DAS NEUE BERUFSBILDUNGSGESETZ (BBIG) - HANDOUT FÜR PRÜFERINNEN UND PRÜFER - NETZN
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Das neue Berufsbildungsgesetz (BBiG) Handout für Prüferinnen und Prüfer Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 1
Inhaltsverzeichnis Ziele der Änderung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) 3 Wesentliche Änderungen im BBiG im Überblick 4 Mindestausbildungsvergütung 5 Freistellung von volljährigen Auszubildenden 6 Teilzeitausbildung 7 Rechtsanspruch auf eine Freistellung von Prüferinnen und Prüfern 9 Einführung und Bildung von Prüferdelegationen 10 Abnahme und Bewertung einzelner Prüfungsleistungen durch zwei Prüfende 12 Fallkonstellationen (Widerspruchverfahren) 14 Automatisierte Auswertung von Antwort-Wahlaufgaben 15 Durchlässigkeit bei Ausbildungsberufen 16 Gemeinsame Prüfungsausschüsse in der Fortbildung 17 Neue Abschlussbezeichnungen in der Fortbildung 18 Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 2
Ziel der Änderungen des BBiG Die berufliche Bildung muss sich in Deutschland heute mehr denn je als attraktives Angebot für junge Menschen präsentieren, die häufig die Wahl zwischen einer Berufsausbildung und einem Studium haben. Vorrangiges Ziel der Novelle ist daher die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der dualen beruflichen Bildung bei potentiellen Auszubildenden und Betrieben gleichermaßen. War eine duale Berufsausbildung über Jahrzehnte die häufigste Qualifizierungswahl, so haben hochschulische Angebote sie mittlerweile überholt. Dieser Trend führt neben der allgemeinen demographischen Entwicklung zu einem sich weiter verstärkenden Mangel an beruflich qualifizierten Fachkräften. Eine attraktive berufliche Bildung ist daher auch volkswirtschaftlich unverzichtbar zur Sicherung der zukünftigen Fachkräftebasis. Durch das „Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung“ (BBIMoG) wurde der rechtliche Rahmen für die formalen Regelungen für Prüfungen in der beruflichen Bildung mit Wirkung zum 1. Januar 2020 geändert. Die Bundesregierung verfolgt mit dieser Änderung das Ziel, die duale berufliche Bildung zu modernisieren und zu stärken. Mit jährlich knapp 600.000 Prüfungen in 500 unterschiedlichen Abschlüssen vom Facharbeiter bis zum Meisterniveau ist der vom Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelte Prüfungsbereich der mit weitem Abstand größte Prüfungsbereich der Bundesrepublik. Im BBiG-Bereich sind ausschließlich ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer tätig. Neben steigendem zeitlichem Aufwand führen zunehmende Arbeitsverdichtung, Termindruck und ein sich verschärfender Fachkräftemangel dazu, dass es Betrieben und Berufsschulen immer schwerer fällt, Mitarbeiter im benötigten Umfang für die Prüfertätigkeit freizustellen. Die IHK-Prüfungen sind zudem in den vergangenen Jahren immer aufwändiger geworden insbesondere durch anspruchsvollere Prüfungsverfahren und erhöhten Bewertungsaufwand. Es ist daher wichtig, die zeitliche Belastung für das Ehrenamt auf das prüfungsrechtlich notwendige Maß zu begrenzen. Unnötige Ehrenamtsbelastung führt dazu, dass den Betrieben ohne Not Fachkräfte für die Prüfung entzogen werden oder Fachkräfte aufgrund der hohen zeitlichen Belastung vom Prüferamt Abstand nehmen. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 3
Die wesentlichen Änderungen im Überblick Mindestausbildungsvergütung Freistellung von volljährigen Azubis an Berufsschultage/vor schriftlichen Prüfungen Teilzeitausbildung Rechtsanspruch auf eine Freistellung von Prüferinnen und Prüfern Einführung und Bildung von Prüferdelegationen Abnahme und Bewertung einzelner Prüfungsleistungen durch zwei Prüfende Durchlässigkeit bei Ausbildungsberufen Neue Abschlussbezeichnungen in der Fortbildung Gemeinsame Prüfungsausschüsse in der Fortbildung Automatisierte Auswertung von Antwort-Wahlaufgaben Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 4
