VPRT-Stellungnahme zur Anhörung der Länder-AG "Werbung und Sponsoring" am 15. Dezember 2014

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VPRT-Stellungnahme zur Anhörung der Länder-AG "Werbung und Sponsoring" am 15. Dezember 2014
VPRT-Stellungnahme zur Anhörung der
Länder-AG „Werbung und Sponsoring“
am 15. Dezember 2014
Dezember 2014

Laender-AG-Werbung-und-Sponsoring\VPRT-SN_zur-Laender-AG_Werbung-Sponsoring_20141215_WEB_final.docx

I. Vorbemerkung
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) bedankt sich für die
Einladung zur Anhörung der Länder-AG „Werbung und Sponsoring“ am 15. De-
zember 2014 sowie für die Gelegenheit, bereits vorab zu den mit der Einladung
übermittelten Fragen Stellung zu nehmen. Der VPRT begrüßt ausdrücklich das
von der Länder-AG vorgesehene transparente Verfahren unter Beteiligung aller
betroffenen Parteien und weist darauf hin, dass ein solches Verfahren bei der
Erstellung des KEF-Sonderberichtes vermisst wurde.

Als Interessenvertretung der privaten Rundfunk- und Telemedienunternehmen
vertritt der VPRT die privatwirtschaftlichen Anbieter im dualen Mediensystem in
Deutschland. VPRT-Mitgliedsunternehmen sind überwiegend, im Bereich der
Radio- und Audiodienste nahezu vollständig auf die Werberefinanzierung ange-
wiesen. Damit hängt ihre wirtschaftliche Existenz direkt von den zur Anhörung
aufgerufenen „Fragen der Werbung und des Sponsorings in den Programmen
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ ab.

Mit Blick auf die unterschiedlichen Marktgegebenheiten und -erfordernisse be-
grüßen wir ausdrücklich die vorgesehene getrennte Betrachtung Hörfunk- und
Fernsehwerbung. Für den Bereich der Radiowerbung hatte der VPRT bereits
frühzeitig Lösungsansätze für eine Harmonisierung und Reduzierung der Wer-
bung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erarbeitet, diese durch ausführliche
Beratungen mit den Marktteilnehmern sowie durch Untersuchungen unabhän-
giger Dritter abgesichert und in die medienpolitische Diskussion eingebracht.

Alle Rahmenbedingungen sprechen heute für eine zeitnahe Umsetzung der vor-
geschlagenen Reduzierung. Sollte diese dennoch ausbleiben, so ist mit Blick auf
aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen ein spürbarer Rückgang der Angebots-
vielfalt in Deutschland zu befürchten.
II. Reduzierung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Die Diskussion um die Verwendung der Beitragsmehreinnahmen bietet die ein-
malige Chance, eine grundsätzliche ordnungspolitische Entscheidung im dualen
Rundfunksystem zu treffen. Die vorhandenen finanziellen Mittel reichen aus, um
wesentliche Beschränkungen bei Werbung und Sponsoring durchzusetzen bzw.
einen entsprechenden Prozess durch Beschluss der Länder einzuleiten und da-
mit zugleich einen wesentlichen Effekt zur Verbesserung des öffentlich-
rechtlichen Programmprofils frei von Kommerzialisierungszwängen zu erreichen.
Es besteht bereits seit geraumer Zeit politische Übereinstimmung, dass eine
Werbereduktion angegangen werden soll. Die jetzige Evaluierung muss zur Um-
setzung dieser grundsätzlichen Zielrichtung genutzt werden.

Im Radio plädiert der VPRT angesichts der bestehenden Schieflage zu den ARD-
Wellen für die Einführung des NDR-Modells (60 Minuten, 1 werbeführendes
Programm pro Anstalt) auf Basis einer Obergrenze pro Werbetag fokussiert auf
nationale Werbung. Dabei handelt es sich nicht um ein Stufenmodell, sondern
um das Ziel einer dauerhaften Harmonisierung der derzeit völlig unterschiedli-
chen und mit hohen Schwankungsbreiten versehenen Regelungen in den einzel-
nen Bundesländern. Der Vorschlag berücksichtigt die Auswirkungen auf die Gat-
tung Radio, da er insgesamt für die Werbeindustrie ausreichende Reichweite
erhält und zugleich zu positiven Effekten für die privaten Radio-Wettbewerber
in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe führen wird. Eine solche Regulierung ist
zudem eine Maßnahme zur Stabilisierung des Dualen Systems, das durch die
Expansion der ARD zunehmend in Schieflage geraten ist. Gleichzeitig könnten
positive Effekte für die programmliche Ausrichtung erzielt werden, da sich die
werbetragenden ARD-Wellen inzwischen weitgehend der privaten Konkurrenz
angenähert haben. Zudem würden Anreize zu einer weitreichenden Rabattie-
rung bzw. einem Dumping bei der Preisentwicklung deutlich minimiert. Beim
Sponsoring, das für die privaten Anbieter wegen der trimedialen
Promotioneffekte in Kombination mit zusätzlicher Off-Air-Eventvermarktung
durch die ARD besonders problematisch ist, sind ebenfalls Einschränkungen vor-
zusehen, da dort bislang für die ARD-Radios überhaupt keine rechtlichen Gren-
zen – wie z.B. das Prime-Time-Verbot für TV – gelten.

Im Fernsehen spricht sich der VPRT für eine Systemtrennung und damit für ein
vollständiges Werbe- und Sponsoringverbot bei ARD und ZDF aus. Die Werbefi-
nanzierung spielt im öffentlich-rechtlichen Teil des Systems eine deutlich unter-
geordnete Rolle und kann daher konsequent zurückgeführt werden. Die pro-
grammliche Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen TV-Programme kann von
einer solchen Maßnahme im Sinne des Grundversorgungsauftrags nur profitie-
ren. Damit könnte auch den in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts geäußerten Bedenken des Verlusts der Identität eines öffentlich-

                                                                                    2/40
rechtlichen Profils im Umfeld von Werbeschaltungen – die sich durch die aktuel-
le Programmstruktur in diesen Umfeldern bestätigt finden – entgegen getreten
werden. Eine etwaige stufenweise Reduktion der Obergrenze sollte in jedem Fall
auf den Werbetag bezogen werden und hätte in diesem Fall für die privaten TV-
Anbieter bereits erhebliche ökonomische Auswirkungen im mittleren zweistelli-
gen Millionenbereich. Für die Werbekunden könnten weiterhin alle Kampag-
nenziele erreicht werden. Ziel eines Beschlusses sollte aber weiterhin der kom-
plette Verzicht auf TV-Werbung sein, mit dem gesicherte strukturelle Effekte
erzielt werden könnten, ohne den TV-Markt zu gefährden.

Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Radio & TV) ist sowohl hinsicht-
lich der geringen wirtschaftlichen Relevanz für die Anstalten als auch mit Blick
auf nicht bestehende Konsequenzen beim Rechteerwerb – wie der Erwerb der
Champions League-Übertragungsrechte durch das ZDF anschaulich gezeigt hat –
verzichtbar.

Für die öffentlich-rechtlichen Angebote im Internet spricht sich der VPRT wei-
terhin dringend für die Beibehaltung und konsequente Durchsetzung des öffent-
lich-rechtlichen Werbeverbotes aus, um im ohnehin schwierigen Refinanzie-
rungsumfeld die Möglichkeit der Marktentwicklung zu erhalten. Die bestehen-
den Regelungen dürfen auch nicht umgangen werden, wie dies besonders an
der Schnittstelle zu kommerziellen Tätigkeiten mehrfach aktuell geworden ist
(Bsp. Online-Videoplattform, Kooperationen).

