DAS NEUE URHEBER-RECHT IM DIGITALEN BINNENMARKT - als Gegenstand der Urheberrechtsrichtlinie EU 2019/790 - JKU ePUB

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Eingereicht von
                                        Kathrin Anna Brückl

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Europarecht

DAS NEUE URHEBER-
                                        Beurteiler
                                        Univ.-Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

RECHT IM DIGITALEN                      November 2020

BINNENMARKT
als Gegenstand der
Urheberrechtsrichtlinie EU 2019/790

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt
bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument iden-
tisch.

St. Martin im Innkreis, 26.11.2020

Geschlechterneutrale Formulierung:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechterspezifische Differenzie-
rung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätz-
lich gleichermaßen für beide Geschlechter.

                                                                                       2
Inhalt

I.    Einleitung ................................................................................................................... 5

II.   Gesetzgebungsprozess ............................................................................................. 5

III. Zentrale Inhalte der Richtlinie .................................................................................... 6

      A. Neue freie Werknutzung ..................................................................................... 6

           1.     Text und Data Mining Ausnahme (Art 3 und 4 DSM-RL) .............................. 6

                a) Regelungsüberblick.................................................................................. 7

                b) Rechtfertigung der Ausnahme ................................................................. 8

           2.     Digitale und grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten (Art 5
                  DSM-RL) ....................................................................................................... 9

           3.     Erhaltung des Kulturerbes (Art 6 DSM-RL) ................................................... 9

      B. Maßnahmen zur Verbesserung der Lizenzierungspraxis und zur Gewährleistung
            eines breiteren Zuganges ................................................................................. 10

           1.     Vergriffene Werke und sonstige Schutzgegenstände (Art 8 – Art 11 DSM-
                  RL) .............................................................................................................. 10

           2.     Kollektive Lizenzvergabe (Art 12 DSM-RL) ................................................. 12

           3.     Verhandlungsmechanismus für die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit
                  audiovisueller Werke über Videoabrufdienste (Art 12 DSM-RL) ................. 13

           4.     gemeinfreie Werke der bildenden Kunst (Art 14 DSM-RL) .......................... 13

                a) Inhalt der Regelung ................................................................................ 13

                b) Zweck der Regelung .............................................................................. 14

      C. Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für den Urheberrechtsschutz ......... 15

           1.     Schutz von Presseveröffentlichungen (Art 15 DSM-RL) ............................. 15

                a) Inhalt des Leistungsschutzrechtes ......................................................... 15

                b) Auswirkungen des Leistungsschutzrechtes ........................................... 17

           2.     Gerechter Ausgleich im Zusammenhang mit Verlegerbeteiligungen (Art 16
                  DSM-RL) ..................................................................................................... 18

           3.     Nutzung geschützter Inhalte durch Online-Dienste (Art 17 DSM-RL) ......... 19

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a) Anwendungsbereich............................................................................... 19

               (1) Diensteanbieter ................................................................................. 19

               (2) Ausnahmetatbestände ...................................................................... 21

          b) Regelungsinhalt ..................................................................................... 22

               (1) Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder öffentlichen
                    Zugänglichmachung ......................................................................... 22

               (2) Lizenzierungspflicht .......................................................................... 22

               (3) Die neue Haftung der Plattformbetreiber .......................................... 23

                    i. Einholung der Erlaubnis der Rechteinhaber (Art 17 Abs 4 lit a
                        DSM-RL)....................................................................................... 23

                    ii. Keine Verfügbarkeit von hochgeladenen, urheberrechtswidrigen
                        Inhalten (Art 17 Abs 4 lit b DSM-RL) ............................................ 24

                    iii. „notice and take down“ bzw „stay down“ (Art 17 Abs 4 lit c DSM-
                        RL) ................................................................................................ 26

               (4) Start-Ups (Art 17 Abs 6 DSM-RL) ..................................................... 26

               (5) Overblocking (Art 17 Abs 7 DSM-RL) ............................................... 27

               (6) Beschwerdeverfahren (Art 17 Abs 9 DSM-RL) ................................. 28

     4.    Urhebervertragsrecht .................................................................................. 29

          a) Angemessene und verhältnismäßige Vergütung (Art 18 DSM-RL) ........ 29

          b) Transparenzpflicht (Art 19 DSM-RL) ...................................................... 30

          c)    Vertragsanpassungsmechanismus (Art 20 DSM-RL)............................. 32

          d) Streitbeilegungsverfahren (Art 21 DSM-RL)........................................... 33

          e) Widerrufsrecht (Art 22 DSM-RL) ............................................................ 34

Literaturverzeichnis.................................................................................................. 36

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I. Einleitung

Das Zeitalter der digitalen Wissensgesellschaft ist erreicht, denn das Wissen ist schnell,
einfach verfügbar und auch nicht mehr standortgebunden. Durch diese Weiterentwicklung
haben nun viel mehr Menschen Zugriff auf das Wissen und sie können es wahrnehmen,
weiterverarbeiten oder teilen. Grundsätzlich werden Konflikte zwischen dem Zugang zu
den geistigen Werken und deren Kontrolle durch den Eigentümer durch das Urheberrecht
geregelt. Aufgrund der Entwicklung zu einer digitalen Wissensgesellschaft werden solche
Konflikte immer zahlreicher, denn mittlerweile spielt das Urheberrecht auch im Alltag der
Menschen eine große Rolle.1 Aus diesem Grund war es notwendig, dass die Urheber-
rechtsregelungen angepasst werden.

Im April 2019 war dann das langwierige Rechtsetzungsverfahren zur EU-Richtlinie „über
das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt“ zu Ende. 2
Der Mittelpunkt der Richtlinie ist auf die digitale und grenzüberschreitende Nutzung von
Inhalten, die urheberrechtlich geschützt sind, gerichtet. Die Richtlinie, also auch die nach-
folgenden politischen Entscheidungen, die durch die Umsetzung ins nationale Recht ge-
troffen werden müssen, werden einen entscheidenden Einfluss auf die Digitalwirtschaft
zur Folge haben.3

II. Gesetzgebungsprozess

Die ursprüngliche Fassung der DSM-RL stammt von einem Vorschlag der Europäischen
Kommission, welcher im Jahr 2016 verfasst wurde. Diese Fassung wurde während des
langwierigen Gesetzgebungsprozesses erheblich weiterentwickelt und umgeändert. Am
26.03.2019 wurde dann der endgültige Vorschlag, nach etlichen Verhandlungen mit den
Mitgliedstaaten und mit dem Europäischen Parlament, vom Europäischen Parlament an-
genommen.4 Mit 06.06.2019 trat die DSM-RL in Kraft, die bis zum 07.06.2021 von den
Mitgliedstaaten in das nationale Recht umzusetzen ist.5

1
   Vgl Raue, Das Urheberrecht der digitalen Wissen(schaft)sgesellschaft, GRUR 2017, 11.
2  Vgl Gerpott, Artikel 17 der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie: Fluch oder Segen?, MMR 2019, 420.
3 Vgl Steinbrecher, Die EU-Urheberrechtsrichtlinie aus Sicht der Digitalwirtschaft, MMR 2019, 639.
4 Vgl Günther, Die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt - unter besonderer Beachtung der Rege-

lungen betreffend die Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten ("Upload-
filter"), Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 278.
5 Vgl Hofmann, Aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung zum europäischen Urheberrecht von Mai 2018 bis April

