Datenökonomie Chancen und Rahmenbedingungen in Berlin - Anett Kuntosch - Berlin Business Location Center
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Impressum Technologiestiftung Berlin 2020 Grunewaldstraße 61 – 62 · 10825 Berlin Telefon +49 30 209 69 99 0 info@technologiestiftung-berlin.de technologiestiftung-berlin.de Autorin Anett Kuntosch Gestaltung Studio Strahl, Berlin Titelbild tj-rabbit/Shutterstock.com Dieses Projekt wurde von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und der Investitionsbank Berlin aus Mitteln des Landes Berlin gefördert. Textinhalte und Tabellen dieses Werkes können genutzt Die Autorin weiß um die Bedeutung einer geschlechter- und geteilt werden unter einer Creative Commons – gerechten Sprache und befürwortet grundsätzlich den Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Be- Gebrauch von Parallelformulierungen. dingungen 3.0 Deutschland (Details siehe: http://creative- commons.org/licenses/by-sa/3.0/de/). Von einer durchgehenden Benennung beider Geschlechter bzw. der konsequenten Verwendung geschlechterneutraler Die Rechte an zitierten Abbildungen liegen bei den jeweil- Bezeichnungen wurde im vorliegenden Text dennoch ab- gen Urhebern, die jeweils genannt sind. gesehen, weil die Lesbarkeit deutlich erschwert würde.
Inhalt Vorwort 5 Zusammenfassung 6 Summary 7 1. Einleitung 8 2. Theoretischer Hintergrund 11 2.1 Daten 11 2.2 Datenökonomie 13 2.3 Innovationsverständnis 15 2.4 Innovationsprozess 16 2.5 Digitale Ökosysteme 17 3. Methodische Herangehensweise 18 4. Rahmenbedingungen für die Datenökonomie 19 4.1 Regulierungsansätze 19 4.2 Data Governance 20 4.3 Datenstrategien 21 4.4 Aspekte digitaler Souveränität 23 4.5 Bildung und Forschung 25 5. Datengetriebene Geschäftsmodelle und Ansätze zur Nutzung öffentlicher Daten 28 5.1 Stand der Datenökonomie in Deutschland und Europa 28 5.2 Datengetriebene Geschäftsmodelle 30 IM FOKUS: Datengetriebene Geschäftsmodelle im Bereich digital Health 32 5.3 Wert von Daten 34 5.4 Weitere Strukturen zur Förderung von Innovationen in der Datenökonomie 35 5.5 Plattformen 35 5.6 Möglichkeiten zur Nutzung offener Daten und Open Government Data 39 6. Data Sharing und Datenpools 42 EXKURS: GAIA-X als europäische Initiative für den vertrauensvollen Austausch von Daten zwischen Unternehmen 43 7. SWOT Auswertung 44 8. Empfehlungen 47 9. Anhang 51
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Vorwort Datengetriebene Geschäftsmodelle werden immer wichtiger Die weltweit produzierten Datenmengen explodieren. wo die technischen und rechtlichen Grenzen liegen. Expert*innen schätzen, dass bis 2025 175 Zettabyte Fachkräfte, die mit diesen Fragen vertraut sind, sind erreicht sein werden. Der Mobilitätssektor zeigt zur- nur schwer zu bekommen. zeit, wie die intelligente Vernetzung und Auswertung von Daten ganze Branchen disruptiert und völlig neue Angesichts der Chancen, innovative Wege zu gehen und Geschäftsmodelle hervorbringt. effizienter zu wirtschaften, lohnt es sich unbedingt, die Schwierigkeiten zu überwinden und Datenstrategien zu Trotz solcher beeindruckenden Beispiele gehen die Un- entwickeln. Was muss getan werden, damit die Unterneh- ternehmen in Deutschland die neuen Möglichkeiten nur men sich das notwendige Know-how erarbeiten können zögernd an. Noch immer werden in den Unternehmen und neue datengetriebene Geschäftsmodelle entwickeln? Daten gesammelt und weggeschlossen, ohne auf ihren Wert geprüft zu sein. EU-Kommission und Bundesre- Die vorliegende Studie zeigt den Stand der datengetrie- gierung haben begonnen, die Rahmenbedingungen für benen Ökonomie in Berlin und Deutschland einschließ- datengetriebene Geschäftsmodelle zu verbessern. Sie lich einer SWOT-Analyse und zeigt konkrete Handlungs- fördern sowohl Datenaustausch-Plattformen als auch optionen für Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf. Werkzeuge zur Datenanalyse, z.B. mit Gaia-X oder der KI-Strategie. Doch viele zögern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Analyse der eigenen Datenbestände ist mit einigem Aufwand verbunden. Die Entwicklung von Geschäfts- modellen erfordert zudem Wissen darüber, was mit modernen Analysemethoden machbar ist, welche in- Nicolas Zimmer teressanten Datenquellen extern verfügbar sind und Vorstandsvorsitzender Technologiestiftung Berlin 5
Zusammenfassung In den globalen Unternehmens TOP 10 finden sich werden kann und welche Kompetenzen dafür aufbaut aktuell vor allem solche, deren Geschäftsmodelle auf werden müssen. Auf europäischer Ebene werden daher der Nutzung von Daten basieren. Gleichzeitig wird das Prinzipien und Rahmenbedingungen ausgearbeitet, wie Innovationspotential, das in der Kombination und dem der Umgang mit Daten geregelt werden muss, um ein Teilen von Daten steckt, aufgrund von Unsicherheit und Gegengewicht zum Powerplay der großen Tech-Un- Nicht-Wissen – vor allem in den traditionellen Indus- ternehmen zu schaffen und gleichzeitig europäische triebranchen, in KMU und Verwaltungen – lange nicht Daten vor Zugriff zu schützen. Zu den wesentlichen ausgeschöpft. Es wird vermutet, dass 80 % der erho- Prinzipien beim Aufbau einer europäischen Strategie benen Daten nur ‚abgelegt‘ werden, ohne diese jemals gehören: freier Datenverkehr, verbesserter Datenzu- weiter zu nutzen. Eine Herausforderung ist es daher, gang und Haftung, Interoperabilität und Normen, sowie Unternehmen und Organisationen dazu zu befähigen, die Erprobung innovativer Methoden3. Diese Prinzipien die Daten, die von ihnen erhobenen und gesammelt wirken in die Mitgliedsstaaten hinein und sollen vor werden, so zu managen und zu nutzen, dass sie einen Ort in Gemeinden, Städten und Unternehmen umge- Mehrwert schaffen können. Dabei gilt es, zwischen setzt werden. funktioneller Nutzung von Daten für inkrementelle Ver- besserungen in Prozessen in den klassischen Industrien Welche Herausforderungen damit für den Berliner Mit- und den Ansätzen disruptiver Tech-Unternehmen – für telstand, für sich neu gründende Unternehmen oder die Daten das eigentliche Geschäftsmodell darstel- für die Verwaltung verbunden sind, wird hier in An- len – zu unterscheiden. Obwohl viele Versprechungen sätzen beleuchtet. Eine SWOT Betrachtung zeigt auf, mit der Datenökonomie verbunden sind, wird nicht wie Deutschland national und international positioniert jedes Unternehmen von den Entwicklungen in diesem ist und bildet den Ausgangspunkt für die Formulierung Bereich profitieren. von fünf Handlungsfeldern zur besseren Teilhabe Ber- lins an der Datenökonomie. Die Notwendigkeit, sich Da die Datenökonomie ein sektorübergreifendes Phä- mit dem Thema dauerhaft und vertieft auseinander- nomen ist, werden die volkswirtschaftlichen Effekte zusetzen, ergibt sich also sowohl aus dem steigenden bisher lediglich geschätzt. Diese belaufen sich bezogen Volumen verfügbarer Daten, vorangetrieben durch die auf die EU und das Jahr 2018 auf ca. 3 % der Brutto- Digitalisierung, wie auch aus der Notwendigkeit, unter wertschöpfung (BWS)1. Vergleichbare Größenordnungen Anwendung europäischen Datenschutz- und Wettbe- werden auch für Deutschland angenommen2, allerdings werbsrechts erfolgreiche, innovative und technologie- wird das Potential durch den enormen Anstieg an ver- getriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln. fügbaren Daten immer größer. Begünstigt durch das Wachstum großer datenbasierter Plattformen aus den USA und Asien sowie die Auswei- tung ihrer Aktivitäten auf immer mehr Geschäftsfelder, verstärken sich Informationsasymmetrien. Das hat in Europa die Frage aufgeworfen, wie die Wettbewerbs- fähigkeit hiesiger Unternehmen weiter gewährleistet 1 European Union 2020 2 Digital Reality 2018 3 BMWI 2018a 6