Die Mindestausbildungsvergütung (MiAV) - § 17 BBiG Die Mindestausbildungsvergütung gilt erstmals für Berufsausbildungsverträge, die ab dem 01.01.2020 abgeschlossen werden. Für die gesamte Ausbildungsdauer müssen die Mindestvergütungssätze (differenziert nach Ausbildungsjahren) eingehalten werden, die für den Beginn der Ausbildung gelten. Es werden drei Fälle unterschieden: 1. Es gibt einen für das Unternehmen geltenden Tarifvertrag oder einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag: Nach § 17 Abs. 3 BBiG herrscht Tarifvorrang, auch wenn die Mindestausbildungsvergütung unterschritten wird. Die dort festgelegte Vergütung gilt auch nach Ablauf des Tarifvertrages, bis sie durch einen neuen oder ablösenden Tarifvertrag ersetzt wird. 2. Es gibt einen einschlägigen, nicht allgemeinverbindlichen Tarifvertrag (§ 17 Abs.4) (Tarif wird für die Branche herangezogen, es besteht aber keine Tarifbindung): Voraussetzung hierfür ist, dass ein Tarifvertrag eine Ausbildungsvergütung regelt und dieser Tarifvertrag für das Ausbildungsverhältnis unmittelbar gelten würde, wenn das Unternehmen tarifgebunden wäre. Die im Tarifvertrag vorgegebenen Vergütungssätze der Branche dürfen bei Nicht- Tarifgebundenheit maximal um 20 % unterschritten werden. Die Mindestausbildungsvergütung darf dabei nicht unterschritten werden. 3. Kein Tarifvertrag: Liegt weder ein geltender noch ein einschlägiger Tarifvertrag vor, darf die Mindestausbildungsvergütung nach § 17 Abs. 2 BBiG nicht unterschritten werden. 1. Ausbildungsjahr 2. Ausbildungsjahr 3. Ausbildungsjahr 4. Ausbildungsjahr 2020 515 Euro 608 Euro 695 Euro 721 Euro 2021 550 Euro 649 Euro 743 Euro 770 Euro 2022 585 Euro 690 Euro 790 Euro 819 Euro 2023 620 Euro 732 Euro 837 Euro 868 Euro Ab 2024 wird die Höhe der Mindestausbildungsvergütung erst im November eines jeden Jahres für das jeweilige Folgejahr bekannt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bekannt gegeben. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 5
Freistellung von volljährigen Auszubildenden - § 15 BBiG Die bisherigen Regelungen zur Freistellung jugendlicher Azubis für den Berufsschulunterricht wurden aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz in das BBiG nunmehr auch mit Geltung für Volljährige übertragen. Alle Auszubildenden müssen zukünftig in näher bestimmten Umfang für die Teilnahme am Berufsschulunterricht sowie am Arbeitstag vor der schriftlichen Abschlussprüfung unter Anrechnung auf die Ausbildungszeit freigestellt werden. Ausbildungsunternehmen dürfen Auszubildende unabhängig von ihrem Alter nach § 15 BBiG (gleichlautend § 9 JArbSchG) nicht beschäftigen: vor einem vor 9 Uhr beginnenden Unterricht an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche, in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen (zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Stunden wöchentlich sind zulässig) Zusätzlich werden Auszubildende an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht, freigestellt. Auf die Ausbildungszeit werden angerechnet: Berufsschultage mit mehr als 5 Unterrichtsstunden mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit, Berufsschulwochen mit einem Blockunterricht von 25 Stunden mit der durchschnittlichen wöchentlichen Ausbildungszeit, im Übrigen die Unterrichtszeit einschließlich der Pausen. Hinweis: Es wird die durchschnittliche tägliche bzw. wöchentliche Ausbildungszeit angerechnet, unabhängig davon wie sich die Arbeitszeit auf die Arbeitstage verteilt. Verstöße gegen diese Beschäftigungsverbote können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 6