2020, EuZW 2020, 397.
                                                                                                                   5
III. Zentrale Inhalte der Richtlinie

A. Neue freie Werknutzung

Unter dem Titel II „Maßnahmen zur Anpassung von Ausnahmen und Beschränkungen an
das digitale und grenzüberschreitende Umfeld“ der DSM-RL findet man die Inhalte freie
Werknutzungen für Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung,
die Nutzung von Werken und Schutzgegenständen für digitale und grenzüberschreitende
Unterrichts- und Lehrtätigkeiten und die Ausnahme für die Erhaltung des Kulturerbes.6

1. Text und Data Mining Ausnahme (Art 3 und 4 DSM-RL)

Unter Text und Data Mining versteht man algorithmusbasierte Analyseverfahren, die zur
Ermittlung von Bedeutungsstrukturen in bestehenden Datensätzen und Texten verwendet
werden. Solche Text-Mining-Programme filtern Zusammenhänge aus Texten heraus, da-
mit dann in weiterer Folge der Benutzer Kerninformationen der verarbeiteten Texte zügig
erfassen kann. Im Bestfall liefert die Software Ergebnisse, von denen die Benutzer keine
Informationen besitzen und auch nicht wissen, dass sie überhaupt in den Texten und Da-
tensätzen enthalten sind.7
Im Grunde genommen ist es eine Form der Datenanalyse, die viele Anwendungsgebiete
besitzt, zB bei Untersuchungen im Pharmaziebereich, bei der medizinischen Forschung
oder auch im Bereich der Geisteswissenschaften.8

Es herrscht große Rechtsunsicherheit bezüglich der urheberrechtlichen Zulässigkeit und
das führt laut empirischen Untersuchungen zu einer geringeren Data-Mining-Aktivität.
Hierbei muss man jedoch beachten, dass nur mithilfe solcher Text und Data Mining Ana-
lysen die mittlerweile immer größer werdenden Datenmengen zu bewältigen sind.9

6 Vgl Richtlinie 2019/790/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht
und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und
2001/29/EG, ABl 2019 L 130, 113.
7 Vgl Text Mining, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Text_Mining&oldid=190936941 (abgerufen: 24.09.2020).
8 Vgl Spindler, Text und Data Mining – urheber- und datenschutzrechtliche Fragen, GRUR 2016, 1112.
9 Vgl Raue, GRUR 2017, 13.
                                                                                                                     6
Viele neue Nutzungen, die durch die weiterentwickelte Digitaltechnik nun möglich sind,
sind von den bisher geltenden Unionsvorschriften oftmals nur fakultativ gestaltet oder
nicht deutlich abgedeckt. Aus diesem Grund sieht die DSM-RL neue Ausnahmen und
Beschränkungen vor.10

a)      Regelungsüberblick

Art 3 sieht eine Regelung für Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen
Forschung vor und Art 4 normiert Ausnahmen und Beschränkungen für anderweitiges
Text und Data Mining. Von Art 4 sind auch private Unternehmen und staatliche Dienste
betroffen, die mithilfe von Text und Data Mining neue Anwendungen und Technologien
entwickeln oder unter Anwendung von Text und Data Mining umfassende unternehmeri-
sche Entscheidungen treffen.11

Mit der Ausnahme in Art 3 werden Vervielfältigungen von urheberrechtlich geschützten
Werken und Entnahmen aus Datenbanken, mit denen zum Zwecke der wissenschaftli-
chen Forschung Text und Data Mining betrieben wird, freigestellt. Hierbei erstreckt sich
der persönliche Anwendungsbereich auf Forschungseinrichtungen. Der inhaltliche An-
wendungsbereich bezieht sich nur auf die Schutzgegenstände, zu denen die Einrichtun-
gen rechtmäßigen Zugang haben.12

Weiters müssen die Kopien, die für die Durchführung von Text und Data Mining angefer-
tigt werden, mit angemessenen Sicherheitsvorkehrungen gespeichert werden. Zu diesen
Ergebnissen dürfen keine Unternehmen Zugang erhalten, die einen bestimmenden Ein-
fluss auf die Organisation oder einen bevorzugten Zugang zu den Ergebnissen der wis-
senschaftlichen Forschung besitzen.13 Die Mining-Ausnahme verzichtet außerdem auf die
Pflicht, eine Quelle anzugeben.

10 Vgl Wandtke, Grundsätze der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, NJW 2019, 1842.
11 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 280.
12 Vgl Raue, GRUR 2017, 13.
13 Vgl Handig, Die neue RL über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, ÖBl 2019, 213.
                                                                                                            7
Des Weiteren wird die Bedeutung der Informationsfreiheit durch Art 3 hervorgehoben.
Den Rechteinhabern wird durch vertragliche Absprachen verwehrt, Handlungen zu be-
schränken oder zu untersagen, die eigentlich durch die Ausnahmeregelung freigestellt
sind. Sie dürfen lediglich Maßnahmen durchführen, die der Sicherheit und Integrität der
Netze und Datenbanken dienen, in denen die Schutzgegenstände und Werke gespeichert
sind. Dabei müssen sie auch darauf achten, dass eine Durchführung des Text und Data
Minings möglich ist.

b) Rechtfertigung der Ausnahme

Das Hauptaugenmerk von Mining-Aktivitäten ist es, neue Informationen aus Texten, Bil-
dern oder anderen Datenquellen hervorzuholen. Dabei werden bestehende Daten mitei-
nander verknüpft. Das Ziel ist es außerdem neue Korrelationen und Trends zu erfassen.
Grundsätzlich ist die Informationsentnahme, die durch einen Menschen aufgrund einer
Analyse von urheberrechtlich geschützten Werken durchgeführt wird, frei. Nur geistige
Schöpfungen sind urheberrechtlich geschützt, dh, dass nicht-schöpferische Informationen
gemeinfrei und nicht vom Urheberrecht erfasst sind. Würden solche Informationen nicht
in die public domain gehören, so würde damit der gesellschaftliche Austausch und Fort-
schritt massiv eingeschränkt werden. Werden Mining-Aktivitäten mithilfe von technischer
Unterstützung vorgenommen, ändert sich die Wertung damit nicht. Meistens befinden sich
die Informationen in urheberrechtlichen Hüllen und nur aus diesem Grund kommt daher
bei automatischen Informationsanalysen das Urheberrecht zum Einsatz. Dabei ist zu be-
achten, dass den Urhebern nur der schöpferische Anteil ihrer Werke zugewiesen ist und
nicht jeder einzelne Wert. Demzufolge wird der Kern des urheberrechtlichen Schutzes
durch das Text und Data Mining nicht berührt. Infolgedessen werden Mining-Aktivitäten
als Ausnahme vom Urheberrecht eingestuft und nicht als Beschränkung.14

14   Vgl Raue, GRUR 2017, 13.
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2. Digitale und grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten (Art 5 DSM-
   RL)

