DIE FORMELHAFTIGKEIT VON STRAFURTEILEN: EINE SCHWEDISCH-DEUTSCHE ÜBERSETZUNGSSTUDIE - DIVA
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Die Formelhaftigkeit von Strafurteilen: Eine schwedisch-deutsche Übersetzungsstudie zu rechtssprachlichen Kollokationen Författare: Mag. Tina Philipp-Rampa Handledare: Jenny Ström Herold Examinator: Magnus Levin Termin: VT 2021 Ämne: Tyska Nivå: Avancerad nivå Kurskod: 4TY32E
Abstract This essay deals with the formulaic nature of court judgments in terms of language rather than content and structure. It focuses on legal collocations and the problems that may arise in translation from Swedish to German. In particular, the introductory formula of Austrian court decisions is discussed in comparison to the Swedish criminal judgment, which the essay is based on. However, other legal collocations are also examined. A qualitative legal linguistic analysis examines how these collocations are translated between two legal systems of two states. Furthermore, the question of which translation options are available and where the sources of errors regarding the translation are, is discussed. At the end a comparison of the collocations of the source text and that of the target text should clarify their similarities or differences. It is expected that there is a tendency that collocation based in the law (e.g. vållande till annans död) cannot be translated literally contrary to ordinary legal collocations (e.g. straffrättsliga ansvar). The former needs a cultural transfer in order to be perceived as equivalent by the reader of the target text. Key words court judgments, formulaic nature, German, legal collocations, Swedish, translation
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................................................................. 1 2 Ziel und Fragestellung ......................................................................................................................... 1 3 Material, Zielgruppe und Methode .................................................................................................... 2 3.1 Material ............................................................................................................................................ 2 3.2 Zielgruppe ........................................................................................................................................ 3 3.3 Methode ............................................................................................................................................ 3 4 Theoretischer Hintergrund ................................................................................................................. 5 4.1 Formelhaftigkeit............................................................................................................................... 5 4.1.1 Rechtssprachliche Kollokationen als Ausdruck sprachlicher Formelhaftigkeiten, Begrifflichkeit und Definition ............................................................................................................... 6 4.1.2 Die Solemnitätsformel und die Rechtssprechungsformel als Ausdruck sprachlicher Formelhaftigkeit .................................................................................................................................... 9 4.2 Fehlerquellen bei der Übersetzung von Kollokationen ................................................................ 10 4.3 Äquivalenz ...................................................................................................................................... 12 4.4 Relevante Übersetzungsstrategien ................................................................................................. 13 5 Analyse................................................................................................................................................ 14 5.1 Rechtssprachliche Kollokationen .................................................................................................. 14 5.1.1 Quantitativer Überblick ......................................................................................................... 15 5.1.2 Abgrenzung ........................................................................................................................... 16 5.1.3 Gesetzesbedingte Kollokationen ........................................................................................... 17 5.1.4 Rechtssprachliche Kollokationen ohne gesetzliche Notwendigkeit ...................................... 20 5.1.5 Vergleich der AT-Kollokationen mit den ZT-Kollokationen ................................................ 24 5.2 Solemnitätsformel und Rechtssprechungsformel ......................................................................... 26 6 Zusammenfassung ............................................................................................................................. 27 Literaturverzeichnis………………………………………….………………………………………....... 30 Anhang A, Liste der rechtssprachlichen Kollokationen ……………..………………………………... 33
1 Einleitung Der schwedische Ausdruck vinna laga kraft ist ein fester Bestandteil der Rechtssprache. Er bedeutet, dass ein Urteil unanfechtbar ist und die im Urteil ausgedrückten Rechtsfolgen eintreten. Die deutsche Übersetzung dieses Ausdruckes kann in Rechtskraft erwachsen lauten, wobei gezeigt wird, dass auch viele andere Übersetzungsvarianten gebräuchlich sind. Beide Ausdrücke findet man in juristischen Texten immer wieder in derselben Kombination von Wörtern. Das deutet darauf hin, dass es sich bei diesen Ausdrücken um sogenannte Kollokationen handelt. Betrachtet man nur dieses Beispiel, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die Übersetzung von derartigen rechtssprachlichen Kollokationen im Sprachenpaar Schwedisch-Deutsch keine weiteren Probleme bereitet. Anhand ausgewählter Kollokationen wird allerdings gezeigt, dass sich bei der Übersetzung der Kollokationen Herausforderungen vor allem im Hinblick auf die zu wählende Übersetzungsstrategie ergeben. Gegenstand dieser Untersuchung sind Kollokationen, die in Verbindung mit der juristischen Fachsprache stehen. Daraus ergeben sich die Kategorie der Kollokationen, die durch den Gesetzeswortlaut bedingt sind (fortan: gesetzesbedingte Kollokationen) und die, deren Kollokationen das nicht sind (fortan: nicht-gesetzesbedingte Kollokationen). Im Bereich der nicht-gesetzesbedingten Kollokationen werden lediglich Kollokationen behandelt, die sich ihrem Typ nach aus entweder einem Substantiv und einem Verb zusammensetzen (Typ I nach Grauer, 2009:21) oder aus einem Adjektiv und einem Substantiv (Typ II nach Grauer, ebd.). Die kontrastive Untersuchung von Kollokationen in juristischen Texten ist demnach auch aus dem Grund interessant, als sie Aufschluss darüber gibt, ob AT- Kollokationen und ZT-Kollokation einander entsprechen und ob sich daraus ein Zusammenhang mit der gewählten Übersetzungsstrategie ableiten lässt. Grundlage dieser rechtslinguistischen Untersuchung bildet ein schwedisches Strafurteil und die von mir erstellte Übersetzung ins Deutsche. 2 Ziel und Fragestellung Der Arbeit wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass die Verwendung von rechtssprachlichen Kollokationen zur sprachlichen Formelhaftigkeit von Gerichtsurteilen beiträgt. In österreichischen Urteilen tragen aber nicht nur Kollokationen, sondern auch die sog. Solemnitätsformel1 bzw. die Rechtssprechungsformel2 zu dieser Formelhaftigkeit bei, 1 Im Namen der Republik. 1(34)