Summary Currently, the majority of companies on the global TOP fields of business. In Europe, this has given rise to the 10 list are those whose business model is based on issue of how the competitive ability of local companies using data. At the same time, the innovation potential can continue to be ensured and which competencies that lies in the combination and sharing of data is must be developed to do so. In response, principles nowhere near to being fully tapped – above all in the and framework conditions as to how the handling of traditional industrial sectors, small and medium-sized data must be regulated are being worked out on the enterprises, or administrations. This is due to uncer- European level. The aims are to create a counterweight tainty and lack of knowledge: it is estimated that 80 to the power play of the large tech companies and at per cent of acquired data are only ‘filed’ without ever the same time, protect European data against unautho- being used. For that reason, the challenge is to enable rised access. The key principles upon which a European companies and organisations to manage and use the strategy is based include free data traffic, improved data they acquire and collect in order to create added data access and liability, interoperability and standards, value. In this context, it is necessary to differentiate and experimentation with innovative methods.6 These between the functional use of data for incremental principles will have an impact on the Member States process improvements in the classical industries and and are intended for implementation on a local level the approaches of disruptive technology companies, for in municipalities, cities, and companies. whom data are actually the business model. Although the data economy is said to hold great promise, not all The challenges this will present to Berlin’s medium-si- companies will benefit from its developments. zed companies, start-ups, and administrations are given consideration in the present study. A SWOT analysis As the data economy is a cross-sectoral phenomenon, indicates how Germany is positioned nationally and thus far its economic effects can only be estimated. internationally and is the point of departure for the Based on the EU and the year 2018, they are equal to formulation of five fields of action to boost Berlin’s approx. 3 per cent of gross value added (GVA).4 Com- participation in the data economy. The topic must be parable magnitudes are also assumed for Germany5, examined in depth and on an ongoing basis. This is although the data economy’s potential is growing hand obvious given both the increasing volume of availa- in hand with the enormous increase in available data. ble data resulting from the drive to digitalise and the Information asymmetries are becoming more pro- necessity of developing successful, innovative, and nounced in the favourable environment created by technology-driven business models under compliance the growth of large data-based platforms from the with the European regulations on data privacy and U.S.A. and Asia, which are expanding into ever more competition. 4 European Union 2020 5 Digital Reality 2018 6 Federal Ministry of Economics and Technology (BMWi) 2018 7
1. Einleitung Technologische Entwicklung und die damit verbunde- erbracht, andererseits Lösungsansätze für komplexe ne verstärkte Nutzung von Sensoren sowie anderer und drängende Probleme in strategischen Bereichen mobiler oder stationärer daten-generierender Geräte, wie Gesundheit oder Mobilität erarbeitet werden. verändern unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben grundlegend und dauerhaft. Die Bedeutung der Die Abbildung 1 zeigt, dass sich die Bedeutung ein- dabei entstehenden Daten hat sich in den letzten Deka- zelner Branchen in den Top 10 der erfolgreichsten den stark gewandelt: vom ‚Nebenprodukt‘7 sind Daten Unternehmen in den letzten zehn Jahren gewandelt zum eigentlichen Produkt und somit zur Grundlage hat. Besonders datenbasierte Technologieunternehmen vielfältiger Geschäftsmodelle in allen wirtschaftlichen haben seit 2010 stark aufgeholt und waren 2018 zu Bereichen – von der Landwirtschaft bis zur Finanzwirt- 67 % vertreten8. schaft – geworden. Durch Neukombination von Daten und Anwendung von Analysemethoden wie KI, kön- nen einerseits zusätzliche Services und Leistungen Zu welchen Branchen gehörten die 10 größten Unternehmen weltweit 2007 und 2018 ? (Angaben in %) 21 10 9 2018 2007 12 67 81 Finanzen Energie, Konsum, Industrie Technologie Abbildung 1: Quelle: eigene Darstellung nach Lünendonk 2019 7 Otto et al. 2019 8 Die Grafik berücksichtigt die Marktkapitalisierung der Unternehmen (ausgegebene Aktien * Wert der Aktien) 8
Aktuelle Zahlen bestätigen diesen Trend: derzeit ge- deutschen Wirtschaft (IW) zeigt auf, dass in 72 % der hören digitale Champions aus den USA und Asien wie deutschen Unternehmen Daten (bisher) noch keine Microsoft 1,4 Bio. $, Apple 1,3 Bio. $, Amazon 1,2 Bio. Rolle für die Entwicklung von Produkten oder Services $, Alphabet 920 Mrd. $, Facebook 584 Mrd. $, Alibaba spielen12. So werden Medien zufolge weniger als 1 % 545 Mrd. $ und Tencent mit 510 Mrd. $ Marktkapitali- der Daten, die in der deutschen Produktion anfallen, sierung zu den erfolgreichsten Unternehmen weltweit9. effizient genutzt13. Auch wenn Unternehmen also das Ein europäisches Unternehmen ist nicht dabei. Durch Potential, das in der Nutzung von Daten steckt, erken- das enorme Wachstum und Eindringen von Plattfor- nen - oder es zumindest erahnen -, scheint es noch eine men in immer mehr Wirtschaftsbereiche, verstärken Reihe von strukturellen, technischen oder kulturellen sich Informationsasymmetrien zunehmend zugunsten Herausforderungen zu geben, dieses auch umzusetzen. dieser plattformbasierten Geschäftsmodelle. Diese Ent- Eine Studie zeigt in diesem Zusammenhang, dass bisher wicklung hat in Europa die Frage aufgeworfen, wie die 80 % der Daten massenhaft unstrukturiert gesammelt Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen weiter und ohne weitere Nutzung ‚abgelegt‘ werden14. Von gewährleistet werden kann – und welche Kompetenzen wirklichem Wert sind aber hauptsächlich strukturierte dafür aufgebaut werden müssen. Auf europäischer Ebe- Daten15, die in ausreichender