In Art 5 wird die zwingende freie Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen
für die digitale Veranschaulichung des Unterrichts geregelt. Die Nutzung darf nur unter
der Verantwortung einer Bildungseinrichtung in deren Räumlichkeiten oder in einer gesi-
cherten elektronischen Lernumgebung stattfinden. Zu dieser Umgebung dürfen nur die
jeweiligen Schüler, Studierenden und das jeweilige Lehrpersonal Zugang haben. Weiters
ist zu beachten, dass eine Quellenangabe zu erfolgen hat, soweit dies möglich ist. Die
freie Werknutzung ist zudem nur gestattet, wenn dies zur Verfolgung nicht kommerzieller
Zwecke gerechtfertigt ist.15 Das Privileg gilt außerdem auch für einen etwaigen Fernun-
terricht. Dabei ist zu beachten, dass der jeweilige Mitgliedsstaat, in dem die Bildungsein-
richtung ihren Sitz hat, als Erfolgsort der Nutzung gilt.
Unter Bildungseinrichtungen iSd Art 5 werden Primarstufen, Sekundärstufen, Universitä-
ten und Berufsbildungseinrichtungen verstanden.16

Zudem ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Nutzung bestimmter Werke, zB für den Bil-
dungsmarkt vorgesehenes Material oder Notenblätter, von einem Vertragsvorrang abhän-
gig zu machen. Die Voraussetzung dafür ist, dass geeignete Lizenzen, die an die Bedürf-
nisse und Besonderheiten der Bildungseinrichtungen angepasst sind, am Markt leicht zu-
gänglich sind.17
Entstehen dem Rechteinhaber durch die Schranke finanzielle Einbußen, so ist es den
Mitgliedstaaten selbst überlassen, ob sie die Rechteinhaber kompensieren oder nicht.18

3. Erhaltung des Kulturerbes (Art 6 DSM-RL)

Mit Art 6 wird eine bedeutende Schrankenregelung eingeführt. Demnach soll die Verviel-
fältigung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen, die sich dauerhaft in Samm-
lungen von Einrichtungen des Kulturerbes befinden, erlaubt sein. Zu solchen Einrichtun-
gen zählen vor allem Bibliotheken, Museen, Archive sowie Einrichtungen des Film- und
Tonerbes. Der Umfang der Vervielfältigung und die Mittel, Werkzeuge und Techniken, die
dazu verwendet werden, werden durch den Erhaltungszweck bestimmt.19

15 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 281.
16 Vgl Handig, ÖBl 2019/56, 213.
17 Vgl Dreier, Die Schlacht ist geschlagen – ein Überblick, GRUR 2019, 771.
18 Vgl Raue, GRUR 2017, 13.
19 Vgl Wandtke, NJW 2019, 1843.
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Bei der Frage, ob sich Werke und sonstige Schutzgegenstände dauerhaft in der Samm-
lung einer Einrichtung des Kulturerbes befinden, kommt es vor allem darauf an, ob die
Einrichtung Eigentümerin bzw dauerhafte Besitzerin ist. Demnach sind auch Dauerleih-
gaben erfasst.20

B. Maßnahmen zur Verbesserung der Lizenzierungspraxis und zur Gewähr-
   leistung eines breiteren Zuganges

Im Titel III der DSM-RL wird der Zugang zu vergriffenen Werken und sonstigen Schutz-
gegenständen, die kollektive Lizenzvergabe und der Zugang zu audiovisuellen Werken
über Videoabrufdienste geregelt. Darüber hinaus sind noch Regelungen zu den gemein-
freien Werken der bildenden Kunst enthalten.21

1. Vergriffene Werke und sonstige Schutzgegenstände (Art 8 – Art 11 DSM-RL)

Durch Art 8 Abs 1 der DSM-RL können die Mitgliedstaaten festlegen, dass Verwertungs-
gesellschaften mit Einrichtungen des Kulturerbes nicht ausschließliche Lizenzvereinba-
rungen für nicht-kommerzielle Zwecke vereinbaren können. Eine solche Vereinbarung
umfasst die Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und den öffentlichen
Zugang zu den vergriffenen Werken und sonstigen Schutzgegenständen.22

Nach Abs 5 ist ein Werk vergriffen, wenn sich nach Treu und Glauben annehmen lässt,
dass das ganze Werk oder der gesamte Schutzgegenstand für die Öffentlichkeit durch
einen üblichen Vertriebsweg nicht verfügbar ist. Um dies zu prüfen, muss zuvor ein ver-
tretbarer Aufwand dafür betrieben werden. Gem Erwägungsgrund (ErwGr) 38 ist es aus-
reichend, dass durch Stichproben bestimmt wird, ob Werke oder sonstige Schutzgegen-
stände als vergriffen gelten. Die bloße theoretische Möglichkeit eine Lizenz erhalten zu
können, gilt dabei ausdrücklich nicht als öffentliche Verfügbarkeit.
Gem Art 8 Abs 2 DSM-RL wird den Einrichtungen des Kulturerbes gestattet, einen Zugang
für die freie Werknutzung von vergriffenen Schutzgegenständen für nicht-kommerzielle
Zwecke zu schaffen. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass sich diese Schutzgegen-

20 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 283.
21 Vgl DSM-RL 2019/790/EU,115 ff.
22 Vgl Henke, Europäische Regelungen über die Nutzung vergriffener Werke, ZUM 2019, 403.
                                                                                           10
stände dauerhaft in ihren Sammlungen befinden. Zum anderen darf eine Verwertungsge-
sellschaft, mit der nach Abs 1 eine Lizenzvereinbarung vereinbart werden kann, ebenfalls
nicht existieren.

Nach Art 8 Abs 2 lit a und b DSM-RL ist diese freie Werknutzung nur gestattet, sofern der
Name des Urhebers bzw eines anderen identifizierbaren Rechteinhabers bezeichnet wird,
außer dies ist unmöglich. Des Weiteren dürfen diese Werke und sonstige Schutzgegen-
stände nicht auf nicht-kommerziellen Websites zugänglich gemacht werden.23
Zudem muss gem Abs 4 den Rechteinhabern die Möglichkeit bestehen, dass sie ihre
Werke und sonstigen Schutzgegenstände vom Lizenzvergabeverfahren (Abs 1) oder von
der Anwendung der Ausnahme oder Beschränkung (Abs 2) ausschließen können und das
auch nach einem Abschluss einer Lizenzvereinbarung. Dies soll jederzeit einfach und
wirksam möglich sein.24
Eine praktische Sicherstellung dieses Rechts erfolgt durch Art 10. Demnach wird für die
Rechteinhaber ein Online-Portal, in dem Informationen über die Nutzung von Werken im
Zusammenhang mit der freien Werknutzung und Lizenzvergabe öffentlichen Zugang ha-
ben, geschaffen. Eingerichtet und verwaltet wird dieses Portal vom Amt der Europäischen
Union für geistiges Eigentum (EUIPO).25

Darüber hinaus liegt es im Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten, weitere innerstaat-
liche Maßnahmen zu ergreifen, damit die Rechteinhaber im Hinblick auf die Fähigkeiten
von Verwertungsgesellschaften Lizenzen zu erteilen, informiert werden können.