weswegen ein Abschnitt auch diesen gewidmet ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, darzulegen, worin die sprachliche Formelhaftigkeit eines Strafurteils liegt und wie sich diese im Übersetzungsprozess etwa in der Wahl der Übersetzungsstrategie niederschlägt. Zuerst werden die in der juristischen Sprache allgemein gebräuchlichen Kollokationen im AT und im ZT ausfindig gemacht und untersucht, ob sich diese im jeweils anderen Text ebenfalls als Kollokationen wiederfinden. Danach werden die Solemnitätsformel und die Rechtsprechungsformel als eine spezielle Ausformung der standardisierten juristischen Formulierung kontrastiv untersucht. Darüber hinaus beleuchtet die gegenständliche Arbeit, welche Übersetzungsstrategien zur Verfügung stehen und welche eventuellen Fehlerquellen bei der Übersetzung entstehen können. Bei der Analyse stehen folgende Fragen im Fokus: - Welche relevanten rechtssprachlichen Kollokationen finden sich im AT beziehungsweise im ZT? - Mit welcher Häufigkeit werden Kollokationen des AT im ZT mit Kollokationen übersetzt und inwiefern stimmt der Kollokationstyp der ZT-Kollokation mit dem der AT-Kollokation überein? Welche Übersetzungsstrategien ergeben sich für diese Kollokationen, und welche Probleme können bei der Übersetzung entstehen? - Wie verhält sich die Solemnitätsformel bzw. die Rechtssprechungsformel im Vergleich zwischen dem schwedischen AT und dem deutschen ZT? Was ergibt sich daraus für die Formulierung des ZT? Die genannten Fragen werden anhand ausgewählter Beispiele aus meiner Übersetzung im Rahmen einer qualitativen Analyse diskutiert. 3 Material, Zielgruppe und Methode Dieses Kapitel gibt Aufschluss über das verwendete Material, die Zielgruppe des AT sowie die des deutschen ZT, aber auch über die angewendete Methode. 3.1 Material Bei dem für die nachfolgende Untersuchung herangezogenen schwedischen Strafurteil des Bezirksgerichts Borås handelt es sich um ein Sachurteilaus dem Jahr 2019, in dem das erkennende Gericht in der Sache selbst entschieden hat. Für die Untersuchung wurde ein Strafurteil gewählt, da es zu der juristischen Fachtextsorte gehört, in der sich die Rechtssprache sehr deutlich ausdrückt. Dieses schwedische Urteil wird als strafrechtlicher 2 Das X-Gericht hat […] zu Recht erkannt. 2(34)
Materialkorpus herangezogen, wobei der Untersuchung außerdem die von mir angefertigte deutsche Übersetzung dieses Urteils zugrunde liegt. Aufgrund dieses eingeschränkten Materials kann Ziel dieser Arbeit lediglich sein, Tendenzen aufzuzeigen, ohne von diesen auf allgemein gültige Ansätze schließen zu wollen. 3.2 Zielgruppe Die Zielgruppe eines Strafurteils besteht aus den an dem zugrundeliegenden Verfahren beteiligten Personen; das sind der Angeklagte und sein Verteidiger sowie die Staatsanwaltschaft als Ankläger. Im vorliegenden Fall haben sich die Geschädigten dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Dies geschieht, um geldwerten Ersatz für die aufgrund der Tat erlittenen Schäden/Verletzungen zugesprochen zu bekommen, ohne ein gesondertes Verfahren vor einem Zivilgericht anstreben zu müssen. Die Privatbeteiligten gehören somit ebenfalls zur Zielgruppe des gegenständlichen Urteils. Als Zielgruppe nicht zu vernachlässigen sind andere, nicht am Verfahren beteiligte Richter oder Rechtsanwälte, denn Strafurteile dienen in späteren, ähnlich gelagerten Angelegenheiten als Präjudiz und somit als Richtlinie dafür, wie ein Gericht in dem neuen Fall entscheiden wird. Zur Zielgruppe der von mir angefertigten deutschen Übersetzung des schwedischen Strafurteils kann jedenfalls eine am Verfahren beteiligte deutschsprachige Person gehören. Weiters kommen als Zielgruppe auch Jus-Studierende in Frage, die rechtsvergleichende Studien zwischen österreichischem und schwedischem Recht betreiben. 3.3 Methode Die Übersetzung geschieht im konkreten Fall zwischen Rechtsordnungen zweier Staaten – Schweden und Österreich – und von der schwedischen Rechtssprache in die in Österreich gebräuchliche deutsche Rechtssprache (sogenannte rechtssystemübergreifende Übersetzung, vgl. Wiesmann 2004:121f.). Da man auch als muttersprachliche Übersetzerin Interferenzen nicht ausschließen und ungewöhnliche Übersetzungen für akzeptabel halten kann (vgl. Kimmes/Kornelius 2012:2), verwendete ich zur Überprüfung der deutschen Formulierungen das zweisprachige Online-Wörterbuch dict.cc. Das Wörterbuch stellte mich vor zwei Herausforderungen: Es geht lediglich von einzelnen Wörtern aus, während ich, aufgrund des Auftretens von Kollokationen, Verbindungen von mehreren Wörtern zu übersetzen hatte. Das führte dazu, dass oft erst der Kontext Aufschluss über die Bedeutung eines Wortes und dessen Entsprechung in der ZS gab. Außerdem waren juristische Fachausdrücke in diesem Wörterbuch oft nicht gelistet. Ich zog daher neben dem genannten Wörterbuch außerdem ein 3(34)
Strafurteil eines österreichischen Gerichts als Hilfsmittel heran und setzte dieses als sogenannten Paralleltext ein. Das erwähnte Urteil stammt ebenfalls von einem erstinstanzlichen Gericht (Landesgericht für Strafsachen Wien). Das österreichische Urteil half vor allem, den genauen Wortlaut von mir zwar bekannten, aber möglichweise nicht wortwörtlich geläufigen, formelhaften Verwendungen, wie etwa den exakten Wortlaut der Rechtssprechungsformel, zu überprüfen. Paralleltexte sind Texte, die dem selben Texttyp angehören wie der AT und die originär in der jeweiligen ZS erstellt wurden. Das österreichische Urteil wurde im Sinne eines Paralleltextvergleichs verwendet. Dabei werden, wie Spillner (1981:241) darlegt, Texte miteinander verglichen, die in keiner Übersetzungsrelation zueinander stehen. In Anlehnung an dieses Verständnis der Paralleltextanalyse wurde an gewissen Stellen des Übersetzungsprozesses ein Vergleich von Teilen des AT mit Teilen des Paralleltextes durchgeführt, die thematisch und situativ gleichgeartet