Integrität des Sports - Was sollen neue Tatbestände schützen?
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1 | 2018 21 Integrität des Sports – Was sollen neue Tatbestände schützen? * von Prof. Dr. Carsten Momsen Der Duden bietet einige Synonyme für das Wort Integrität wendung bei Verfahren gegen das organisierte Verbre- – Anständigkeit, Ehrlichkeit, Makellosigkeit etc. Wie aber chen, die Mafia – und deutsche Automobilhersteller. Wo- kann nun der Sport in der heutigen Gesellschaft, welche bei die Criminal Division des DoJ dazu neigt, die FIFA von mitunter ungezügeltem Streben nach citius, altius, näher an die Mafia als an die Autokonzerne zu rücken1 – fortius, in sportlicher wie ökonomischer Hinsicht geprägt soweit hier überhaupt differenziert wird. Läge es bei die- ist, anständig bleiben? sem Befund nicht nahe, die Organisation zu verbieten – anstatt daran zu glauben, man könne diese Geschäfte auch I. Einführung auf integre Weise ausüben? Eine Volte, die der amerika- nisch-italienischen Mafia übrigens in geradezu bewunde- Nahezu jeder gerät mit Sport auf irgendeine Art in Berüh- rungswürdiger Weise gelungen ist.2 rung. Sei es als aktiver (Hobby) Sportler oder als Fan, der seine Mannschaft unterstützt. Jede Sportart folgt dabei ge- Die Frage ist rhetorisch und angesichts der Bedeutung, die wissen Regeln, die den reibungslosen Spielablauf erst dem Spitzensport nicht nur hierzulande zugeschrieben möglich machen und daher als wichtig eingeschätzt wer- wird, wohl auch obsolet. den. Oft werden dem Sport auch Werte wie Fairness und Teamgeist zugeschrieben. Darüber hinaus kommt dem Gleichwohl: Gibt es die in den Begründungen beider Ge- Sport jedoch auch eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies setze, des „Anti-Doping-Gesetzes“ und des Gesetzes zur findet neben gewaltigen, angesichts der sozialen Prob- „Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation leme auch in den westlichen Industrieländern geradezu von berufssportlichen Wettbewerben“, im Vordergrund obszönen, Transfersummen wie auch den Beträgen, wel- stehende „Integrität“ des Sports? che für Übertragungsrechte aufgerufen und – jedenfalls in Deutschland aus Gebühren – bezahlt werden, nicht zuletzt Wenn es sie gibt – handelt es sich um ein strafrechtlich zu auch Ausdruck in den weiterhin zunehmenden Wetten auf schützendes Interesse? Oder gar ein Rechtsgut? sportliche Ereignisse. II. Rechtsgüter und das Konzept strafrechtlich ge- Nimmt man hinzu, dass die internationalen Spitzenver- schützter Interessen bände des Sports - IOC und FIFA seien nur als die promi- nentesten Beispiele herausgegriffen - in einer durch of- Vorab sei klargestellt, dass zwei Diskussionen an dieser fene systemische Korruption gekennzeichneten Wirklich- Stelle nicht geführt werden: Die Diskussion um den keitsblase leben und zugleich mit nationalen und interna- Rechtsgutsbegriff und die Diskussion darum, ob die staat- tionalen politischen Spitzenorganisationen und Staaten in- liche Förderung des Spitzensports und der Sportorganisa- teragieren, so stellt sich die Frage, welche Interessen ei- tionen überhaupt sinnvoll bzw. legitimierbar ist. Letzteres gentlich tatsächlich durch die neuen Vorschriften zum wird als Prämisse unterstellt. Schutze des Sports gefördert werden. Der Begriff Rechtsgut wird hier synonym mit dem Begriff Amerikanische Strafverfolgungsbehörden ermitteln ge- des strafrechtlich geschützten Interesses verwendet. Zur gen die FIFA (und andere Sportverbände) wegen diverser Kritik verweise ich auf die Ausführungen von Thomas Fi- Wirtschaftsdelikte, wegen Korruption und wegen „Con- scher in einer sehr aufschlussreichen Zeit-Kolumne3 und spiracy“. Letzterer Tatbestand ähnelt in gewisser Weise auf den Beitrag von Hans Kudlich auf der Augsburger unserem strafrechtlichen Verbot krimineller Vereinigun- Strafrechtslehrertagung.4 gen, hat aber eine erheblich stärkere Klammerwirkung und erlaubt den Ermittlungsbehörden und Gerichten einen Methodisch arbeite ich nachfolgend mit einem systemkri- enormen Spielraum bei der Zielrichtung der strafrecht- tischen dualistischen Rechtsgutsbegriff, der sich als eher lichen Ermittlung und Sanktionierung. Er findet auch An analytisches Konzept zur Differenzierung von Recht und * Der Verfasser ist Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht ´, Strafver- other offenses (…)”: https://www.justice.gov/opa/pr/nine-fifa-offi- fahrensrecht, Wirtschafts- und Umweltstrafrecht an der Freien Uni- cials-and-five-corporate-executives-indicted-racketeering-conspir- versität Berlin. Der Beitrag war ein Vortrag anlässlich eines Tref- acy-and (zuletzt abgerufen am 11.12.2017). 2 fens des “Kriminalpolitischen Kreises” im November 2017 in Köln. Holder-Memo, Organized Crime, 2012; https://www.justice.gov/si- Der Vortragsstil wurde weitgehend beibehalten. Ich danke meinen tes/default/files/usao/legacy/2012/10/31/usab6006.pdf, zuletzt ab- Mitarbeiterinnen Lisa Eisenberger und Clarissa Streitner für die gerufen am 11.12.2017. 3 Unterstützung. Thomas Fischer, „Was ist ein Rechtsgut“, Zeit online v. 2.6.2015, 1 DoJ- „A 47-count indictment was unsealed early this morning in abrufbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesche- federal court in Brooklyn, New York, charging 14 defendants with hen/2015-06/strafrecht-tierschutz-fischer-im-recht/komplettansicht racketeering, wire fraud and money laundering conspiracies, among (zuletzt abgerufen am 31.10.2017). 4 Kudlich, ZStW 127 (2015), 635 ff.
