Programm Niedersächsische Moorlandschaften
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Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Programm Niedersächsische Moorlandschaften Grundlagen, Ziele, Umsetzung
Niedersächsische Moorlandschaften – Grundlagen, Ziele, Umsetzung – Inhalt 1 Einführung 4 7 Umsetzung des Moormanagements 49 2 Anlass 8 7.1 Entwicklung gebietsbezogener Ziele 49 3 Rahmenbedingungen für das 7.2 Flächenmanagement 51 Moormanagement 10 7.3 Etablierung einer moorschonenden Bewirtschaftung 53 4 Entwicklung und Ausprägung der Moore 13 7.4 Projektfinanzierung des Moormanagements 54 4.1 Entwicklung der Moore und der weiteren 7.5 Bereitstellung von Torfersatz für den kohlenstoffreichen Böden 13 Gartenbau 56 4.2 Heutige Nutzung der Moore und der 7.6 Information, Öffentlichkeitsarbeit und weiteren kohlenstoffreichen Böden 18 Kommunikation 56 4.3 Moortypische Arten und Lebensräume 22 7.7 Forschungsaktivitäten in Norddeutschland 57 5 Kulisse der Niedersächsischen 8 Weitere Programmbausteine 59 Moorlandschaften 24 9 Organisatorische Struktur 61 5.1 Moorböden und weitere kohlenstoffreiche 10 Zusammenfassung und Ausblick 63 Böden 26 11 Literatur 65 5.2 Zusätzliche Moorlebensräume 27 12 Anhänge 67 5.3 Verteilung der Landnutzung in den niedersächsischen Moorlandschaften 28 5.4 Treibhausgas-Emissionen 30 6 Ziele und Handlungsfelder des Moormanagements 34 6.1 Klimaschutz 35 6.2 Erhaltung der biologischen Vielfalt 36 6.3 Gewässerschutz und Landschaftswasserhaushalt 38 6.4 Bodenschutz 39 6.5 Landwirtschaft 39 6.6 Wald, Forstwirtschaft 41 6.7 Torfabbau 42 6.8 Übersicht Moornutzungstypen 43 6.9 Weitere Handlungsfelder 44 6.10 Synergien und Konflikte 47 3
1 Einführung Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften dient Mindestens genauso wichtig ist, was Verantwortliche vor dem Schutz und der Entwicklung der niedersächsischen Ort tun, um den Klimawandel zu stoppen. Gerade auf lo- Moore, d. h. der Moorböden und der Moorlebensräume kaler Ebene leisten viele Schlüsselakteure ihren Beitrag als charakteristische Bestandteile der niedersächsischen zum Klimaschutz. Allen voran gestalten die Kommunen Landschaft. Ziel ist die Erhaltung und die Verbesserung die erforderliche Transformation hin zu einer emissions- der vielfältigen natürlichen Funktionen und Leistungen armen Lebensweise, der Dekarbonisierung der Wirtschaft von Mooren insbesondere für den Klimaschutz, die bio- und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. logische Vielfalt, den Gewässerschutz und den Boden- Hierzu wird die Landesregierung mit dem beabsichtig- schutz. Das Programm zielt hinsichtlich bestehender Nut- ten Landes-Klimaschutzgesetz und dem darauf aufbau- zungen auf Moorstandorten auch darauf ab, möglichst enden Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm torfschonende Bewirtschaftungsformen zu fördern. Alle weitere bedeutende Schritte zur Erreichung der Klima- Maßnahmen zur Umsetzung des Programms werden als schutzziele durch Reduktion der energiebedingten Treib- Moormanagement bezeichnet. hausgas-Emissionen beisteuern. In Niedersachsen sind im Rahmen der Umsetzung des Insgesamt besteht die Notwendigkeit, den Schutz von Niedersächsischen Moorschutzprogramms (MSP) von Mooren in Niedersachsen auf Grundlage der landespoli- 1981/1986 (s. Kap. 3) seit über 30 Jahren Maßnahmen zur tischen Ziele neu aufzustellen und an die neuen Anfor- Sicherung, Renaturierung und Wiedervernässung von derungen und Erkenntnisse (Schutz des Klimas, Einbezie- Hochmoorlebensräumen umgesetzt worden. Mit dem hung der Niedermoore) anzupassen. neuen Programm Niedersächsische Moorlandschaften Vor diesem Hintergrund wird durch das federfüh- wird das bisherige MSP von 1981/1986 fortgeschrieben rende Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und ergänzt. Dabei wird auf den gewonnenen Erfahrun- und Klimaschutz (MU) in Abstimmung mit dem Nieder- gen aufgebaut, zukünftig werden aber auch deutlich sächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft neue Akzente gesetzt. und Verbraucherschutz (ML) und dem Niedersächsischen Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz wurde Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) in Niedersachsen schon vor Jahren erkannt. Bereits in der gemeinsam das neue Programm Niedersächsische Moor- Empfehlung der Niedersächsischen Regierungskommis- landschaften aufgestellt. Es soll die Grundlage für um- sion Klimaschutz für eine niedersächsische Klimaschutz- fassende umsetzungsorientierte Aktivitäten zum Moor- strategie werden die Erhaltung organischer Böden und management in Niedersachsen für die nächsten Jahre die Weiterentwicklung des Moorschutzprogramms be- bilden. Dabei sind die bisherigen Anstrengungen zur Er- nannt. Die Ausrichtung des Moorschutzes auch auf den haltung der Moore weiter zu intensivieren und auf eine Klimaschutz fand daher Einlass in die Klimapolitische breitere Grundlage zu stellen. Umsetzungsstrategie Niedersachsen. Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 (BMUB stellt damit einen Neubeginn für das Management von 2014) will die Bundesregierung die Treibhausgas-Emissio- Mooren und den Klimaschutz in Mooren dar, indem nen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 vermindern, u. a. die Chance eines gemeinsamen Vorgehens der für das durch eine Reduzierung in entwässerten Mooren. Moormanagement relevanten Akteure genutzt und Mit dem Klimaschutzplan 2050, den die Bundesre- dieses als Querschnittsaufgabe erkannt wird, in der gierung 2016 beschließen will, sollen die langfristigen die sektoralen Ziele und Instrumente gebündelt wer- Klimaschutzziele (Reduzierung der CO2-Emissionen um den, 80 bis 95 % gegenüber 1990) umgesetzt werden. Auch durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachver- für den Themenkomplex Minderung von Treibhausgas- waltungen, amtlichem und ehrenamtlichem Natur- Emissionen aus der Moornutzung sollen Maßnahmenvor- schutz, Land- und Forstwirtschaft, Verbänden und Wis- schläge gemacht werden. senschaft Interessenskonflikte frühzeitig erkannt und Mit dem Programm Niedersächsische Moorlandschaf- Lösungsansätze zügig entwickelt werden können, ten leistet Niedersachsen einen wichtigen Beitrag zur die erforderlichen Aktivitäten auf einer einheitlichen, Erreichung der nationalen Klimaschutzziele Deutsch- programmatischen Grundlage systematisch geplant, lands, die im Rahmen der Weltklimakonferenz in Paris im koordiniert und umgesetzt werden können, Dezember 2015 untermauert worden sind. Als Fazit des die bisherigen und bereits begonnenen Aktivitäten Klimagipfels bleibt auch festzuhalten, dass es für eine gebündelt und optimiert werden, ernst gemeinte Reduzierung der Treibhausgas-Emissio- die erheblichen Synergieeffekte im Management von nen nicht ausreicht, sich auf globale Vereinbarungen zu Mooren, insbesondere für den Klimaschutz, genutzt verlassen. werden. 4
Hochmoore und Niedermoore sind Bestandteile der Niedersächsischen Moorlandschaften. (Fotos Hochmoor im Oederquarter Moor und Aueniederung mit Niedermooren: Helmut Bergmann/Landkreis Stade) 5
Zu den wesentlichen Eckpunkten und Zielsetzungen des Die Kulisse Niedersächsische Moorlandschaften und neuen Programms zählen insbesondere deren kartenmäßige Darstellung stellt eine wichtige Ausrichtung auf Klimaschutzziele vor allem durch fachliche Grundlage für die weiteren Betrachtungen zum die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen aus Moormanagement dar. Für die EU-Förderperiode 2014- Mooren, 2020 wurden die wesentlichen finanziellen Voraussetzun- Beachtung der landschaftsökologischen Funktionen gen zur Umsetzung der Maßnahmen auf Grundlage des von Mooren und ihrer Bedeutung für Klimaschutz, Programms geschaffen (insbesondere EFRE-Förderrichtli- Bodenschutz, Naturschutz, Gewässerschutz sowie als nie „Klimaschutz durch Moorentwicklung“). typischer Bestandteil der niedersächsischen Kulturland- Weiterhin ist die Erarbeitung und Einführung zusätzli- schaft, cher Programmbausteine geplant, mit denen die Inhalte Einbeziehung sowohl der Hochmoore als auch der dieser Veröffentlichung weiter konkretisiert und für die Niedermoore und der mit diesen Mooren vergesell- Praxis im Moormanagement sinnvoll ergänzt werden. schafteten weiteren kohlenstoffreichen Böden, Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften ist Betrachtung land- und forstwirtschaftlich genutzter ein zwischen den beteiligten Ressorts abgestimmtes Kon- Flächen in Mooren und Mitwirkung der Bewirtschaf- zept, das die Grundlage und Leitlinie für die Arbeit der ter und Eigentümer als Partner für Klima- und Boden- Landesbehörden im Bereich des Moor- und Klimaschut- schutz bei Maßnahmen auf freiwilliger Basis, zes darstellt. Darüber hinaus ist es eine Empfehlung für Verwirklichung eines ressort-, fach- und interessen- die Behörden auf kommunaler Ebene. übergreifenden Ansatzes, um sämtliche betroffene Gegenüber Einzelnen ist das Programm daher recht- Belange und Interessen zu bündeln und gemeinsame lich nicht unmittelbar bindend. Aus dem Programm Lösungen zu erzielen, abgeleitete konkrete Ziele und Erfordernisse werden Konzipierung und Umsetzung eines inhaltlich umfas- für Einzelne nur verbindlich, wenn diese z. B. in Rechts- senden Ansatzes zum Moormanagement und zum vorschriften aufgenommen, in verbindlichen Plänen Klimaschutz. und Programmen berücksichtigt oder durch hoheitliche Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften setzt Schutzverfahren etc. umgesetzt werden. sich aus mehreren Hauptbestandteilen zusammen. In der Die Umsetzung von konkreten Maßnahmen im Rah- vorliegenden Veröffentlichung werden men des Moormanagements wird insbesondere auf land- die Ausgangssituation und die Anforderungen an und forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf Grundlage Moore im Hinblick auf ihre vielfältigen Funktionen der Freiwilligkeit der jeweiligen