sind, aber in unterschiedlichen Sprachen und unabhängig voneinander entstanden sind (ebd., vgl. auch Will 1996:160). Im Hinblick auf die Untersuchung von Gebräuchlichkeit und Häufigkeit der Kollokationen bediente ich mich des Korpus Språkbanken Text/Korp (spraakbanken.gu.se), des DWDS-Kernkorpus21 (dwds.de) und des Parallelkorpus Linguee (linguee.de). Die Analyse der in juristischen Texten vorliegenden sprachlichen Formelhaftigkeit ist eingeschränkt auf die Übersetzungsanalyse der rechtssprachlichen Kollokationen, die anhand einiger ausgewählter Beispiele verdeutlicht wird sowie auf die Untersuchung der sogenannten Solemnitätsformel und der Rechtssprechungsformel. Eine weitere Einschränkung wird in der Kategorie der nicht-gesetzesbedingten Kollokationen dahingehend vorgenommen, dass lediglich diejenigen Berücksichtigung finden, die dem Typ I (wie etwa förneka gärningarna) oder dem Typ II (wie beispielsweise skriftliga bevisning) angehören. Für die Analyse dieser nicht-gesetzesbedingten Kollokationen wurde zuerst die entsprechende AT-Kollokation ausfindig gemacht. Dann wurde die AT-Kollokation durch wörtliche Übersetzung in den ZT überführt. In einem nächsten Schritt erfolgte eine Analyse, ob die wörtliche Übersetzung in der Kultur der ZS in einen gebräuchlichen Ausdruck mündet; war das der Fall, wurde die wörtliche Übersetzung beibehalten, wenn nicht, wurde durch Änderung der Übersetzungsstrategie eine entsprechende Umformulierung vorgenommen. Dieser Ausdruck wurde nachfolgend als Grundlage für die weitere Analyse verwendet. Die jeweiligen Übersetzungsergebnisse wurden in einem weiteren Schritt dahingehend untersucht, ob sie Kollokationen sind. Waren die Übersetzungsergebnisse auch im ZT Kollokationen, wurden sie mit der jeweils entsprechenden AT-Kollokation nach ihrem Typ untersucht. Die 4(34)
Identifizierung der einzelnen Kollokationen erfolgte vor dem Hintergrund der Einteilung und Abgrenzung nach Hausmann (1984:398), auf die im Abschnitt. 4.1.3 näher eingegangen wird. 4 Theoretischer Hintergrund Bevor mit der Untersuchung der Probleme bei der Übersetzung von juristischen Fachausdrücken, die einerseits aus mehreren Wörtern bestehen und andererseits von gewisser Formelhaftigkeit geprägt sind, begonnen werden kann, müssen zu Beginn der Arbeit die Begrifflichkeit der Formelhaftigkeit und der Kollokation beleuchtet werden. Wenn in diesem Zusammenhang von Formelhaftigkeit gesprochen wird, wird darauf Bezug genommen, dass Urteile in einer ähnlichen Art und Weise formuliert sind. Die Ursache liegt nach der Einschätzung der Verfasserin darin, dass bestimmte formelhafte Wendungen benutzt werden. Diese rühren von den dem Urteil zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften her, wobei aber auch formelhafte Wendungen, die in der Rechtssprache etabliert sind − wie eben vinna laga kraft oder in Rechtskraft erwachsen – zur Anwendung kommen. Im gegenständlichen Kapitel wird ein allgemeiner Überblick über die für den Analyseteil notwendigen Begrifflichkeiten gegeben. Zu Beginn wird auf die Formelhaftigkeit juristischer Texte eingegangen, dann werden der Kollokationsbegriff, die Solemnitätsformel und die Rechtssprechungsformel im Licht der für Rechtstexte üblichen Formelhaftigkeit definiert, bevor auf die Fehlerquellen bei der Übersetzung von Kollokationen eingegangen wird. 4.1 Formelhaftigkeit Wie bereits erwähnt, fällt auf, dass die in Urteilen verwendete Sprache teilweise von rechtssprachlichen Fachausdrücken geprägt ist, die als etablierte − weil immer wiederkehrende − formelhafte Wendungen angesehen werden können. Dies führt dazu, dass Urteilen neben einer inhaltlich-strukturellen Formelhaftigkeit auch eine gewisse sprachliche Formelhaftigkeit anhaftet. Der Terminus der Formelhaftigkeit gelangte mit der Erforschung von (sprachlichen) Routinen und in Anlehnung an die Kommunikationstheorie, Ritualforschung und Textsortenlinguistik in die Phraseologieforschung und erweiterte damit den Gegenstandsbereich der Phraseologie (vgl. Filatkina 2011:79). Dieser Überlegung folgt auch Stein (1995:43f.), indem er formelhafte Wendung nicht als Synonym, sondern als Hyperonym für Phraseologie betrachtet. Dies führt für Stein (1994:153) dazu, dass „phraseologisch“ folgerichtig lediglich „formelhaft“ bedeutet. Stein folgend ist auch für Filatkina (2009a:146) Formelhaftigkeit insgesamt weiter zu fassen als Phraseologie; beide Begriffe stehen in unmittelbarer Beziehung zueinander. 5(34)
In Gerichtsurteilen, so wie in Rechtstexten im Allgemeinen, drückt sich die Formelhaftigkeit dadurch aus, dass Inhalte oft in gleichen Kombinationen von Wörtern wiedergegeben werden. Frilling (1995:29f.) führt in diesem Zusammenhang aus wie folgt: Rechtstexte werden nicht einzeln immer wieder aufs neue [sic] konzipiert, sondern unter Beachtung von bereits festliegenden, jeweils textsortenspezifischen Gestaltungsmaximen erstellt, die sich im juristischen Tätigkeitsbereich konventionalisiert haben. Werden juristische Texte nicht immer aufs Neue konzipiert, bedeutet dies, dass Einheiten dieser Texte immer wieder gebraucht werden, sodass Stein (1995:57) davon ausgeht, dass diese sprachlichen Einheiten deswegen formelhaft sind, weil sie durch den häufigen Gebrauch fest geworden sind oder fest werden, wobei als Beispiel hier bei Tagesanbruch oder Abstand halten zu nennen sind (Stumpf 2015:67). Stein (1995:57) führt dazu weiter aus wie folgt: Aufgrund der Festigkeit im Gebrauch sind oder werden sie (Anm.: die sprachlichen Einheiten) lexikalisiert, d.h. sie sind Bestandteil oder werden zu Bestandteilen des Wortschatzes, so daß [sic] sie von den Sprachteilnehmern als fertige komplexe Einheiten reproduziert werden (ebd.) Gemeint ist damit, dass sich der Textproduzent, wie etwa ein Richter, bei der Formulierung eines Urteils vorformulierter Elemente bedient. Bei gewissen Formulierungen muss er das tun, weil dies wie im Fall der österreichischen Solemnitätsformel gesetzlich vorgeschrieben ist. In anderen Fällen wie etwa bei der österreichischen Rechtssprechungsformel hat sich die Formelhaftigkeit aus der Praxis der Gerichte entwickelt. Im nachfolgenden Abschnitt werden Kollokationen, die anscheinend lexikalisiert sind und als fertige Einheiten reproduziert werden (wie etwa gebotene Sorgfalt) und die beiden genannten Formeln als Ausdruck sprachlicher Formelhaftigkeit unter einem theoretischen Gesichtspunkt behandelt. 4.1.1 Rechtssprachliche Kollokationen als Ausdruck sprachlicher Formelhaftigkeiten, Begrifflichkeit und Definition Die vorliegende Arbeit legt das Augenmerk auch auf Kollokationen als ein weiteres Beispiel für die Formelhaftigkeit von Urteilen. Neben den gesetzesbedingten Kollokationen, die ihren Ursprung im Wortlaut eines Gesetzestextes haben, werden auch solche rechtssprachlichen Kollokationen behandelt, die rechtskulturell bedingte sind. Damit ist gemeint, dass die Kollokationen in keiner erkennbaren Verbindung zu Gesetzen steht, sondern aufgrund des entsprechenden Gebrauchs in der jeweiligen juristischen Sprache auftritt. 6(34)