Das Thema Reduktion der Werbung wird nicht zuletzt gestützt durch ein Gut-
achten der Anstalten vor Einführung des Rundfunkbeitrags. Der ehemalige Ver-
fassungsrichter Prof. Paul Kirchhof hat explizit auf die Bedenken des Bundesver-
fassungsgerichts bezogen auf das Risiko der Programmausrichtung an Werbe-
umfeldern nach kommerziellen Interessen hingewiesen und den Zeitpunkt der
Umstellung des Gebührenmodells für geeignet gehalten, um auch die Werbere-
duktion konsequent anzugehen. Das Bewusstsein für diesen Konnex scheint
seitens der Rundfunkanstalten nach Einführung des Beitrags zwischenzeitlich
verloren gegangen zu sein.

                                                                                   3/40
III. Anlagen

Anlage 1:      Zur Wettbewerbssituation auf dem deutschen Werbemarkt
               (VPRT, Dezember 2014)

Anlage 2:      Antworten zu den Fragen der Länder-AG
               (VPRT, Dezember 2014)

Anlage 3:      Ergebnisse der Studie „Harmonisierung der Werbevorgaben für
               öffentlich-rechtliche Sender“
               (Ebiquity, Oktober 2012)

Anlage 4:      Ergebnisse der Programmanalyse „Hörfunk-Profile 2012“
               (House of Research, Oktober 2012)

Anlage 5:      Preispolitik und Flottenentwicklung der ARD-Wellen
               (VPRT, Dezember 2014)

                                                                             4/40
Anlage 1:
Zur Wettbewerbssituation auf dem Werbemarkt

[nicht öffentliche Anlage zur Hintergrundinformation der Mitglieder der Länder-AG]

                                                                                     5/40
Anlage 2:
VPRT-Antworten zum Fragenkatalog der
Länder-AG „Werbung und Sponsoring“
A. Werbung und Sponsoring allgemein
Angesichts der aktuellen Wettbewerbssituation (s. Anlage 1) stellen Werbung
und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im heutigen Umfang eine
akute Gefährdung der Finanzierungsgrundlagen des privaten Rundfunks dar. Vor
diesem Hintergrund nehmen wir die Gelegenheit wahr, die von der Länder-AG
„Werbung und Sponsoring“ aufgerufenen Fragen zu beantworten, auch wenn
einige davon an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtet sind.

A.I. Hörfunk (gemeinsame Antworten von APR und VPRT)
1. Frage: Wieviel Minuten Werbung pro Tag strahlen die einzelnen Rundfunk-
   anstalten der ARD im Hörfunk nach Maßgabe des § 16 Abs. 5 RStV tatsäch-
   lich mindestens bzw. höchstens aus? Wie verteilen sich diese Zeiten im Jah-
   resverlauf und wie erklären Sie sich diese Schwankungen?

Hinweis: Die nachfolgenden Antworten zum Hörfunk finden sich wortgleich auch
in der gemeinsamen Stellungnahme von APR und VPRT
Insgesamt wurde das Werbevolumen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk in den
vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl
der gesendeten Werbeminuten der ARD-Wellen um 13 Prozent angestiegen.
Besonders stark ausgebaut wurde das Werbevolumen beim Rundfunk Berlin-
Brandburg (+39 Prozent), beim Hessischen Rundfunk (+48 Prozent) sowie beim
Saarländischen Rundfunk (+69 Prozent).

 Entwicklung des Werbevolumens im öffentlich-rechtlichen Hörfunk, 2000-2013
 Gesendete Werbung in Minuten je Ø-Tag

 160
           143
                              137                       133
 140
 120
                                                               98
 100                                                                           2000
                     83                                             83
                                        76
  80                                                                           2013
  60                                                                      47
  40                                             34

  20
   0
         SWR        BR      RBB        RB      NDR      HR    WDR   SR   MDR
 Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa
                                                                                      6/40
Entwicklung des Werbevolumens im öffentlich-rechtlichen Hörfunk, 2000-2013
 Veränderung der gesendeten Werbeminuten in Prozent
 80%
                                                              + 69%
 70%
 60%
                                             + 48%
 50%
                             + 39%
 40%
 30%
 20%           + 13%
 10%
  0%
           ARD Hörfunk       RBB              HR                SR
             (gesamt)
                                                           Quelle: Nielsen

Nach Maßgabe des § 16 Abs. 5 RStV sind die Länder derzeit berechtigt, den Lan-
desrundfunkanstalten bis zu 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt
Werbung im Hörfunk einzuräumen. Eine Ausnahmeregelung erlaubt jedoch ab-
weichende Regelungen, so dass die tatsächlich zugelassene Werbedauer heute
mehrheitlich über der rundfunkstaatsvertraglich vorgegebenen Obergrenze von
90 Minuten liegt. Dies gilt für den Hessischen Rundfunk (128 Minuten), den Bay-
rischen Rundfunk (128 Minuten), den Saarländischen Rundfunk (122,5 Minuten)
und Radio Bremen (110,3 Minuten). Überschreitungen der rundfunkstaatsver-
traglich vorgegebenen Obergrenze werden außerdem für den Südwestrundfunk
(177 Minuten) und den Rundfunk Berlin-Brandburg (172 Minuten) geduldet.
Etwaige (Selbst-)Verpflichtungen der Anstalten zur Reduktion dieser Schwellen-
werte sind nicht bekannt.

Zulässige Werbedauer und zulässige Zahl werbeführender Programme
Gesetzliche Obergrenzen in Minuten pro Ø-Werktag / in Programmanzahl

Quelle: VPRT

                                                                                  7/40
Selbst diese großzügigen Minutenkontingente werden von den Anstalten regel-
mäßig und deutlich überschritten. So hat etwa der SWR am 22.03.2013 253 Mi-
nuten Radiowerbung gesendet, das entspricht einer Überschreitung der mit 177
Minuten besonders hohen SWR-Obergrenze um 76 Minuten (+43 Prozent). Der
WDR hat die für ihn geltende Obergrenze von 90 Minuten am selben Tag um 58
Minuten überschritten (+64 Prozent). Der HR hat am 22.03.2013 247 Werbemi-
nuten gesendet und lag damit um 119 Minuten (+93 Prozent) über der für ihn
geltenden Obergrenze von 128 Minuten. Nur MDR und NDR halten die gelten-
den Grenzen auch pro Werbetag ein.

Überschreitung des Werbevolumens an Einzeltagen, 2013
Tatsächlich gesendete Werbung am stärksten Werbetag, in Minuten
 300
 250
           76                    79
 200
                                                                119
 150                                                                            65,5
                      22
                                           33,7                           58
 100
  50
   0
          SWR         BR        RBB        RB          NDR      HR        WDR   SR     MDR
                Überschreitung am stärksten Tag              Kontingent
Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa

Demgegenüber bleiben die Anstalten an den werbeschwächsten Tagen weit
unter den zugelassenen Minutenkontingenten.

Unterschreitung des Werbevolumens an Einzeltagen, 2013
Ungenutzte Werbekontingente am schwächsten Werbetag, in Minuten
 300

 250

 200

 150
           131                  122
 100
                     108                                         89             93,5
                                           90,3
  50                                                                       72           75
                                                       45
   0
          SWR       BR       RBB          RB      NDR     HR      WDR       SR         MDR
       Ungenutzes Kontingent           gesendete Werbung am schwächsten Tag 2013
Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa

                                                                                             8/40
Daraus ergeben sich für die einzelnen Anstalten extreme Schwankungsbreiten
an Einzeltagen, so etwa beim Hessischen Rundfunk (208 Minuten), beim SWR
(207 Minuten) oder beim RBB (201 Minuten), aber auch für den Saarländischen
Rundfunk (159 Minuten), den Bayerischen Rundfunk (130 Minuten), den West-
deutschen Rundfunk (130 Minuten) und Radio Bremen (124 Minuten). Nur für
den Mitteldeutschen Rundfunk (75 Minuten) und den Norddeutschen Rundfunk
(45 Minuten) sind auf Tagesbasis Schwankungsbreiten unter 100 Minuten fest-
zustellen.