22 1 | 2018 diffusen Moralvorstellungen dem „Harm Principle“ annä- wie der Betäubungsmittelmissbrauch eine spezifische hert.5 Rechtsgutsschädigung dar. Bei genauer Betrachtung liegt auch keine in strafrechtlichen Kategorien spezifische An- Vor über 15 Jahren habe ich – gemeinsam mit Cherkeh – griffsmodalität vor. Dementsprechend ist insoweit – iso- in jugendlichem Übermut formuliert, das Strafrecht dürfe liert betrachtet – das Schutzsystem der §§ 223 ff. StGB den „Sportethos“ schützen, da es sich hierbei um ein All- vorrangig. gemeinrechtsgut handele.6 Diese Bemerkung, deren Au- torenschaft ich schon wenige Jahre später gern geleugnet Last but not least resultiert aus diesem Ansatz auch eine hätte, hat sich als einflussreicher erwiesen als man hätte prozessuale Konsequenz, welche mit den neuen Gesetzen befürchten müssen. umgesetzt wurde: Es geht nicht um die Beeinträchtigung verbandsinterner Rechtsgüter im Schutzbereich des Tatsächlich formuliert der Aufsatz aber, zugegebenerma- Art. 9 GG – soweit dies überhaupt denkbar ist. Dement- ßen etwas zaghaft, was aus meiner Sicht heute richtig ist: sprechend gibt es keinen Primat sportgerichtlicher bzw. dass es in Wahrheit um andere Interessen gehen muss. Ein schiedsgerichtlicher Konfliktlösung, sofern auch straf- Rechtsgut, auch wenn es ein solches der Allgemeinheit ist, rechtliche Rechtsgüter betroffen sind. ist nur dann legitimierbar, wenn es sich auf Individualin- teressen zurückführen lässt, letztlich mittelbar deren Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die neuen Rege- Schutz dient. lungen an. Was ist die „Integrität des Sports“? Doping, so der Ansatz, verzerre den sportlichen Wettbe- III. Das Anti-Doping-Gesetz werb. Dieser Wettbewerb ist als Ausschnitt eines allge- meinen Wettbewerbsgedankens nicht umfassend ge- Am 18.12.2015 trat das Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) schützt, sondern dort, wo er fremde geschützte Interessen in Kraft – die Aushängeschilder des Sports – Chancen- tangiert. Dies, so formulierten wir damals, setze eine Ver- gleichheit, Vertrauen und Fair Play erschienen gerettet – mögensrelevanz des Wettbewerbs voraus. Weitere Inte- die Zahl der Verurteilungen seit 2015: Null. Doping ressen wie Gesundheit oder Körperintegrität seien ausrei- werde durch die innere Systemlogik des Sports provo- chend durch das (2001) vorhandene strafgesetzliche In- ziert.7 Noch-Justizminister Heiko Maas findet Doping in strumentarium geschützt. seiner rechtspolitischen Bilanz der 18. Legislaturperiode „unfair, unsportlich und gefährlich“.8 Sucht man in den Der wirtschaftliche bzw. wirtschaftsstrafrechtliche Zu- FIFA Statuten von 20129 nach dem Wort Doping so er- gang prägt meinen Blick auf die neuen Gesetze auch wei- scheinen sechs Treffer – in den aktuellen Statuten von terhin. Dementsprechend ist vorauszuschicken, dass mei- 201610 erzielt man bereits fast das doppelte – nämlich elf ner Ansicht nach Doping nur als eine Form der Wettbe- Treffer. Eine Sensibilisierung für das Thema Doping ist werbsverzerrung zugleich eine spezifische Erscheinungs- zweifelsfrei durch die neue Möglichkeit der Strafbarkeit form der Korruption bzw. der korruptiven Wettbewerbs- nach einem formellen Gesetz geschaffen worden. Wie störung darstellt. aber sind die sich daraus resultierenden tatsächlichen Möglichkeiten zu beurteilen? Daraus folgt, wie ich vor gut einem Jahr hier in Köln auf der Tagung zu Korruption im Sport näher ausgeführt Nach § 1 AntiDopG ist der Zweck des Gesetzes die Be- habe, dass die Normen der beiden neuen Gesetze, wenn kämpfung der Verwendung von Dopingmitteln um die überhaupt, dann nur im Zusammenhang mit den §§ 299 Gesundheit der Sportler*innen zu schützen, die Fairness und 331 ff. ein tragfähiges Schutzkonzept darstellen kön- und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben zu sichern nen. Ferner folgt daraus, dass Korruption immer einen zu- sowie die Integrität des Sportes zu wahren. Bei den mindest potentiellen Wettbewerbsbezug voraussetzt, was Rechtsgütern „Fairness und Chancengleichheit“ sowie für die Interpretation des sog. „Geschäftsherrnmodells“ „Integrität des Sports“ handelt es sich um sprachlich wie § 299 Abs. 1 und 2 jeweils Nr. 2 StGB eine Rolle spielt – strafrechtlich unbestimmte Begriffe, welche Rechtsunsi- aber auch Rückwirkung auf die Bekämpfung der Korrup- cherheit nach sich ziehen. Insoweit wurde diskutiert, den tion im Sport hat. Auch hier ist ein Wettbewerbsbezug mit Gesetzeszweck doch auf den Schutz der Athleten-gesund- wirtschaftlicher Konnotation vorauszusetzen. Für Nähe- heit zu fokussieren und nur mittelbar den Wettbewerb zu res darf ich auf den sicher bald erscheinenden Tagungs- schützen. band der vorgenannten Tagung verweisen. Die individu- elle Gesundheit kann namentlich durch Doping beein- trächtigt werden. Hier jedoch stellt Doping ebenso wenig 5 6 Vgl. Dubber, 53 American Journal of Comparative Law 2006, 679: Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 ff. 7 “Rechtsgut as Analytical Tool - Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2013, S. 26. 8 In the end, the most important function of the concept of legal good Maas, ZRP 2017, 130. 9 may well be the facilitation of critical analysis, rather than critique https://resources.fifa.com/mm/document/affederation/bo- itself. The very existence of the concept stands for the proposition dies/01/62/05/99/eanlagedeutsch.pdf (zuletzt abgerufen am that there are limits within which modern criminal law must operate 24.10.2017). 10 if it is to claim legitimacy, and ultimately obedience, and therefore https://resources.fifa.com/mm/document/affederation/gene- effectiveness. The notion of legal goods provides critical analysis of ric/02/78/29/07/fifastatutsweben_neutral.pdf (zuletzt abgerufen am German criminal law with a language for expressing itself, no less, 24.10.2017). but also not much more (…)."