Teilzeitausbildung Vor der Novellierung war die Teilzeitausbildung eine „Ausnahmelösung“ für besondere Lebenslagen. Jetzt ist die Teilzeitberufsausbildung zu einer „Gestaltungsoption“ für die Durchführung von Berufsausbildungen geworden. Für eine Verkürzung der Ausbildungszeit muss kein „berechtigtes Interesse“ mehr nachgewiesen werden. Das neue BBiG schafft eine Öffnung für einen größeren Personenkreis. So ist es zum Beispiel möglich, eine Berufsausbildung neben einer Erwerbstätigkeit zu absolvieren. Auch bei Behinderung und/oder Lernbeeinträchtigungen ist eine Teilzeitausbildung die bessere Wahl. Vorrausetzung ist natürlich das Einverständnis des Ausbildungsbetriebes. Dabei können sich Ausbildungsbetrieb und Auszubildender entweder auf das sogenannte „Komplettmodell“ oder das „Zeitraummodell“ verständigen. Soll heißen: Man verständigt sich gleich zu Beginn der Ausbildung auf eine Teilzeitausbildung (Komplettmodell) oder aber erst während des bereits laufenden Ausbildungsverhältnisses für den noch verbleibenden Ausbildungszeitraum (Zeitraumodell). Ein einseitiger Anspruch eines Auszubildenden auf eine Teilzeitausbildung besteht nicht. Die Ausbildungsdauer verlängert sich entsprechend der Verkürzung der Ausbildungszeit, höchstens jedoch bis zum Eineinhalbfachen der in der Ausbildungsordnung geregelten Ausbildungsdauer. Bitte beachten Sie hierzu Folgendes: Eine inhaltlich mit der Vollzeitausbildung vergleichbare Ausbildung wird durch die zwingend verlängerte Ausbildungsdauer gewährleistet. Die Eintragung kann nun direkt im Berufsausbildungsvertrag erfolgen. Die Berufsausbildung in Teilzeit kann bei Beginn, aber auch nach Ausbildungsbeginn (Komplettmodell vs. Zeitraummodell) durch Vertragsänderung vereinbart werden. Diese Regelung gilt auch für Ausbildungsverträge, die vor dem 01.01.2020 geschlossen wurden Die Kürzung der Ausbildungszeit darf 50 % nicht übersteigen (§ 7a Abs.1 S.3 BBiG). Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 7
Die Dauer der Teilzeitberufsausbildung verlängert sich entsprechend. Höchstens jedoch bis zum Einfachhalben der Dauer, die in der Ausbildungsordnung für die betreffende Berufsausbildung in Vollzeit festgelegt ist (§ 7a Abs. 2 BBiG). Mit den möglichen individuellen Teilzeitmodellen wird zum Ende der Ausbildungszeit nicht immer ein Prüfungstermin erreicht. Der § 7a Abs.3 BBiG sieht für die Auszubildenden deshalb die Möglichkeit vor, die Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zu der nächstmöglichen Prüfung zu verlangen. Eine solche Verlängerung kann nur auf Verlangen des Auszubildenden beantragt werden. Eine Verkürzung der Ausbildungszeit nach § 8 Abs.1 BBiG ist zusätzlich möglich. Bei einer Teilzeitberufsausbildung kann sich die Höhe der Ausbildungsvergütung entsprechend der prozentualen Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit verkürzen Beispiel Teilzeitausbildung bei einer Verkürzung der täglichen Arbeitszeit: Normale Ausbildung Teilzeitausbildung Tägliche Vergütung Dauer der Tägliche Vergütung Dauer der Arbeitszeit: 1. AJ Ausbildung: Arbeitszeit: 1. AJ Ausbildung 8 Stunden 1000 Euro 3 Jahre 6 Stunden 750 Euro 4 Jahre (- 25 %) (- 25 %) (+ 25 %) Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 8
Rechtsanspruch auf eine Freistellung von Prüferinnen und Prüfern Prüfende sind nach dem neu eingefügten § 40 Abs. 6a BBiG von ihrem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Damit wird erstmals eine Regelung zur Freistellung von Prüfenden ins BBiG aufgenommen. An der bisherigen Praxis der Entgeltfortzahlung ändert dies nichts. Wann ist ein Arbeitnehmer als Prüfender von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen? Wenn es zur ordnungsgemäßen Durchführung der ihnen durch das Gesetz zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist und wichtige betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Zur „Erforderlichkeit“: Ein Anspruch auf Freistellung besteht nur insoweit, wie es für die Wahrnehmung der Aufgaben als Prüfender notwendig ist. Das heißt, dass der Arbeitgeber den Prüfenden nur für