Maximale Schwankungsbreiten an Einzeltagen 2013
Über- und Unterschreitung der zulässigen Werbemenge, in Minuten
 150

 100

  50

   0
         SWR        BR       RBB        RB       NDR   HR        WDR        SR   MDR
 -50

-100

-150
            Maximale Überschreitung an einem Einzeltag 2013
            Maximale Unterschreitung an einem Einzeltag 2013
Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa

Selbst auf Monatsebene sind noch deutliche Überschreitungen festzustellen.
Beispielsweise hat der WDR im April 2013 durchschnittlich 117 Werbeminuten
Minuten pro Tag ausgestrahlt und lag damit 27 Minuten (+30 Prozent) über den
zulässigen 90 Minuten. Der HR hat im Folgemonat Mai 2013 durchschnittlich
158 Minuten Werbung pro Tag gesendet und lag damit 30 Minuten (+23 Pro-
zent) über den für ihn geltenden 128 Minuten.

Überschreitung des Werbevolumens in Einzelmonaten, 2013
Tatsächlich gesendete Werbung im werbestärksten Monat, in Minuten pro Werbetag
 200
 180        9                     6
 160
 140                                                        30
 120
 100                                                                   27
  80
  60
  40
  20
   0
          SWR      BR       RBB       RB     NDR             HR     WDR          SR    MDR
           Überschreitung im stärksten Monat                Kontingent
Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa
                                                                                             9/40
Demgegenüber bleiben die Anstalten in den werbeschwächsten Monaten deut-
lich unter den zugelassenen Minutenkontingenten.

 Unterschreitung des Werbevolumens in Einzelmonaten, 2013
 Monatsdurchschnittliche Werbung in Minuten pro Tag

  200
  180
  160
  140         84
  120                                 96
                                                                    30
  100
                          73                                                          63,5
   80                                            57,3
                                                                             31
   60                                                                                           60
   40                                                      34

   20
     0
            SWR           BR         RBB          RB      NDR       HR      WDR          SR     MDR
          Ungenutzes Kontingent                 gesendete Werbung im schwächsten Monat 2013
 Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa

Selbst auf Ebene ganzer Monate ergeben sich damit immer noch erhebliche
Schwankungsbreiten, dies gilt für den Rundfunk Berlin-Brandburg (102 Minu-
ten), den Südwestrundfunk (93 Minuten), den Bayerischen Rundfunk (73 Minu-
ten), den Saarländischen Rundfunk (63,5 Minuten), den Hessischen Rundfunk
(60 Minuten), den Mitteldeutschen Rundfunk (60 Minuten) und den Westdeut-
schen Rundfunk (58 Minuten). Nur für den NDR (34 Minuten) bleibt die Schwan-
kungsbreite auf Monatsbasis unter 50 Minuten.

 Maximale Schwankungsbreiten in Einzelmonaten 2013
 in Minuten
    40
    20
      0
   -20       SWR          BR        RBB          RB     NDR       HR      WDR       SR        MDR
   -40
   -60
   -80
  -100
  -120

 Quelle: The Nielsen Company, 2013, Ø-Werbetage Mo-Sa

                                                                                                      10/40
Die Erklärung für die Überschreitungen liegt auf der Hand: die zulässigen Ober-
grenzen gelten bisher nur jahresdurchschnittlich und die werbeführenden ARD-
Wellen nutzen gemeinsam mit den kommerziellen Werbetöchtern diese Spiel-
räume aus, um an werbestarken Tagen bzw. in werbestarken Monaten das
Werbevolumen in den öffentlich-rechtlichen Programmen weit über die jahres-
durchschnittlich zulässigen Grenzen hinaus auszuweiten. Die folgende Auswer-
tung auf Wochenbasis zeigt, dass die Überschreitungen insbesondere auf die
nachfragestarken Wochen fallen.
 Über- und Unterschreitungen des zulässigen Werbevolumens im Jahresverlauf 2013
 Durchschnittliche Überschreitung in Minuten pro Ø-Tag in der Kalenderwoche
100
 80
 60
 40
 20
  0
           1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
 -20
 -40
 -60
 -80
-100
             SWR              BR             RBB              RB             NDR              HR              WDR               SR             MDR
 Quelle: The Nielsen Company, Jahr 2013, Ø-Werbetage, Mo-Sa je Kalenderwoche

Insgesamt werden über alle Anstalten hinweg in den werbestarken Wochen
rund 800 bis 1.000 Werbeminuten pro Tag ausgestrahlt, in schwächeren Wo-
chen nur rund 400 bis 600 Werbeminuten. In der Folge unterliegt die Pro-
grammstruktur des öffentlich-rechtlichen Hörfunks dementsprechend starken
Schwankungen. Ähnliche Effekte ergeben sich bei Betrachtung der Werbeauslas-
tung im Wochen- und Tagesverlauf mit ebenfalls starken Varianzen der Pro-
grammstrukturen.
  Wochendurchschnittliches Werbevolumen pro Tag im öffentlich-rechtlichen Hörfunk
  Gesendete Werbung in Minuten pro Ø-Tag in der Kalenderwoche, 2013

  1.200

  1.000

   800

   600

   400

   200

       0
            1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
  Quelle: The Nielsen Company, Jahr 2013, Ø-Werbetage, Mo-Sa je Kalenderwoche                                                                                    11/40
Fazit „Über- und Unterschreitungen, jahresdurchschnittliche Obergrenzen“: In
der Praxis verfehlen die jahresdurchschnittlichen Obergrenzen ihre regulie-
rende Wirkung.

2. Frage: Welche strukturellen/ökonomischen Auswirkungen, insbesondere auf
   den Rundfunk und den Werbemarkt, sind bei einer ländereinheitlichen…

   a. …Reduzierung von Werbung und/oder Sponsoring (bspw. auf max. 90
      oder 60 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt), des öffentlich-
      rechtlichen Rundfunks zu erwarten?

Die nachfolgenden Ausführungen zu den Auswirkungen einer Reduzierung auf
90 Minuten erfolgen als Modellrechnung ausschließlich, weil die Länder-AG mit
diesem Fragebogen ausdrücklich diese Frage aufgeworfen hat. Der VPRT spricht
sich für eine klare, länderübergreifende Reduktion auf maximal 60 Minuten aus
und legt dem auch die primäre ökonomische Folgenanalyse zugrunde. Die 60-
Minuten-Regelung gilt heute schon für den NDR und sollte als zulässige Höchst-
grenze pro Werbetag (statt jahresdurchschnittlich) vorgesehen werden.

Jahresdurchschnittliche Obergrenzen lassen keine strukturellen und nur sehr
geringe ökonomische Auswirkungen erwarten (vgl. Antwort zu Frage 1). Spürba-
re Auswirkungen sind zu erwarten, wenn Obergenzen für jeden einzelnen
Werbetag gelten. Dies vorausgesetzt, würde bei einer Reduzierung auf maximal
90 Minuten pro Werbetag das Werbevolumen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk
geringfügig reduziert, und die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Hörfunk-
programmen würde etwas gleichmäßiger über Woche, Monat und Jahr hinweg
verteilt werden. Die Nachfrage nach Werbung in den werbeschwächeren Phasen
würde leicht ansteigen, die Anreize für einen Ausverkauf öffentlich-rechtlicher
Werbeumfelder würden leicht sinken und die inflationäre Preisentwicklung in
diesen Umfeldern könnte nur leicht gedämpft werden.