1 | 2018 23 Im Hinblick auf die Chancengleichheit bei Wettbewerben garantenähnlichen Pflicht finden lassen. Ein solcher ist je- wird man schwerlich ein entsprechendes Individualrechts- doch nicht zu spüren. Genauso wenig wie es vorstellbar gut formulieren können, genauso wenig, wie sich niemand ist, dass die Gesundheit aller durch den Besitz von Do- eine strafbewehrte unbestimmte Verpflichtung zur Fair- pingmitteln einzelner Sportler gefährdet werden könnte. ness wünschen wird. Fairness und Chancengleichheit Die Idee eines sog. „Kumulationsdelikts“ geht hier eben- können sich also nur als Allgemeinrechtsgut auf den Wett- falls ins Leere. Sinn ergibt die Norm dort, wo das Umfeld bewerb beziehen. an der Vorbereitung und Durchführung von korruptiven Verzerrungen des Wettbewerbs durch Doping gehindert Da der Wettbewerb genauso wenig wie das Vertrauen in werden soll. Der Sache nach haben wir es mit einem Vor- das Funktionieren desselben um seiner selbst in allen Er- feldtatbestand zu tun. scheinungsformen geschützt ist, bedarf es der Eingren- zung des Schutzbereiches auf den sportlichen Wettbe- Gem. § 3 AntiDopG ist Selbstdoping strafbar – dies gilt werb, soweit dieser geeignet ist, strafrechtlich geschützte für alle Sportler*innen, die an einem Wettbewerb des or- Interessen Dritter zu tangieren, im Falle der Aushebelung ganisierten Sports teilnehmen. Nach § 3 Abs. 3 AntiDopG des Wettbewerbs zu verletzen. Gefragt ist also in erster ist ein Wettbewerb des organisierten Sports eine Sportver- Linie eine Vermögensrelevanz. Selbstdoping müsste anstaltung, die von einer nationalen oder internationalen strukturell als Selbstverletzung straflos bleiben, die Ge- Sportorganisation oder in deren Auftrag oder mit deren sundheit ist nach Maßgabe der §§ 223 ff. StGB geschützt. Anerkennung organisiert wird und bei welcher Regeln – Der oben beschriebene Ansatz weist also in die falsche gestellt von eben einer solchen Organisation – einzuhalten Richtung. Ein eigenständiges Rechtsgut „Integrität“ ist sind. Es handelt sich somit grds. um Sportler, die sich als durch § 1 des Gesetzes nicht geschaffen worden. Mitglied eines Testpools im Rahmen des Dopingkontroll- systems Trainingskontrollen unterziehen müssen und/o- § 2 Abs. 3 AntiDopG sowie § 3 Abs. 4 AntiDopG stellen der durch ihre sportliche Leistung eine Einnahmequelle allein den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe – was in für sich schaffen. Sportlerkreisen zu Aufregung führt. Silke Kassner, stell- vertretende Vorsitzende der Athletenkommission des Die erste Reihe beim Marathon muss also vorsichtig sein DOSB und Olympiateilnehmerin äußerte beim Kölner – die anderen Läufer können sich auf ihrer EPO-Behand- Kolloquium zur Wirtschaftskriminalität11 Anfang 2017 lung ausruhen? Sanktionierung von Vorbildversagen? – ihre Bedenken: Sportler hätten große Sorge, kriminalisiert argumentativ durchaus vertretbar ... wie aber ließe sich und vorbestraft zu werden – das Schmuggeln von Doping- sonst der so kritisch beäugte Aspekt der Selbstgefährdung substanzen in fremde Sporttaschen sei nun einmal ein relativieren? leichtes Spiel. Schutzzweck dieser Bestimmung soll die Allgemeingesundheit sein – eine Strafbarkeit soll somit Tathandlungsvarianten sind das Bei-Sich-Anwenden und bereits vor Inverkehrbringen begründet werden können. das Bei-Sich-Anwendenlassen bspw. durch einen § 2 Abs. 3 AntiDopG ersetzt das bisherige Verbot des § 6a Arzt/Trainer etc. Erfolgt die Anwendung durch eine dritte Abs. 2 lit. a AMG.12 Der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 Person, so ist es irrelevant, ob diese gut- oder bösgläubig AntiDopG ist nicht beim Besitz von geringen Mengen, die ist.15 Einziges Ausschlusskriterium ist, wenn es sich bei als Eigenverbrauch zu verbuchen und nicht zur Weiter- der Anwendung um eine medizinische Indikation handelt. gabe bestimmt sind, erfüllt – vielmehr behält der Gesetz- Angewendet werden muss das Mittel zu dem Zweck, sich geber die Grauzone der eigenverantwortlichen Selbstge- in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vor- fährdung im Auge und stellt auf die Strafbarkeit des Be- teil zu verschaffen – ein unmittelbarer zeitlicher Zusam- sitzes als zwingendes Durchgangsstadium sowie mit § 3 menhang muss nicht bestehen – soweit das Mittel ange- Abs. 4 auf die Integrität des organisierten Sports ab. Ab wendet wird, um bei einem späteren Wettbewerb die be- wann die Grenze der geringen Menge überschritten ist, absichtigte Leistungssteigerung zu erzielen. Widerspricht soll im Einzelfall ein Sachverständiger unter Berücksich- aber nun die ausschließliche Strafbarkeit von Vorbildver- tigung wissenschaftlicher Datenlage klären.13 Frau Kass- sagen Art. 3 Abs. 1 GG? Vermutlich nicht. Dieser Frage ners Bedenken können vermutlich ausgeräumt werden – schließt sich denklogisch die Frage nach der Verfassungs- bei § 3 Abs. 4 AntiDopG handelt es sich nach überwie- mäßigkeit des Selbstdopings an. So ist und muss es straf- gender Auffassung um eine Norm, welche einer Verfas- frei bleiben, wenn sich der oder die Sportler*in privat sungsbeschwerde nicht standhalten würde.14 Die Norm dazu entscheidet leistungsunterstützend Dopingmittel zu dient schon qua Begründung weniger der Integrität des nutzen und dabei eigenverantwortlich seine bzw. ihre Ge- Sports als dem ebenfalls ominösen Rechtsgut der „allge- sundheit zu schädigen. Zwingend muss jedoch zum orga- meinen Gesundheit“. Die Nähe zum BtMG und dem dort nisierten Sport unterschieden werden – in welchem Fair- geschützten Rechtsgut der „Volksgesundheit“ ist nicht nur ness und Chancengleichheit herrschen – sowie das expo- zufällig, die Formulierung etwas weniger vorbelastet. Al- nentiell viel höhere Risiko besteht andere Sportler mittel- lerdings ist es schwer vorstellbar – auch nicht im BtMG – bar zum Doping zu zwingen – damit auch diese dem un- dass ein Einzelner verantwortlich sein soll für die Gesund- menschlichen Leistungsniveau ihrer gedopten Konkur- heit aller – es müsste sich ja zumindest der Hauch einer renz standhalten können. Auch hier lässt sich kein konkre- tisierender Hinweis auf ein Rechtsgut „Integrität“ des 11 14 Streitner, ZIS 2015, 277. Greco, GA 2010, 62. 12 15 Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, 2013, Rn. 56 ff. Putzke, in: NK-AntiDopG, § 3 Rn. 8. 13 Striegel, in: NK- AntiDopG, 1. Aufl. (2017), § 2 Rn. 85.