Granularität und mög- ne werden daher Prinzipien und Rahmenbedingungen lichst in Echt-Zeit vorliegen – eine Herausforderung für ausgearbeitet, um den Umgang mit Daten und Daten- viele Unternehmen. Die Ergebnisse der empirischen transfer zu regeln, ein Gegengewicht zum Powerplay Untersuchung zu dieser Studie zeigen unter anderem, der Tech-Unternehmen zu schaffen und gleichzeitig dass das notwendige Know-How in den Bereichen Da- europäische Daten vor Zugriff zu schützen. Zusätz- ten-, Qualitäts-, oder dem digitalen Wissensmanage- lich werden auch Fragen nach der Entwicklung der ment in vielen Unternehmen aus unterschiedlichen dafür notwendigen Technologien – und wie man diese Gründen noch nicht ausreichend vorhanden ist, um in Europa vorhalten kann – gestellt. Chancen wahrzunehmen: den Unternehmen fehlt eine Strategie für den Umgang mit ihren Daten. Während in- und ausländische kapital- oder techno- logiegetriebene Startups Daten seit einiger Zeit als Für Deutschland und Berlin wird großes Potential vor Grundlage ihrer Geschäftsmodelle erkannt haben, ha- allem darin gesehen, KMU zur besseren Nutzung ih- ben KMU in traditionellen Branchen häufiger Schwierig- rer Daten zu befähigen, denn in KMU findet mehr als keiten mit dem Einstieg in die Datenökonomie. Dem- 50 % der Bruttowertschöpfung statt. Im internationalen nach gelten 84 % der deutschen Unternehmen derzeit Vergleich stellen vor allem die plattformbasierten Ge- noch als ‚digitale Einsteiger‘, während lediglich 2 % der schäftsmodelle der Tech-Konzerne aus den USA und Unternehmen ‚digitale Pioniere‘ sind10. Die Unterschie- Asien eine Herausforderung für die Europäische Wirt- de in der digitalen Reife11 von Unternehmen sind also schaft dar: die Technologieriesen aus den USA haben immer noch erheblich. Eine Studie des Instituts der beispielsweise im 3. Quartal 2020 ihre Gewinne im 9 Datengrundlage: Stichtag 6. Sept. 2020, Quelle: Google. 10 Spiekermann 2019 11 ebd.: 7 12 Fritsch und Krotova 2020 13 https://www.industry-of-things.de/big-data-in-der-produktion-grosse-daten-grosses-potential-a-776716/ 14 Fritsch und Krotova 2020 15 Strukturierte Daten haben eine normalisierte Form und lassen sich in zeilen- und spaltenorientierten Datenbanken ablegen. 9
Verglich zum Vorjahresquartal stark erhöhen kön- Zielsetzung der Studie nen. Allein Amazon verdreifachte seinen Gewinn auf 6,3 Mrd. Euro16. In der Krise profitieren also vor allem Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung betref- Unternehmen wie Facebook oder Instagram, denn nun fen Daten – und wie wir mit ihnen umgehen - alle Be- verlagern auch KMU ihre Marketingaktivitäten zu- reiche des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. nehmend ins Netz. Die Vielfalt der angesprochenen Aspekte in diesem Report zeigt die Komplexität des Themas und ver- Dennoch: Berlin ist im nationalen Vergleich die Num- deutlicht, welche Herausforderungen für Unternehmen mer 1 bei getätigten Investitionen in datenbasierte und öffentliche Akteure bestehen, sich dem Thema zu Startups (gefolgt von Bayern und Hamburg). Im euro- nähern. Die Studie kann daher anhand einiger ausge- päischen Vergleich kann nur London mit noch mehr wählter Aspekte nur einen ersten Überblick darüber Investitionen in Startups, welche dem Bereich der Da- geben, welche Herausforderungen bestehen, aber auch, tenökonomie zugeordnet werden können, aufwarten. welche Möglichkeiten sich für Berlin und Deutschland Datenbasierte Startups konnten in einer Studie vor bieten und wo bereits erfolgreich innovative, daten- allem den Bereichen Fintech, Software-as-a-Service getriebene Geschäftsmodelle umgesetzt wurden. Einige (SaaS) und Bildung zugeordnet werden17. Beispiele veranschaulichen aber auch, wo noch Innova- tionshemmnisse bestehen und wie diese angegangen werden können. Um den Stand des Wissens so darzustellen, wur- den Interviews mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen wie Datengovernance, Datenstrategien, allg. Datenökonomie, Berliner Unternehmen oder Forschungseinrichtungen durchgeführt. Zusätzlich wurden die Ergebnisse im Lichte ausgewählter wis- senschaftlicher Publikationen und Daten reflektiert. Es werden überblicksartig Stärken und Schwächen Berlins und Deutschlands, aber auch Chancen und Risiken im Vergleich zu anderen Regionen dargestellt, die im letzten Kapitel der Studie durch das Aufzeigen von fünf Handlungsfeldern ergänzt werden. 16 https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-verdreifacht-gewinn-google-und-facebook-mit-plus-a-24605e3a-101f-4af0-905c- 9539409e7334, Zugriff 15.12. 2020 17 Hilbig et al. 2018: 8 10
2. Theoretischer Hintergrund 2.1 Daten Ein Treiber für die Datenökonomie ist selbstverständ- Der Begriff ‚Daten‘ ist ohne einheitliche Definition20, lich der Anstieg des globalen Datenvolumens aufgrund denn diese können unterschiedliche Ursprünge oder der fortschreitenden Digitalisierung und der verstärk- Formen haben: beispielsweise lassen sie sich nach Er- ten Nutzung von Sensoren und damit verbundenen hebungsprozess (Umfrage, Sensor usw.), nach Bereich Anwendungen wie dem Internet der Dinge (IoT), sowie oder Branche (Finanzsektor, Gesundheitsbranche) oder der Möglichkeiten zu Cloud-Computing, KI und Big- nach Datenart (bspw. Geodaten) unterscheiden21 und Data. Es wird geschätzt, dass das Datenaufkommen werden durch Kontext zu Information. bis 2025 auf 175 Zettabytes18/Jahr ansteigen wird19. Ein weiteres, sehr wichtiges Unterscheidungsmerkmal bezieht sich auf die Einordnung von Daten in perso- nenbezogene22 oder nicht-personenbezogene Daten. Schätzungen des weltweiten Datenvolumens 2018 und 2025 Damit verbundenen sind die Anforderungen an den Angaben in Zettabyte Datenschutz. Für personenbezogene Daten schreibt 200 die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beispiels- 175 weise vor, welche Maßnahmen Unternehmen bei der Erhebung und Verarbeitung solcher Daten beachten Datenvolumen in Zettabyte 150 müssen: dazu zählen u.a. Anforderungen an Transpa- renz, Dokumentation, Verarbeitungsverfahren oder Nutzerzustimmung auf Internetseiten. Dies kennt jeder 100 Anwender vom Surfen im Internet: zunächst müssen die Cookie-Einstellungen festgelegt werden. Damit ent- 50 scheidet sich, welche Daten man freigeben möchte 33 und wie diese dann weiter kommerziell ausgewertet werden können. Abb. 3 zeigt einen Ausschnitt des Bay- 0 erischen Rundfunks nach meinem Seitenaufruf. 2018 2025 Abbildung 2: Quelle:IDC@Statista 2020 18 Ein Zettabyte (ZB) sind1 Billion Gigabyte (GB), zetta = 1021 19 Europäische Kommission 2020 20 Otto et al. 2019 21 Ethikrat 2019 22 Personenbezogene Daten sind: alle Informationen (bspw. Online Identifizierungsmerkmale, wie IP-Adressen), die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen. (Definition laut DSGVO) 11