In der Kollokationsforschung hat sich keine einheitliche Definition von Kollokation herausgebildet; man kann aber zwei grundsätzliche Richtungen erkennen. Firth, der als Begründer der Kollokationsforschung gesehen wird, geht – wie Will (2005:20) darlegt – davon aus, dass es sich bei Kollokationen um „charakteristische, häufig auftretende Wortverbindungen handelt, deren gemeinsames Vorkommen auf einer Regelhaftigkeit gegenseitiger Erwartbarkeit beruht“. Er sieht diese Erwartbarkeit nicht grammatikalisch, sondern semantisch begründet, wobei er als Beispiel etwa Nacht – dunkel oder auch Milch – Kuh nennt (vgl. ebd.). Irsula (1994:46ff.) hingegen charakterisiert Kollokationen als eine „arbiträre usuell bedingte Restriktion, die historisch gewachsen ist und nicht durch die Regeln des Sprachsystems erklärbar ist“. Die Sprachgemeinschaft einer bestimmten Sprache hat sich, wie Cedillo (2004:39) in Anlehnung an Irsula ausführt, von den potentiellen Kollokatoren, die ohne weitere Beschränkungen für den Ausdruck eines Sachverhaltes eingesetzt werden könnten, für einen oder nur wenige Kollokatoren entschieden und verwendet diese bevorzugt. Diese präferierte Kombination wird dann nicht jedes Mal neu produziert, sondern als solche reproduziert und von der Sprachgemeinschaft in die soziale Sprachnorm aufgenommen. Auch Hausmann geht davon aus, dass Kollokationen nicht bei jeder Verwendung neu gebildet werden, sondern beim Sprecher aus dem Gedächtnis „abgerufen“ werden. Er bezeichnet sie daher auch als „Halbfertigprodukte der Sprache“ (Hausmann 2004:312). Hausmann (2017:118) behandelt Kollokationen nicht nur aus sprachwissenschaftlicher, sondern auch aus fremdsprachlicher Perspektive, weshalb sein Kollokationsbergriff die Grundlage dieser Arbeit bilden soll. Ihm (1984:398) zufolge sind Kollokationen typische, spezifische und charakteristische Zweierkombinationen von Wörtern, wobei sie aus der sogenannten Basis und aus dem sogenannten Kollokator, der die Basis näher bestimmt, bestehen; beide Teile sind fest zugeordnet und stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. Des Weiteren lassen sich Kollokationen nach Hausmann (1999) in verschiedene Typen einteilen, wobei hier lediglich die beiden Typen von Interesse sind, die sich einerseits aus einem Substantiv (meist das Objekt) und einem Verb zusammensetzen (wie eine Frist verlängern, Typ I), oder aus einem Adjektiv und einem Substantiv (wie gesetzliche Frist oder einvernehmliche Scheidung, Typ II) bestehen. In Bezug auf die Abgrenzung zu Redewendungen, die wie Kollokationen aus mehreren Wörtern bestehen (Polylexikalität), erwähnt Hausmann (2004:312), dass Kollokationen im Gegensatz zu Redewendungen nicht über die sogenannte Idiomatizität verfügen. Das bedeutet, dass sich bei Redewendungen die phraseologische Bedeutung nicht aus der Summe der Bedeutung der einzelnen Wörter ergibt (Hausmann 2004:312). Es handelt sich bei diesen 7(34)
um fixierte Wortverbindungen. Dies veranschaulicht er anhand der Redewendung den Nagel auf den Kopf treffen, bei der es nicht darum geht, dass ein bestimmter Teil eines Nagels getroffen wird, sondern, dass eine Aussage den Kernpunkt einer Sache trifft. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Nagel in die Wand schlagen um eine Kollokation, da sich die Bedeutung des Ausdruckes aus der Summe der einzelnen Wörter ergibt. Tatsächlich ist es aber so, dass auch bei Kollokationen übertragene Bedeutungen, wie sie den Redewendungen zugeschrieben werden, vorkommen können, wie das Beispiel starker Kaffee oder eingefleischter Nichtraucher verdeutlicht. Fleischer (1997: 251f) folgend ist somit die Idiomatizität der Kollokationen strittig. Dies liegt seiner Meinung nach an der semantischen Besonderheit des Kollokators, die bedingt, dass die Bedeutung des Kollokators erst in Verbindung mit der Basis festgelegt werden kann. Die dritte Eigenschaft, die zur Abgrenzung herangezogen wird, ist die Festigkeit, die bei Redewendungen einen höheren Grad erreicht und dazu führt, dass Kollokationen im Gegensatz zu Redewendungen durch Ergänzungen erweitert werden können, beispielsweise den langen Nagel schwungvoll in die Wand schlagen. Hausmann (1984:399) zählt neben den Kollokationen auch die sogenannten Ko- Kreationen zu den nicht-fixierten Wortverbindungen. Ko-Kreationen sind freie oder auch nicht-spezifische Wortverbindungen und dadurch gekennzeichnet, dass sie fast unbegrenzt kombinierbar sind, wie das Beispiel einen Tisch kaufen veranschaulicht. Das Lexem kaufen kann mit unzähligen anderen Lexemen verbunden werden und ist somit eine Ko-Kreation. Den Tisch decken hingegen ist nach Hausmann spezifisch und als Kollokation anzusehen, da decken nur mit bestimmten Lexemen, wie etwa Dach, Kosten, Mann, Freund, kombinierbar ist. Es gibt auch Kollokationen, die eingeschränkt spezifische Wortverbindungen sind, wie etwa fesselndes Buch; fesselnd kann mit anderen Worten des gleichen Kollokationsfelds kombiniert werden wie beispielsweise Erzählung oder Geschichte (Hausmann 2007). Weder Redewendungen noch Ko-Kreationen sind Gegenstand dieser Arbeit, doch ist ihre Veranschaulichung und Definition für ihre Abgrenzung zu Kollokationen wichtig und notwendig. Von den Kollokationen sind grundsätzlich außerdem die Funktionsverbgefüge (fortan: FVG) zu unterscheiden. Gläser (2007:493) definiert FVG als eine Wortverbindung aus einem bedeutungsarmen Verb und einem Objekt oder einer Präpositionalphrase (fortan: PP), wie beispielsweise einen Beschluss fassen oder in Anspruch nehmen. Folgt man der Theorie von Hausmann (2007:218), so zählen auch die FVG zu den Kollokationen, wobei er das Beispiel Eid leisten nennt. Da dieser Arbeit der Kollokationsbegriff von Hausmann zugrunde gelegt 8(34)