Flächeneigentümer und einschließlich ihrer Klimarelevanz dargestellt, -bewirtschafter erfolgen (z. B. vertragliche Vereinbarun- die Verbreitung der Moore und weiteren kohlenstoff- gen, freiwillige Selbstbindung). reichen Böden in Niedersachsen beschrieben und dar- Erfolgreich ist Moormanagement nur im Dialog mit aus eine Kulisse abgeleitet, allen Beteiligten, was eine intensive Diskussion mit den die Ziele für ein zukünftiges Moormanagement ent- jeweiligen Akteuren vor Ort voraussetzt. Die Erhaltung wickelt, und Entwicklung der Moorlandschaften wird daher über geeignete Maßnahmen zum Schutz sowie zur moor- einen langen Zeitraum schrittweise durch differenzierte und klimaschonenden Nutzung der Moore dargestellt und meist kleinräumige Lösungsansätze umgesetzt wer- und den. die zum Erreichen dieser Ziele bzw. zur Umsetzung der Maßnahmen bereits bestehenden Instrumente aufge- zeigt. 6
Programm Niedersächsische Moorlandschaften – Definitionen – Das Programm dient dem Schutz und der Entwicklung der niedersächsischen Moorlandschaften. Ziel ist es, die vielfältigen natürlichen Funktionen und Leistungen von Mooren als charakteristische Bestandteile der nieder- sächsischen Landschaft und als Wirtschaftsgrundlage des Menschen zu erhalten und zu verbessern. Dabei ist die Klimaschutzfunktion der Moore von hoher Bedeutung. Maßnahmen zur Umsetzung des Programms werden als Moormanagement bezeichnet. Moorlandschaften sind alle Moore, unter Einbeziehung der mit ihnen vergesellschafteten weiteren kohlen- stoffreichen Böden, in ihrer gegenwärtigen Ausprägung mit ihrer Funktion im Naturhaushalt sowie ihrer Bedeutung für die Nutzung durch die Menschen. Moore umfassen die Moorböden sowie die Moorlebensräume. Zu den Mooren gehören Hochmoore und Niedermoore. – Moorböden weisen eine Torfschicht von mindestens 30 cm im Oberboden auf. Die Torfe haben sich unter Wassersättigung durch Anhäufung von unvollständig zersetztem Pflanzenmaterial gebildet und bestehen zu mindestens 30 % aus organischer Substanz. Weitere kohlenstoffreiche Böden haben sich an den Rändern der Moore oder im Übergang von der Marsch zur Geest ausgebildet. – Moorlebensräume werden durch moortypische Arten und Lebensgemeinschaften geprägt. Sie kommen insbesondere in naturnahen Mooren und (weitgehend) ungenutzten, degenerierten Mooren vor. Moormanagement umfasst Maßnahmen zur Verringerung der Torfzehrung und -sackung und damit zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen sowie zur Verbesserung der weiteren natürlichen Funktionen der niedersächsischen Moorlandschaften. Moormanagement umfasst Maßnahmen zum Moorschutz sowie zur moorschonenden Bewirtschaftung. Moorschutz beinhaltet Maßnahmen zur Erhaltung naturnaher Moore und zur möglichst weitgehenden (Wieder-)Entwicklung regenerierbarer Moore unter Sicherung des hierfür erforderlichen standorttypischen Wasserhaushalts. Moorschonende Bewirtschaftung bezeichnet Maßnahmen, im Wesentlichen auf land- und forstwirtschaft- lich genutzten Moorböden, zur Verringerung der Torfzehrung und -sackung. Klimaschutz durch Moormanagement umfasst alle Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgas- Emissionen aus Mooren und weiteren kohlenstoffreichen Böden sowie zur Erhaltung der Kohlenstoff- vorräte im Torf und der Senkenfunktion für Kohlenstoff. 7
2 Anlass Niedersachsen ist Moorland. Hoch- und Niedermoore nehmen einen Anteil von ca. 8 % der Landfläche Nieder- sachsens ein. Hier liegen ca. 73 % der Hochmoore und ca. 18 % der Niedermoore Deutschlands. Damit trägt Nieder- sachsen eine bundesweite besondere Verantwortung für den Moor- und Klimaschutz, vor allem für die Hoch- moore, die im Nordwesten des Landes ihren Verbrei- tungsschwerpunkt haben. 70 % der Fläche der nieder- sächsischen Hoch- und Niedermoore ist landwirtschaft- lich genutzt und stellt damit die Existenzgrundlage einer Vielzahl von Betrieben dar (HÖPER 2007). Daraus resul- tiert eine besondere Verantwortung Niedersachsens beim Moor- und Klimaschutz gegenüber der Landwirtschaft. Die Aktivitäten des Menschen, vor allem in den Berei- chen Energiegewinnung und Landnutzung, führen zu Naturnahe Moore mit wachsenden Torfmoosen können als „Stoffsenke“ globalen Klimaveränderungen (IPCC 2014). Auslöser hier- wirken. (Foto: Gerd-Michael Heinze) für ist die erhebliche Freisetzung klimarelevanter Gase, v. a. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O). Natürliche und naturnahe Moore können als „Stoff- Moore haben eine besondere Bedeutung für das globale senke“ wirken, indem sie den jeweiligen Stoffkreisläufen Klima und speichern große Mengen Kohlenstoff in ihrem Kohlenstoff und Stickstoff entziehen und dann in den Torfkörper (vgl. SRU 2012). wachsenden Torfschichten langfristig festlegen. Somit sind sie in der Naturlandschaft die bedeutendsten An- reicherungsökosysteme besonders für Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen. Die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff (C) aus der Atmosphäre liegt in natürlichen Hochmooren zwi- schen 200 und 300 kg C pro Hektar und Jahr (ha/a), in natürlichen Niedermooren zwischen 140 kg und 300 kg C/ha/a (HÖPER 2007). Dies entspricht einer Bindung des Treibhausgases Kohlendioxid von 500 bis 1.100 kg/ha/a. Wachsende Hoch- und Niedermoore stellen somit eine Senke für Kohlenstoff dar. Allerdings setzen sie in gewis- sem Umfang klimarelevantes Methan frei, so dass ihre Klimabilanz in etwa ausgeglichen ist. Entwässerte und degenerierte Moorböden hingegen verlieren ihre Funktion als Kohlenstoffsenke. Sie werden stattdessen zu einer Quelle für Treibhausgase, wobei die über sehr lange Zeiträume gespeicherten Kohlenstoffvor- räte in vergleichsweise kurzer Zeit wieder in die Atmo- sphäre abgegeben werden. Durch die Entwässerung der Torfkörper und die damit einhergehende Durchlüftung kommt es zur Oxidation und fortschreitenden Zersetzung des Torfs und damit zur Freisetzung von Kohlendioxid und des besonders klimawirksamem Lachgases. Die Me- thanfreisetzung ist dagegen gering. In der Summe ist die Freisetzung von Treibhausgasen entwässerter Moorbö- den um ein Vielfaches höher als die von naturnahen oder wiedervernässten Moorböden. Natürliche und naturnahe Niedermoore weisen zudem Abb. 1: Etwa 73 % der Hochmoore und 18 % der Niedermoore Deutsch- eine besondere Funktion als Stoffsenke für Stickstoff lands liegen in Niedersachsen. (© BGR Hannover) auf, den sie dem durchströmenden Grund- und Ober- flächenwasser entziehen. Ein kleiner Teil des als Nitrat zuströmenden Stickstoffs wird in den Torfen gebunden. Der größere Teil wird durch Denitrifikation vollständig abgebaut. 8
Abb. 2: Treibhausgas-Emissionen in Mooren Erhaltung und Wiederherstellung eines naturnahen Zu- Die Treibhausgas-Emissionen aus entwässerten Mooren stands dieser Böden und ihrer Funktionen sind somit (einschließlich Torfnutzung) erreichen in Niedersachsen wichtige Bestandteile des Klimaschutzes. Auf vielen die Größenordnung von 12 % der Gesamtemissionen. Standorten geht es jedoch vorrangig darum, eine mög- Über die Klimaschutzfunktion hinaus üben naturnahe lichst klimaschonende Bewirtschaftung zu verwirklichen. Moore weitere vielfältige Schutz-, Speicher-, Filter- und Entwässerte und degenerierte Moore haben mit Pufferfunktionen aus, die zur Erhaltung des Naturhaus- 43,8 Mio. t CO2-Äquivalenten einen Anteil von 4,6 % an haltes, der Stoffkreisläufe und der nachhaltigen Nut- den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland zungsfähigkeit der Naturgüter beitragen und somit um- und damit eine große Relevanz (UMWELTBUNDESAMT fassende Ökosystemdienstleistungen darstellen. 2014). Mehr als 95 % der deutschen Moore sind heute Durch den sich abzeichnenden Klimawandel werden aufgrund entwässerungsbedingter Torfzersetzung sich die klimatischen und hydrologischen Bedingungen bedeutende Emittenten für klimarelevante Gase und für die Moore in Niedersachsen voraussichtlich verän- gewässerbelastende Nährstoffe. dern, so dass sie ggf. tiefgreifenden negativen Verände- rungen ausgesetzt sein werden. 9
3 Rahmenbedingungen für das Moormanagement Das Niedersächsische Moorschutzprogramm (MSP Teil I und II) von 1981/1986 ist seit über 30 Jahren eine aus Das Niedersächsische Moorschutzprogramm Naturschutzsicht zentrale Grundlage für die Aktivitä- ten zum Moormanagement in Niedersachsen. Mit dem Das Niedersächsische Moorschutzprogramm wurde Programm Niedersächsische Moorlandschaften wird die von der damaligen Landesregierung in zwei Teilen erforderliche Weiterentwicklung und Anpassung an die beschlossen: Teil I im Jahre 1981, Teil II im Jahre 1986 heutigen Erfordernisse vorgenommen (s. Kap. 1). Gleich- (s. Karte in Anhang 1). wohl bleiben Teile des MSP I und II auch zukünftig rele- Da ca. 2/3 aller deutschen Hochmoore in Nieder- vant (s. Kasten). sachsen liegen, trägt Niedersachsen für diesen Die Klimapolitische Umsetzungsstrategie Niedersach- Lebensraum eine besondere Verantwortung. Zu- sen (s. Kap. 1) stellt eine wesentliche Grundlage für das sammengefasst hat die Programmkulisse des Moor- Programm Niedersächsische Moorlandschaften und des- schutzprogramms einen Umfang von ca. 211.000 ha. sen inhaltliche Ausrichtung dar. Die Niedermoore waren nicht Bestandteil des Moor- Im Naturschutzrecht unterliegen Moore als Lebens- schutzprogramms. räume von Tier- und Pflanzenarten einem besonderen Hauptziel des Moorschutzprogramms war es, die Schutz. Im Vordergrund stehen die europarechtlichen Flächenansprüche von Naturschutz und Torfabbau Anforderungen des ökologischen Netzes Natura 2000 zu entflechten. Etwa 50.000 ha Moorfläche wurden und die daraus für Deutschland bestehenden Verpflich- damals als für den Naturschutz besonders wertvoll tungen zu dessen Erhaltung und Entwicklung. erfasst. Sie sollten unmittelbar unter Naturschutz Gemäß der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie ist die gestellt werden. Weitere