24 1 | 2018 Sports finden. Vielmehr kann Selbstdoping nur deshalb einem Strang ziehen würden. Des Weiteren würden die strafbar sein, weil und soweit es sich eine Angriffsmoda- Schiedsgerichte die Rechte des Athleten in hinreichendem lität auf eine strafrechtlich geschützte Erscheinungsform Umfang wahren – somit sei eine Zwangssituation bzw. des sportlichen Wettbewerbs handelt. Erforderlich ist also eine nur einseitig profitable Lage abzulehnen. Es ist zu- die Rückbindung auf individuelle Rechtsgüter, die durch sammenzufassen, dass Art. 6 I EMRK dem Ausschluss die Funktionsstörung des Wettbewerbs beeinträchtigt der Anrufung staatlicher Gerichte durch Übereinstim- werden können. In der Regel das Vermögen.16 Die indivi- mung zu einer schiedsgerichtlichen Vereinbarung nicht duelle Gesundheit des Sportlers ist hier nicht Gegenstand im Wege steht – solange die Vereinbarung wirksam er- eines spezifischen Angriffs, daher sind auch insoweit die folgte.21 Ferner bleibt die Überprüfung durch staatliche § 223 ff. angesprochen.17 Gerichte vorhanden – was auch im Hinblick auf die Aus- wirkungen von Schiedssprüchen auf das Arbeitsverhältnis Nach § 4 AntiDopG wird die Strafbarkeit für Hintermän- des Sportlers unabdingbar ist. ner, die das Doping initiieren, verschärft. Trainer, Be- treuer, Mannschaftsärzte und Funktionäre können sich da- Problematisch stellt sich das Beweisverwertungsverbot nach auch nach dem AntiDopG strafbar machen.18 Um es der im sportrechtlichen Verfahren erzielten Erkenntnisse mit Heiko Maas zu sagen „nur fair“...und alles andere als im gerichtlichen Verfahren dar. Grundsätzlich gilt das selbstgefährdend. In Bezug auf die individuelle Gesund- nemo tenetur se ipsum prodere Prinzip. Im verbandsrecht- heit greifen hier die § 223 ff. StGB unmittelbar ein. Die lichen Verfahren ist der Athlet faktisch gezwungen zur Zielrichtung liegt in der Organisation von und Beteiligung Sache auszusagen – die Aussage dürfte im gerichtlichen an korruptiven Eingriffen in den geschützten Wettbewerb. Verfahren nicht verwendet werden. Sogleich stellt sich die Frage der Doppelbestrafung – Art. 103 Abs. 3 GG steht Mit § 8 AntiDopG ist nun der Austausch zwischen Nati- dem insoweit nicht entgegen – da dies nur für die Verhän- onaler Anti Doping Agentur Deutschland (NADA), Ge- gung zweier Kriminalstrafen beruhend auf den allgemei- richten und Staatsanwaltschaft gesetzlich geregelt worden nen Gesetzen gilt. Die Verurteilung nach Vereinsrecht – die Regelung soll sicherstellen, dass die NADA auch beispielsweise auf Rückzahlung von Preisgeldern oder von Amts wegen die nötigen Informationen erhält. Haupt- Verhängung einer Wettkampfsperre einerseits, schließt ei- anzeiger von Missbrauchsfällen ist nach wie vor die nen Freispruch im gerichtlichen Verfahren andererseits NADA. Positiver Nebenaspekt des Gesetzes könnte die nicht aus. Dem lässt sich dennoch entgegenhalten, dass Weiterentwicklung von Schwerpunktstaatsanwaltschaf- eine solche „Aufteilung“ von Sanktionen bspw. im Stra- ten sein – nach 2009 in München und 2012 in Freiburg ßenverkehrsrecht durchaus üblich ist. folgen vermutlich zeitnah weitere. Diese Normen geben für eine rechtsgutsbezogene Analyse § 11 AntiDopG stellt nun die Anwendbarkeit einer unmittelbar nichts her. Allerdings könnte man aus der un- Schiedsgerichtsbarkeit gem. §§ 1029, 1030 ZPO gesetz- ter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens lich fest. Wesentliche Vorteile des Schiedsgerichtsverfah- sehr positiv zu bewertenden Verlagerung des Anti-Do- rens liegen auf der Hand – jene Verfahren sind nicht öf- ping-Kampfs auf die staatliche Strafjustiz schlussfolgern, fentlich, die Schiedsrichter sind Experten – Schiedssprü- dass sich das Gesetz eben nicht nur mit einem sportlichen che sind vollstreckbar und last but not least sparen die bzw. sportrechtlichen Internum befasst – was die „Integ- Verfahren Zeit und Kosten. Sportverbände regeln ver- rität des Sports“ wohl wäre. mehrt rechtliche Auseinandersetzungen mit den ihren Sta- tuten unterworfenen Athleten, Vereine oder Clubs exklu- Abschließend ist festzuhalten, dass die Sensibilisierung siv durch die Vereinbarung eben solche vor Schiedsge- für das Thema Doping seit Einführung des Gesetzes richten auszutragen. Letztinstanzlich entscheidend wer- enorm gestiegen ist. Nicht nur bei den Athleten – auch bei den dann bspw. national das Deutsche Sportschiedsge- der Gesellschaft, welche den Sportler und die Sportlerin richt in Köln oder international der Court of Arbitration nun noch kritischer beäugt. Sogar Netflix ist aufgesprun- for Sport in Lausanne tätig.19 Wie aber gestaltet sich nun gen und hat mit der Produktion von „Icarus“ einiges zur die Konkurrenz von Schiedsgerichten zu ordentlichen Ge- Diskussion in den Medien beigetragen. richten? Grundsätzlich sind Schiedsverfahren endgültig bindend. Sie können nur unter besonderen Umständen vor In der olympischen Geschichte mussten bislang 74 Gold- staatlichen Gerichten angefochten werden – bspw. wenn Silber- und