Weiters sollen die Rechteinhaber Informationen über erteilte Lizenzen, über die Nutzung
im Rahmen der Ausnahme oder der Beschränkung und über die ihnen zustehenden Aus-
schlussrechte erhalten.26 Diese Informationsmaßnahmen erstrecken sich auch auf andere
Mitgliedstaaten und Drittländer, wenn es Hinweise im Ursprung der Werke oder sonstigen
Schutzgegenstände gibt, dass die Rechteinhaber in diesen Ländern besser informiert
werden könnten.27

23 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 283 f.
24 Vgl Recht, Vergriffene Werke und sonstige Schutzgegenstände , ipCompetence 2019 H 22, 17.
25 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 284.
26 Vgl Recht, ipCompetence 2019 H 22, 22.
27 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 116.
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2. Kollektive Lizenzvergabe (Art 12 DSM-RL)

Grundsätzlich ist nur mit Zustimmung des Urhebers bzw Rechteinhabers die Nutzung ur-
heberrechtlich geschützter Werke zulässig, abgesehen von der freien Werknutzung. Je-
doch ist in vielen Bereichen eine direkte Lizenzvergabe untunlich bzw nicht zu bewerk-
stelligen. Ein Radiosender zB hat kein besonderes Interesse, dass er jeden Tag große
Mengen an Künstlern kontaktiert, um mit ihnen Lizenzverträge zu vereinbaren. Aus die-
sem Grund stellt man in diesen Bereichen auf eine kollektive Lizenzvergabe, zB über eine
Verwertungsgesellschaft, ab.28
Art 12 bietet den Mitgliedstaaten eine Option an. So können sie vorsehen, dass die kol-
lektiven Lizenzen, die durch die Verwertungsgesellschaften vergeben werden, eine erwei-
terte Wirkung entfalten. Diese Wirkung ist aber auf das Hoheitsgebiet des etwaigen Mit-
gliedstaates beschränkt.29

Durch die RL wird ausreichend repräsentativen Verwertungsgesellschaften ermöglicht,
dass sie die Rechte jener Rechteinhaber wahrnehmen, die ihnen ihre Rechte überhaupt
nicht abgetreten haben. Diese Regelung gilt aber nur in bestimmen Bereichen, in denen
eine Einholung der Erlaubnis der Rechteinhaber beschwerlich und praxisfern ist. Als
Grundlage für die Regelung kann eine gesetzliche Berechtigung oder eine entsprechende
Vermutung herangezogen werden, dass die Rechte der Verwertungsgesellschaft einge-
räumt wurden.30

Weiters müssen die Verwertungsgesellschaften im entsprechenden Sektor ausreichend
repräsentativ sein und die Gleichbehandlung aller Rechteinhaber gewährleisten, die Li-
zenzbedingungen sind hierbei ebenfalls miteingeschlossen. Unter ausreichend repräsen-
tativ wird vor allem verstanden, dass sie eine große Anzahl an Mandaten von Rechtein-
habern bekommen haben.31

Die Mitgliedstaaten müssen angemessene Informationsmaßnahmen ergreifen, damit die
Rechteinhaber ausreichend über die Regelung der Lizenzvergabe aufgeklärt sind.32

28 Vgl Hofmarcher, Extended Collective License , ipCompetence 2020 H 23, 30.
29 Vgl de la Durantaye, Weit und kollektiv – Vergriffene Werke und kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung
nach der DSM-RL, GRUR 2020, 7.
30 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 117.
31 Vgl de la Durantaye, GRUR 2020, 8.
32 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 117.
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Allenfalls ist zu beachten, dass die Rechteinhaber ihre Werke und sonstigen Schutzge-
genstände jederzeit von dem Lizenzvergabeverfahren ausschließen können.33

Für eine zwingende kollektive Rechtewahrnehmung kommt Art 12 nicht zur Anwendung.34

3. Verhandlungsmechanismus für die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit audiovi-
   sueller Werke über Videoabrufdienste (Art 12 DSM-RL)

Diese Regelung der Richtlinie soll die Lizenzierung für die Zugänglichmachung audiovi-
sueller Werke über Videoabrufdienst erleichtern. Etwaige Details werden in Art 12 aber
vermisst. Es werden lediglich unparteiische Instanzen und Mediatoren erwähnt, die die
Parteien bei den Verhandlungen, die den Abschluss einer Vereinbarung bezüglich der
Zugänglichkeit und Verfügbarkeit audiovisueller Werke betreffen, unterstützen sollen.35
Die Mediatoren sollen dabei zur Erzielung einer Vereinbarung beitragen und es dürfen
von ihnen auch Vorschläge übermittelt werden.36

4. gemeinfreie Werke der bildenden Kunst (Art 14 DSM-RL)

a) Inhalt der Regelung

Mit der Regelung des Art 14 wird vorgesehen, dass nach dem Ablauf der Schutzdauer
eines Werkes der bildenden Kunst, Material, das durch etwaige Vervielfältigungshandlun-
gen erstellt worden ist, nicht mehr urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte
geschützt ist. Material, das eine eigene geistige Schöpfung darstellt, ist davon aber aus-
genommen.37

Unter einer geistigen Schöpfung iSd Art 14 wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk
verstanden. Das können zB Zeichnungen, Lichtbildwerke, Lichtbilder, Filmwerke etc sein.
Dies lässt sich vor allem aus der englischen Fassung der DSM-RL herleiten.

33 Vgl Handig, ÖBl 2019/56, 214.
34 Vgl Wandtke, NJW 2019, 1844.
35 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 285 f.
36 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 118.
37 Vgl Schulze, Fotos von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst, GRUR 2019, 780.
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In der praktischen Anwendung wird großteils die Frage aufkommen, welche Werke der
bildenden Kunst Werke iSd Urheberrechts sind und welche Vervielfältigungen nicht unter
den europäischen Werkbegriff fallen.

Fotografen besitzen bei ihrer Arbeit viel Gestaltungsfreiheit, dh sie treffen ständig kreative
Entscheidungen, zB über die Beleuchtung, Belichtungszeit etc. Durch diese Entscheidun-
gen werden den Fotografien Originalität zugeschrieben, denn sie besitzen dadurch eine
persönliche Note. Demnach werden diese Lichtbildwerke einen urheberrechtlichen
Schutz aufweisen.
Einer der wenigen Anwendungsfälle des Art 14 werden Scans von Drucken oder Stichen
sein, denn diesen kommt keine Werkqualität zu, da bei ihnen eine fast vollständige De-
termination der Parameter durch technische oder archivarische Vorgaben besteht.38

b) Zweck der Regelung

Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Verbreitung originaltreuer Reproduktionsfoto-
grafien von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst bedeutend für die kulturelle Förde-
rung ist. Weiters wird durch solche Fotografien der Zugang zur Kultur und zum kulturellen
Erbe gefördert.

Die Richtlinie will den bestehenden Widerspruch zwischen der Gemeinfreiheit von Wer-
ken der bildenden Kunst und dem Schutz der Reproduktionsfotografien beseitigen – sie
will einen Ausgleich schaffen.