ca. 31.500 ha sollten nach Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhal- Abschluss des Torfabbaus als Naturschutzgebiet aus- tungszustandes der im Anhang I der Richtlinie aufgeführ- gewiesen werden (bei Abbaugenehmigungen vor ten Lebensraumtypen sowie der im Anhang II aufgeführ- Beginn der 1980er Jahre war nach Torfabbau in der ten Tier- und Pflanzenarten sicherzustellen. Gemäß der Regel eine landwirtschaftliche Folgenutzung durch Europäischen Vogelschutzrichtlinie sind die Vorkommen Anlage einer Sandmischkultur vorgesehen). Für die der in Anhang I aufgeführten Vogelarten und Zugvogel- übrigen ca. 130.000 ha erfolgte keine planerische arten nachhaltig zu sichern. Aussage. Naturnahe Hoch- und Niedermoore gehören zu den 1994 wurde eine naturschutzfachliche Neubewer- nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Ver- tung von 92 Hochmooren mit industriellem Torfab- bindung mit § 24 des Niedersächsischen Ausführungs- bau innerhalb der Programmkulisse des Moorschutz- gesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG) programms (einschließlich des dortigen Hochmoor- gesetzlich geschützten Biotopen. Viele gesetzlich ge- grünlandes) vorgenommen, ohne jedoch hieraus schützte Moore befinden sich in Natura 2000- und Natur- planerische Aussagen abzuleiten. schutzgebieten (NSG). Bis heute wurden innerhalb der Programmkulisse Die naturnahen montanen Hochmoore im Harz sind des Moorschutzprogramms ca. 60.000 ha unter Na- Teil des Nationalparks. turschutz (NSG) gestellt. Damit ist das ursprüngliche Ziel, ca. 81.000 ha als NSG auszuweisen, heute zu ca. Tab. 1: Flächenanteil von Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen 75 % erfüllt. Nicht zuletzt durch die Notwendigkeit Böden in den Natura 2000-Gebieten Niedersachsens der Umsetzung der Natura 2000-Richtlinien ist davon (Stand Oktober 2015) auszugehen, dass dieses Ziel in den nächsten Jahren Fläche innerhalb der vollständig erfüllt sein wird. Bodentyp Natura 2000-Gebiete Die Ausweisung von Schutzgebieten, Torfabbau- Hochmoor 50.800 ha genehmigungen mit einer naturschutzkonformen Niedermoor 38.700 ha Folgenutzung und die Überführung von Flächen in Moorgley 10.000 ha öffentliches Eigentum haben dafür gesorgt, dass auf Organomarsch 3.300 ha dem überwiegenden Teil der o. g. für den Natur- Sanddeckkultur 1.400 ha schutz vorgesehenen Programmflächen in den ver- gangenen 30 Jahren die Ziele des Moorschutzpro- gramms eingeleitet wurden und seitdem kontinuier- lich umgesetzt werden. 10
Die europarechtlichen Anforderungen des ökologischen Netzes Natura 2000 sind eine der übergeordneten Rahmenbedingungen für das Moor- management in Niedersachsen. (Foto Drömling: Knut Sandkühler, Fotos Große Moosjungfer u. Großer Brachvogel: Gerd-Michael Heinze) In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von teil des Naturhaushaltes lässt sich für die Moore ableiten, 2007 werden allgemein Ziele für Moore dargestellt. Dem- dass ihre besondere Rolle als Stoffspeicher sowie als Be- nach soll/en standteil von Stoffkreisläufen, hier u. a. im Hinblick auf heute noch bestehende natürlich wachsende Hoch- klimarelevante Gase, zu erhalten ist. moore gesichert werden und sich in einer natürlichen Das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen Entwicklung befinden, (LROP) hat die Funktion, die landesweit geltenden Ziele die Regeneration gering geschädigter Hochmoore ein- und Grundsätze für die Raum- und Landesplanung auf- geleitet werden mit dem Ziel, intakte hydrologische zustellen. Das LROP steuert verschiedene raumrelevante Verhältnisse und eine moortypische, oligotrophe Nähr- Nutzungen und entflechtet konkurrierende Nutzungsan- stoffsituation zu erreichen, sprüche. Dafür kommen neben textlichen auch zeichne- in regenerierbaren Niedermooren der Torfschwund rische Festlegungen, auf Landesebene insbesondere in signifikant reduziert werden und Moore wieder als Form von Vorranggebieten, infrage. Das LROP hat Be- Nährstoff- und CO2-Senke wirken, hördenverbindlichkeit und ist für Privatpersonen in der wesentliche Teile der heute intensiv genutzten Nieder- Regel nur dann relevant, wenn diese raumbedeutsame moore extensiviert werden und nur noch Grünland- genehmigungsbedürftige Vorhaben planen, zu denen nutzung sowie typische Lebensräume aufweisen. das jeweilige Fachrecht eine sogenannte Raumordnungs- Die Niedersächsische Naturschutzstrategie wird zurzeit klausel enthält oder diese der Planfeststellung bzw. einer erarbeitet. Ausgehend vom heutigen Zustand von Natur Genehmigung mit der Rechtswirkung der Planfeststel- und Landschaft und unter Würdigung gesellschaftlicher, lung bedürfen. wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen sol- Damit bestehen grundlegende Unterschiede zum Pro- len hierin Visionen, Ziele, strategische Überlegungen und gramm Niedersächsische Moorlandschaften, bei dem es Umsetzungsbausteine für ein besseres Miteinander von sich um ein Fachprogramm handelt, das