Bronzemedaillen zurückgegeben werden – das die Vereinbarung der Parteien auf Durchführung eines Dunkelfeld ist vermutlich doppelt bis dreimal so groß. Die Schiedsverfahrens unwirksam waren. Nicht jedoch, wie Erweiterung der Strafbarkeit von Verbandskontrolle auf sich aus neuster Rechtsprechung ergibt, wenn dem Ver- gesetzliche Kontrolle und die damit verbundene Möglich- band eine derartige Monopolstellung zugewiesen werde, keit Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit der Exekutive zu dass der Sportler als sein Gegenüber keine andere Wahl übergeben – selbstredend mit fortlaufender Unterstützung hätte als der Schiedsvereinbarung zuzustimmen.20 Be- der NADA – welche primärer Hinweisgeber bleibt – stellt gründet wird dies mit den sich schlussendlich deckenden eine enorme Verbesserung der heutigen Lage im Ver- Interessen von Verband und Sportler*in – welche doch an gleich zu vor 2015 dar. 16 19 Vgl. näher Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 ff. Heermann, SchiedsVZ 2014, 66. 17 20 Vgl. Momsen/Momsen-Pflanz, in: SSW-StGB, 3. Aufl. (2017), BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 6/15; NJW 2016, 2266. 21 § 223 Rn. 54 ff. Heermann, SchiedsVZ 2014, 66. 18 Putzke, in: NK-AntiDopG, § 4 Rn. 11.
1 | 2018 25 IV. Korruption – Gesetz zur Strafbarkeit von Sport- Der Unterschied liegt darin, dass § 265c StGB Sportwett- wettbetrug und der Manipulation von berufssportli- bewerbe, die Gegenstand einer öffentlichen Sportwette chen Wettbewerben sind, schützt, während § 265d StGB auch Sportwettbe- werbe ohne Bezug zu einer Sportwette einschließt. Mit Wie einleitend erwähnt, dominieren ökonomische Interes- der Einführung der beiden Tatbestände wird nun erstmals sen den Sport, insbesondere den Leistungssport stark und korruptives Verhalten, das sich auf die Manipulation von in weiter zunehmendem Maße. Ein Indikator dafür ist Sportwettbewerben richtet, sanktioniert. Die Bestechung auch das schon seit Jahren verzeichnete hohe Volumen an im Sportbereich war bisher nicht von § 299 StGB erfasst, Sportwetten. Anders als im Bereich der korruptiven Wett- da diese nicht den geschäftlichen Verkehr betrifft. Bislang bewerbsverzerrung durch Doping sind die Wetten gar konnte nur der im Zusammenhang mit der Manipulation nicht so sehr an den Leistungssport im engeren Sinne ge- eventuell ebenfalls vorliegende Betrug nach § 263 StGB knüpft. Gerade im Bereich der Commonwealth-Staaten bestraft werden. Da in vielen Fällen die exakte Höhe des kann man im praktisch zu jedem Zeitpunkt auf alles und Vermögensschadens nicht genau beziffert werden konnte, jeden wetten. schied eine Bestrafung wegen vollendeten Betrugs oft- mals aus.24 Stellt die Einführung der §§ 265c und 265d Wird der Wettbewerb im Zusammenhang mit Wetten kor- StGB nun eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Rege- rumpiert, so sind gerade Veranstaltungen in niedrigeren lungen dar? Ligen für die Täter interessant, da diese nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit und der Aufsichtsinstitutionen § 265c StGB und § 265d StGB liegt eine weitgehend glei- stehen. Zudem lassen sich die Akteure aufgrund der ge- che Konzeption zugrunde. Beide Tatbestände sollen die ringeren Saläre häufig mit weniger Kapitaleinsatz kau- Integrität des Sports sowie das Vermögen als Individual- fen.22 rechtsgut schützen.25 Eben jene korruptive Verhaltensweisen, welche sich un- Der Vermögensschutz ist im Wesentlichen unproblema- gezügelt durch alle Ligen schleichen und Akteure sowie tisch, wie aber lässt sich „Integrität“ hier interpretieren? Funktionäre beschämend bereichern verdeutlichen, dass Korruption im Sport nicht nur Schummeln ist, sondern In der Entwurfsbegründung heißt es, die gesellschaftliche wirtschaftlich kriminelles Verhalten. Tatbestandserfül- und wirtschaftliche Bedeutung des Sports seien durch lend fungiert der Sport als Instrument derer, die wettbe- Sportwettbetrug und Spielmanipulation gefährdet. Der werbsverzerrend Vermögensschädigungen initiieren. Sport verliere dadurch seine Faszination und könne Werte wie Leistungsbereitschaft, Fairness und Teamgeist nicht Korruption im Sport stellt sich hier als gewinnbezogene mehr vermitteln.26 Was genau Sportintegrität jedoch ist, Wirtschaftskriminalität im eigentlichen Sinne dar, welche bleibt völlig unklar und lässt sich beliebig mit Wertvor- sich des Sports als Instrument zur Wettbewerbsverzerrung stellungen füllen. Allein, dass die Integrität des Sports zu und in aller Regel intendierten Vermögensschädigung be- den wichtigsten Werten unserer Gemeinschaft gehöre, er- dient. scheint zweifelhaft. Sicherlich sind Fairness und Team- geist positive Werte, die gewiss erstrebenswert sind – es Insbesondere der Fußballsport war in den letzten Jahren stellt sich jedoch die Frage, ob dies den Einsatz strafrecht- von Spielmanipulationen geprägt.23 Problematisch war licher Mittel rechtfertigt.27 Vor dem Hintergrund der Ul- die Erfassung der evidenten Vermögensverschiebungen tima-Ratio-Funktion des Strafrechts können