Die Bestimmung will außerdem Rechtssicherheit schaffen, denn die nationalen Bestim-
mungen über die Urheberrechte zum Schutz von Reproduktionsfotografien sind in den
einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt. Zudem wird die grenzüberschrei-
tende Verbreitung von solchen Fotografien gefördert.39

38   Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 286.
39   Vgl Homar, Fotografien gemeinfreier Werke der bildenden Kunst , ipCompetence 2019 H 22, 10.
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C. Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für den Urheberrechtsschutz

Unter dem Titel IV der DSM-RL findet man Regelungen, die Maßnahmen für einen funk-
tionsfähigen Markt in Bezug auf den Urheberrechtsschutz schaffen wollen. Es wird ein
Leistungsschutzrecht für Presseverlage, ein gerechter Ausgleich sowie eine besondere
Verantwortlichkeit für Online-Plattformen angeführt.40

1. Schutz von Presseveröffentlichungen (Art 15 DSM-RL)

a) Inhalt des Leistungsschutzrechtes

Mit dem Art 15 der DSM-RL wird ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverleger mit
dem Ziel eingeführt, dass der Qualitätsjournalismus und der Zugang zu Informationen für
die Menschen gesichert werden.41
Dieses Leistungsschutzrecht beinhaltet ein ausschließliches Nutzungsrecht bezüglich der
Schaffung eines öffentlichen Zugangs und der Vervielfältigung von Presseveröffentlichun-
gen im Hinblick auf die Online-Nutzung. Der Schutz beginnt mit der Veröffentlichung und
endet nach zwei Jahren.42

Für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage gelten die Schrankenregelungen der Art
3 bis Art 6 DSM-RL zwingend.43

In Art 2 Z 4 der DSM-RL wird der Begriff der Presseveröffentlichungen definiert. Demnach
fallen unter diesen Begriff Sammlungen, deren Inhalt zum großen Teil aus literarischen
Werken journalistischer Art besteht und unter redaktioneller Aufsicht und Verantwortung
veröffentlicht werden.44 Darunter sind vor allem Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichten-
websites gemeint. Der Inhalt kann aus Fotografien, Textbeiträgen oder auch Videos be-
stehen.45 Ausgeschlossen sind wissenschaftliche und akademische Periodika, wie zB

40 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 119 ff.
41 Vgl Grünberger, Die Entwicklung des Urheberrechts im Jahr 2019, ZUM 2020, 175.
42 Vgl Steinbrecher, MMR 2019, 639.
43 Vgl Stieper, Der Leistungsschutz für Presseverleger zwischen Anwendungsverbot und Richtlinienumsetzung,

GRUR 2019, 1269.
44 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 288; Wandtke, NJW 2019, 1844.

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Wissenschaftsjournale.46 Auch Berichtserstattungen via Fernsehen oder Online-Video-
plattformen oder diverse Angebote von Streamingdiensten werden von der Definition nicht
erfasst und das Leistungsschutzrecht hat für diese Bereiche keine Geltung.47
Weiters findet das Leistungsschutzrecht keine Anwendung auf die Nutzung von Presse-
veröffentlichungen für private oder nicht-kommerzielle Zwecke und auf das Setzen von
Hyperlinks.48 Unter Hyperlink versteht man einen Querverweis in einem Text, der es er-
möglicht, auf ein anderes elektronisches Dokument zu springen oder auf andere Stellen
innerhalb desselben Dokuments.49 Auch für Internetseiten wie zB Blogs, die nicht unter
redaktioneller Aufsicht und Verantwortung stehen, wird der Schutz nicht angewandt.50 Die
Nutzung kurzer Auszüge oder einzelner Wörter von Presseveröffentlichungen sind eben-
falls ausgenommen.51

Art 15 Abs 5 enthält den Grundsatz für eine Vergütung der Urheber. Demnach sollen sie
einen entsprechenden Anteil der Einnahmen für die Nutzung ihrer Presseveröffentlichun-
gen bekommen, die die Presseverlage von den Diensteanbietern der Informationsgesell-
schaft erhalten.52 Bei dem Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ verweist Art 2 Z 5
DSM-RL auf Art 1 Abs 1 lit b der Richtlinie (EU) 2015/1535.53 Demnach handelt es sich
um eine Dienstleistung, die für gewöhnlich gegen Entgelt im Fernabsatz elektronisch oder
auf Abruf eines Empfängers erbracht wird.54 Dieser Begriff ist sehr umfangreich. Dienst-
leistungen von Suchmaschinenbetreibern, die aufgrund einer kurzen Dateneingabe Text-
ausschnitte aus Artikeln der Presse liefern, lassen sich aber problemlos darunter subsu-
mieren.55 Content-Plattformen wie zB Instagram, Youtube, Facebook etc fallen ebenfalls
darunter.56

46 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 113.
47 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 289.
48 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 118.
49 Vgl Hyperlink, https://de.wikipedia.org/wiki/Hyperlink (abgerufen: 26.10.2020).
50 Vgl Wandtke, NJW 2019, 1844.
51 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 118.
52
   Vgl Wandtke, NJW 2019, 1844.
53 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 113.
54 Vgl Richtlinie 2015/1535/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Infor-

mationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informations-
gesellschaft, ABl 2015 L 241, 3.
55 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 289.
56 Vgl Stieper, Totgesagte leben länger – Die Wiederauferstehung des Presseverleger-Leistungsschutzes, ZUM 2020,

168.
                                                                                                                 16
Nach Art 15 Abs 2 DSM-RL dürfen die Rechte der Presseverlage die Rechte der Urheber
und sonstigen Rechteinhaber nicht beeinträchtigen oder berühren. Dies hat auch nach
Ablauf der Schutzfrist Geltung.57 Weiters dürfen diese Rechte nicht für die Untersagung
der Nutzung von gemeinfreien Schutzgegenständen verwendet werden. Wenn zB ein
Presseverlag in einer Zeitung Textstücke aus einem gemeinfreien Werk veröffentlicht,
dann darf der Verlag die Nutzung dieser Auszüge auf Grundlage des Art 15 Abs 1 DSM-
RL nicht untersagen.58

b) Auswirkungen des Leistungsschutzrechtes

Grundsätzlich sind das Setzen von Hyperlinks sowie die Verwendung einzelner Wörter
oder kurzer Textausschnitte vom Schutzumfang ausgeschlossen. Jedoch ist es fraglich,
ob dadurch für die grundlegende Funktion des Verlinkens im Internet ausreichende Si-
cherheit besteht, denn das Setzen von Links ist in vielen Fällen nur dann sinnvoll, wenn
kurze Snippets oder Überschriften dargestellt werden. Dürfen solche Snippets in weiterer
Folge nicht mehr ohne Genehmigung angezeigt werden, dann würde das Verlinken im-
mens abnehmen und somit eine wesentliche Funktion des Internets eingeschränkt wer-
den.59

Auch für Presseverlage könnte dieses Schutzrecht sehr nachteilig sein. Mit dem Leis-
tungsschutzrecht müssten die Betreiber von Suchmaschinen Lizenzgebühren bezahlen.
Sie zeigen nämlich grundsätzlich nur das an, was Presseverlage mit freiem Zugang ins
Internet stellen. Auf ein mögliches Zahlungsverlangen der Presseverlage werden die
Suchmaschinenbetreiber wahrscheinlich damit reagieren, dass sie die entsprechenden
Presseveröffentlichungen dann nicht mehr auflisten. Dies würde den Presseverlagen sehr
schaden, da sie gefunden werden und von den Dienstleistungen der Betreiber von Such-
maschinen auch profitieren wollen.60

57 Vgl Wandtke, NJW 2019, 1844.
58 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 290.
59 Vgl Steinbrecher, MMR 2019, 641.
60 Vgl Schack, Das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger – Ein schlechtes Vorbild wird reformiert, ZUM 2020,