Daten werden inzwischen auch häufig als Produktions- Daten kann durch Anwendung des Vokabulars, welches faktor beschrieben, allerdings unterscheiden sie sich in durch Yandex, Google, Bing und Microsoft im Projekt wichtigen Aspekten von anderen Produktionsfaktoren, Schema.org23 bereitgestellt wurde und dort weiterbe- weil sie arbeitet werden kann, erreicht werden. Die meisten Daten werden jedoch gesammelt und liegen dann unstrukturiert – nicht-rivale Güter sind (durch die Nutzung dieser vor. Das bedeutet, dass sie eine nicht-normalisierte und Güter durch eine Person entsteht keiner anderen nicht identifizierbare Struktur haben und nur das Daten- ein Nachteil) format erkannt wird (bspw. Textdatei oder Videodatei). – sich nicht abnutzen, unendlich geteilt, genutzt und Diese Daten können nicht ohne weiteres in Datenbanken neu kombiniert werden können und abgelegt werden. Die Funktionen von Big-Data und KI können allerdings dabei helfen, Informationen aus diesen – in ihrer Menge ständig ansteigen (vgl. Abbildung 2). Daten zu gewinnen und deren weitere Verarbeitung und Speicherung ermöglichen. Natürlich hängt der Wert der Daten ohne Kontext und Struktur sind zunächst nicht Daten auch von deren Kontext (Finanzdaten, Wetterdaten wertvoll, ob sie potentiell verwertbar sind, ist dabei usw.), sowie dem beabsichtigten Nutzungszweck ab. an einige Voraussetzungen geknüpft: erstens müssen sie in maschinenlesbarer Form vorliegen. Zweitens Zusammengenommen bedeutet dies, dass Daten in kos- sind Echtzeit-Daten für viele Anwendungen unab- tenintensiven Prozessen regelmäßig erhoben, bereinigt dingbar (bspw. im Bereich Mobilität). Sind Daten zu- oder gespeichert, also aufbereitet, werden müssen, dem strukturiert, können Suchmaschinen effizienter bevor sie in späteren Wertschöpfungsstufen der Data- mit ihnen arbeiten, sie besser auslesen und zuordnen Value-Chain auf ein bestimmtes Ziel hin analysiert (bspw. können Art, Alter, Kontext erkannt werden). werden – und so einen Mehrwert schaffen können. Ein einheitlicher Standard bei der Strukturierung von Screenshot: Cookie Einstellungen des Bayerischen Rundfunks bei Seitenaufruf Abbildung 3: Quelle Bayerischer Rundfunk 23 https://schema.org/ 12
2.2 Datenökonomie Daten: vom Nebenprodukt zum Kerngeschäft VOR 1996: AB 2000: JETZT: Begriffsbeschreibung Daten als Geschäftsmodell Daten als Geschäftsmodell, •D aten werden als Nebenprodukt •B eginnende Entwicklung von Daten Cloud Computing und KI verstanden als Geschäftsmodell • Daten sind das Geschäftsmodell •E rste Beschreibungen •N utzung von mobile Devices •N eukombinationen und Analyse von Daten der Rolle von Daten in Prozessen ab 2000 als Enabler ergeben immer neue Anwendungsfelder •T echnologische Innovation ermöglicht •A nwendung von KI und anderen Methoden die Speicherung und Verarbeitung ermöglicht Lösungsansätze für komplexe immer größerer Datenmengen Probleme • Datenökonomie ist sektorübergreifend Abbildung 4: eigene Darstellung Die Funktion und Bedeutung von Daten hat sich in den Daher handelt es sich bei der Datenökonomie per Defi- letzten Jahrzehnten stark verändert. Vom ‚Nebenpro- nition um ein Querschnittsthema; denn wirtschaftliche dukt‘ sind sie für einige Unternehmen zum Kern ihrer Aktivitäten im Zusammenhang mit Daten lassen sich wirtschaftlichen Aktivitäten geworden, während andere selten auf einzelne Sektoren wirtschaftlichen Handelns Unternehmen Daten bisher nur nutzen, um bspw. Pro- beschränken. Dies führt dazu, dass die ökonomische zesse inkrementell zu verbessern und so beispielweise Bedeutung der Datenökonomie bisher nur geschätzt Kosten in der Wertschöpfungskette zu senken. werden kann, da durch die Nichtzuordenbarkeit der Datenökonomie zu einzelnen Wirtschaftszweigen diese Der Begriff ‚Datenökonomie‘ hat in der Literatur keine wirtschaftlichen Aktivitäten statistisch nicht erfasst feste Definition, hier sollen darunter alle Aktivitäten werden. Als konzeptioneller Rahmen wird auch in der von der Generierung bis zur Auswertung und (wirt- Datenökonomie eine Wertschöpfungskette zugrunde schaftlichen) Nutzung von personenbezogenen und gelegt. Die sogenannte Data-Value-Chain besteht aus nicht-personenbezogenen Daten24 verstanden werden. den Schritten: Generierung, Verarbeitung, Analyse und Innovationen die ermöglicht werden, weil neue Zu- Nutzung und Distribution von Daten25. sammenhänge durch Kombination und Anwendung von Analysemethoden (bspw. KI) auf Daten erkannt werden, gilt dabei besondere Aufmerksamkeit. 24 Spiekermann 2019 25 Bründl et al. 2015 13
Die Data - Value - Chain GENERIERUNG VERARBEITUNG ANALYSE NUTZUNG DISTRIBUTION Abbildung 5: eigene Darstellung Innerhalb dieser Wertschöpfungskette sind die Akteure Diese Einschätzung wurde von den interviewten Ex- aber nicht immer sauber spezifischen Funktionen zu- perten geteilt. Ein Hinweis in diesem Zusammenhang zuordnen (bspw. bei Plattformen) und nicht auf jeder war, dass große Unternehmen oder Startups, die bereits Stufe der Kette wird immer tatsächlich Wert geschöpft. datengetriebene Geschäftsmodelle implementiert ha- Die Data-Value-Chain kann aber als grundlegender ben, eine Vorreiterrolle einnehmen müssen, während analytischer Rahmen genutzt werden, um Aktivitäten Einsteiger sich zunächst mit den grundlegenden Rah- zuzuordnen und zu strukturieren und aufzuzeigen, wie menbedingungen beschäftigen. Oftmals sei ein ers- im Idealfall ein digitales Geschäftsmodell entwickelt ter Schritt die Einführung eines Datenmanagements. werden kann. ‚digital fortgeschritten‘ sind etwa 14 % der Unterneh- men. Diese haben sich bereits intern mit digitalen Um einzuschätzen, a) welche Grundlagen Unternehmen Prozessen auseinandergesetzt. Letztlich trifft die Be- bereits für eine Teilhabe an der Datenökonomie mit- schreibung ‚digitale Pioniere‘ auf ca. 2 % der Unter- bringen, b) wie sie mit internen Daten umgehen, und ob nehmen zu27. sie c) Daten bereits in Produkten oder Services nutzen, werden sie nach unterschiedlichen digitalen Reife- graden in: digitale Einsteiger, digital Fortgeschrittene und digitale Pioniere unterschieden26. In einer Unter- suchung zeigte sich, dass die digitale Reife deutscher Unternehmen je nach Größe und Branche noch sehr unterschiedlich ist. Gerade bei dem für Deutschland bedeutsamen Segment der KMU wird festgestellt, dass diese noch zu großen Teilen der Gruppe der ‚digita- len Einsteiger‘ zugeordnet werden müssen. Zu dieser Gruppe gehören immerhin noch 84 % der Unternehmen. 26 Spiekermann 2019 27 Ebd. Spiekermann 2019 14