gegenüber Ein- Mensch und Natur ihren Niederschlag finden. Das Thema zelnen keine unmittelbar bindende Wirkung entfaltet Moore wird in der Niedersächsischen Naturschutzstrate- und dessen Verwirklichung über vielfältige andere Instru- gie voraussichtlich als wichtiger Schwerpunkt mit diver- mente erreicht werden soll. sen Querverbindungen zu anderen Themen aufgegriffen. Das LROP wird zurzeit geändert. Es ist geplant, aus Kli- Als wasserabhängige Ökosysteme und aufgrund ihrer maschutzgründen weitergehende Ziele zur Erhaltung der Senkenfunktion (auch für Stickstoff- und Phosphorver- Moore in Niedersachsen und spezifische Vorgaben für bindungen) haben die Moore außerdem eine besondere den Torfabbau in das LROP aufzunehmen. Bedeutung für die Umsetzung der EG-Wasserrahmen- Das LROP in seiner jetzigen Entwurfsfassung und das richtlinie (WRRL). Ziele gemäß Art. 1a) der WRRL sind Programm Niedersächsische Moorlandschaften bauen auch die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung inhaltlich nicht aufeinander auf. Gleichwohl können sich sowie der Schutz und die Verbesserung der aquatischen beide Programme gegenseitig unterstützen und dazu Ökosysteme bzw. der direkt von ihnen abhängenden beitragen, die Ziele zu Mooren zu verwirklichen. Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf ihren Im derzeit gültigen LROP (2008, zuletzt geändert 2012, Wasserhaushalt. Abschnitt 3.1.2 Ziffer 5 Nr. 4) steht der Grundsatz, dass Gemäß § 2 Bundesbodenschutzgesetz sind die Boden- bei allen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen funktionen von Böden zu schützen. Dies schließt Moor- die Schutzerfordernisse der Gebiete mit landesweiter böden ein. Dazu gehören die natürlichen Funktionen Bedeutung für den Moorschutz zu berücksichtigen sind. des Bodens als Lebensgrundlage und Lebensraum, als Dies bezieht sich jedoch noch auf die Flächen des Nieder- Bestandteil des Naturhaushaltes und „als Abbau-, Aus- sächsischen Moorschutzprogramms von 1981/1986. gleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkun- gen“, weiterhin die Archivfunktion sowie die Nutzungs- funktion u. a. für land- und forstwirtschaftliche Nutzun- gen. Im Hinblick auf die Funktion des Bodens als Bestand- 11
Mit Inkrafttreten des Moorschutzprogramms von 1981/ Torfgewinnung auf genehmigten Flächen statt und es 1986 wurde auch der Torfabbau neu geregelt. Für eine werden auch noch neue Genehmigungen erteilt. Diese kartenmäßig dargestellte Fläche von ca. 50.000 ha war beziehen sich jedoch nur auf Bereiche, die keine be- ein Torfabbau prinzipiell nicht mehr vorgesehen. Weitere sondere Bedeutung für den Naturschutz haben. Insge- 31.000 ha sollten nach der Abtorfung wiedervernässt samt geht die Torfgewinnungsfläche deutlich zurück werden. Arbeitshilfen zur Anwendung der Eingriffsrege- (SCHMATZLER 2012, NLWKN 2012), so dass jährlich meh- lung zu Bodenabbauvorhaben gewährleisten, dass lan- rere hundert Hektar ehemalige Abbauflächen wiederver- desweit nach einem Torfabbau i. d. R. eine Wiedervernäs- nässt werden. sung zu erfolgen hat (MU & NLÖ 2003). Technische Hin- Der Torfabbau in Hochmooren erfolgt in Niedersach- weise für die Herrichtung von Torfabbauflächen sorgen sen auf Grundlage der §§ 8-12 NAGBNatSchG bzw. der dafür, dass die Zielsetzungen des Moorschutzes durch vorher gültigen gesetzlichen Regelungen, aufgrund geregelte Abbauverfahren, Belassen von Resttorfschich- Wasserrechts oder anderer Rechtsnormen unter Einbezie- ten und Details zur naturschutzkonformen Folgenutzung hung des Naturschutzrechts. Im Rahmen der Torfabbau- eingehalten werden (RdErl. d. MU v. 3.1.2011). genehmigung werden alle wesentlichen Parameter für Auch heute noch findet in Niedersachsen aufgrund den Torfabbau wie Laufzeit, Abtorfungsart, Abbautiefe der Bedeutung von Torfsubstraten für den Gartenbau und nicht zuletzt die Folgenutzung geregelt. Jährlich werden mehrere hundert Hektar ehemalige Torfabbauflächen wiedervernässt. (Foto Stapeler Moor: Hans-Jürgen Zietz) 12
4 Entwicklung und Ausprägung der Moore Moorstandorte sind gekennzeichnet durch eine über Jahrtausende gewachsene Torfschicht aus Torfmoosen. (Foto Schönes Torfmoos und Moosbeere: Monika Koperski, Foto Weißtorf: Ernst Gehrt) 4.1 Entwicklung der Moore und der weiteren Ende der letzten Eiszeit bis zu mehrere Meter mäch- kohlenstoffreichen Böden tige Schichten von Torf gebildet. Torf ist von unten nach oben aufgewachsenes Material, das zu mindestens 30 Moorstandorte sind gekennzeichnet durch eine Jahr- Masseprozenten aus toter organischer Substanz besteht tausende lange Ansammlung von organischer Substanz (AG BODEN 2006). unter nassen Standortbedingungen. So haben sich nach Das Bodenprofil durch einen Hochmoorboden zeigt die verschiedenen Schichten. (Fotos: Walter Schäfer, Klaus Hoffmann, Udo Müller) 13