166.
                                                                                                                 17
2. Gerechter Ausgleich im Zusammenhang mit Verlegerbeteiligungen (Art 16 DSM-
   RL)

Mit Art 16 der DSM-RL haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine Beteiligung für
Verleger einzuführen.61 Durch eine solche Regelung können Verleger einen Anspruch auf
Beteiligung am gerechten Ausgleich gegen die Urheber eingeräumt bekommen. Dies ist
aber nur dann zulässig, wenn die Verleger von den Urhebern Nutzungsrechte an Werken
übertragen bekommen haben.62

Weiters ist zu beachten, dass es sich bei Art 16 um eine reine fakultative Bestimmung
handelt, dh dass sie nicht zwingend anzuwenden ist.63 Den Mitgliedstaaten wird hierbei
ein erheblicher Spielraum gewährt, denn sie können entscheiden, ob sie eine solche Re-
gelung einführen und wie sie diese dann in weiterer Folge umsetzen.64

Durch diese Bestimmung soll den Verlegern kein eigener Anspruch eingeräumt werden.
Ihnen soll nur ein Anspruch auf einen Anteil an Ausgleichzahlungen zukommen, die be-
reits beständig sind. Aus der englischen Fassung ergibt sich, dass dieser Anspruch für
die Verleger nicht besteht, wenn sie die Nutzungsrechte nicht vom Urheber selbst einge-
räumt bekommen haben. In der Praxis kommt es aber oft vor, dass Verleger nicht vom
Urheber selbst die Rechte an Werken eingeräumt bekommen, sondern von anderen Ver-
lagen. Nun stellt sich die Frage, ob diese Einschränkung so vorgesehen war, denn das ist
eher zweifelhaft. Der Gedanke hinter dieser Regelung war, dass die Rechtsunsicherheit
bezüglich der Aufteilung von Ausgleichszahlungen, die durch die Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Union entstanden ist, beseitigt wird. Durch diese Rege-
lung soll die gegenwärtige Praxis sanktioniert werden, denn Teile der Erlöse der Vergü-
tungsansprüche sollen von den Verwertungsgesellschaften an Verlage ausgeschüttet
werden. Auch Urheber sollen ihren Verlegern eine wirtschaftliche Beteiligung an diesen
Ansprüchen einräumen. Den Mitgliedstaaten, die solche oder ähnliche Regelungen be-
reits haben, soll es ermöglicht werden, diese weiterhin beizubehalten.65

61 Vgl de la Durantaye, Regulierungsmöglichkeiten der Verlegerbeteiligung aus juristischer Sicht, ZUM 2020, 88.
62 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 290.
63 Vgl de la Durantaye, ZUM 2020, 89.
64 Vgl de la Durantaye, Reform der Verlegerbeteiligung – Ein Prototyp mit Potenzial, ZUM 2020, 161.
65 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 290.
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3. Nutzung geschützter Inhalte durch Online-Dienste (Art 17 DSM-RL)

Der Art 17 der DSM-RL war wohl das meist umstrittene Thema der ganzen Richtlinie,
denn dieser war oftmals der Fokus von gesellschaftlichen und politischen Diskussionen.66
Es kam zu großen Protesten der Bevölkerung wie zB durch die Kampagne „save your
internet“, die mittlerweile über fünf Mio Unterschriften aufweist.67

Regelungsinhalt ist eine neue urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Online-Plattfor-
men, wie Youtube und Co, im Hinblick auf das Teilen von Online-Inhalten.68

Das zentrale Problem ist vor allem, dass Diensteanbieter etwaige Upload-Filter einsetzen
werden müssen. Solche Filter haben die Funktion, dass sie die Dateien bereits beim
Hochladen auf urheberrechtlich geschütztes Material überprüfen. Grundsätzlich werden
von der Richtlinie solche Upload-Filter nicht ausdrücklich erwähnt, aber aufgrund der For-
mulierung der Richtlinie und dem aktuellen technischen Stand, existiert keine andere
Möglichkeit, dies alternativ umzusetzen.69 Nachfolgend wird auf die wesentlichen Punkte
des Art 17 eingegangen.

a) Anwendungsbereich

(1) Diensteanbieter
Der Anwendungsbereich des Art 17 erstreckt sich auf Diensteanbieter im Hinblick auf das
Teilen von Online-Inhalten. In Art 2 Z 5 ist der Begriff des Diensteanbieters definiert. Dem-
nach handelt es sich dabei um Online-Plattformen, deren Hauptzweck darin besteht, dass
sie große Mengen an hochgeladenen, urheberrechtlich geschützten Inhalten speichern
und einen Zugang für die Öffentlichkeit schaffen. Die Anbieter nehmen weiters eine Or-
ganisation der Inhalte vor und bewerben diese in Absicht der Erzielung eines Gewinnes.70

66 Vgl Pravemann, Art. 17 der Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, GRUR 2019, 783.
67 Vgl Gielen/Tiessen, Die neue Plattformhaftung nach der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmark,
EuZW 2019, 639.
68 Vgl Hofmann, Die Plattformverantwortlichkeit nach dem neuen europäischen Urheberrecht – »Much Ado About

Nothing«?, ZUM 2019, 617.
69 Vgl Pravemann, GRUR 2019, 783 f.
70 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 641.
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Die Lehre sah diese Definition schon vor Verabschiedung als problematisch an, vor allem
die Auslegung des Kriteriums der „großen Menge“.71 Es liegt die Gefahr vor, dass die
Mitgliedstaaten und Gerichte zu unterschiedlichen Auslegungen kommen und hierbei
kann nur gehofft werden, dass annähernd ähnliche Ergebnisse hervorkommen, damit die
einzelnen Online-Plattformen nicht je nach Mitgliedstaat unterschiedlich behandelt wer-
den. Dies würde ansonsten nicht dem Ziel der Harmonisierung entsprechen.72
Durch den ErwGr 63 wird nun ersichtlich, dass bei der Auslegung des Begriffes der „gro-
ßen Menge“ auf Kriterien wie das Publikum der Dienste und die Anzahl der urheberrecht-
lich geschützten, hochgeladenen Dateien abgestellt wird.73. Das erste Kriterium bezieht
sich also auf ein Öffentlichkeitserfordernis und das Zweite auf die Menge der geschützten
Gegenstände.

Es ist auch schwierig zu beurteilen, ob eine Online-Plattform den oben genannten Haupt-
zweck erfüllt oder nicht. Der Dienst muss im Zuge einer Gesamtbetrachtung nahezu un-
tersucht werden, ob er durch die Speicherung und die öffentliche Zugänglichmachung der
urheberrechtlich        geschützten       Inhalte     unter     die    Anwendung         des     Art   17   fällt
oder nicht. Etwaige BitTorrent-Plattformen (zB The Pirate Bay) werden aufgrund fehlender
Uploads durch die Nutzer bzw in weiterer Folge aufgrund der fehlenden Speicherung nicht
unter die Definition subsumiert werden. Eine Anwendung des Art 17 findet daher nicht
statt.