2.3 Innovationsverständnis Bei Innovationen handelt es sich in den meisten Fäl- Das deutet darauf hin, dass Finanzierungsmodelle und len um schrittweise (inkrementelle) Verbesserungen Wagniskapitalgeber für Startups gegebenenfalls lange in Prozessen, Services oder Produkten. Man spricht Phasen der Anbahnung und Vertrauensbildung über- zudem nur dann von ‚Innovation‘, wenn ein Produkt stehen müssen, bevor sie mit einem Return on Invest bzw. Service in Nutzung kommt und nicht im Stadium rechnen können. Hier wurde von den interviewten Ex- der Idee verbleibt (Invention). Im Zusammenhang mit perten eine Schwäche im deutschen Innovationssystem der Datenökonomie wird auch oft von Disruption28 beschrieben: es sei zum einen nicht genug Wagniskapi- gesprochen. Disruption beinhaltet die grundlegende tal vorhanden und zum anderen würde zu schnell ein Veränderung, Verdrängung, Ablösung von Produkten Return on Invest erwartet. Diese Erwartungshaltung (bspw. vom Telefon zum Smartphone; von der analogen würde kapitalgetriebene, schnell skalierende Modelle zur digitalen Fotographie). Dies kann innerhalb einer gegenüber langwierigen, technologiegetriebenen ten- Branche, aber auch innerhalb eines Unternehmens ge- denziell eher begünstigen. In diesem Zusammenhang schehen. Dabei können Unternehmen erfolgreich sein wurde betont, dass die Entwicklung und Umsetzung wie Apple, als es mit der Kombination aus iPod und iTu- datengetriebener Geschäftsmodelle eher ein langfris- nes sich selbst und den gesamten Unterhaltungsmarkt tiger Prozess, als ein kurzfristiges Investment sei. revolutionierte. Andere Unternehmen wie Kodak oder Nokia, die die Veränderungen des Marktes zur digitalen Die Notwendigkeit, in innovative Ideen zu investieren, Photographie (Kodak) oder zum Smartphone (Nokia) verstärkt sich unterdessen; denn mit zunehmender zwar kommen sahen, aber lange ihre eigentlichen, sehr Macht- und Informationskonzentration bei den Power- erfolgreichen Geschäftsmodelle nicht kannibalisieren Playern aus USA und Asien, verändert sich auch der wollten, sind dem innovator`s dilemma29 erlegen. Möglichkeitsrahmen für hiesige Unternehmen, ihre innovativen Ideen in bestimmten Bereichen weiter- Die Ergebnisse der Studie zeigen – nicht überraschend hin erfolgreich umzusetzen. Hierzu gibt es mehrere – dass, im Falle traditioneller mittelstandsgeprägter parallel verlaufende Diskurse30; prinzipiell wird aber Volkswirtschaften, wie Deutschland und Berlin, der davon ausgegangen, dass die starke Konzentration Widerstand bei den etablierten Akteuren groß ist, von Information bei großen Plattformen Innovations- eigene Geschäftsmodelle disruptiv zu verändern und aktivitäten bei Wettbewerbern unterdrücken kann. dabei oft jahrelang erfolgreiche Innovationspfade zu Dies gilt im Übrigen auch für die Innovationskraft der verlassen. Wirklich disruptive Innovationen kommen Plattformen selbst, die mit zunehmender Macht träge daher sehr selten vor und werden von eher jungen werden könn(t)en. Dennoch gibt es für Deutschland Unternehmen eingeführt. Des Weiteren zeigen Bei- und Europa wichtige Anknüpfungspunkte und gute spiele von plattformbasierten Geschäftsmodellen, wie Chancen (siehe SWOT), an der Datenökonomie teilzu- Amazon oder Google, dass diese in der Regel nicht nehmen und dabei europäische, deutsche und Berliner nachfrage- sondern angebotsgetrieben waren und sich Kompetenzen einzubringen und auszubauen. erst nach vielen Jahren als erfolgreich erwiesen haben. 28 Clayton M. Christensen 1995 29 Ebd. 30 Ramge und Mayer-Schönberger 2020 15
2.4 Innovationsprozess Die Ergebnisse der Interviews weisen darauf hin, dass Dieses agile Vorgehen funktioniert allerdings nicht in Innovationsprozesse (IP) sich im Zuge der Digitalisie- allen Branchen: bspw. sind bei Innovationen in Digital rung stark verändern. Während die Abfolge der Phasen Health teilweise langwierige Zertifizierungsprozesse im IP annährend gleich bleibt, wird der Produktlebens- notwendig, die es Unternehmen nicht erlauben, den zyklus nicht nur verkürzt, sondern teilweise gar nicht Zwang zur Schnelllebigkeit mitzugehen. mehr zu Ende geführt. Aufgrund der vorab beschriebenen Eigenschaften von Dabei fällt auf, dass einerseits sehr viele Iterations- Daten – und insbesondere der Besonderheit, dass sich schleifen innerhalb einzelner Innovationsphasen not- der Mehrwert vor allem durch das Teilen, Kombinieren wendig sind, um neue Trends und Änderungen in einem und Auswerten der Daten ergibt, muss sich auch die dynamischen Umfeld aufzunehmen und zu integrieren; Art und die Intensität der Zusammenarbeit zwischen andererseits werden die Produkte teilweise schon nach den Akteuren im Innovationssystem ändern. Zwei er- der Phase der Prototypenerstellung in den Markt ge- wähnenswerte Ansätze in diesem Zusammenhang sind geben. Dort werden sie, falls notwendig, in Co-Inno- Open-Innovation und Co-Innovation. Gerade auch große vation und Co-Creation Prozessen basierend auf Kun- Unternehmen öffnen sich zunehmend den Ideen von denfeedback oder mit Entwicklern weiterentwickelt. Startups, reduzieren aber unter Umständen ihre eige- Gerade für Startups ist dieses dynamische Vorgehen nen F&E-Aktivitäten in bestimmten Bereichen dement- von großer Wichtigkeit, da sie darauf angewiesen sind, sprechend. Diesen Trend kann man in unterschiedlichen ressourcenschonend zu arbeiten, aber auch von sich Sektoren beobachten: bspw. in Bildung und Medien aus gerne mit den Kunden in den Austausch gehen. oder auch im Gesundheitssektor. Phasen im typischen Innovationsprozess Ideen Inventionen Innovation Diffusion Abbildung 6: Quelle: Innovationsmanagement. Strategien, Methoden und Werkzeuge für systematische Innovationsprozesse, 2011, S.31 16
2.5 Digitale Ökosysteme Eine der Grundlagen einer funktionierenden Datenöko- Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Amazon, das angefan- nomie bildet dabei der Aufbau und die Nutzung so ge- gen mit dem online Verkauf von Büchern seine Aktivi- nannter Datenökosysteme oder digitaler Ökosysteme31. täten immer weiter in andere Branchen ausdehnt. Die In diesen arbeiten viele Akteure zusammen mit dem technische Umsetzung dieser Ökosystem-Services wird Ziel, ökonomische Effekte zu erzielen. Dabei ist ein also auf digitalen Plattformen erbracht. Die Akteure Ökosystem mehr als ein loses Netzwerk von Akteuren, im Ökosystem verbinden demnach ihr wirtschaftliches nämlich ein sozio-technisches System, dessen Aktivität Interesse und Akteure interagieren in der Regel zum sich zunächst häufig um nur eine Kerntätigkeit oder ein gegenseitigen Nutzen (siehe auch Kapitel Plattformen). Sektor gruppiert (bspw. vermitteln von Unterkünften, Die Abbildung 7 veranschaulicht dabei das Prinzip anbieten von Unterhaltung bspw. im Ökosystem von eines einfachen Ökosystems am Beispiel von AirBnB Apple), später aber die Aktivitäten auf andere Services Lodging. und Geschäftsbereiche ausbreiten kann32. Vereinfachte Darstellung des Ökosystemansatzes am Beispiel von AirBnB Lodging AirBnB Private Gastgeber Reisende Lodging Vermittlung Abbildung 7: Quelle: Trapp et al. 2020 31 Vgl. Otto et al 2019, Trapp et al. 2020 32 Trapp et al. 2020: 6 17