nicht alle mit den vorhandenen vermögensschützenden Tatbestän- Vorstellungen, die Einzelnen erstrebenswert erscheinen, den. Im Bereich des Betrugs wurde die Rechtsfigur des strafrechtlich geschützt werden. Würde man dies jedoch Quotenschadens entwickelt. Eine weitgehende Ablösung annehmen, so müsste konsequenterweise jeder erhebliche von der bisherigen Ausformung des Schadensbegriffs, im Regelverstoß im Sport, wie beispielsweise das Foulspiel, Bereich der Wortlautgrenze und der Unrechtskonkretisie- das evident gegen das Gebot des Fairplays verstößt, straf- rung höchst problematisch. rechtlich verfolgt werden können oder zumindest in abge- stufter Form eine „Ordnungswidrigkeit“ darstellen. Vor diesem Hintergrund traten am 19.4.2017 mit § 265c StGB (Sportwettbetrug) und § 265d StGB (Manipulation Aus dem Ultima-Ratio-Prinzip ergibt sich zudem die pri- von berufssportlichen Wettbewerben) zwei Straftatbe- märe Verantwortlichkeit der Veranstalter der Sportwett- stände in Kraft, die nach der Einführung des AntiDopG bewerbe, für die Integrität des Sportes zu sorgen. im Jahr 2015 ebenfalls unter anderem die Integrität des Sports schützen sollen. Beide Tatbestände stellen jeweils Trotz aller positiver Attribute sportlicher Wettbewerbe Manipulationsabsprachen zwischen einem Vorteilsneh- bleibt die Bedeutung für die Werte der Gesellschaft als mer und einem Vorteilsgeber in Bezug auf den Verlauf Gesamtheit fraglich. Die „Werte“ des Sports können eine oder das Ergebnis eines Sportwettbewerbs unter Strafe. Strafbarkeit legitimieren, insoweit Sport ein Wirtschafts- bereich von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung ist. 22 24 Näher Momsen, Sciamus 3/2013, 27 ff.; Momsen/Vaudlet, in: Em- Zum Schadensbegriff BVerfGE 130, 1 (47). 25 rich/Pierdzioch/Pitsch, Falsches Spiel im Sport – Analysen zu Wett- BT-Drs. 18/8831, S. 1, 10 ff. 26 bewerbsverzerrungen, 2015, S. 219 ff. A.a.O., S. 13, 18. 23 27 So beispielsweise der Skandal um den Schiedsrichter Hoyzer 2005, Jahn, SpuRt 2015, 149. BGHSt 51, 165 ff.
26 1 | 2018 Darüber hinaus allerdings bleiben die positiven Attribute § 265c StGB an den Tatbestandsvarianten des § 299 stets äußert vage. Nicht zufällig bemühen deren Protago- StGB, sodass auf die hierzu entwickelten Grundsätze ver- nisten immer ausgesprochen schnell das Argument der wiesen werden kann.30 Evidenz, gern angereichert um persönliche Erfahrungen oder Erlebnisse, die sich kaum ohne gleichzeitig die be- Auch in Bezug auf den Vorteilsbegriff greift die Ent- treffende Person in ihrer Integrität infrage zu stellen, rela- wurfsbegründung auf die Grundsätze der §§ 299 und tivieren lassen. Ansonsten, außerhalb vieler moralischer 331 ff. StGB zurück. Sozialadäquate Zuwendungen unter- Wertungen, bleibt häufig das meiste hinter einem Nebel- fallen auch hier nicht dem Begriff des Vorteils.31 schleier der Vagheit. In einem rationalen Diskurs, geführt mit überprüfbaren Argumenten, ergibt sich, dass die In- Zwischen Vorteilszuwendung und Manipulationshand- tegrität des Sports auch hier kein Interesse beschreibt, das lung muss ein Zusammenhang bestehen. Der Vorteil muss die für eine Strafnorm nötige Rechtsgutsqualität aufweist. also gerade die Gegenleistung für eine zukünftige Spiel- Vage Allgemeininteressen gehören nicht zu dem Kern manipulation darstellen. Die Unrechtsvereinbarung muss strafrechtlich zu schützender Interessen. Vielmehr dient sich zudem auf einen Wettbewerb des organisierten der Begriff letztlich der moralischen Aufwertung des Sports beziehen. Unter den Begriff der Sportveranstaltung Wettbewerbs- und Vermögensschutzes, für die ein ratio- fallen sowohl Turniere mit mehreren zusammengehörigen naler Anlass nicht erkennbar ist. Wettkämpfen als auch Einzelwettkämpfe, unabhängig da- von, ob sie unter Profi- oder Amateursportlern ausgetra- § 265c StGB schützt in erster Linie die Vermögensinte- gen werden.32 Wie auch beim Erlass des Anti-Doping-Ge- ressen der Wettanbieter sowie das der redlichen Wettteil- setzes wird hier seitens des Gesetzgebers auf eine Defini- nehmer. § 265d hingegen zielt insbesondere auf den tion von „Sport“ verzichtet. Es soll vielmehr auf das all- Schutz von Sportlern und Vereinen ab.28 Unklar ist je- gemeine Verständnis von Sport abgestellt werden.33 Im doch, warum gerade im Sportbereich derartige strafrecht- Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot des liche Sonderregeln aufgestellt werden sollen. Mit wel- Art. 103 Abs. 2 GG erscheint der Verzicht auf eine Le- chem Grund verdienen Sportwettanbieter oder Akteure im galdefinition des Sportbegriffs höchst problematisch. Be- Bereich des Profisports Sonderbehandlungen? Die Ent- sonders die Abgrenzung des Sports zum bloßen Spiel oder wurfsbegründungen verweisen immer wieder auf die mit Zeitvertreib dürfte im Einzelfall Probleme bereiten. Ein dem Sport verbundenen Vermögensinteressen ohne diese Kriterium zur Bestimmung des Begriffs Sport könnte der jedoch genauer auszuführen und ihre Schutzbedürftigkeit Leistungsgedanke sein, der