Fazit „90 Minuten“: Eine Reduzierung auf maximal 90 Minuten jahresdurch-
schnittlich hätte keine strukturellen und auch keine nennenswerten ökonomi-
schen Auswirkungen. Eine Reduzierung auf 90 Minuten pro Werbetag hätte
ebenfalls keine strukturellen Auswirkungen und nur verhältnismäßig geringe
ökonomische Effekte zur Folge.

Bei einer Reduzierung auf maximal 60 Minuten pro Werbetag würde das Wer-
bevolumen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk spürbar reduziert. Die Nachfrage
nach Werbung in den werbeschwächeren Phasen würde deutlich steigen, so

                                                                                  12/40
dass keine Anreize mehr für einen Ausverkauf öffentlich-rechtlicher Werbeum-
felder bestehen würden. Falls die zulässigen 60 Minuten weiterhin auf mehrere
werbeführende Wellen je Anstalt verteilt werden, kann es allerdings zu Verfüg-
barkeitsengpässen auf einzelnen Wellen kommen. Mediaplanerisch würde die
Radiowerbung jedoch unverändert kampagnentaugliche Massenreichweiten
und Kontaktvolumina bieten (vgl. Anlage 3). Vor allem im Bereich hochrabat-
tierter und damit stark gebührensubventionierter Werbung – zum Teil für loka-
le/regionale Werbekunden – dürfte es zu Verschiebungen hin zu anderen Gat-
tungen (z. B. Tageszeitungen, Plakat, Online, Beilagen, Mobile, Anzeigenblätter,
Prospekt-Haushaltsverteilung, PoS-Maßnahmen) kommen. Dadurch werden
mediaplanerische Streuverluste reduziert und die knappen Werbeplätze im Ra-
dio effizienter allokiert. Beispiel: Eine lokale Bäckerei in Münster bucht einen
Radiospot beim WDR. Die Reichweiten außerhalb Münsters gelten als Streuver-
lust, weil die Zielgruppe ausschließlich in Münster sitzt. Das entsprechende Kon-
tingent fehlt für nationale Kunden, die ganz Nordrhein-Westfalen erreichen wol-
len. Die Münsteraner Bäckerei kann problemlos auf andere adäquate Medien
ausweichen und hat dort möglicherweise noch ein besseres Preis-Leistungs-
Verhältnis.

Ökonomisch wären damit für den Radiomarkt insgesamt eine höhere Auslastung
bestehender Werbeumfelder, ein moderater TKP-Anstieg und signifikante Inves-
titionsverschiebungen zu den privaten Medien verbunden. Strukturell würden
für die öffentlich-rechtlichen Programme Vermarktungsaufwand und kommerzi-
elle Formatierungszwänge zurückgehen. Für private Programme würden sich die
Finanzierungschancen verbessern.

Fazit „60 Minuten“: Eine Reduzierung auf maximal 60 Minuten jahresdurch-
schnittlich hätte noch keine strukturellen und nur geringe ökonomische Effek-
te, weil es nur zu einer zeitlichen Umverteilung von eingebuchten Spots bei
der AS&S kommt. Eine Reduzierung auf maximal 60 Minuten pro Werbetag
hätte dagegen bereits spürbare strukturelle und signifikante ökonomische
Auswirkungen. Für den Werbemarkt wäre die Reduzierung unschädlich.

   b. …Beschränkung von Werbung und/oder Sponsoring auf ein oder einzelne
      bestimmte Hörfunkprogramme oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
      zu erwarten?

Die Reduzierung auf zwei oder mehr werbeführende öffentlich-rechtliche Pro-
gramme hätte keine nennenswerten strukturellen oder ökonomischen Auswir-
kungen. Eine Beschränkung auf maximal ein werbeführendes Hörfunkprogramm
pro Anstalt UND maximal 60 Minuten Werbung pro Werbetag hätte dagegen

                                                                                    13/40
über die unter 2.a. genannten Auswirkungen hinaus zusätzliche positive TKP-
Effekte für die Gattung Radio, zusätzliche positive Umsatzeffekte für Privatradio
und für die Werbekunden den Vorteil, dass Verfügbarkeitsengpässe für einzelne
Kampagnen vermieden würden. Aus mediaplanerischer Sicht könnten auch bei
ländereinheitlicher Einführung dieses NDR-Modells weiterhin hohe Reichweiten
im Radio von über 80 % erzielt werden (vgl. Anlage 3).

Eine Simulation auf Basis realer Leistungs- und Buchungswerte aus dem Jahr
2013 ergibt für das Szenario einer Reduzierung der Werbung auf maximal 60
Minuten pro Werbetag in nur noch einem werbeführendem Programm pro An-
stalt bei statischer Betrachtung zusätzliche Umsätze im privaten Hörfunk von 44
bis 57 Millionen Euro sowie bei anderen privaten Medien und Werbeträgern von
22 bis 28 Millionen Euro.

Die nachfolgenden tabellarischen Darstellungen verdeutlichen die Umsatzeffek-
te der zeitlichen Obergrenze, zusätzliche Auswirkungen bei Beschränkungen auf
ein Programm sowie die Additionen beider Maßnahmen zu einem Gesamteffekt.

Ökonomische Auswirkungen einer zeitlichen Beschränkung auf 60 oder 90 Minuten pro Tag
Prognostizierte Umsatzeffekte bei einer Reduzierung der öffentlich-rechtlichen Radiowerbung auf…
                                                           max. 60 Min. pro Werbetag        max. 90 Min. pro Werbetag
Privatradio*                                                34 bis 37      Mio. Euro         13 bis 16      Mio. Euro
                                            davon lokal 19 bis 20 Mio. Euro                    7 bis 9      Mio. Euro
                                        davon national 15 bis 17 Mio. Euro                     6 bis 7      Mio. Euro
Andere private Medien / Werbeträger                         17 bis 18      Mio. Euro           7 bis 8      Mio. Euro

+ Zusätzliche ökonomische Auswirkungen bei Beschränkung auf 1 Programm
Prognostizierte Umsatzeffekte bei zusätzlicher Reduzierung auf…
                                                    nur 1 werbeführendes                    nur 1 werbeführendes
                                                    Programm pro Anstalt                    Programm pro Anstalt
Privatradio*                                                10 bis 20      Mio. Euro          3     bis 5   Mio. Euro
Andere private Medien / Werbeträger                          5 bis 10      Mio. Euro          3     bis 5   Mio. Euro

 = Gesamteffekte (statisch)
Prognostizierte Umsatzeffekte bei Reduzierung auf…
                                                           max. 60 Min. pro Werbetag        max. 90 Min. pro Werbetag
                                                           UND 1 werbeführendes             UND 1 werbeführendes Pro-
                                                           Programm pro Anstalt             gramm pro Anstalt
Privatradio*                                                44 bis 57      Mio. Euro         16 bis 21      Mio. Euro
Andere private Medien / Werbeträger                         22 bis 28      Mio. Euro           9 bis 13     Mio. Euro
* noch ohne dynamische Effekte, die weitere positive Auswirkungen für Privatradio erwarten lassen
Quelle: eigene Berechnungen

                                                                                                                        14/40
Über diese statischen Effekte hinaus wird die Reduzierung auf maximal 60 Minu-
ten pro Werbetag in nur noch einem werbeführendem Programm weitere dy-
namische Effekte zur Folge haben. Insbesondere hätte die ARD keine Anreize
mehr, hochrabattierte Radiowerbung im Markt anzubieten. Im Ergebnis dürften
sich damit die negativen Umsatzeffekte der ARD auf rund 20 bis 40 Millionen
Euro reduzieren.

Strukturell würden mit der Beschränkung auf nur noch eine werbeführende
Welle pro Anstaltsgebiet zahlreiche öffentlich-rechtliche Programme unabhän-
gig von kommerziellen Formatzwängen. Damit könnte perspektivisch eine stär-
kere Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an auftragsnahen und
gesellschaftlich gewünschten, jedoch privatwirtschaftlich nicht refinanzierbaren
Inhalten erfolgen bei gleichzeitig verbesserten Refinanzierungschancen privater
Medien im Bereich der privatwirtschaftlich finanzierbaren Inhalte.

