschaft - Reimwörter - nach Wortenden (sog. rückläufige Lexika) • Fehler beim Wortabruf geben Hinweise auf verschieden Ordnungsprinzipien.
7 5.1. Ordnung und Speicherung nach sprachlich-strukturellen Prinzipien • Die Ordnungsstruktur nach Levelt (1989) • Lexikoneinträge sind keine Wörter sondern Bündel von Merkmalen, die vermutlich eine interne Struktur besitzen.
8 5.1.1. Beziehungen innerhalb eines Lexikoneintrags • Der Lexikoneintrag enthält Informationen über Bedeutung, Syntax, Morphologie und Phonologie. • Syntaktische Merkmale sind wichtig. • Unterschiedliche syntaktische Konstruktionen erfordern unterschiedliche Ergänzung- en. • Die Beziehung zwischen Bedeutung, Syntax, Morphologie und Phonologie können im folgenden Schaubild verdeutlicht werden:
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10 5.2. Beziehungen zwischen Lexikoneinträgen • Man unterscheidet unterschiedliche Theorien zur sematischen Ordnung. • Hier wird davon ausgegangen, dass semantische Merkmale eine Hierarchie bilden.
11 5.2.1. Semantische Beziehungen Folgende Beziehungen spielen bei der Speicherung eine Rolle: • Die wichtigsten Ordnungsbegriffe sind Unterbegriffe (Hyponym) und Oberbegriffe (Hypernym). • Benachbarte Unterbegriffe (Kohyponyme) • Synonyme • Antonyme • Ganzes – Teil • Implikationen
12 5.2.2. Morphologische Verwandtschaft • Vermutlich bilden Wortstämme und die daraus abgeleiteten Wörter ein Verbundsystem. 5.2.3. Phonologische Verwandtschaft • Hinweis auf ein phonologisches Ordnungsprinzip. • Zielwort und Fehler beinhalten häufig bestimmte Phoneme. 5.2.4. Ordnung nach syntaktischen Kritierien • Ein Hinweis dafür sind ganz unterschiedliche aphasische Störungen.
13 6. Assoziative Beziehungen • Als weiteres Ordnungsprinzip gilt die assoziative Speicherung. • Assoziative Beziehungen können sehr komplex sein. • Es gibt bei den Antworten gewisse Rangfolgen. • Das Assoziationsverhalten zu Beginn der 60er Jahre • Assoziationsexperimente mit amerikanischen Versuchspersonen • Veränderung sprachlicher Reaktionsmuster • Stachowiak konnte 1979 zeigen, dass sprachlich-strukturelle Aspekte bei der Entste- hung von Paraphrasien vorherrschen.
Aktivierung des mentalen Lexikons: - erst eine Reihe von Schritten führt zum gesuchtem Eintrag - geschieht bei allen Aufgaben die Wörter implizieren - geschieht sowohl bei rezeptiven als auch produktiven Aufgaben
Modalitäten: - Benennen von Bildern oder Gegenständen - Lesen von Wörtern und Pseudowörtern - Verstehen gesprochener Wörter/Erkennen von Pseudowörtern - Nachsprechen von Wörtern/Pseudowörtern - Schreiben von Wörtern
Benennen von Bildern oder Gegenständen: - Der Gegenstand wird wahrgenommen - Der Gegenstand wird unabhängig von seiner Perspektive als Exemplar einer bestimmten Kategorie erkann (hier werden verschiedene Arten von dem Gegenstand erkannt und eingeordnet) - Das vorsprachliche Konzept wird entwickelt - Die semantischen Merkmale in dem mentalen Lexikon werden aktiviert (semantischen Merkmale sind keine Wörter) - Die formalen Merkmale der Wörter werden aktiviert - Die artikulatorischen Bewegungen werden geplant - Artikulation
Lesen von Wörtern und Pseudowörtern: - Visuell vorgegebene Zeichen werden als sprachlich/nichtsprachlich identifiziert - Die Zeichenfolge wird als Wort erkannt (heißt jedoch nicht, dass schon auch die Bedeutung korrekt aktiviert wurde) - Das semantische System wird aktiviert - Die formalen Merkmale der Wörter werden schrittweiße aktiviert (es handelt sich hier um sehr abstrakte Einheiten, die bei der weiteren Verarbeitung immer korrekter werden - Planung der artikulatorischen Bewegungen - Motorische Umsetzung
andere Wege in der visuellen Verarbeitung von Wörtern: Route 2: das gesehene Wort wird als Wort erkannt, ganzheitlich ohne Aktivierung der Semantik wird die Wortform aktiviert (geläufige Produkt oder Eigennamen) Route 3: ein Wort wird nicht als Wort erkannt, es muss zergliedert werden, anhand von Korrespondenzregeln kommt es zu Graphem-Phonem-Konvertierung
Verstehen gesprochener Wörter und erkennen von Pseudowörtern: - Der auditive Stimulus wird analysiert - Die Phoneme werden unterschieden (schon die Veränderung einen einzigen Merkmales kann zu Bedeutungsveränderung von Wörtern führen) - Die Phonemfolge wird als Wort erkannt (der Hörer muss entscheiden, ob die Phonemfolge ein Wort ist oder nicht) - Das semantische System wird aktiviert
Nachsprechen von Wörtern/Pseudowörtern: Route 1: das gehörte Wort wird als Wort erkannt, die Bedeutung wird abgerufen, die formalen Merkmale werden aktiviert, nachdem die Phoneme ausgewählt und eingeordnet worden sind, kommt es zur Artikulation Route 2: das gehörte Wort wird als Wort erkannt, ohne Beteiligung der Semantik wird die Wortform aktiviert und nach durchlaufen des Arbeitsspeichers erfolgt der Befehl zum aussprechen Route 3: das gehörte Wort wird nicht als Wort erkannt, eine Wortform kann nicht aktiviert werden, daher wird die gehörte Lautfolge unmittelbar in eine gesprochene Lautfolge transformiert und ausgesprochen
Schreiben von Wörtern: Diktatschreiben Route 1: das gehörte Wort wird als Wort erkannt und verstanden, die Schreibweise wird aktiviert, Grapheme werden ausgewählt und eingeordnet, das Wort wird geschrieben Route 2: das Wort wird als Wort erkannt und sofort an das phonologische Lexikon weitergegeben, hier wird die entsprechende Form aktiviert und weiter an das orthographische Lexikon weitergeleitet, dann geht es weiter wie in Route 1. Route 3: es wird nach Gehör eine auditiv wahrgenommene Lautkette in Grapheme übersetzt
Abschreiben Route 1: ein Wort wird als Wort erkannt, die Bedeutung wird aktiviert, das orthographische Lexikon wird aktiviert, das Wort wird geschrieben Route 2: das Wort wird als Wort erkannt und kann ohne Beteiligung der semantischen Verarbeitung durch direkte Aktivierung des orthographischen Ausgangslexikons in Buchstabenfolge umgesetzt werden Route 3: das Wort wird nicht erkannt, die gesehene Buchstabenfolge wird in geschriebene Buchstaben transponiert
Schriftliches Benennen Route 1: nach der Aktivierung des semantischen Systems folgt die Aktivierung des phonologischen Ausgangslexikons, dann die Aktivierung des orthographischen Ausgangslexikons oder des graphematischen Arbeitsspeichers Route 2: nach der Aktivierung des semantischen Systems kommt es direkt zur Aktivierung des orthographischen Ausgangslexikons
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