die Prüfungstermine freistellen muss, für die die zuständige Stelle den Prüfenden zur Prüfung herangezogen hat, und dass auch nur in dem zeitlichen Umfang, der erforderlich ist, um diese Prüfungstermine wahrnehmen zu können. Zu „Vorliegen wichtiger entgegenstehender betrieblicher Gründe“: An das Vorliegen von wichtigen betrieblichen Gründen dürfte derselbe Maßstab anzulegen sein, wie die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ihn bei der Gewährung von Arbeitszeitreduzierungen oder Urlaub entwickelt hat. Der Begriff „wichtige betriebliche Belange“ ist demnach so auszulegen, dass einfache, normale Belange nicht ausreichend sind. Solche einfachen Belange müssen vom Arbeitgeber hingenommen werden. Als wichtige betriebliche Belange kommen zum Beispiel unvorhersehbare und nicht anders abwendbare personelle Engpässe und Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs in Betracht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen wichtiger betrieblicher Gründe trägt der Arbeitgeber. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 9
Einführung und Bildung von Prüferdelegationen Eine wesentliche Änderung im Prüfungsrecht stellt die Einführung von Prüferdelegationen gemäß §§ 39 Abs. 2, 42 Abs. 2 BBiG dar. Die zuständige Stelle (IHK) entscheidet vor Beginn der Prüfung, ob sie Prüferdelegationen bildet, § 42 Abs. 3 S. 1 BBiG. Es wird empfohlen, insoweit eine einmalige Entscheidung zu Beginn jeder Berufungsperiode für jede Abschluss-, Umschulungs- und Fortbildungsprüfung zu treffen. Prüferdelegationen werden im Wesentlichen in der gleichen Art und Weise wie Prüfungsausschüsse berufen. Sie bestehen also aus ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern und sind paritätisch besetzt. Prüfende können nun parallel sowohl in einen Prüfungsausschuss als auch in eine Prüferdelegation als ordentliche oder stellvertretende Mitglieder berufen werden. Es ist erstmals möglich, dass bei einer Prüfung neben dem Prüfungsausschuss zusätzlich auch eine oder mehrere Prüferdelegation(en) für die Abnahme und Bewertung von Prüfungsleistungen zum Einsatz kommen können. Dadurch ist es möglich, Prüfende, die in einem Prüfungsausschuss beispielsweise als stellvertretende Mitglieder berufen sind, zusätzlich zu dieser Funktion in einer Prüferdelegation als ordentliches oder stellvertretendes Mitglied einzusetzen. In dieser Konstellation prüft das stellvertretende Prüfungsausschussmitglied nicht in seiner Funktion als stellvertretendes Mitglied des Prüfungsausschusses, sondern in seiner Funktion als ordentliches Mitglied in der Prüferdelegation. Anders als bei Prüfungsausschüssen können in Prüferdelegationen allerdings auch Personen berufen werden, die fachlich nicht das gesamte Spektrum der Prüfungsinhalte abdecken, sondern nur für ein oder mehrere Prüf- oder Fachgebiete sachkundig sind. Einsatz von Prüferdelegationen Werden eine oder mehrere Prüferdelegationen gebildet, kann die zuständige Stelle im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Abnahme und abschließende Bewertung einzelner oder auch aller Prüfungsleistungen auf die Delegation/en übertragen, § 42 Abs.2 BBiG. Das Ergebnis der Bewertungen der Prüferdelegation(en) ist vom Prüfungsausschuss zu übernehmen. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 10
Der Prüfungsausschuss beschließt über: die Noten zur Bewertung derjenigen Prüfungsleistungen, die er selbst abgenommen hat die Noten zur Bewertung der Prüfung insgesamt sowie das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung Beispiel: Einsatz von Prüferdelegationen: Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 11