3. Methodische Herangehensweise Die Datenökonomie wirkt bereits heute in viele Berei- wurde) und dauerten in der Regel zwischen einer hal- che des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ben und anderthalb Stunden. Die Interviews mussten hinein – und wird sie auch zukünftig nachhaltig verän- aufgrund der Corona-Pandemie größtenteils per Telefon dern. Für viele Bereiche der Wirtschaft oder Verwal- bzw. Videokonferenz durchgeführt werden. Im Rah- tung sind die Handlungsprinzipien und Grundlagen, wie men der Interviews wurde zudem eine SWOT Abfrage die einzelnen Akteure in der Datenökonomie zusam- durchgeführt, die sukzessive zu einem Gesamtbild auf- menarbeiten können, noch nicht ausgehandelt. Somit gebaut wurde. In der Auswertung konnten die Inhalte besteht neben der Regulierung, die aus gutem Grund in unterschiedliche Kategorien und Subkategorien35 hauptsächlich auf EU-Ebene stattfindet noch ein ge- unterteilt werden, aus denen sich im Folgenden die wisser Auslegungsspielraum für teilnehmende Akteure. Struktur der Studie ergab. Die Studie beschreibt wichtige Inhalte übergeordneter Themengebiete mit Relevanz zur Datenökonomie, bietet Parallel zu den Interviews wurden auch wissenschaft- Definitionen und stellt einzelne wichtige ökonomi- liche Publikationen ausgewertet. Per Schlagwortrecher- sche und gesellschaftliche Aktivitäten aus Berlin vor, che im Internet konnten etwa 60 Artikel identifiziert in denen die Nutzung von Daten zu unterschiedlichen werden, die weitere Informationen zu den untersuchten Zwecken bereits umgesetzt wird. Um dieses dynami- Inhalten lieferten. Unter den Veröffentlichungen waren sche Innovationsumfeld und wichtige Akteure darin sowohl Peer Reviewed Articles, wie auch graue Lite- grob zu umreißen, wurden zunächst digitale Inhalte ratur in Form von Berichten, Reports oder Projektbe- wie Internetseiten (der Bundesregierung, einschlägi- schreibungen. Zur Einschätzung der volkswirtschaft- gen Verbänden oder Forschungsinstituten) und Pod- lichen Bedeutung der Datenökonomie in Deutschland, casts (privater Anbieter wie Handelsblatt Disrupt, aber Europa und global konnten unterschiedliche Quellen auch der Podcast des Weizenbauminstituts) für die herangezogen werden: bspw. wurden die Angebote Eingrenzung wichtiger Aspekte herangezogen. Zu den von Statista.de oder den Websites der EU genutzt. Des identifizierten Schwerpunkten wurden insgesamt 35 Weiteren konnte auf Umfragen und Schätzungen unter- Personen33 per Email für ein Interview angefragt, von schiedlicher Verbände wie der Bitkom zurückgegriffen denen letztendlich 23 für ein Interview zur Verfügung werden. standen34. Darunter waren Experten, die zu einzelnen übergeordneten Aspekten wie Data-Governance, Daten- Aus der Integration der Ergebnisse der Interviews, strategien oder datengetriebenen Geschäftsmodellen der SWOT Befragung und der Literatur konnten ins- aussagefähig waren. Um das Geschehen und die vor- gesamt fünf Handlungsfelder abgeleitet werden. Der handenen Kompetenzen in Berlin besser abbilden zu Erstellungszeitraum der Studie war zwischen März und können, wurde mit lokalen Kammern, Intermediären November 2020. und Unternehmen gesprochen. Die Interviews wurden aufgezeichnet (insofern hierzu die Zustimmung erteilt 33 Die Experten ergaben sich aus Internetrecherche, aufgrund von Hinweisen aus der Technologiestiftung oder der SenWEB/ Berlin-Partner. Weitere sind Autoren von Publikationen, die im Rahmen der Literaturrecherche identifiziert wurden. 34 Eine Liste der interviewten Experten findet sich im Anhang. 35 Dresing und Pehl, 2015: 36 18
4. Rahmenbedingungen für die Datenökonomie Kapitel 4 beschäftigt sich mit einigen ausgewählten spielen können. Daher werden, wann immer die Ergeb- Aspekten der Rahmenbedingungen, die auch für die nisse der Untersuchung es zulassen und soweit sinn- Umsetzung von datengetriebenen Geschäftsmodellen voll, die Ergebnisse auf drei Systemebenen dargestellt: auf regionaler- oder unternehmensebene eine Rolle EU-Ebene, Regionale Ebene und Unternehmensebene. 4.1 Regulierungsansätze EU-Ebene und Nationale Ebene gle eigene Dienste in den Suchergebnissen begünstigt.37 Dadurch würden Verbrauchern nicht alle Möglichkeiten Regulierung wird vor allem dann ein wichtiges Thema, angezeigt und europäische Unternehmen benachteiligt. wenn es um den Datenverkehr mit anderen Ländern Auch die Monopolkommission beschäftigt sich in ihrem geht. Beispielsweise wurde in den vergangenen Monaten Hauptgutachten 2020 mit dem marktmachtbezogenen auf europäischer Ebene daran gearbeitet, Regeln für den Wettbewerb in der Plattformökonomie und untersucht, transatlantischen Datenverkehr weiter zu spezifizieren welche Möglichkeiten der Regulierung im Fall einer ‚Öko- und das Problem der Informationsasymmetrien anzu- systembildung bei der sich die Marktmacht dauerhaft gehen. Dabei stehen vor allem die großen Plattformen im zugunsten von Plattformen verfestigt‘38 ergriffen werden Mittelpunkt der Betrachtung, die ihre Stellungen in der können. Mit dem Digital Service Act, dessen erster Ent- Corona-Zeit weiter konsolidieren konnten. Die Millionen wurf Ende des Jahres erwartet wird, sollen mit fairem von Klicks und Transaktionen, die täglich auf ihnen aus- Wettbewerb, Plattformregulierung und Stärkung des geführt werden, befähigen die Betreiber, immer mehr EU-Binnenmarktes drei Hauptziele vereint werden39. Informationen zu aggregieren und sich ein umfassendes Bild über Märkte zu verschaffen. So können sie relevante Trotzdem ist die Unsicherheit bei europäischen Unterneh- Angebote möglichst vorteilhaft platzieren und anbieten, men weiterhin groß, welche Regeln sie selbst beim Daten- während kleinere Anbieter Schwierigkeiten haben, ihre verkehr zwischen der EU den USA beachten müssen, Angebote zu platzieren36. Die Bemühung, diesen Entwick- nachdem der Privacy Shield gekippt wurde. Allerdings lungen entgegenzuwirken ist wohl eine der auffälligsten zeigen amerikanische und asiatische Player zunehmend Aktivitäten der EU-Wettbewerbskommissarin. Unlängst Interesse an europäischen Datenschutzvorgaben. Aktuell haben sich 135 Unternehmen und 30 Unternehmerver- orientiert sich Kalifornien mit dem California Consumer bände in einem Brief an die EU gewandt, in dem sie diese Privacy Act an europäischen Datenschutzregeln (näm- auffordern, härter bei Google durchzugreifen: dabei geht lich der EU-DSGVO). Der Act erleichtert es Konsumenten es darum, dass europäische Unternehmen ihre Wettbe- der Weitergabe ihrer Daten zu widersprechen, wie es in werbsfähigkeit zunehmend gefährdet sehen, wenn Goo- Europa der Fall ist. Hier sind aber, anders als in Europa, 36 Vgl. Ramge und Mayer-Schönberger 2020 37 https://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/brief-an-eu-kommission-135-unternehmer-fordern-vestager-soll-googles-praktiken-ein-en- de-setzen/26615754.html?ticket=ST-1902997-REjBBtb7qcwF1uCXsCRh-ap4, Zugriff: 10.11.2020 38 Monopolkommission 2020: 23 39 https://netzpolitik.org/2020/eu-plattformgrundgesetz-digital-services-act/, Zugriff: 9.10.2020 19