im Vordergrund stehen muss. zu begründen.29 Weshalb diese indes einen weiterreichen- Wäre Schach demnach ein Sport? Im Allgemeinen würde den Schutz als sonstige Vermögensinteressen erfahren man dies wohl bejahen. Eine Begründung nach dem ge- sollten, bleibt offen. sellschaftlichen allgemeinen Verständnis von Sport zu finden, fällt jedoch nicht leicht. Argumentiert man, die Systemkohärent wäre es vielmehr, auch hier den Wettbe- Einbeziehung von Schach begründet sich in der zu erbrin- werb als Allgemeinrechtsgut in den Vordergrund zu stel- genden Denkleistung, so folgt darauf die Frage, warum len, dessen Funktionieren die Vermögensinteressen Drit- andere Denkspiele nicht geschützt sein sollen. Skat erfor- ter befördert. dert sicherlich auch einiges an Denkleistung, wird aber im Gegensatz zu Schach gemeinhin eher weniger als Sport § 265c StGB erstreckt sich auf sämtliche Akteure, die auf betrachtet. Wo lässt sich also die Grenze zwischen Spiel den Verlauf oder das Ergebnis eines Sportwettbewerbs und Sport ziehen? unmittelbar Einfluss nehmen können. Problematisch er- scheint hier die Regelung des § 265c Abs. 6 S. 2 StGB. Nebenbei: Zudem stellt sich die Frage, ob sogenannter Demnach werden einem Trainer Personen gleichgestellt, eSport – elektronischer Sport – auch vom Sportbegriff die aufgrund ihrer beruflichen oder wirtschaftlichen Stel- umfasst ist. Auch bei den eSports gibt es internationale lung wesentlichen Einfluss auf den Einsatz oder die An- Wettbewerbe wie die World Cyber Games und die Mög- leitung von Sportlern nehmen können. Im Gesetzestext lichkeit, Wetten auf eSport-Wettkämpfe abzuschließen. lässt sich jedoch kein Anhaltspunkt finden, was genau un- Ob § 265c StGB diese Form des „Sports“ umfasst, ist noch ter „wesentlichem Einfluss“ zu verstehen ist. Dies ist völlig offen. gleichwohl für die Bestimmung der Tätereigenschaft von herausragendem Interesse. Insbesondere in Hinsicht auf Eine Grenzziehung über den Bereich des strafrechtlich ge- das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erscheint schützten Wettbewerbs ist denkbar, steht jedoch auch vor dies nicht unproblematisch. dem Problem, dass definiert werden muss, warum dieses Wettbewerbssegment schutzwürdig ist. Die Frage, ob es Das strafbare Verhalten in § 265c Abs. 1 und 3 StGB sich um Sport handelt, könnte in den Hintergrund treten, knüpft an das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder wenn es sich um wirtschaftliche Betätigung im Sinne des Annehmen eines Vorteils – wie bereits aus § 299 StGB § 299 handeln würde. bekannt – an. Spiegelbildlich dazu wird in § 265c Abs. 2 und 4 StGB das Anbieten, Versprechen oder Gewähren Für die Strafbarkeit nach § 265c StGB genügt bereits be- eines Vorteils unter Strafe gestellt. Hier orientiert sich dingter Vorsatz. Der Vorteilsnehmer muss es zumindest 28 31 BT-Drs. 18/8831, S. 20. A.a.O., S. 13. 29 32 A.a.O., S. 1, 8, 13, 18. A.a.O., S. 17. 30 33 BT-Drs. 18/8831, S. 13. A.a.O., S. 17.
1 | 2018 27 billigend in Kauf nehmen, dass der Vorteilsgeber oder ein nente Vorteile gewährt werden und die Manipulation zu- Dritter aufgrund der Spielmanipulation einen Wettgewinn mindest mittelbar dem eigenen sportlichen Erfolg dient. erzielen soll – eine konkrete Vorstellung des Vorteilneh- Aufgeführt wird hier die Vereinbarung eines Unent- mers hinsichtlich Zeit, Ort und Form der Wettsetzung ist schiedens, da dies zwar eine Beeinflussung des Wettbe- nicht nötig.34 werbs zugunsten des Gegners darstellt, jedoch für beide Teilnehmer im weiteren Turnierverlauf und somit im Ge- § 265d StGB setzt im Gegensatz zu § 265c StGB nicht samtwettbewerb vorteilhaft sei.39 Dabei wird jedoch außer voraus, dass ein Zusammenhang zu einer Sportwette be- Acht gelassen, dass bei einem Turnier wie beispielsweise steht. Jedoch bezieht sich § 265d StGB lediglich auf be- einer Fußballeuropameisterschaft nicht nur zwei Mann- rufssportliche Wettbewerbe. Erforderlich hierfür ist, dass schaften gegeneinander antreten, sondern eine Vielzahl die sportliche Betätigung für die Mehrzahl der teilneh- von Mannschaften beteiligt sind. Wenn auch ein Unent- menden Sportler eine Einnahmequelle im Sinne eines schieden für Vorteilsgeber und -nehmer günstig sein mag, wiederholten Erlangens wirtschaftlicher Vorteile darstellt. so sind dennoch die Interessen der anderen Mannschaften Preisgelder sind dabei ebenso wenig ausreichend wie eine zu berücksichtigen, auf die sich die Manipulationsabrede bloße Kostenerstattung.35 Kritisch zu sehen ist an dieser unter Umständen nachteilig auswirkt. Stelle die Zufälligkeit des Vorliegens einer solchen Pro- fessionalisierung. Ob an einer Sportveranstaltung über- Hier findet sich der Versuch einer Angleichung an § 299 wiegend Sportler teilnehmen, die durch ihre sportliche StGB. Die Parallele ist im Grundsatz, wenn auch nicht in Betätigung Einnahmen von erheblichem Umfang erzielen, allen gesetzestechnischen Einzelheiten, konsequent zum könnte von dem jeweils zufälligen Gegner abhängen.36 Wettbewerbsmodell der Nr. 1 