wird, der wie dargelegt FVG zu den Kollokationen rechnet, kann ein näheres Eingehen auf die Abgrenzungsproblematik unterbleiben. Eine weitere Abgrenzung, die vorgenommen werden kann, ist die zu den sogenannten Mehrworttermini. Solche mit absoluter Stabilität nennt Kjær (2007:509) Phraseme, wobei er als Beispiele rechtliches Gehör oder einstweilige Verfügung anführt. Keines der Wörter in einem Phrasem kann durch ein synonymes Wort ausgetauscht werden, ohne dass sich dadurch die Bedeutung des Phrasems ändert (ebd.). Es zeigt sich, dass Mehrworttermini in der Kollokationsforschung sehr unterschiedlich behandelt werden. Während sie, wie von Cedillo (2004:47) dargelegt, von Bergenholz/Tarp (1994) und Schneider (1998a) eindeutig von den Kollokationen ausgeschlossen werden, vertritt Heid (1993:232), wie auch Cedillo selbst, die gegenteilige Auffassung. Nach deren Meinung setzen sich Mehrworttermini aus Kollokationen zusammen (Cedillo 2004:47), sodass Mehrworttermini in die Kollokationsanalyse aufzunehmen sind. Dieser Ansicht folgend werden Mehrworttermini auch im Rahmen dieser Arbeit in die Analyse einbezogen. 4.1.2 Die Solemnitätsformel und die Rechtssprechungsformel als Ausdruck sprachlicher Formelhaftigkeit Die vielleicht bekannteste formelhafte sprachliche Einheit österreichischer Urteile ist die im österreichischen Bundesverfassungsgesetz (B-VG) festgeschriebene Solemnitätsformel. Wie Walter/Mayer (1992:276) ausführen, bestimmt Art. 82 Abs. 2 B-VG, dass Urteile und Erkenntnisse „Im Namen der Republik“ verkündet und ausgefertigt werden müssen. Dies zeigt deutlich, dass die Formelhaftigkeit strafrechtlicher Urteile zumindest teilweise gesetzlich bedingt ist, wenn zu Beginn eines jeden Urteils die Formulierung „Im Namen der Republik“ geschrieben steht (stehen muss). Diese sprachliche Formelhaftigkeit wird durch die Bestimmungen der §§ 270 Abs. 2 iVm 260 StPO (vgl. BGBl. Nr. 631/1975) zusätzlich untermauert. Nach diesen Bestimmungen hat ein strafrechtliches Urteil bestimmte Elemente zu enthalten, wie beispielsweise die Bezeichnung des erkennenden Gerichts und der Richter, des Tages der Hauptverhandlung und des ergehenden Urteils sowie des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten und die Nennung der Entscheidungsgründe. In der richterlichen Praxis hat sich aus dieser inhaltlich-strukturellen Formelhaftigkeit eine gewisse sprachliche Formelhaftigkeit geformt und gefestigt. Ein Beispiel dafür ist die einen fixen Bestandteil eines jeden österreichischen Strafurteils bildende Rechtssprechungsformel. Im hier als Paralleltext verwendeten österreichischen Strafurteil lautet diese: Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat […] zu Recht erkannt. 9(34)
4.2 Fehlerquellen bei der Übersetzung von Kollokationen Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die sprachliche Formelhaftigkeit von juristischen Texten aus kontrastiver Sicht im Sprachenpaar schwedisch-deutsch. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Herausforderungen, die sich bei der Übersetzung von Kollokationen in juristischen Texten und der Wahl der geeigneten Übersetzungsstrategie ergeben können. In Anlehnung an Reiss/Vermeer (1984:13) führt Sandrini (1999:15) aus, dass die Translation von Recht im Allgemeinen darin besteht, rechtliche Information der Rechtsordnung der AS in die Rechtsordnung der ZS zu übertragen, damit sie dort genutzt werden kann. Für Sandrini (ebd.) ist die Translation von Recht somit eine „Sondersorte kulturellen Transfers“. Zum Übersetzen von Gerichtsurteilen im Speziellen sagt Engberg (1999:83), dass es dabei nicht darum geht, einen Text zu schaffen, der in der ZS als Urteil fungieren kann. Stattdessen gilt es, einen zielsprachlichen Text zu schaffen, der es seinem Leser ermöglicht, den für ihn sonst unlesbaren AT zu verstehen (ebd.). Die Übersetzung eines Gerichtsurteils ist nach Engberg (ebd.) somit kein eigenständiger Text, sondern eine „Lesehilfe“. Dieser Überlegung ist vor dem Hintergrund, dass Urteile immer aus den gleichen Bestandteilen bestehen, zumindest im Hinblick auf deren immer gleichen strukturellen Aufbau zu folgen. Auch schwedische Urteile müssen entsprechend den Tingsrättens riktlinjer för domskrivning (2014) aus bestimmten Teilen bestehen. Im Übersetzungsprozess hat sich für die Verfasserin anhand des verwendeten Paralleltextes aber gezeigt, dass die Teile des schwedischen Urteils und die des österreichischen Urteils nicht deckungsgleich sind. Nach Ansicht der Verfasserin kann also nicht erwartet werden, dass sie aus dem schwedischen Urteil ein eigenständiges österreichisches Urteil im Hinblick auf seinen Aufbau produziert. Nach sprachlichen Gesichtspunkten hingegen muss nach Ansicht der Verfasserin ihre Übersetzung einen unabhängigen und an den Fachjargon der ZS adaptierten ZT darstellen, damit Äquivalenz zwischen AT und ZT besteht (siehe dazu 4.3). Diese Meinung wurde auch der in Kapitel 5 dargestellten Analyse zugrunde gelegt. Folgt man der Überlegung von Korff/Levy (2007), müssen Kollokationen im Übersetzungsprozess als semantische Einheit betrachtet werden. Daher dürfen die einzelnen Wörter der Kollokation nicht getrennt voneinander übersetzt werden, sondern müssen in ihrer Gesamtheit in die ZS überführt werden. Ingo (2007:149) folgend bedeutet dies, dass man als Übersetzerin dann, wenn man ein bestimmtes Wort in der ZS wählt, gleichzeitig auch ein bestimmtes anderes Wort in der Verbindung wählen muss; auf diese Weise muss auch vorgegangen werden, wenn das andere Wort eventuell kein direktes semantisches Äquivalent zum Wort in der AS darstellt. Wie Cedillo (2004:83) ausführt, wird diese Meinung auch von 10(34)
Heid/ Freibott (1991:79) geteilt, wenn sie sagen, dass der Kollokator nur im Kontext mit der Basis übersetzt werden kann3. Die Probleme, die sich daraus ergeben, dass Kollokationen als semantische Einheiten übersetzt werden müssen, bestehen einerseits darin, dass die Kollokation als solche erkannt werden muss, andererseits können Kollokationen in unterschiedlichen Sprachen lexikalische und semantische Unterschiede aufweisen. Als Beispiel dafür kann etwa die Kollokation borsta tänder, dessen deutsche Entsprechung nicht die Zähne bürsten, sondern die Zähne putzen ist, angeführt werden (vgl. Ingo 2007:149). Dies verdeutlicht, wie Cedillo (2004:83f.) darlegt, dass wortwörtliche, an der Struktur der AS orientierte Übersetzungen von Kollokationen zu unüblichen Wortverbindungen und zu Fehlübersetzungen in der ZS führen können. Diese Probleme erinnern an die Schwierigkeiten, die die Übersetzung von Redewendungen mit sich bringt. Ingo (2007:149) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass Kollokationen Wörter sind, die sehr oft miteinander kombiniert werden, um eine bestimmte Bedeutung in einer Sprache auszudrücken. Weiters argumentiert er, dass Kollokationen eine große Ähnlichkeit mit Redewendungen aufweisen. Folglich verursacht die Übersetzung von Kollokationen seiner Ansicht nach die gleichen Schwierigkeiten wie die Übersetzung von Redewendungen (ebd.). Die kontrastive Untersuchung von Kollokationen beschäftigt sich vor allem mit der Übersetzung in die Fremdsprache, weil davon ausgegangen wird, dass der Übersetzerin die zielsprachlichen Kollokationen beim Übersetzen in die Muttersprache „geläufig“ sind (vgl. Kimmes/Kornelius 2010:2). Kimmes/Kornelius (ebd.) räumen aber auch ein, dass selbst die Übersetzung von