keine Bußgelder vorgesehen. Ein weiteres Beispiel ist, größten Probleme sind: Rechtsunsicherheit, schwer dass Microsoft im Zusammenhang mit dem europäischen abzuschätzender Arbeitsaufwand (bspw. zur Umset- Cloud-Vorhaben GAIA-X angekündigt hat, eine ‚defen- zung von Dokumentations- und Informationspflichten) ding-your-data-policy‘ zu verfolgen, um den Zugriff von und Mangel an praktischen Umsetzungshilfen. 14 % US-Behörden auf europäische Daten zu verhindern. der Unternehmen gaben an, dass Innovationsprojekte entweder aufgrund von Unklarheiten im Umgang mit Ebene der Unternehmen der DSGVO oder in direkter Folge der DSGVO (5 %) gescheitert sind41. Andererseits glauben Unternehmen Die europaweite Datenschutzgrundverordnung (EU- aber auch, dass die Maßstäbe im Datenschutz weltweit DSGVO) spielt im Rahmen der Datenökonomie und hier durch die Anwendung der DSGVO höher werden und konkret im Zusammenhang mit der Nutzung personen- europäische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bezogener Daten eine wichtige Rolle. Unternehmen erfahren. In diesem Zusammenhang muss auch die sehen in der DSGVO jedoch teilweise ein Hemmnis, da ePrivacy-Verordnung benannt werden. Diese regelt bei der Umsetzung erheblicher administrativer Auf- zukünftig die elektronische Kommunikation bspw. wand nötig wird und nicht immer klar ist, wie die Vor- über Websites und E-Mails und löst somit nationale gaben rechtskonform umgesetzt werden können. In Gesetzgebungen wie das Telemediengesetz oder das einer Bitkom-Umfrage zum Thema wird dargestellt, Telekommunikationsgesetz ab. Hier wird erwartet, dass 25 % der Unternehmen die Anforderungen immer dass auch diese Verordnung einen hohen Aufwand noch nicht umgesetzt haben. Schwierigkeiten treten zur Umsetzung der Vorgaben bei den Unternehmen demnach vor allem bei kleinen Unternehmen auf40. Die verursachen wird. 4.2 Data Governance Nationale Ebene atlantische Datenstrom über Datentreuhänder (mit Sitz in der EU) läuft. Mit dieser Maßnahme soll der Einfluss Unter Data Governance lassen sich die Rahmenbedin- der großen plattformbasierten Unternehmen weiter gungen zusammenfassen, die die Handhabung und das begrenzt und Vertrauen in europäische Institutionen, Management von Daten zwischen unterschiedlichen sowie mehr Offenheit zum Teilen von Daten geschaf- Akteuren (Unternehmen, aber auch Staaten oder an- fen werden. Des Weiteren soll das Teilen von Daten deren Organisationen) regeln. Auf EU-Ebene wurde einerseits für gemeinnützige Zwecke weiter erleichtert in diesen Tagen der Data Governance Act vorgestellt, werden, aber auch in wirtschaftlichen Bereichen wie der die Datenkontrolle neu regeln soll. Eine neu zu Gesundheit, Mobilität (bspw. ÖPNV) oder Verwaltung42. schaffende Struktur soll dafür sorgen, dass der trans- 40 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Zwei-Drittel-der-Unternehmen-haben-DS-GVO-groesstenteils-umgesetzt, Zugriff: 15.11.2020 41 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Zwei-Drittel-der-Unternehmen-haben-DS-GVO-groesstenteils-umgesetzt 42 https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/data-governance-act, Zugriff 15.12.2020 20
Laut Fachliteratur bestehen Governance-Systeme auf werden?), Prozesse (welche Prozesse für das Daten- drei Ebenen: der strategischen Ebene, der Systemebene management sind sinnvoll?) und Architektur (Welche und der Prozess- bzw. operativen Ebene. Dabei werden: Standards werden eingesetzt und welche Tools können genutzt werden?). • auf der strategischen Ebene die Vision, Mission und Strategie festgelegt, die zur Erreichung der (wirt- Sektorale Ebene schaftlichen) Ziele erforderlich sind, • auf einer Systemebene notwendige technische Vo- Es ist denkbar, dass Regeln zur Datengovernance und raussetzungen beschrieben, hier besonders die Regeln zum Datenzugang für einzel- ne Sektoren genauer ausdifferenziert werden müssen, • auf der Prozessebene Datenmanagementsysteme um sektorspezifische Besonderheiten und Regelungen eingesetzt, um die operative Umsetzung zu ermög- stärker Rechnung zu tragen44. Beispielsweise haben lichen43. Fintech und Digital Health andere sektorspezifische An- forderungen als E-Commerce. Die Interviews ergaben, Dabei müssen unterschiedliche, ineinander überge- dass sektorspezifischen Regelungen ggf. besser geeig- hende Aspekte bei der Erstellung von Governance- net sind, um sektorüblichen Standards und Schnittstel- Systemen berücksichtigt werden: Bestandsaufnahme len, Datentypen oder Zertifizierungsprozessen (bspw. (welchen Wert haben die Daten?), Verantwortlichkei- Apps in Digital Health, aber auch die Rolle von OEMs ten (Wer übernimmt welche Funktion?), Compliance bei Datenübertragung in der Automobilbranche) zu (Wird datenschutzkonform vorgegangen?), Sicherheit entsprechen. (Wie können Daten vor dem Zugriff anderer geschützt 4.3 Datenstrategien EU und nationale Ebene die EU-Datenstrategie, die im Februar 202045 veröf- fentlicht wurde, weiter befördert werden. Die Nationale Auch Datenstrategien werden auf allen Ebenen disku- Datenstrategie der Bundesregierung stellt hingegen die tiert. Derzeit finden auf europäischer oder nationaler Nutzung von Innovationspotentialen in Deutschland Ebene intensive Debatten darüber statt, wie Institutio- in den Vordergrund46. Die nachfolgende Tabelle zeigt nen, Organisationen oder Regierungen das ,Potential Eckpunkte und Vision von EU- und nationaler Daten- von Daten‘ besser nutzen können. Auf der EU-Ebene strategie im Vergleich: soll die Ausbildung des Binnenmarktes für Daten durch 43 Engels 2020 44 BMI 2019 45 Efroni et al. 2020 46 Weizenbaum 2020 21
Datenstrategien Eckpunkte EU-Datenstrategie Eckpunkte Nationale Datenstrategie des Bundes Strategische Ziele/ Schaffen besserer Rahmenbedingungen • Steigerung einer verantwortungsvollen Vision für den Umgang mit Daten, um: Bereitstellung und Nutzung von Daten a) P roduktivität und Wettbewerb zu für Wirtschaft, Wissenschaft, Gesell- erhalten und schaft b) Nutzen für die Allgemeinheit in Bereichen wie Gesundheit, Umwelt, • Entstehung neuer Datenmonopole soll Verwaltungen zu schaffen und entegengewirkt werden c) die Position Europas als Global Player • Verhindern von Datenmissbrauch zu festigen Gemeinsamkeiten •A llgemeine Verbesserung des • Datenzugang und -bereitstellung Datenzugangs verbessern •A dressieren von Datenkompetenz • Verantwortungsvolle Datennutzung •W eiterentwicklung technologischer • Datenkompetenz erhöhen und physikalischer Infrastruktur • Innovationspotentiale heben •A ufbau und Implementierung von Data- Governance Systemen • Standardisierung •E tablieren von Intermediären um Daten Sharing und Nutzung zwischen Entitäten zu befördern Besondere Befähigen von Individuen in ihrer Rolle • Bund soll Vorreiter bei Datenbereitstel- Schwerpunkte als Bürger und Konsumenten, ihre Daten lung und Datennutzung sein zu schützen und zu nutzen durch Gesetze, • Schaffen einer offenen Innovations- Datenkompetenz und technologische kultur Weiterentwicklung. • Reduzierung von Datensilos bei Speicherung und Nutzung Tabelle 1: Vergleich Eckpunkte EU und nationale Datenstrategie Ebene Regional / Land zu werden. Neben der Bereitstellung von Infrastruktur sind auch Herausforderungen mit der Umsetzung des Auf Landesebene sind Verwaltung und Politik mo- Onlinezugangsgesetzes (OZG) verbunden, in dem ge- mentan – wie in vielen anderen Bundesländern – damit regelt ist, dass Verwaltungen bis 2022 ihre Leistungen beschäftigt, für die Datenökonomie unterstützende über digitale Portale anbieten können müssen. Letzt- Rahmenbedingungen zu schaffen, bspw. bei der Er- endlich sollen die einzelnen Portale dann zu einem arbeitung der Digitalstrategie oder der Implementie- großen Netz zusammengeschlossen werden, um Ver- rung der Open Data Verordnung, um den Erwartungen, waltung einfacher zu gestalten, Prozesse effektiver zu die mit der Datenökonomie verbunden sind, gerecht machen und Ressourcen zu sparen. 22