Fazit „60 Minuten + 1 Sender“: Eine Reduzierung auf maximal 60 Minuten pro
Werbetag UND jeweils nur ein werbeführendes Hörfunkprogramm pro Anstalt
hätte durchweg positive ökonomische und strukturelle Auswirkungen, wäre
auch für die Werbekunden eine Regelung mit Augenmaß und medienpolitisch
ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung und Zukunftssicherung des dualen Me-
diensystems in Deutschland.

   c. …einem vollständigen Verzicht auf Werbung und/oder Sponsoring in den
      Hörfunkprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erwarten?

Angesichts der starken Marktposition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im
deutschen Hörfunkmarkt hätte ein vollständiger öffentlich-rechtlicher Werbe-
verzicht hohe Reichweitenverluste für die Gattung Radiowerbung zur Folge.
Damit würde Radio als nationaler Werbeträger an Attraktivität verlieren und in
der Folge wäre ein Rückgang der Investitionen in Radiowerbung zu erwarten. Da
Radio mit einem Werbemarktanteil von unter 5 Prozent zudem bereits deutlich
unterkapitalisiert ist, würden die Reichweiten- und Umsatzeffekte die Gattung
Radio insgesamt gefährden.

Eine Beschränkung auf nationale Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
wäre dagegen gut umsetzbar und für private Medien ebenso wie für die lokalen
Werbekunden unschädlich.

Die unter 2.b. genannte Harmonisierung nach dem NDR-Modell (1 Sender / 60
Minuten pro Tag) stellt daher bereits einen Kompromiss mit Augenmaß dar. Es

                                                                                   15/40
handelt sich dabei nicht um eine Stufe, sondern um das Ziel eines marktverträg-
lichen, harmonisierten Modells.

Fazit „vollständiger Verzicht“ oder „Beschränkung auf nationale Werbung“: Ein
vollständiger Werbeverzicht hätte negative ökonomische und strukturelle
Auswirkungen und könnte die Gattung Radiowerbung insgesamt gefährden.
Eine Harmonisierung sowie die Beschränkung auf nationale Werbung hätte
dagegen positive ökonomische und strukturelle Auswirkungen.

3. Frage: Welche konkreten finanziellen Auswirkungen hätte - bezogen auf die
   einzelnen Rundfunkanstalten - eine Beschränkung (siehe Frage A.I.2.) von
   oder ein Verzicht auf Werbung und/oder Sponsoring in den Hörfunkpro-
   grammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei gleichzeitiger Kompensa-
   tion des Mehrbedarfs der Rundfunkanstalten durch den Rundfunkbeitrag?

Insgesamt machen die Werbeerträge der ARD-Anstalten nur rund 3 Prozent des
gesamten ARD-Hörfunkbudgets aus. Die Werbeerträge würden bei länderein-
heitlicher Beschränkung auf maximal 60 Minuten pro Werbetag und eine werbe-
führende Welle pro Anstalt voraussichtlich um rund 10-20 Prozent zurückgehen
(siehe Antwort zu Frage A.I.2.). Einsparungen dieser Größenordnung könnten
bei den ARD-Anstalten ebenso wie bei den Werbetöchtern ohne Weiteres durch
die Optimierung interner Prozesse realisiert werden.

Sofern dennoch eine Kompensation des Mehrbedarfs vorgesehen ist, sind die
konkreten finanziellen Auswirkungen der Werbebeschränkung für die einzelne
Rundfunkanstalt abhängig vom angewendeten Verteilungsschlüssel. Denkbar
wäre in diesem Fall eine Verteilung der Kompensation auf Basis der bisher an-
gemeldeten bzw. festgestellten Werbeumsätze, so dass finanzielle Auswirkun-
gen in der laufenden Periode vermieden würden. Im Übrigen wäre es Aufgabe
der Anstalten, auf Basis der von der Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen
Vorschläge für einen geeigneten ARD-internen Verteilschlüssel zu unterbreiten.

Fazit „Kompensation“: Eine Kompensation ist eigentlich nicht erforderlich,
kann aber im Bedarfsfall budgetneutral für die Anstalten umgesetzt werden.

4. Frage: Welches Potential für Einsparungen sehen die Rundfunkanstalten in
   den von der KEF in Tz. 43 ihres Sonderberichts zum Verzicht auf Werbung und
   Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfohlenen Kooperationen?

Ohne Transparenz bezüglich der Kostenstrukturen der öffentlich-rechtlichen
Werbetöchter können die bestehenden Einsparpotentiale nicht exakt beziffert

                                                                                  16/40
werden. Offensichtlich werden die Einsparpotentiale allerdings schon mit Blick
auf die bestehenden Doppelstrukturen in den öffentlich-rechtlichen Vermark-
tungstöchtern.

Auch das Verhältnis zwischen Netto-Werbeumsätzen (lt. 19. KEF-Bericht für
2013: 350,5 Mio. €) und Werbeerträgen (lt. 19. KEF-Bericht für 2013: 97,8 Mio.
€) legt eine Überprüfung der internen Kostenstrukturen der öffentlich-
rechtlichen Werbezeitenvermarkter nahe. Von 1,00 Euro Netto-Werbeumsatz,
kommen im Schnitt nur 0,28 Euro als Werbeertrag bei den Anstalten an, das
entspricht Vermarktungskosten von über 70 Prozent. Marktüblich sind hingegen
Vermarktungskosten im Bereich von 5-10 Prozent. Dem Vernehmen nach schla-
gen diese 70 Prozent zwar nicht in vollem Umfang als Vermarktungskosten zu
Buche, sondern beinhalten auch Finanzierungen öffentlich-rechtlicher
„Werbeumfeldprogramme“. Die Programmfinanzierung zählt jedoch nicht zu
den Aufgaben der Werbetöchter und sollte daher hier auch als Einsparpotential
mit erfasst werden.
Fazit „Einsparpotentiale“: Es bestehen erhebliche Einsparpotentiale. Eine
Kompensation reduzierter Werbeeinnahmen wäre nicht erforderlich.

5. Frage: Welche programmlichen Auswirkungen sind im öffentlich-rechtlichen
   und privaten Rundfunk bei einer (auch stufenweisen) Reduzierung von Wer-
   bung und/oder Sponsoring im Hörfunk des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
   zu erwarten?

Die werbeführenden öffentlich-rechtlichen Programme haben sich in ihrer For-
matierung weitgehend an die Programmstrukturen privater Radioprogramme
angeglichen, wie unter anderem die Analyse des Marktforschungsinstituts Hou-
se of Research aus dem Jahr 2012 (s. Anlage 3) belegt. Analysiert wurden dabei
die Programme von acht werbeführenden öffentlich-rechtlichen und 27 in deren
Sendegebiet ansässigen privaten Radiosendern. Bei diesen Sendern wurden die
Programmstrukturen nach Musik-, Wort-, Nachrichten-, Werbe- und Verpa-
ckungsinhalten untersucht. Die Studie bescheinigt den privaten Programmen die
Erfüllung einer wichtigen Informationsleistung in der Region durch einen höhe-
ren Regional- und Lokalberichterstattungsanteil in ihren Programmen.

Eine Werbeharmonisierung bei der ARD verhindert daher auch die Selbstkom-
merzialisierung im Programm. Eine Reduzierung der Werbung auf täglich 60
Minuten und jeweils nur ein Programm pro Anstalt würde den Rundfunkanstal-
ten die Freiheit geben, mehr Programme unabhängig von kommerziellen For-
matzwängen zu gestalten. Im Ergebnis wären mehr auftragsnahe öffentlich-
rechtliche Hörfunkprogramme und damit auch mehr inhaltliche Vielfalt im Ge-
samtmarkt zu erwarten.