Abnahme und Bewertung einzelner Prüfungsleistungen durch zwei Prüfende Sowohl der Prüfungsausschuss als auch die Prüferdelegation können einvernehmlich die Abnahme und abschließende Bewertung von schriftlichen und sonstigen nicht flüchtigen Prüfungsleistungen auf zwei seiner/ihrer Mitglieder delegieren, § 42 Abs. 5 BBiG. Nicht erlaubt ist die Übertragung auf zwei Prüfende bei mündlichen Prüfungen und bei solchen praktischen Prüfungen, bei denen nicht lediglich das Ergebnis, sondern auch der Prozess bewertet wird. Dies bedeutet, dass mündliche und sonstige flüchtige Prüfungsleistungen (zum Beispiel praktische Prüfungsleistung mit situativem Fachgespräch) nach wie vor durch alle Mitglieder des Prüfungsausschusses oder der Prüferdelegation abgenommen und bewertet werden müssen. Weichen die Bewertungen der zwei Mitglieder um nicht mehr als 10 Prozent der erreichbaren Punkte voneinander ab, so wird die endgültige Bewertung aus dem Durchschnitt der beiden Bewertungen gebildet. Bei einer größeren Abweichung erfolgt die endgültige Bewertung durch ein vorab bestimmtes weiteres Mitglied des Prüfungsausschusses bzw. der Prüferdelegation. Das Ergebnis dieser abschließenden Bewertung wird vom Prüfungsausschuss ohne weitere Prüfung übernommen, ohne dass es dafür eines Beschlusses im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BBiG bedarf. Im Hinblick auf die Möglichkeit, nicht flüchtige Prüfungsleistungen von zwei Prüfenden nunmehr abschließend abnehmen und bewerten zu lassen, entfällt die bis 31.12.2019 gültige Möglichkeit, zur Vorbereitung der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses über die Noten einzelner Prüfungsleistungen, der Prüfung insgesamt sowie über das Bestehen und Nichtbestehen der Abschlussprüfung zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses mit der Bewertung einzelner nicht mündlich zu erbringender Prüfungsleistungen zu beauftragen. Das sogenannte Berichterstatterprinzip (§ 42 Abs. 2 und 3 BBiG alt) findet somit seit 01.01.2020 keine Anwendung mehr. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 12
Beispiel: Übertragung auf zwei Mitglieder: Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 13
Widerspruchsverfahren Für die Überprüfung von Bewertungen im Rahmen des Überdenkungsverfahrens sind diejenigen Prüfenden zuständig, die die betreffenden Prüfungsleistungen bewertet haben. Fünf Fallkonstellationen sind denkbar: Abnahme und Bewertung Überdenkungsverfahren Aufgabe des durch durch Prüfungsausschusses kompletter Prüfungsausschuss jedes einzelne Mitglied des Beschlussfassung des Prüfungsausschusses Ergebnisses im Überdenkungsverfahren plus Bestehen oder Nichtbestehen der Abschlussprüfung zwei Mitglieder des dieselben zwei Mitglieder des Beschlussfassung der im Prüfungsausschusses Prüfungsausschusses Überdenkungsverfahren festgestellten Bewertung der zwei Mitglieder plus Bestehen oder Nichtbestehen der Abschlussprüfung weiteres Mitglied bei selbiges weiteres Mitglied bei Beschlussfassung der im Abweichung > 10 % Abweichung > 10 % Überdenkungsverfahren festgestellten Bewertung des weiteren Mitgliedes plus Bestehen oder Nichtbestehen der Abschlussprüfung komplette Prüferdelegation jedes einzelne Mitglied der Beschlussfassung der im Prüferdelegation plus Überdenkungsverfahren Beschlussfassung des festgestellten Bewertung plus Ergebnisses im Bestehen oder Nichtbestehen Überdenkungsverfahren der Abschlussprüfung zwei Mitglieder der dieselben zwei Mitglieder der Beschlussfassung der im Prüferdelegation Prüferdelegation Überdenkungsverfahren festgestellten Bewertung der zwei Mitglieder plus Bestehen oder Nichtbestehen der Abschlussprüfung Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 14
Einführung der Möglichkeit einer automatisierten Auswertung von Antwort-Wahlaufgaben Das BBiMoG sieht im § 42 Abs. 4 BBiG eine neue Regelung vor, die es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die Bewertung von Prüfungsleistungen, die im Rahmen des Antwort-Wahl-Verfahrens erbracht wurden, nicht durch Prüfende, sondern mittels entsprechender Software automatisch auszuwerten. Entlastet wird der Prüfungsausschuss durch die Übernahme der Ergebnisse automatisiert ausgewerteter Antwort-Wahl-Aufgaben, sofern diese Aufgaben von einem paritätisch besetzten Aufgabenerstellungs- oder Aufgabenauswahlgremium erstellt worden sind und dieses Gremium festgelegt hat, welche Antworten als zutreffend anerkannt werden. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 15