gezogen. Positiv ist auch, Auch die verschiedenen Spielerkonstellationen durch dass man hier auf ein „Geschäftsherrnmodell“ verzichtet. Verletzungen oder Sperren haben dadurch Einfluss da- Dennoch bleibt hier ein Nachbesserungsbedarf, um den rauf, ob eine Sportveranstaltung zu einem berufssportli- relevanten sportlichen Wettbewerb besser abzubilden. Es chen Wettbewerb gezählt wird. scheint so zu sein, dass der Gesetzgeber versehentlich wettbewerbsneutrale Handlungsmotive berücksichtigt Vor der Gesetzesbegründung, die Integrität des Sports hat, um die Grenze des Wettbewerbs zu definieren. Fragen schützen zu wollen, erscheint die Nichterfassung des einer weitergehenden „Integrität“ des Sports spielen je- Amateursports inkonsequent. Besonders beim Fußball denfalls keine Rolle. sind auch die Oberliga und Landesliga von erheblichem öffentlichen Interesse, sodass auch dem Amateursport V. Fazit eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Werten wie Teamfähigkeit und Fairplay zukommt.37 Zudem sind auch Insgesamt sind die neu eingeführten Tatbestände der häufig Wettbewerbe des Amateursports Gegenstand von §§ 265c und 265d StGB kritisch zu sehen. Die Korrupti- Sportwetten und können Opfer der Spielmanipulation onsvorschriften weisen sowohl hinsichtlich des Be- sein. Als organisierte Sportwettbewerbe sind Wettbe- stimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG, als auch ange- werbe des Amateursports zwar von § 265c StGB erfasst. sichts offener Begriffe Bedenken auf. Ein derartig weitge- In der Praxis wird es jedoch oftmals schwer sein, den hender Schutz des sportlichen Wettbewerbs ist wie oben Nachweis über den Zusammenhang zwischen Spielmani- gezeigt letztlich nicht zu rechtfertigen. Die tatsächliche pulation und einer Wettsetzung zu erbringen. Somit kann praktische Bedeutung der eingeführten Tatbestände bleibt der § 265d StGB als Auffangtatbestand betrachtet werden. jedoch abzuwarten. Sind Wettbewerbe des Amateursports von diesem jedoch nicht erfasst, so kann er diese Funktion nur unzureichend Problematisch ist die zentrale Legitimation durch die „In- erfüllen.38 tegrität des Sports“. „Integer“ kann nur eine Person sein, nicht aber ein Bereich gesellschaftlichen Lebens. Spricht Tatsächlich dürfte sich wiederum zeigen, dass es nicht um man von der Integrität des Sports, meint man also die in- eine wie auch immer geartete „Integrität des Sports“ geht. dividuelle Integrität aller Akteure. Dann aber hieße Integ- Ganz offensichtlich besteht der Zweck des Gesetzes darin, rität in etwa „wettbewerbsgemäßes Verhalten aus innerer erwerbswirtschaftliche Vermögensinteressen vor einer Überzeugung“. Genau diese innere Überzeugung ist aber Gefährdung durch manipulative Beeinflussung sportli- nicht Gegenstand des Strafrechts. Nicht „verhalte dich cher Wettbewerbe abzusichern. Nur dann lässt sich moralisch korrekt“ lautet die Grundnorm, sondern „beein- schlüssig erklären, warum eine Erheblichkeit dieser Inte- trächtige keinen anderen“. Integrität ist dann nichts Ande- ressen gefordert ist. res als Moralität. Im Rahmen des § 265d StGB muss sich die Unrechtsver- Die „Integrität des Sports“ ist also eine strafrechtliche einbarung auf eine wettbewerbswidrige Beeinflussung Chimäre, genau so wenig ein Rechtsgut wie das „Sporte- von Verlauf oder Ergebnis des Wettbewerbs beziehen. thos“. Sie vernebelt als strafrechtlich irrelevante diffuse Ausgenommen werden sollen solche Einflussnahmen auf Moralität den Zugang auf die schützenswerten Rechtsgü- den Wettbewerb, bei denen lediglich wettbewerbsimma- ter, die im Umfeld des Sports durch spezifische Angriffs- 34 37 A.a.O., S. 14. Satzger, JA 2016, 1142 (1151). 35 38 A.a.O., S. 20. Kubiciel, jurisPR-StrafR 3/2016, Anm. 1. 36 39 Pfister, StraFo 2016, 441 (447). BT-Drs. 18/8831, S. 19.
28 1 | 2018 modalitäten verletzt werden können: Individuelle Ge- Rechtsgüter zu formulieren. Wenn das Ziel dieser Analyse sundheit, wenngleich nicht durch spezifisch sportkorrup- ist, die Grenzen zu benennen, innerhalb derer ein verfas- tives Verhalten, sondern insoweit als „Kollateralscha- sungsgemäßes Strafrecht sich bewegen muss, so befindet den“. In der Hauptsache geht es um Vermögensschutz und sich der Topos „Integrität des Sports“ mangels Bestimmt- um einen ausschnitthaften Wettbewerbsschutz. Die neuen heit und Unterlegung durch konkret schützenswerte Indi- Tatbestände stehen damit vor allem in einem funktionalen vidualinteressen jenseits dieser Grenze. Die vorstehend Paradigma mit den §§ 299, 299a, 299b, 331 ff. StGB. diskutierten Gesetze sind jedoch gleichwohl verfassungs- gemäß, soweit sie andere legitimierte Rechtsgüter schüt- Versteht man Rechtsgut und Harm Principle als, wie Dub- zen, wie beispielsweise das Vermögen oder abgrenzbare ber40 es formuliert, „Analyse Tools“, so kann man zwar Formen des wirtschaftlichen Wettbewerbs. sagen, dass der Gesetzgeber weitgehend frei darin ist, 40 Dubber, 53 American Journal of Comparative Law (2006), 679.
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