Unter Organisation der Inhalte wird gemeint, dass die Plattformen eine entsprechende
Infrastruktur, für das Teilen der Online-Inhalte, zur Verfügung stellen. Auch ein Indexieren
der Inhalte zum Zwecke einer besseren Auffindbarkeit wird darunter subsumiert werden,
sowie das Einteilen der Inhalte in Kategorien und Strukturen.

Bei dem Kriterium der Bewerbung der Inhalte in Absicht einer Gewinnerzielung ist fraglich,
ob es ausreicht, wenn sich der Dienst selbst als Ganzes bewirbt oder ob er eben seine
Inhalte bewerben muss. Aus dem deutschen Wortlaut lässt sich eher Letzteres herausle-
sen. Es ist aber zu beachten, dass auch platzierte Werbeeinschaltungen neben solchen
Inhalten als Bewerbung ausreichen. Das führt dazu, dass auch eine durch den Dienst

71 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 296.
72 Vgl Daum, Verantwortlichkeit von Online-Portalen nach Art 17 DSM-RL (Teil I), MR 2019, 230.
73 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 296.
                                                                                                              20
indirekt geschaltete Werbung ausreichend ist, um unter das Kriterium subsumiert zu wer-
den. Bezüglich der Gewinnerzielung ist bloß eine indirekte Absicht nötig.74

(2) Ausnahmetatbestände
Aufgrund der Definition kann man annehmen, dass Online-Plattformen, die nicht den oben
genannten Hauptzweck erfüllen, nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
Es könnte aber bei manchen Diensteanbietern schwierig werden, eben genau diesen
Hauptzweck festzustellen, daher sollten noch weitere Kriterien erstellt werden, die eine
Einordnung erheblich erleichtern.75

Explizit ausgenommen von der Regelung sind Online-Enzyklopädien und bildungsbezo-
gene und wissenschaftliche Repositorien, welche nicht auf eine Erzielung eines Gewinnes
ausgerichtet sind.76 Auch Online-Marktplätze, Weitergabe- und Entwicklungsplattformen
für quelloffene Software und Clouddienste sind nicht erfasst. Weitere Dienste können im-
mer noch ausgenommen werden, da die Aufzählung demonstrativ ist. 77 Durch den ErwGr
62 wird aber klargestellt, dass die genannten Plattformen nicht generell ausgenommen
sind, wenn etwa der oben genannte Hauptzweck doch ausnahmsweise erfüllt wird, dann
fallen sie sehr wohl unter die Anwendung des Art 17. Wenn zB Clouddienste dazu miss-
braucht werden, dass sie rechtswidrig erlangte Inhalte teilen, dann sollen sie doch unter
die Anwendung der Richtlinie fallen, da etwaige Piraterie-Plattformen gem ErwGr 62 auch
unter das neue Haftungsregime der Richtlinie fallen.78

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass vor allem Dienste wie Youtube, Dailymotion
oder Vimeo von der Regelung erfasst werden sollen.79

74 Vgl Daum, MR 2019, 230 f.
75 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 641.
76 Vgl Hofmann, ZUM 2019, 617.
77 Vgl Pravemann, GRUR 2019, 785.
78 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 642.
79 Vgl Daum, MR 2019, 231.
                                                                                       21
b) Regelungsinhalt

(1) Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder öffentlichen Zugänglichmachung
In Art 17 Abs 1 wird festgelegt, dass wenn Plattformen der Öffentlichkeit Zugang zu den
von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalten verschaffen, sie in Zukunft eine Handlung der
öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung vornehmen. Somit
können ihre Dienste als urheberrechtliche Nutzungshandlungen eingeordnet werden, die
Bewilligungen der Rechteinhaber benötigen.80 Liegt daher eine rechtswidrige Nutzung
vor, so haften die Plattformenbetreiber als Täter, da sie selbst einen Rechtsverstoß vor-
genommen haben. Das bisherige „Notice und Takedown“-Verfahren steht im Widerspruch
mit dem neuen Haftungssystem.81 Aus diesem Grund wird in Art 17 Abs 3 angeführt, dass
die Haftungsbefreiung des Art 14 E-Commerce RL nicht auf den Geltungsbereich des Art
17 angewendet wird.82 Bei dem „Notice und Takedown“-Verfahren handelt es sich im We-
sentlichen um ein Verfahren, wonach Plattformbetreiber von einer Haftungsbefreiung Ge-
brauch machen können, wenn sie den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten so schnell
wie möglich entfernen, sobald sie davon wissen.83

(2) Lizenzierungspflicht
Weiters müssen die Plattformbetreiber die Erlaubnis der Rechteinhaber zB durch eine
Lizenzvereinbarung einholen, wenn sie für die urheberrechtlich geschützten Inhalte einen
öffentlichen Zugang schaffen bzw diese öffentlich wiedergeben. Über andere Möglichkei-
ten, um solche Bewilligungen einzuholen, schweigt der Gesetzgeber allerdings. Eine Er-
klärung dazu hätte Klarheit schaffen können und wäre sehr wünschenswert gewesen.84
Die Plattformen müssen also mit jedem einzelnen Rechteinhaber einen Vertrag über die
Nutzung abschließen, wenn deren Werke auf der Plattform öffentlich zugänglich sind.
Dies ist aber schlichtweg unmöglich, da die Plattformbetreiber nicht wissen, welche In-
halte auf der Plattform hochgeladen werden. Es besteht außerdem keine technische Mög-
lichkeit, dass alle hochgeladenen Inhalte auf urheberrechtlich geschütztes Material über-
prüft werden. Auch wenn die Plattformbetreiber Kenntnis hätten, welche Materialen urhe-
berrechtlich geschützt sind und welche nicht, wäre der Aufwand bei der beachtlichen An-

80 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 642; Daum, MR 2019, 231.
81 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 642.
82 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 298.
83 Vgl Fiedler, Plattformen: Die Zukunft von „Notice und Takedown“ in Europa https://netzpolitik.org/2019/plattformen-

die-zukunft-von-notice-takedown-in-europa/ (abgerufen: 02.11.2020).
84 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 119.
                                                                                                                     22
zahl an Werken zu groß. Aus diesem Grund sind nur gebündelte Verträge, die einen gro-
ßen Teil der Nutzungsrechte umfassen, denkbar. Dies könnte durch die kollektive Lizenz-
vergabe nach Art 12 möglich sein. Hierbei müssten den Verwertungsgesellschaften aber
zuerst die entsprechenden Rechte eingeräumt werden.85

Nach Art 17 Abs 2 soll die eingeholte Erlaubnis auch für die Handlungen der Plattform-
nutzer gelten. Voraussetzung dafür ist, dass diese nicht gewerblich handeln und keine
erheblichen Einnahmen aufgrund ihrer Tätigkeit erzielen.86 Nutzer, die nicht kommerziell
handeln, müssen also keine weitere Erlaubnis einholen.87 Betrachtet man dies jetzt an
dem Beispiel von Youtubern, die mit ihren Kanälen gewerbliche Einnahmen erzielen, so
würde das bedeuten, dass diese vom gesetzlichen Geltungsbereich der Lizenzvereinba-
rungen ausgenommen sind. In weiterer Folge würden die Plattformbetreiber für die Ver-
letzung der Urheberrechte durch solche Nutzer haften.88 Die Haftung der Plattformbetrei-
ber wird im nächsten Punkt näher erklärt.