                                                                                 17/40
Die strukturellen Auswirkungen von Obergrenzen für Werbung im öffentlich-
rechtlichen Rundfunk – also das Verhältnis von Programm und Werbung – sind
in hohem Maße davon abhängig, ob die entsprechenden Grenzen nur jahres-
durchschnittlich gelten oder verbindlich an jedem einzelnen Werbetag eingehal-
ten werden müssen. Jahresdurchschnittliche Grenzen führen im Jahresverlauf zu
stark schwankenden Werbeanteilen im öffentlich-rechtlichen Programm und
verfehlen damit das Ziel eines durchgängig öffentlich-rechtlichen Programmpro-
fils. Harte Obergrenzen pro Tag regeln dagegen wirksam den Werbeanteil im
öffentlich-rechtlichen Programm.

Auf die Auswirkungen der Kommerzialisierung im Umfeld von Werbung im öf-
fentlich-rechtlichen Programm hatte bereits Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof in
seinem „Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
erstattet im Auftrag der ARD, des ZDF und D Radio“ im Vorfeld der Umstellung
auf den Rundfunkbeitrag hingewiesen, in dem er unter anderem unter Bezug-
nahme auf das Bundesverfassungsgericht feststellt:

„Eine Finanzierung außerhalb des Abgabenrechts begründet die Gefahr, dass das
Rundfunkprogramm zunehmend auf Massenattraktivität ausgerichtet wird und
damit eine „Erosion der Identifizierbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme“
droht.“

Er verweist dabei auch auf die Ausführungen der Karlsruher Richter, fortwäh-
rend zu überprüfen, „wie weit die mit der teilweisen Finanzierung über Werbung
und Sponsoring verbundene Erwartung, sie könne die Unabhängigkeit des öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber dem Staat stärken, die Nutzung dieser
Finanzierungsarten angesichts der mit ihr verbundenen Risiken“ weiterhin recht-
fertigen kann“. Gerade die Einführung des Rundfunkbeitrags böte aus Sicht
Kirchhofs diesen „Überprüfungs- und Vorsorgeauftrag an den Gesetzgeber zu
erfüllen“.

Die von Kirchhof befürchtete Ausrichtung der werbeführenden öffentlich-
rechtlichen Programme auf Massenattraktivität und eine „Erosion der
Identifizierbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme“ ist in der Praxis gut zu be-
obachten wie die Programmanalyse „Hörfunk-Profile 2012“ (s. Anlage 3) zeigt.

                                                                                     18/40
Strukturen privater & werbeführender öffentlich-rechtlicher Radioprogramme

Quelle: Programmanalyse 2012, House of Research

Fazit „programmliche Auswirkungen“: Zu erwarten wäre einer deutlichere
Ausrichtung der öffentlich-rechtlichen Programme am Programmauftrag und
vermehrt die Bereitstellung von auftragsnahen und gesellschaftlich gewünsch-
ten, aber privatwirtschaftlich nur schwer finanzierbaren Inhalten. Gleichzeitig
würde auch die private Programmvielfalt erhalten oder erweitert, so dass ins-
gesamt ein Anstieg der Programmvielfalt zu erwarten ist.

                                                                                  19/40
A.II. Fernsehen

1. Frage: Welche strukturellen/ökonomischen Auswirkungen, insbesondere auf
   den Rundfunk und den Werbemarkt, sind bei einer Reduzierung von Werbung
   und/oder Sponsoring (bspw. auf max. 10 Minuten werktäglich im Jahres-
   durchschnitt) oder einem vollständigen Verzicht in den Fernsehprogrammen
   von ARD und ZDF zu erwarten?

Die Auswirkungen von Obergrenzen für die zulässige Werbung im öffentlich-
rechtlichen Rundfunk sind in hohem Maße davon abhängig, ob diese Grenzen
nur jahresdurchschnittlich oder für jeden einzelnen Werbetag wirksam werden.
Wie bereits unter A.I. zur Radiowerbung ausgeführt, erlauben jahresdurch-
schnittliche Regelungen werbekonjunkturabhängige Über- und Unterschreitung
der definierten Grenzen, so dass zu besonders nachfragestarken Tageszeiten,
Tagen, Wochen oder Monaten eine starke Annäherung an die Programmstruk-
turen privater Anbieter möglich ist. Jahresdurchschnittliche Obergrenzen sind
damit kein geeignetes Regulierungsinstrument zur Steuerung des gewünschten
Werbeanteils in öffentlich-rechtlichen Programmen.

Auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigt sich in der Praxis, dass die Wer-
bemenge stark variiert. So liegt die tägliche Werbemenge in Das Erste (BR) an
vielen Tagen über den tagesdurchschnittlich vorgesehenen 20 Minuten und
mehrfach sogar über der Ausgleichsgrenze von 25 Minuten. An anderen Tagen
im Jahr – insbesondere in den werbeschwächeren Phasen – sinkt die tägliche
Werbemenge bis auf unter 5 Minuten.

  Das Erste: Werbeminuten pro Tag im Jahr 2014
  in Werbeminuten pro Werktag (2.1. bis 29.11.2014),
30

25

20

15

10

 5

 0
     25.03.2014
     02.01.2014
     14.01.2014
     25.01.2014
     06.02.2014
     18.02.2014
     01.03.2014
     13.03.2014

     05.04.2014
     17.04.2014
     02.05.2014
     14.05.2014
     26.05.2014
     07.06.2014
     20.06.2014
     02.07.2014
     14.07.2014
     25.07.2014
     06.08.2014
     18.08.2014
     29.08.2014
     10.09.2014
     22.09.2014
     04.10.2014
     16.10.2014
     28.10.2014
     08.11.2014
     20.11.2014

 Quelle: Nielsen Media Research, Daten für das BR-Signal

                                                                                   20/40
Auch im ZDF unterliegt die tägliche Werbemenge teilweise extremen Schwan-
kungen und liegt ebenfalls an vielen Tagen über den tagesdurchschnittlich vor-
gesehenen 20 Minuten und mehrfach sogar über der Ausgleichsgrenze von 25
Minuten. An anderen Tagen im Jahr – insbesondere in den werbeschwächeren
Phasen – sinkt auch hier die tägliche Werbemenge bis auf unter 5 Minuten.

  ZDF: Werbeminuten pro Tag im Jahr 2014
  in Werbeminuten pro Werktag (2.1. bis 29.11.2014),
30

25

20

15

10

 5

 0
     27.08.2014
     02.01.2014
     13.01.2014
     23.01.2014
     03.02.2014
     13.02.2014
     24.02.2014
     06.03.2014
     17.03.2014
     27.03.2014
     07.04.2014
     17.04.2014
     30.04.2014
     12.05.2014
     22.05.2014
     03.06.2014
     14.06.2014
     25.06.2014
     05.07.2014
     16.07.2014
     26.07.2014
     06.08.2014
     16.08.2014

     06.09.2014
     17.09.2014
     27.09.2014
     09.10.2014
     20.10.2014
     30.10.2014
     10.11.2014
     20.11.2014

 Quelle: Nielsen Media Research

Auch im Tagesverlauf unterliegt die stündliche Werbedauer bei ARD und ZDF
starken Schwankungen. Dabei fällt insbesondere auf, dass ein Großteil der täg-
lich zugelassenen Werbung in der reichweitenstarken Stunde von 19 bis 20 Uhr
gesendet wird. Damit nähern sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme
am Vorabend strukturell – also bezogen auf den Anteil der Werbung am Ge-
samtprogramm – weitgehend an die Strukturen kommerzieller Anbieter an.