Ebene Unternehmen Geschäftsmodelle) oder zum Zweck der Effizienzstei- gerung. Hier wird auch entschieden, welche Daten aus Unternehmen haben immer noch Schwierigkeiten da- welchen Prozessen gesammelt und gespeichert werden bei, Datenstrategien zu entwickeln, die an den strate- sollen, um geplante Ziele zu erreichen. Zum Ausarbei- gischen Zielen ihres Unternehmens ausgerichtet sind. ten von Datenstrategien gehört aber immer beides: Laut des 33. IW Zukunftspanels hat fast die Hälfte, einerseits das Domänenwissen einzelner Sektoren oder nämlich 48 %, der befragten deutschen Unternehmen Geschäftsbereiche und andererseits technisches Wissen hier konkreten Unterstützungsbedarf47. Denn die As- (bspw. über welche Schnittstellen können Daten mit pekte für die Beschäftigung mit dem Thema sind viel- Kunden und Kooperationspartnern getauscht werden?), fältig48: Der Ausgangspunkt für die Formulierung einer so dass spezifische Qualifikationen an die Mitarbeiter, Datenstrategie in Unternehmen beginnt häufig mit dem die diese Aufgabe übernehmen, gestellt werden. Datenmanagement (zur Anbahnung datengetriebener 4.4 Aspekte digitaler Souveränität Die Debatte um eine digitale Souveränität umfasst interviewten Experten teilweise eine technologische mehr Aspekte, als die oft diskutierte Datensouveräni- Abhängigkeit von Anbietern außerhalb Deutschlands tät, die nur einen Schwerpunkt bildet. Weitere Dimen- und der EU besteht. Passende Beispiele sind Schlüssel- sionen sind Software- und Techniksouveränität, aber technologien wie 5G, KI oder Mikroelektronik. Um hier auch funktionierende Governance-Systeme sowie die wieder Expertise aufzubauen und weiterzuentwickeln, Stärkung digitaler Kompetenzen49. Einige dieser As- sind auch technologische Grundlagenforschungszent- pekte werden hier grob skizziert. ren ein wichtiger Baustein, wie sie mit dem BIFOLD in Berlin entstanden sind. Neben der technologischen Technische Souveränität Grundlagenforschung ist der Transfer der dort gewon- nenen Erkenntnisse in die Praxis über Ausgründungen, Viele Ziele, wie der Ausbau der Digitalisierung, er- Forschungszusammenarbeit mit der Industrie usw. ein fordern es, dass in unterschiedlichen Technologiefel- erfolgskritischer Aspekt. Denn die Technologien müs- dern und den dazugehörigen Schlüsseltechnologien sen auch in der Breite Anwendung finden. Dazu kann (wie KI) Kompetenzen entlang exemplarischer ,Wert- weiter in die Entwicklung von diskriminierungsfreien schöpfungsketten‘ aufgebaut oder erhalten werden50. nicht-monopolistischen Ökosystemen investiert wer- Zur technischen Souveränität gehört die Souveränität den. Initiativen, die von Universitäten, aber auch von über kritische Infrastrukturen, da derzeit infolge der Unternehmen ausgehen – wie der KI-Campus –, bilden 47 Fritsch und Krotova 2020 48 Etsiwah und Hilbig 2019 49 GI 2020 50 FZI 2017 23
hier gute Anknüpfungspunkte, technologiegetriebene Andererseits wird an das Thema Datenschutz häufig Innovation weiterzubringen. noch irrational herangegangen und aufgrund von ‚vor- geschobenen‘ Datenschutzbedenken werden innovative Auch die Entwicklung von Standards und Normen, die Vorhaben nicht umgesetzt, das zeigten auch die Inter- die Kooperation zwischen Akteuren beim Datenaus- views zu dieser Studie. tausch sehr viel konstruktiver gestalten könnte – ein Aspekt, der oft nur sehr wenig Aufmerksamkeit erfährt – Datenkompetenz soll hier erwähnt werden. Hier entwickelte die DIN beispielsweise zusammen mit dem BMWi eine Road- Datenkompetenz beinhaltet Maßnahmen, die zu einem map zu Standards im Bereich der KI51. besseren Verständnis dazu beitragen, wie Datenver- arbeitungsprozesse aussehen oder was mit Daten Datensouveränität und Datenschutz passiert, nachdem man sie freigegeben hat. Wichtig ist dabei ein gutes Verständnis für Prozesse und Me- Dies ist eines der Kernthemen in der Souveränitäts- chanismen in der Datenökonomie, nicht zwingend aber debatte und wurde bereits im Zusammenhang mit Da- für die technischen Details. Eine Verbesserung der ta-Governance oder Datenstrategien angesprochen. Datenkompetenz wird in der Literatur und durchgehend Mit dem Thema des Datenschutzes beschäftigen sich auch in den Interviews vorgeschlagen. Es ist wichtig für auch mehrere Berliner Institute, wie das Weizenbaum Konsumenten, Unternehmer, Verwaltungsmitarbeiter, Institut, Universitäten und Fachhochschulen, aber auch Zivilpersonen usw., Datenquellen hinsichtlich Glaub- Fraunhofer Institute, die Gesellschaft für Informatik würdigkeit, Richtigkeit und Qualität einschätzen zu (GI), das Forschungszentrum Informatik (FZI) uvm. Auf können. Es herrsche beispielsweise eher ein diffuses technologischer Ebene ist u.a. das BIFOLD, wo der Frage Verständnis vor, wenn es darum gehe zu entscheiden, nachgegangen wird, wie in Small- und Big Data der welche Datenquellen glaubwürdig sind, oder worin Schutz von Einzeldaten gewährt werden kann und wie sich fragwürdige von seriösen Inhalten unterscheiden, vertrauenswürdige und transparente Algorithmen aus- welche Merkmale qualitativ hochwertige Daten aus- sehen müssen, ein wichtiger Baustein Berliner Kom- zeichnen und wie man deren Richtigkeit prüft. petenz in der Softwaretechnologie. Datensouveränität wird oft im Kontext mit Plattformen, deren Marktmacht Ein besseres Verständnis hilft letztendlich auch Un- und deren Drang nach Daten, diskutiert. Es ist daher ternehmern dabei, Datenstrategien zu formulieren von großer Wichtigkeit, dass Gesetze wie ePrivacy, oder Ideen zu entwickeln, wie sie datengetriebene DSGVO, Plattformgesetz und viele mehr auf EU-Ebene Geschäftsmodelle implementieren können. Es unter- entwickelt und umgesetzt werden, um den Datentrans- stützt Verwaltungsmitarbeiter, datenschutzkonform fer mit anderen Ländern sinnvoll zu steuern. In eini- mit Daten umzugehen und sich so ohne Vorbehalte im gen Bereichen, wie dem Gesundheitsbereich, werden Thema Open Data o.ä. zu engagieren. Privatpersonen Datenschutzvorgaben bis auf Bundeslandebene sehr befähigt es zu einem möglichst verantwortungsvollen kleinteilig ausgearbeitet und bilden einen verbind- Umgang mit den eigenen Daten. lichen Rechtsrahmen für Innovationsaktivitäten oder den Datenaustausch zwischen Organisationen. Es wird stark dafür geworben, solche Fähigkeiten be- reits in der Kindheit anzulegen. Hier werden aus dem Bildungsbereich Beispiele genannt, wie man Schülern 51 https://www.din.de/de/forschung-und-innovation/themen/kuenstliche-intelligenz/normungsroadmap-ki 24
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