4.1.1 Geologische Entwicklung und boden- Niedermoore mit Kleimarschauflage (alt: Moormarsch) kundliche Einordnung haben sich im küstennahen Bereich infolge des Meeres- spiegelanstiegs und der Überlagerung von Niedermoor- Die niedersächsischen Moorlandschaften sind geprägt torfen durch Meeressedimente gebildet. Auf diesen durch Hoch- und Niedermoorböden sowie durch weitere Standorten werden die liegenden Torfe durch die ton- kohlenstoffreiche Böden, die sich am Saum oder im Um- oder lehmreichen Auflagen vor Mineralisierung ge- feld der Moore unter ähnlichen Bedingungen gebildet schützt, so dass selbst unter Grünlandnutzung keine nen- haben oder aus Moorböden hervorgegangen sind. Diese nenswerten Treibhausgas-Emissionen auftreten. Auch werden in der bodenkundlichen Bezeichnung aber nicht besteht kein landwirtschaftliches Interesse, die Standorte den Moorböden zugerechnet. Im Zuge der Moorkultivie- ackerbaulich zu nutzen. Durch tiefes Pflügen würde die rung sind zudem neue, vom Menschen gestaltete kulti- Kleiauflage mit den darunter liegenden Torfen vermischt vierte Böden entstanden, wie z. B. Sanddeckkulturen in- und die Tragfähigkeit und Stabilität der Standorte erheb- folge von Besandung der Moore. lich verschlechtert. Es wird daher davon ausgegangen, dass diese Standorte keine Relevanz für den Klimaschutz Moorböden aufweisen. Moorböden weisen eine Torfmächtigkeit von mindestens Organomarschen entstehen aus lagunären Sedimen- 30 cm auf (einschließlich zwischengelagerter minerali- ten in der Marsch. In diese Sedimente sind häufig gering- scher Schichten und Mudden). Grundwasserabhängige mächtige Torflagen eingelagert. Bei hohen Grundwasser- Niedermoore entstanden teilweise schon am Ende der ständen bilden sich Eisensulfat und Pyrit. Unter landwirt- Weichsel-Eiszeit. In den Niedermooren haben sich Seg- schaftlicher Nutzung ist der Grundwasserstand abge- gen-, Schilf- oder Bruchwaldtorfe abgelagert. Im Holozän senkt, die Schwefelverbindungen oxidieren, es bildet sich breiteten sich ab ca. 8.000 Jahren vor heute auch zuneh- Schwefelsäure und die Böden versauern. Wegen dieser mend durch Regenwasser beeinflusste Hochmoore aus, sulfatsauren Bedingungen werden die Organomarschen geprägt durch die typischen Torfe aus Torfmoosen, teil- häufig als Grünland mit hohen Grundwasserständen ge- weise mit Wollgras. nutzt. Bisher ist noch wenig über die Stabilität der orga- Im norddeutschen Tiefland waren schließlich durch- nischen Substanz in den Organomarschen, vor allem bei schnittlich rund 10 % der Fläche von Mooren bedeckt, in Entwässerung und Nutzung, bekannt. Nordwestniedersachsen sogar rund 30 %. Im Gegensatz zu den in ganz Niedersachsen vorkommenden Nieder- Kultivierte Böden mooren nimmt der Anteil der Hochmoore vom subozea- Durch die Kultivierung der Moore sind neue, vom Men- nisch geprägten Westen und Nordwesten zum kontinen- schen gestaltete Böden entstanden. Auch diese können taler geprägten Osten des Landes generell ab. teilweise klimarelevant sein. Heute sind die Moore Mitteleuropas hydrologisch Sanddeckkulturen wurden vor allem auf hofnahen weitestgehend verändert und Bestandteil der Kultur- Flächen zur Verbesserung der Trittfestigkeit des Hoch- landschaft. Mit der Entwässerung und Kultivierung der moorgrünlandes angelegt, indem die Torfe mit 15 bis Moore zur landwirtschaftlichen Nutzung und Torfgewin- 20 cm dicken Sandschichten überdeckt wurden. Der nung ist die ursprüngliche natürliche Vegetation weitge- Schutz des Torfes vor Mineralisierung ist nicht vollstän- hend verschwunden. In diesen Mooren unterbleibt die dig. Die Mächtigkeit der Sandauflage und die Nutzungs- Torfbildung, der vorhandene Torf wird fortschreitend art sind entscheidend bei der Beurteilung der torfkonser- mikrobiell zersetzt. vierenden Eigenschaften einer Sanddeckkultur. Die unter dem Sand liegenden Torfe können durch Bodenbear- Weitere kohlenstoffreiche Böden beitung an die Oberfläche geholt und dort mineralisiert Zu den weiteren kohlenstoffreichen Böden zählen v. a. werden, so dass Kohlendioxid freigesetzt wird. Moorgleye, Organomarschen und die durch Moorüber- Sandmischkulturen wurden früher nach Torfabbau sandung entstandenen Sanddeckkulturen. oder auf Mooren mit mittlerer bis geringer Mächtigkeit Unter natürlichen Bedingungen zeigen Moorgleye angelegt, indem die Torfschicht mit den darunter liegen- mit einer Torfmächtigkeit von 10 bis unter 30 cm Stadien den Sanden tief gepflügt wurde. Diese Böden werden in einer beginnenden Moorbildung an (AG BODEN 2006). der Regel ackerbaulich genutzt. Der Profilaufbau wird Der Grundwasserstand steht lange nahe der Oberfläche. durch diese Maßnahme nachhaltig verändert und der Geringmächtige Torfdecken unter 30 cm Mächtigkeit Moorcharakter geht verloren. Daher werden die Sand- können auch durch Sackung, Schrumpfung und Torfver- mischkulturen nicht in die Kulisse der Moorlandschaften zehr entstehen, wenn Moorböden entwässert wurden. (s. Kap. 5.1) aufgenommen. Im Vergleich zu den natürlichen Moorgleyen weisen diese Böden einen Vererdungshorizont auf. Moorgleye sind sehr empfindlich. Werden sie ackerbaulich ge- nutzt und die flachen Torfe mit den darunter liegenden Sanden vermischt, wird die organische Substanz relativ schnell mineralisiert. Ihre Erfassung erfordert somit eine stetige Aktualisierung. 14