Eine Reduzierung auf 10 Minuten werktags ohne Vorgaben für die zulässige
Werbemenge pro werbeführender Stunde, würde voraussichtlich zu einer kon-
sequenten Umverteilung der erlaubten Werbedauer in die Stunde von 19:00 bis
20:00 Uhr führen und damit in dieser reichweitenstarken Zeitschiene wenig
oder keine strukturelle Änderung bringen. Die einzige Veränderung in der Pro-
grammstruktur könnte sich in der Nachmittagsschiene ergeben, die komplett
werbefrei werden könnte und damit auch unabhängig von kommerziellen For-
matierungszwängen.
Fazit „Jahres- und tagesdurchschnittliche Obergrenzen“: In der Praxis verfeh-
len die bestehenden jahresdurchschnittlichen Obergrenzen ihre regulierende
Wirkung. Eine Reduzierung auf 10 Minuten pro Werbetag im Jahresdurch-

                                                                                 21/40
schnitt hätte kaum spürbaren ökonomischen und höchstens minimale (pro-
gramm-)strukturelle Auswirkungen. Für den Werbemarkt wäre die Regelung
unschädlich.

Demgegenüber hätte eine für jeden Einzeltag geltende Halbierung der öffent-
lich-rechtlichen TV-Werbung auf dann maximal 10 Minuten werktäglich bereits
erhebliche ökonomische sowie spürbare strukturelle Auswirkungen.

Die Simulation auf Basis von Vorjahresdaten ergibt für das Szenario einer Redu-
zierung auf künftig jeweils nur noch maximal 10 Minuten werktäglich TV-
Werbung bei statischer Betrachtung jährliche Netto-Umsatzeffekte von +45 bis
+56 Mio. € p.a. für private TV-Veranstalter sowie von +35 bis +44 Mio. € p.a. für
andere private Medien und Werbeträger.

Reduzierung auf jeweils max. 10 Min. pro Werbetag
Prognostizierte Netto-Umsatzeffekte
in Millionen Euro p.a.
Privat TV                                     45 bis 56           Mio. Euro
Andere private Medien / Werbeträger           35 bis 44           Mio. Euro
Quelle: eigene Berechnung

Neben diesen statischen Effekten wären voraussichtlich auch dynamische Effek-
te zu erwarten, beispielsweise wären preisstabilisierende Effekte für kleinere
private Sender denkbar. Für die Werbekunden wären mit dieser Reduzierung
keine problematischen Effekte verbunden. Alle Kampagnenziele könnten auch
künftig erreicht werden.

Strukturell wäre mit der Reduzierung auf jeweils max. 10 Minuten pro Werktag
einerseits eine deutlich gleichmäßigere Verteilung des Werbeanteils in den öf-
fentlich-rechtlichen TV-Programmen zu erwarten. Der Einfluss kommerzieller
Formatierungszwänge sollte abnehmen und für die Programmmacher von Das
Erste und ZDF ergeben sich neue Chancen, das derzeit von kommerziellen TV-
Programmen oftmals kaum unterscheidbare Werberahmenprogramm künftig
stärker am Programmauftrag auszurichten. Im Ergebnis könnten Das Erste und
ZDF zunehmend gesellschaftliche gewünschte, jedoch kommerziell nicht oder
nur schwer zu refinanzierende Programme ausstrahlen. Gleichzeitig würden die
Refinanzierungschancen privater Anbieter verbessert, so dass auch systemüber-
greifend ein Anstieg der Anbieter- und Angebotsvielfalt zu erwarten wäre.

Fazit „Reduzierung auf max. 10 Minuten pro Werbetag“: Die Werbereduzie-
rung hätte positive ökonomische Auswirkungen für private Anbieter und wäre

                                                                                    22/40
auch für Werbekunden unproblematisch. Die Erreichbarkeit von Kampagnen-
zielen der Werbekunden wäre weiterhin möglich. Strukturell würde die Redu-
zierung zu einer höheren Unterscheidbarkeit zwischen öffentlich-rechtlichen
und privaten werbefinanzierten TV-Programmen führen. Die strukturellen
Effekte wären allerdings stark abhängig von der künftigen öffentlich-
rechtlichen Angebots- und Werbeflächenstruktur. Gesicherte strukturelle Ef-
fekte wären erst bei völligem Werbeverzicht und der damit einhergehenden
vollständigen Befreiung von kommerziellen Formatierungszwängen zu erwar-
ten.

Bei vollständigem Verzicht auf Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
wären bei statischer Betrachtung Umsatzeffekte von +140 bis 162 Mio. € p.a. für
private TV-Veranstalter sowie von +110 bis +128 Mio. € p.a. für andere private
Medien und Werbeträger zu erwarten.

Werbeverzicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen
Prognostizierte Netto-Umsatzeffekte
in Millionen Euro p.a.
Privat TV                                     140 bis 162         Mio. Euro
            davon klassische Spotwerbung      120 bis 139         Mio. Euro
                         davon Sponsoring      20 bis 23          Mio. Euro
Andere private Medien / Werbeträger           110 bis 128         Mio. Euro
Quelle: eigene Berechnung

Neben diesen statischen Effekte wären voraussichtlich auch dynamische Effekte
zu erwarten, beispielsweise wären preissabilisierende Effekte für kleinere priva-
te Sender wahrscheinlich. Für die Werbekunden wären mit dieser Reduzierung
keine problematischen Effekte verbunden. Alle Kampagnenziele könnten auch
künftig erreicht werden.

Gleichzeitig wären mit einem vollständigen Werbeverzicht erhebliche strukturel-
le Auswirkungen verbunden. Die Programmmacher von Das Erste und ZDF wä-
ren vollkommen frei von kommerziellen Formatierungszwängen. Damit würden
diverse „Me-too-Formate“ im öffentlich-rechtlichen Programm verzichtbar, die
heute noch im sogenannten Werberahmenprogramm den Nachmittag und Vor-
abend im öffentlich-rechtlichen TV-Programm prägen. Stattdessen könnte das
öffentlich-rechtliche TV-Programm auch in den Zeitschienen werktags vor 20
Uhr konsequent am Programmauftrag ausgerichtet werden und auftragsnahe
und gesellschaftlich gewünschte aber privatwirtschaftlich nur schwer finanzier-
bare Inhalte anbieten.

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Ein vergleichbarer Effekt wäre durch einen Wegfall der Sponsoring-Ausnahmen
auch im Hauptabendprogramm nach 20 Uhr und an Sonn- und Feiertagen zu
erwarten. Zwar könnten hochgradig kommerzialisierte Großereignisse auch
künftig weiterhin durch ARD und ZDF ersteigert und – trotz des hohen Werbe-
flächenanteils in diesen Programmen – auch am Hauptabend ausgestrahlt wer-
den, die Chancen privater Mitbieter wären jedoch etwas ausgeglichener (vgl.
Antworten zu B. Sponsoring). Damit wären für öffentlich-rechtliche Programm-
macher zusätzliche Anreize geschaffen, den Hauptabend mit auftragsnahen pro-
grammliche Alternativen zu füllen.

Gleichzeitig würden am Werbemarkt die Refinanzierungschancen für private TV-
Programme steigen, so dass insgesamt eine deutliche Stärkung der Anbieter-
und Angebotsvielfalt im Gesamtsystem zu erwarten wäre.

Fazit „Verzicht auf Werbung und Sponsoring“: Mit einem vollständigen Ver-
zicht auf Werbung und Sponsoring in den öffentlich-rechtlichen TV-
Programmen wären insgesamt positive ökonomische und deutliche strukturel-
le Auswirkungen verbunden. Für den Werbemarkt wäre der Verzicht unschäd-
lich.