Kollokationen in die Muttersprache Probleme bereiten kann, die sich dadurch ausdrücken, dass der Übersetzer eine nicht gebräuchliche Übertragung für akzeptabel hält. Darüber hinaus bereiten Kollokationen bei der Übersetzung unabhängig von der Übersetzungsrichtung dann besondere Probleme, wenn es sich um die Übersetzung von Kollokationen einer Fachsprache handelt und die Übersetzerin die fachspezifische Kollokation nicht deswegen nicht parat hat, weil ein Mangel an sprachlicher Kompetenz vorliegt, sondern weil ihr die Fachkompetenz fehlt (Cedillo 2004:33). Dies wird möglicherweise nicht zu Fehlübersetzungen führen, allerdings kann die für die ZS gewählte Übersetzung in diesem Fall als ungewöhnlich angesehen und die mangelnde fachliche Kompetenz der Übersetzerin augenscheinlich werden. Die von Cedillo (ebd.) erwähnte Fehlerquelle der mangelnden fachlichen Kompetenz bei der Übersetzung von fachsprachlichen Kollokationen hat ihrer Meinung nach ihren Ursprung in der Besonderheit 3 Dieser Umstand zeigt sich etwa am Ausdruck vinna laga kraft und wird im Abschnitt 5.2.2 thematisiert. 11(34)
der fachsprachlichen Kollokationen. Diese äußert sich dadurch, dass fachsprachliche Kollokationen über einen bestimmten „Firmenjargon“ und/oder über „verschiedene Register der Fachkommunikation“ verfügen (Cedillo 2004:77). Diese Besonderheiten müssen bei der Übersetzung berücksichtigt werden. Für Kollokationen der Rechtssprache bedeutet dies, dass bei ihrer Übersetzung auf die bei den Anwendern der jeweiligen Rechtssprache üblichen Formulierungen Rücksicht genommen werden muss. Der Umstand, dass Kollokationen bei der Übersetzung Probleme bereiten, lässt sich − wie Cedillo (2004:34) bezugnehmend auf Irsula (1994:137) und Schneider (1998a:301f.) ausführt − auch daran erkennen, dass eine allgemeine Tendenz festgestellt werden kann, lexikalische Kombinationen und Fachtermini einzelwörtlich in die Zielsprache zu übersetzen. Wie unten gezeigt wird, besteht die Schwierigkeit bei der Übersetzung standardisierter Phrasen in einem juristischen Fachtext vor allem in der Abwägung, ob – der erwähnten Tendenz folgend – eine wortwörtliche Übersetzung angewendet werden soll, oder ob von dieser Übersetzungsstrategie zugunsten einer strukturellen Veränderung und/oder einer kulturellen Anpassung abgegangen werden muss. 4.3 Äquivalenz Äquivalenz (lat. Gleichwert) bedeutet als Grundidee, dass ein Objekt einem anderen Objekt entspricht; mit anderen Worten, dass sie den gleichen Wert haben. In der Übersetzungswissenschaft sind diese Objekte Wörter, Sätze oder Texte in zwei verschiedenen Sprachen, die so ähnlich/ äquivalent sein müssen, dass der Leser des ZT die gleichen Informationen und Erfahrungen wie der Leser des AT erhält oder hat. Koller/Berg-Henjum (2020:17) führen zum Thema Äquivalenz aus, dass durch die Übersetzung eine Übersetzungs- (oder Äquivalenz)relation zwischen AS-Text und ZS-Text hergestellt wird. Die Aufgabe eines Übersetzers besteht somit darin, einen ZT zu erstellen, der dem Ausgangstext so weit wie möglich ähnelt. Koller/Berg-Henjum (2020: 265) konzentrieren sich bei seiner Untersuchung hinsichtlich der Entsprechung zwischen AT und ZT sehr stark auf die lexikale Ebene. Rechtliche Begriffe unterschiedlicher Rechtsordnungen und Sprachen werden allerdings in den seltensten Fällen deckungsgleiche Entsprechungen aufweisen. Selbst wenn Eins-zu-Eins- Entsprechungen im Sinne einer denotativen Äquivalenz, bei denen nach Koller/Berg-Henjum (2020:266) ein Ausdruck in der AS einem Ausdruck in der ZS entspricht, in rechtssystemübergreifenden Übersetzungen kaum vorkommen, werden gewisse zielsprachliche Ausdrücke als zulässige Äquivalente akzeptiert. De Groot (1991:288) spricht dann von approximativer Äquivalenz. Eine absolute Äquivalenz wird in der Praxis 12(34)
erfahrungsgemäß auch nicht nötig sein, stehen doch die Funktion und der Zweck, die der ZT verfolgen soll, im Vordergrund. Hier wären Überlegungen dahingehend anzusiedeln, ob die Übersetzung eines juristischen Textes rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen soll, wie das etwa bei einem Urteil oder einem Vertrag der Fall ist, oder ob sie lediglich der Vermittlung von Information über bestimmte rechtliche Tatsachen dienen soll, die einen Einblick in das fremde Rechtssystem bietet (beispielsweise ein juristisches Lehrbuch). Man muss also bei Beurteilung der Äquivalenz die wörtliche Ebene verlassen und neben der denotativen Äquivalenz auch die konnotative Äquivalenz berücksichtigen. Bei der konnotativen Äquivalenz geht es darum, welche Wörter die Übersetzerin aus den verfügbaren Synonymen auswählt, um nicht nur die informative, sondern auch die emotionale Bedeutung der Wörter zu vermitteln (Koller/Berg-Henjum 2020:268). Die von der Übersetzerin ausgewählten Wörter sollten beim Leser des ZT die gleichen Assoziationen hervorrufen wie beim Leser des AT. Die Übersetzung eines juristischen Textes soll in den meisten Fällen die in der Rechtsordnung der AS verankerten Inhalte transparent und verständlich machen. Dies scheint im Einklang mit der bereits erwähnten Ansicht Engbergs (1999:83) zu stehen, wonach beim Übersetzen eines Gerichtsurteils kein Text zu schaffen sei, der in der Kultur der ZS als Urteil fungieren kann (siehe Abschnitt 4.2). Wie allerdings ausgeführt, kann dies nur bedingt gelten, sodass der Anspruch des Übersetzers eines Gerichtsurteils sein muss, einen ZT zu verfassen, der seinem Leser den Eindruck vermitteln soll, ein Urteil im Fachjargon der ZS zu lesen. Aus diesem Grund steht bei der Übersetzung der im Analyseteil (Kapitel 5) angeführten Kollokationen der Anspruch im Vordergrund, einen ZT nach dem Äquivalenzverständnis von Koller/Berg-Henjum (2020:17) zu verfassen, sodass sich der ZT wie ein Originalurteil liest. 4.4 Relevante Übersetzungsstrategien Um den AT in die ZS zu transformieren und einen adäquaten ZT zu produzieren, bedient sich die Übersetzerin unterschiedlicher Übersetzungsstrategien. Von den grundsätzlich zur Verfügung stehenden Strategien soll hier auf die für diese Arbeit relevanten Strategien der „literal translation“ und des „unit shifts“ einerseits und des „cultural filtering“ (oder auch „adoption“) andererseits eingegangen werden. Wie Schögler (2012:137) auf Grundlage von Chesterman (2000:93 ff.) ausführt, handelt es sich bei „literal translation“ um eine syntaktische Strategie, mit der versucht wird, den ZT strukturell möglichst nahe am AT wiederzugeben (beispielsweise Wir wünschen Ihnen einen guten Flug mit Austrian Airlines (AT) und We wish you a pleasant flight with Austrian Airlines (ZT), Chesterman 2016:92). 13(34)