(3) Die neue Haftung der Plattformbetreiber
Grundsätzlich ist eine Haftung der Plattformbetreiber normiert, wenn ihre Nutzer das Ur-
heberrecht verletzen. Unter gewissen Voraussetzungen können sich die Plattformbetrei-
ber aber von der Haftung befreien. Es liegt also daher keine unbedingte Haftung der Be-
treiber vor.89 In Art 17 Abs 4 werden die drei Voraussetzungen genannt, welche kumulativ
vorliegen müssen.

i.   Einholung der Erlaubnis der Rechteinhaber (Art 17 Abs 4 lit a DSM-RL)
Gem Art 17 Abs 4 lit a müssen die Plattformbetreiber alle Anstrengungen unternehmen,
um eine Erlaubnis von den Rechteinhabern einzuholen.90 Der Begriff „alle Anstrengun-
gen“ wird im Abs 5 näher ausgelegt. Demnach ist für die Auslegung der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit maßgeblich. Kriterien wie die Art, das Publikum, der Umfang des
Dienstes oder die Art der hochgeladenen Inhalte sollen bei der Auslegung berücksichtigt
werden. Auch die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel und die Kosten, die den
Betreibern dadurch entstehen, fließen bei der Beurteilung mit ein.

85 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 642 f.
86 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 119.
87 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 643.
88 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 298 f.
89 Vgl Hofmann; Fünfzehn Thesen zur Plattformhaftung nach Art. 17 DSM-RL; GRUR 2019, 1219.
90 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 120.
                                                                                             23
Daraus lässt sich schließen, dass die Pflichten des Art 17 Abs 4 nicht für alle Online-
Plattformen gleich sind.91 Die Frage, ob diese Pflicht von den Plattformbetreibern einge-
halten wurde, wird dann immer anhand der gegebenen Umstände zu beurteilen sein.
Eines lässt sich aber sagen, je umfassender und zumutbarer die Lizenzierungsangebote
sind, desto strenger wird die Beurteilung ausfallen, ob die Betreiber alle Anstrengungen
vorgenommen haben, um die Erlaubnis der Rechteinhaber einzuholen.92

Weiters ist auch zu beachten, dass von den Betreibern nicht erwartet werden kann, dass
sie mit jedem einzelnen Rechteinhaber einen Lizenzvertrag abschließen. Vor allem weil
es auch nicht möglich ist, die Rechteinhaber von allen Inhalten, die möglicherweise hoch-
geladen werden, auszuforschen. Es kann nur erwartet werden, dass die Betreiber bei den
Verwertungsgesellschaften die Nutzungsrechte einholen. Hier stellt sich dann in weiterer
Folge das Problem, dass nicht jeder Rechteinhaber bei Verwertungsgesellschaften regis-
triert ist. Schlussendlich führt das dazu, dass die Plattformbetreiber eben nur Anstrengun-
gen vornehmen müssen, um die Rechteinhaber auszuforschen.93

ii. Keine Verfügbarkeit von hochgeladenen, urheberrechtswidrigen Inhalten (Art
     17 Abs 4 lit b DSM-RL)
Die zweite Voraussetzung lautet, dass nach Maßgabe der hohen branchenüblichen Stan-
dards bezüglich der beruflichen Sorgfalt die Plattformbetreiber alle Anstrengungen vor-
nehmen müssen, damit bestimmte Inhalte nicht verfügbar sind, zu denen die Rechteinha-
ber den Betreibern Informationen bereitgestellt haben.94
Gemeint ist also, dass Inhalte auf der Plattform nicht verfügbar sein dürfen, für die die
Plattformbetreiber keine Erlaubnis von den Rechteinhabern bekommen haben.95
Die Diensteanbieter trifft daher nicht so wie bisher eine Handlungspflicht erst ab Kenntnis
einer urheberrechtlichen Verletzung, sondern sie müssen von Anfang an die Verfügbar-
keit von solchen Schutzgegenständen unterbinden, für die sie zuvor einschlägige und
notwendige Informationen von den Rechteinhabern erhalten haben.96 Die Plattformbetrei-
ber sind aber nicht dazu verpflichtet, dass sie alle hochgeladenen Inhalte nach etwaigen
Urheberrechtsverletzungen untersuchen, sondern sie müssen nur solche Inhalte genauer

91 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 643.
92 Vgl Daum, Verantwortlichkeit von Online-Portalen nach Art 17 DSM-RL (Teil II), MR 2019, 283.
93 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 643.
94 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 120.
95 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 643.
96 Vgl Daum, MR 2019, 284.
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durchsuchen, zu denen sie aktiv Informationen bereitgestellt bekommen haben. Wenn
also die Rechteinhaber verhindern wollen, dass ihre Werke über Plattformen von Dienste-
anbietern verbreitet werden, so müssen sie selbst aktiv werden und den Betreibern Infor-
mationen über die urheberrechtlich geschützten Inhalte zukommen lassen. In der Praxis
werden das aber die meisten Rechteinhaber nicht präventiv machen, da dies vor allem
auch mit einem hohen wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist.97

Nun stellt sich die Frage, ob diese Bestimmung eine verpflichtende Einführung von Uplo-
adfiltern beinhaltet, da diese Uploadfilter grundsätzlich nicht explizit erwähnt werden. Be-
achtet man aber, dass zB auf der Plattform Youtube jede Minute etwa 400 Stunden an
Videomaterial hochgeladen werden, so kann man erkennen, dass eine manuelle Über-
prüfung einen viel zu großen wirtschaftlichen und unverhältnismäßigen Aufwand darstel-
len würde. Es existiert daher keine andere Möglichkeit, als mit Uploadfiltern, die große
Anzahl an hochgeladenen Inhalten zu überprüfen.98

In Art 17 Abs 8 wird angeführt, dass durch die Anwendung dieser Bestimmung keine all-
gemeine Pflicht zur Überwachung eingeführt werden darf.99 In einem Urteil zum gleich-
lautenden Art 15 Abs 1 ECRL hat der EuGH geurteilt, dass Hosting-Anbieter bzw Dienste-
anbieter keine Systeme zur Filterung der gespeicherten Daten einführen dürfen, die un-
terschiedslos auf Nutzer, präventiv, auf eigene Kosten und ohne zeitliche Begrenzung
sind, um urheberrechtliche Verstöße zu verhindern.100 Man könnte hier einen Wider-
spruch zu der verpflichtenden Einführung von Uploadfiltern sehen. Die Plattformbetreiber
müssen aber Inhalte nur aufgrund von bestimmten Informationen, die durch die Rechtein-
haber bereitgestellt werden, überprüfen und nur diese gemeldeten Inhalte müssen bei
einem unrechtmäßigen Hochladeversuch blockiert werden. Problematisch könnte aber
werden, dass trotzdem für alle Inhalte zunächst eine Überprüfung stattfinden muss, damit
festgestellt werden kann, ob eben für diese Inhalte Informationen von den Rechteinhaber
vorhanden sind.101

97 Vgl Günther, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 299.
98 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 644.
99 Vgl DSM-RL 2019/790/EU, 120.
100 Vgl EuGH 16.02.2012 C-360/10, SABAM/Netlog, ECLI:EU:C:2012:85 (Rz 53).
101 Vgl Gielen/Tiessen, EuZW 2019, 644.
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