2. Frage: Welche konkreten finanziellen Auswirkungen hätte - bezogen auf die
   einzelnen Rundfunkanstalten - eine Beschränkung (siehe Frage A.II.1.) von
   oder ein Verzicht auf Werbung und/oder Sponsoring in den Fernsehpro-
   grammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei gleichzeitiger Kompensa-
   tion des Mehrbedarfs der Rundfunkanstalten durch den Rundfunkbeitrag?

Insgesamt machen die TV-Werbeerträge der ARD-Anstalten nur rund 5 Prozent
der gesamten öffentlich-rechtlichen TV-Einnahmen aus. Die Werbeerträge wür-
den bei einer Beschränkung auf 10 Minuten pro Werktag voraussichtlich um
rund 30-40 Prozent, beziehungsweise bei einem vollständigen Werbeverzicht
um rund 100 Prozent, zurückgehen (siehe Antwort zu Frage A.II.1.). In welcher
Höhe die mit diesen Szenarien einhergehenden Kosteneinsparungen die zu er-
wartenden Umsatzrückgänge bereits (teil)kompensieren würden, lässt sich von
außen nicht beziffern. Grundsätzlich könnten sicherlich Einsparungen bei den
Anstalten ebenso wie bei den Werbetöchtern realisiert werden.

Sofern dennoch eine Kompensation des Mehrbedarfs vorgesehen ist, sind die
konkreten finanziellen Auswirkungen der Werbebeschränkung für die einzelne
Rundfunkanstalt abhängig vom angewendeten Verteilungsschlüssel. Denkbar
wäre in diesem Fall eine Verteilung der Kompensation auf Basis der bisher an-
gemeldeten bzw. festgestellten Werbeumsätze. Im Übrigen wäre es Aufgabe der

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Anstalten, auf Basis der von der Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen Vor-
schläge für einen Verteilschlüssel zu unterbreiten.

3. Frage: Welches Potential für Einsparungen sehen die Rundfunkanstalten in
   den von der KEF in Tz. 43 ihres Sonderberichts zum Verzicht auf Werbung und
   Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfohlenen Kooperationen?

Ohne Transparenz bezüglich der Kostenstrukturen der öffentlich-rechtlichen
Werbetöchter können die bestehenden Einsparpotentiale nicht exakt beziffert
werden. Offensichtlich werden die Einsparpotentiale allerdings schon mit Blick
auf die bestehenden Doppelstrukturen in den öffentlich-rechtlichen Vermark-
tungstöchtern.

Auch das Verhältnis zwischen Netto-Werbeumsätzen (lt. 19. KEF-Bericht für
2013: 350,5 Mio. €) und Werbeerträgen (lt. 19. KEF-Bericht für 2013: 97,8 Mio.
€) legt eine Überprüfung der internen Kostenstrukturen der öffentlich-
rechtlichen Werbezeitenvermarkter nahe. Von 1,00 Euro Nettowerbeumsatz,
kommen im Schnitt nur 0,28 Euro als Werbeertrag bei den Anstalten an, das
entspricht Vermarktungskosten von über 70 Prozent. Marktüblich sind hingegen
Vermarktungskosten im Bereich von 5-10 Prozent. Dem Vernehmen nach schla-
gen diese 70 Prozent zwar nicht in vollem Umfang als Vermarktungskosten zu
Buche, sondern beinhalten auch Finanzierungen öffentlich-rechtlicher „Werbe-
rahmenprogramme“. Die Programmfinanzierung zählt jedoch nicht zu den Auf-
gaben der Werbetöchter und sollte daher hier auch als Einsparpotential mit
erfasst werden.

4. Frage: Welche programmlichen Auswirkungen sind im öffentlich-rechtlichen
   und privaten Rundfunk bei einer (auch stufenweisen) Reduzierung von Wer-
   bung und/oder Sponsoring im Fernsehen des öffentlich-rechtlichen Rund-
   funks zu erwarten?

Es sind ganz erhebliche, wenn nicht sogar die für die politische Gesamtdebatte
entscheidenden Auswirkungen zu erwarten. Der programmliche Aspekt steht
bei der Frage der Werbefreiheit maßgeblich im Fokus. Die werbeführenden öf-
fentlich-rechtlichen Programme haben sich in ihrer Formatierung weitgehend an
die Programmstrukturen privater Programme angeglichen. Für das öffentlich-
rechtliche TV-Programm gilt dies in den werbeführenden Zeitschienen am
Nachmittag und am Vorabend: montags bis freitags hat der Beitragszahler bei
ARD und ZDF am Vorabend die Auswahl zwischen Boulevard-„News“, Daily
Soaps und Krimis. Parallel müssen die privaten TV-Veranstalter zum Teil Aufla-
genprogramme wie Regionalfenster veranstalten. Eine Kommerzialisierung ist

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auch im Hauptabendprogramm festzustellen, etwa bei Live-Sportprogrammen
mit hohen Sponsoringanteilen.

Eine Reduzierung der zulässigen Werbezeit bei Das Erste und im ZDF würde die
Anreize zur Selbstkommerzialisierung im Programm dämpfen. Damit könnte
auch den in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
geäußerten Bedenken des Verlusts der Identität eines öffentlich-rechtlichen
Profils im Umfeld von Werbeschaltungen – die sich durch die aktuelle Pro-
grammstruktur in diesen Umfeldern bestätigt finden – entgegen getreten wer-
den. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder seine Befürchtungen ge-
äußert, dass eine Finanzierung jenseits der Abgabe die Gefahr begründet, dass
das Programm zunehmend massenkompatibel ausgerichtet wird und nicht mehr
als öffentlich-rechtlich identifizierbar ist. Auch in seiner jüngsten Entscheidung
hat das BVerfG Bezug auf den Auftrag von ARD und ZDF genommen, der „ein
Leistungsangebot“ hervorbringen soll, „das einer anderen Entscheidungsrationa-
lität als der der marktwirtschaftlichen Anreize erfolgt“. Der öffentlich-rechtliche
Rundfunk solle „zur Angebotsvielfalt beitragen und unabhängig von Einschalt-
quoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrecht-
lichen Anforderungen […] entspricht“. Besonders das Gebührenurteil aus 2007
unterstrich die mit den Einnahmen aus Werbung oder Sponsoring verbundene
„vielfaltverengende Wirkung die Gebührenfinanzierung“1.

Die strukturellen Auswirkungen von Obergrenzen für Werbung im öffentlich-
rechtlichen Rundfunk – also das Verhältnis von Programm und Werbung – sind
in hohem Maße davon abhängig, ob die entsprechenden Grenzen nur jahres-
durchschnittlich gelten oder verbindlich an jedem einzelnen Werbetag oder
sogar pro Werbestunde eingehalten werden müssen. Jahresdurchschnittliche
Grenzen führen im Jahresverlauf zu stark schwankenden Werbeanteilen im öf-
fentlich-rechtlichen Programm und verfehlen damit das Ziel eines durchgängig
öffentlich-rechtlichen Programmprofils. Klare Obergrenzen pro Stunde könnten
den Werbeanteil im öffentlich-rechtlichen Programm wirksam regeln.

Ein vollständiger Verzicht auf Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen würde darüber hinaus sogar Anreize zur Entkommerzialierung set-
zen. Im Ergebnis wären mehr auftragsnahe öffentlich-rechtliche TV-Pogramme
und damit auch mehr inhaltliche Vielfalt im Gesamtmarkt zu erwarten.

Auf die Auswirkungen der Kommerzialisierung im Umfeld von Werbung im öf-
fentlich-rechtlichen Programm hatte bereits Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof in
seinem „Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
erstattet im Auftrag der ARD, des ZDF und DRadio“ im Vorfeld der Umstellung

1
    Unter Verweis auf BVerfGE 83, 238 (311); 87, 181 (199) sowie 90, 60 (91).

                                                                                      26/40
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