Bei „unit shift“, ebenfalls eine syntaktische Strategie, wird eine Einheit des AT durch eine andere Einheit im ZT ersetzt (ebd.). Ein „unit shift“ auf der Satzebene wäre etwa die Veränderung von Haupt- und Nebensätzen. Als Beispiel nennt Chesterman (2016:95) Denn wir sagen unseren Fluggästen gerne “Dankeschön“ im AT und Because we are happy for any opportunity to say “Thank you” für den ZT. Dies bedeutet, dass eine strukturelle Änderung des Textes vorgenommen wird, wobei in dieser Arbeit das Augenmerk auf die strukturelle Änderung im Typ der Kollokation gelegt wird (vgl. vållande till kroppsskada, Typ IV und fahrlässige Körperverletzung, Typ II). Schögler (ebd.) beschreibt „cultural filtering“ hingegen als eine pragmatische Strategie, die kulturelle Spezifika des AT in andere, in der Zielkultur bekannte „Äquivalente“ umwandelt und damit die Botschaft des Textes ändert (vgl. Chesterman 2000:94 ff.). Das Wort Vorstandsdirektor muss demnach im englischen ZT mit president übersetzt werden (Chesterman 2016:105). In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass es sich bei juristischen Fachtermini um derartige kulturelle Spezifika handelt, beispielsweise kammaråklagare und Bezirksstaatsanwalt). Sollte demnach nicht von einer direkten Anwendbarkeit der pragmatischen Übersetzungsstrategie ausgegangen werden können, weil möglicherweise keine Änderung der Botschaft des AT vorgenommen wird, so scheint eine Anwendung in Analogie gerechtfertigt. 5 Analyse In der nachfolgenden Analyse wird im Abschnitt 5.1 anhand einiger Beispiele, die nach Ansicht der Verfasserin repräsentativ sind, auf die Übersetzungsschwierigkeit im Zusammenhang mit rechtssprachlichen Kollokationen eingegangen. Gleichzeitig wird dargelegt, wie durch die Wahl der Übersetzungsstrategie Äquivalenz zwischen AT und ZT hergestellt werden kann. Danach wird diskutiert, ob und gegebenenfalls in welcher Form sich die Solemnitätsformel und die Rechtssprechungsformel im schwedischen AT wiederfinden und welche Übersetzungsvarianten und -strategien von der Verfasserin gewählt werden, um Äquivalenz herzustellen (vergleiche Abschnitt 5.2). 5.1 Rechtssprachliche Kollokationen In weiterer Folge wird zwischen gesetzesbedingten Kollokationen und Kollokationen, die nicht aufgrund des Gesetzeswortlauts bedingt sind, unterschieden. In den folgenden Abschnitten wird der Frage nachgegangen, welche juristischen Kollokationen sich im AT und im ZT finden lassen. Weiters wird untersucht, mit welcher Übersetzungsstrategie ein äquivalentes Ergebnis für den ZT geschaffen werden kann, wobei dies anhand einiger 14(34)
ausgesuchter, nach Ansicht der Verfasserin repräsentativer Beispiele veranschaulicht wird. Schließlich wird im Abschnitt 5.1.4 eine vergleichende Analyse der AT-Kollokationen und der ZT-Kollokationen in Bezug auf ihren Typ vorgenommen. 5.1.1 Quantitativer Überblick Insgesamt konnten, wie in Tabelle 1 ersichtlich, 42 rechtssprachliche Kollokationen identifiziert werden, davon waren acht gesetzesbedingte und 34 nicht-gesetzesbedingte Kollokationen (zur Abgrenzung siehe Abschnitt 5.1.2). Tabelle 1: Rechtssprachliche Kollokationen – Verteilung Anzahl Anteil Rechtssprachliche Kollokationen gesamt 42 100 % Anteil gesetzesbedingter Kollokationen 8 19 % Anteil nicht-gesetzesbedingter Kollokationen 34 81 % Die nachfolgende Tabelle 2 veranschaulicht, dass fünf der acht gesetzesbedingten AT- Kollokationen auch Kollokationen im ZT sind. Tabelle 2: gesetzesbedingte Kollokationen – Übereinstimmung AT – ZT Anzahl Anteil Gesetzesbedingte Kollokationen gesamt 8 100 % Kollokation im AT = Kollokation im ZT 5 63% Hinsichtlich der Übereinstimmung des Kollokationstyps ergibt sich für die fünf gesetzesbedingten AT-Kollokationen, die auch im ZT Kollokationen sind, folgendes Bild: Tabelle 3: gesetzesbedingte Kollokationen – Übereinstimmung Kollokationstyp Anzahl Anteil Kollokation im AT = Kollokation im ZT (gesetzesbedingte) 5 100 % Übereinstimmung nach dem Typ in AT und ZT 3 60 % Keine Übereinstimmung nach dem Typ in AT und ZT 2 40 % Wie aus der nachfolgenden Tabelle 4 ersichtlich sind 22 der 34 nicht-gesetzesbedingten AT- Kollokationen auch Kollokationen im ZT. 15(34)
Tabelle 4: nicht-gesetzesbedingte Kollokationen – Übereinstimmung AT – ZT Anzahl Anteil Nicht-gesetzesbedingte Kollokationen 34 100 % Kollokation im AT = Kollokation im ZT 22 64 % Hinsichtlich der Übereinstimmung des Kollokationstyps ergibt sich für die 22 nicht- gesetzesbedingten AT-Kollokationen, die auch im ZT Kollokationen sind, folgendes Bild: Tabelle 5: nicht-gesetzesbedingte Kollokationen – Übereinstimmung Kollokationstyp Anzahl Anteil Kollokation im AT = Kollokation im ZT (nicht-gesetzesbedingte) 22 100 % Übereinstimmung nach dem Typ in AT und ZT 20 91 % Keine Übereinstimmung nach dem Typ in AT und ZT 2 9% Die Verteilung der angewendeten Strategien bei der Übersetzung der AT-Kollokationen, die auch im ZT Kollokationen sind, stellt sich wie folgt dar: Tabelle 6: Kollokationen – Übersetzungsstrategien Anzahl Anteil Gesetzesbedingte AT= ZT-Kollokationen 5 100 % Syntaktische Übersetzung 3 60 % Pragmatische Übersetzung 2 40 % Nicht-gesetzesbedingte AT= ZT-Kollokationen 22 100 % Syntaktische Übersetzung 13 59 % Pragmatische Übersetzung 9 41 % Es zeigt sich, dass die Mehrheit der rechtssprachlichen Kollokationen – unabhängig davon, ob sie gesetzesbedingte oder nicht gesetzesbedingte sind – mit Hilfe einer syntaktischen Übersetzungsstrategie in den ZT überführt wurden (siehe Abschnitte 5.1.5.1 und 5.1.5.2). 5.1.2 Abgrenzung Zu Beginn der Arbeit wurden alle rechtssprachlichen Kollokationen identifiziert. Diese sind in der, einen integrierenden Bestandteil dieser Arbeit bildenden, Aufstellung ersichtlich, die dieser Arbeit als Anhang A beigeschlossen ist. Danach wurden die Kollokationen in 16(34)
Kollokationen, die sich in Gesetzestexten wiederfinden und solche der allgemeinen juristischen Sprache eingeteilt. Die Abgrenzung zwischen Kollokationen der Alltagssprache und solcher der Rechtssprache erwies sich als schwierig, da es einerseits zu Überschneidungen kommt und andererseits die Grenze zwischen Gemeinsprache und „Juristendeutsch“ sehr schwimmend ist. So sind die Kollokationen in wesentlichem Ausmaß oder särskilda skäl Ausdrücke, die sowohl der Gemeinsprache als auch der Juristensprache zugerechnet werden können. Die Abgrenzung, ob eine Kollokation als rechtssprachliche Kollokation identifiziert wurde, erfolgte aufgrund der Charakterisierung durch Irsula (1994:46ff.). Danach sind Kollokationen zusammengefasst eine durch die Sprachgemeinschaft einer Sprache präferierte Kombination von Wörtern. Auch die Sprachgemeinschaft der Juristen kann in Analogie dazu als eine Sprachgemeinschaft angesehen werden. Sie bilden die Sprachgemeinschaft, die die juristische Fachsprache anwendet. In diesem Sinne wurden als rechtssprachliche Kollokationen Kombinationen gewertet, die nach der Einschätzung der Verfasserin als Rechtsanwältin präferierte Kombinationen der Sprachgemeinschaft der österreichischen Juristen sind. Unter präferierte Kombinationen in diesem Sinne werden analog zu Stein (1995:57) solche Kombinationen verstanden, die beim Verfassen von juristischen Texten nicht jedes Mal neu produziert werden, sondern mit dem Verständnis und der Überzeugung, der Sprachnorm zu entsprechen, von den Sprachanwendern reproduziert werden. Vor dem Hintergrund des eben Dargelegten haben etwa die Wortverbindungen erlittene Verletzung, eingeleitete Rettungsaktion oder särskilda skäl keinen Eingang in die Analyse gefunden. 