Durchlässigkeit bei Ausbildungsberufen - § 5 BBiG Ein durchlässiges Bildungssystem ermöglicht einerseits den Aufstieg, zum Beispiel zwischen beruflicher Ausbildung und Hochschulstudium (vertikale Durchlässigkeit) und andererseits den Wechsel auf gleicher fachlicher und formaler Ebene, etwa in ein anderes Bundesland oder europäisches Land (horizontale Durchlässigkeit). Mit der Novellierung des BBiG wurde nunmehr auch eine Durchlässigkeit bei zwei- und drei- bzw. dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen geschaffen. In § 5 Abs. 2 a BBiG geht es um die Zuerkennung des Berufsabschlusses eines korrespondierenden zweijährigen Berufes bei Nichtbestehen eines drei- oder dreieinhalbjährigen Berufe auf Basis des Teil 1 der Abschlussprüfung. Voraussetzungen sind, dass die Abschlussprüfung des drei- oder dreieinhalbjährigen Berufes nicht bestanden wurde (Misserfolgsmodell). Dies geschieht ausschließlich auf Antrag des Prüflings. Ferner ist in § 5 Abs. 2 b BBiG die gesetzliche Befreiung vom ersten Teil der gestreckten Abschlussprüfung oder der Zwischenprüfung bei einem drei- oder dreieinhalbjährigen Beruf bei Bestehen der Abschlussprüfung in einem zweijährigen Beruf, auf den der drei- oder dreieinhalbjährig Beruf aufbaut, vorgesehen (Erfolgsmodell). Voraussetzung hierfür ist der erfolgreiche Abschluss eines zweijährigen Ausbildungsberufes. Diese Vorschriften können aber erst dann Anwendung finden, wenn sie in der Ausbildungsordnung des jeweiligen Berufes verankert sind. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 16
Errichtung gemeinsamer Prüfungsausschüsse in der Fortbildung - § 39 BBiG Bei der Durchführung von Prüfungen im Bereich der beruflichen Fortbildung besteht ebenfalls die Möglichkeit, bei Bedarf gemeinsame Prüfungsausschüsse zu errichten. § 56 Abs. 1 BBiG verweist auf § 39 Abs. 1 Satz 2 BBiG: Mehrere zuständige Stellen können bei einer von ihnen gemeinsame Prüfungsausschüsse errichten. Dies war bisher nur bei Ausbildungsprüfungen der Fall. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 17
Neue Abschlussbezeichnungen in der Fortbildung Mit dem Inkrafttreten des neuen BBiG wird nicht nur die bisherige Bezeichnung „Aufstiegsfortbildung“ durch die neue gesetzliche Bezeichnung „höherqualifizierende Berufsbildung“ ersetzt, es sind auch neue Fortbildungsstufen ins Leben gerufen worden. Diese sollen eine Erweiterung der beruflichen Handlungsfähigkeit des beruflichen Aufstiegs ermöglichen. In der Regel schließen diese Fortbildungsmaßnahmen mit einer öffentlich- rechtlichen oder zumindest mit einer staatlich anerkannten Prüfung ab. Der Begriff „Anpassungsfortbildung“ für Qualifizierungen zum Erhalt oder zur Anpassung der beruflichen Handlungsfähigkeit bleibt hingegen erhalten. Bei der höherqualifizierenden Berufsbildung wurden drei Fortbildungsstufen gesetzlich festgelegt. Bei einer bundesweiten Anerkennung eines Abschlusses durch Rechtsverordnung wird künftig – je nach Stufe – die einheitliche und eigenständige Abschlussbezeichnung „Geprüfter Berufsspezialist für …“, „Bachelor Professional in…“ oder „Master Professional in …“ vergeben: Mit der Einführung der neuen Abschlussbezeichnungen hat der Gesetzgeber auch einen Titelschutz verbunden. Das unbefugte Führen einer Abschlussbezeichnung der beruflichen fortbildungsstufen ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Handout für Prüfer Sonderausgabe 2020 – Stand: 7.Dezember 2020 – Al. - S. 18
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