5.1.3 Gesetzesbedingte Kollokationen Unter gesetzesbedingten Kollokationen werden im Rahmen dieser Arbeit jene Kollokationen verstanden, deren Formelhaftigkeit im Zusammenhang mit einem Gesetzestext steht. Diese Kollokationen werden im Unterschied zu den nicht-gesetzesbedingten Kollokationen unabhängig davon untersucht, ob sie dem Typ I oder dem Typ II angehören. Ausschlaggebend für ihre Untersuchung ist somit alleine deren Verankerung im Gesetzeswortlaut. Es wird nachfolgend untersucht, welche Formulierung der jeweiligen Kollokation gegenüberstehen muss, damit Äquivalenz nach Koller (2020:17) gegeben ist, und durch welche Übersetzungsstrategie dieses Ziel erreicht wurde. Als repräsentatives Beispiel soll die Wortverbindung des AT i väsentlig mån brustit i den omsorg och varsamhet som […] betingats av omständigheterna (3) dienen. Dieses Beispiel veranschaulicht nach Ansicht der 17(34)
Verfasserin sehr deutlich, wie schwimmend die Grenze zwischen rechtssprachlicher und gemeinsprachlicher Kollokation sein kann. (3) S.T. har under färden i väsentlig mån 1) S.T. hat während der Fahrt in brustit i den omsorg och varsamhet som till wesentlichem Ausmaß gegen Sorgfalt und förekommande av trafikolycka betingats av Achtsamkeit verstoßen, die durch die omständigheterna […]. gegebenen Umstände bei Eintreten des Verkehrsunfalls geboten gewesen wären, […]. 2) S.T. hat […] die nach den Umständen gebotene Sorgfalt (3a) und Vorsicht in wesentlichem Ausmaß außer Acht gelassen (3b). Unter Einbeziehung des entsprechenden Gesetzestextes zeigt sich, dass die Formulierung des Urteils den Gesetzestext reproduziert, ohne dass dazu ein gesetzlicher Zwang besteht. Die zugrundeliegende Gesetzesstelle lautet wie folgt: 1 § Brister vägtrafikant, den som för spårvagn eller den som någon annanstans än på väg för motordrivet fordon i väsentlig mån i den omsorg och varsamhet som till förekommande av trafikolycka betingas av omständigheterna, döms för vårdslöshet i trafik till dagsböter (Lag (1951:649) om straff för vissa trafikbrott). Sowohl im Gesetzestext als auch im Urteil finden sich die Wortverbindungen i väsentlig mån und der formelhaft wirkende Ausdruck brista i den omsorg och varsamhet som […] betingats av omständigheterna wieder. Gleichzeitig verdeutlicht das Beispiel (3) unter Einbeziehung von AT und ZT das Auftreten von insgesamt drei Wortverbindungen; nämlich väsentlig mån, außer Acht lassen und gebotene Sorgfalt. Die Kollokation väsentlig mån macht die bereits angesprochenen Überschneidungen deutlich. Einerseits stellt sie im AT eine gesetzlich verankerte Kollokation dar, andererseits ist sie im ZT zwar eine Kollokation, allerdings ist sie – wie noch gezeigt wird – nicht unbedingt den gesetzesbedingten Kollokationen zuzurechnen. Außerdem erscheint die Kollokation i väsentlig mån bei der Suche in Korp nicht nur in gesetzlichem Zusammenhang4, sondern auch in anderem Kontext, sodass sie auch als gemeinsprachliche Kollokation gewertet werden kann. Die Verfasserin vertritt deswegen i väsentlig mån als nicht-gesetzesbedingte Kollokation des Typ II, die im Abschnitt 5.2.2 und dort als Beispiel (5) näher behandelt wird. In diesem Abschnitt wird der Fokus auf den Ausdruck brista i omsorg […] som […] betingas av omständigheterna gelegt. Wie bereits 4 Als Beispiel sei angeführt: Sjukhusläkarnas totallön hat hittills i rätt väsentlig mån höjts av jourersättningar oder Inga grundläggande regler har ändrats i någon väsentlig mån. 18(34)
angedeutet, erfolgte die Auswahl dieser Wortverbindung aufgrund der entsprechenden Übersetzung im ZT, nämlich gebotene Sorgfalt und außer Acht lassen. Bei der Wortverbindung gebotene Sorgfalt (3a) als Übersetzung für omsorg […] som […] betingas av omständigheterna handelt es sich um eine Kollokation im Sinne von Hausmann (1984:118), da diese Kombination von Wörtern typisch, spezifisch und charakteristisch für den Sprachjargon der juristischen ZS ist (vgl. § 9 EKHG weiter unten). Der Ausdruck außer Acht lassen (3b) für brista i ist zufolge Gläser (2007:493) ein FVG, das aus dem bedeutungsarmen Verb lassen und der Präpositionalphrase außer Acht besteht. Wie gezeigt sind FVG nach Gläser (ebd.) als Kollokationen zu werten und somit in diese Untersuchung aufzunehmen. Im Übersetzungsprozess ergab sich die Frage, ob schon die wörtliche Übersetzung (Varianten 1) äquivalent im Sinne von Koller (2020) ist. Dazu muss man wissen, dass es den Tatbestand der „Fahrlässigkeit im Verkehr“ in dieser Form in der österreichischen Rechtsordnung nicht gibt. Dies legt nahe, dass die wortwörtliche Übersetzung eine geeignete Übersetzungsstrategie ist, um einen äquivalenten ZT im Sinne von Koller (2020) zu verfassen. Gleichzeitig definiert das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) „Fahrlässigkeit“ aber wie folgt: § 6 Abs. 1 StGB Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt [sic], zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß [sic] er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Im Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG), das in einem vergleichbaren Fall vor österreichischen Gerichten Anwendung finden könnte, findet man im Zusammenhang mit der Ersatzpflicht bei einem unabwendbaren Ereignis Folgendes: §9 Abs. 2 EKHG Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten, eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist, sowohl der Betriebsunternehmer oder Halter als auch die mit Willen des Betriebsunternehmers oder Halters beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben […]. Dies veranschaulicht, dass die Kollokationen außer Acht lassen im Zusammenhang mit Sorgfalt eine in der ZS etablierte sprachliche Einheit bildet, ebenso wie Sorgfalt und (nach den Umständen) gebotene eine gängige und gebräuchliche Wortverbindung in der ZS darstellt. Zusammenfassend zeigt sich deutlich, dass eine wörtliche Übersetzung funktioniert, um den AT für den deutschsprachigen Leser laut Engberg (1999:83) verständlich zu machen. 19(34)
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