Gemälde von niedersächsischen Niedermoor- und Hochmoorlandschaften: Hamme-Hütte (1897) von Fritz Mackensen (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ARTOTHEK; © VG Bild-Kunst, Bonn 2016) und Moorlandschaft (1903) von Otto Modersohn (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ARTOTHEK) 15
Sanddeckkultur und Sandmischkultur (Tiefpflügung) in Westniedersachsen in den 1980er Jahren (Fotos Sedelsberger Moor u. Melmmoor: Jürgen Göttke-Krogmann) 4.1.2 Historische Entwicklung Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Verfahren der Moorkultivierung entwickelt (BLANKENBURG 2015). Das Überwachsen immer größerer Landstriche durch Etwa seit dem 11./12. Jahrhundert wurden Moore land- die Hochmoore nach der letzten Eiszeit hatte einschnei- wirtschaftlich genutzt. Mönche des Zisterzienserordens dende Konsequenzen für die spätere Entwicklung die- nutzten die nährstoffreichen Niedermoore, zunächst ser Regionen. Moore stellten lange Zeit vor allem nicht noch in den trockeneren Randlagen, zur Futtergewin- besiedelbare Räume und Barrieren dar. Erste Versuche, nung (GÖTTLICH & KUNTZE 1990). diese unwirtlichen Lebensräume zu überwinden, sind durch die Jahrtausende alten Bohlenwege überliefert. Nord-Süd-Kanal im Bourtanger Moor (Mitte des 20. Jahrhunderts) (Foto: Friedrich Hamm / Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) 16
Weidegrünland auf Weißtorf (Deutsche Hochmoorkultur) im Schweger Moor 1936: links mit sandbedecktem Damm und Entwässerungsgräben, rechts mit angrenzendem Torfabbau (Fotos: Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) In den Niederlanden wurde im 16. Jahrhundert die Fehn- großflächigen Einsatz grundlegend standortverändern- kultur entwickelt und im 17. Jahrhundert in Nordwest- der Maßnahmen (Melioration). Im Zuge des Emslandpla- deutschland eingeführt. Im Bourtanger Moor setzte die nes wurden in den 1950er bis 1980er Jahren niedersäch- Nutzung der Hochmoore im 17./18. Jahrhundert ein (HA- sische Hochmoorstandorte großflächig landwirtschaftlich VERKAMP 2011). Die Fehnsiedlung Papenburg wurde be- nutzbar gemacht. reits 1633 gegründet. Es wurden Kanäle angelegt, Hoch- Auch auf den meist eher extensiv genutzten Grün- moore entwässert sowie Schwarztorf für die Brenntorf- landstandorten der Niederungen wurde die Entwässe- nutzung entnommen und abtransportiert. Der verblie- rung vorangetrieben, teilweise begleitet durch Deichbau- bene Weißtorf wurde mit Sand überdeckt, aufgedüngt maßnahmen, um die regelmäßigen winterlichen Über- und der Standort in eine ackerbauliche Nutzung über- schwemmungen zu unterbinden. führt (GÖTTLICH & KUNTZE 1990). In den nachfolgenden Die Besiedlung und Bewirtschaftung der niedersäch- Jahrhunderten verbreiteten sich der bäuerliche Torfstich sischen Moore wurde in den vergangenen Jahrhunder- sowie weitere Verfahren zur Kultivierung der Moore und ten zu einem erheblichen Anteil staatlich gefördert und zur Verbesserung der Ertragsfähigkeit dieser Standorte. gelenkt. Zur Sicherstellung der Ernährung einer wach- Die Moorbrandkultur ist wohl das älteste Kulturver- senden Bevölkerung stand dabei stets die Förderung der fahren der Moore und wurde in den größeren Moor- landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen im Zentrum gebieten Norddeutschlands bis in das 20. Jahrhundert der Interessen. Heute leben Zehntausende Menschen in hinein ausgeübt. Einem mehrjährigen, geringwertigen den ehemals unbesiedelten Moorlandschaften. Ackerbau mit Buchweizen, Hafer, Kartoffeln und Roggen folgten, nachdem die Nährstoffe der Brandasche ver- braucht waren, etwa 30 Brachejahre. Erst seit 1923 ist die Moorbrandkultur in Deutsch- land verboten. Um der starken Beeinträchtigung durch die Rauchentwicklung ein Ende zu setzen, wurde schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Deutsche Hoch- moorkultur entwickelt, die auf der Grundlage vorhan- dener Weißtorfschichten eine Grünlandbewirtschaftung erlaubte. Grundvoraussetzung für die land- (und forst-) wirtschaftliche Nutzung war eine Entwässerung der Moore. Aber erst der technische Fortschritt im Verlauf des 20. Jahrhunderts ermöglichte durch intensive Meliora- tion und Düngung eine wirtschaftliche Aufwertung und Angleichung der Moore gegenüber anderen Regionen. Die letzte staatlich veranlasste Tiefkultur fand im Schweger Moor statt. Die technischen Möglichkeiten erlaubten nun auch den (Foto, etwa 1986: Jürgen Göttke-Krogmann) 17
4.2 Heutige Nutzung der Moore und der weiteren nutzung (Intensivweide- bzw. Schnittnutzung). Parallel kohlenstoffreichen Böden dazu hat der Maisanbau in einigen Regionen das Grün- land auf den entwässerten Niedermooren, aber auch auf Landwirtschaftliche Nutzung vielen Hochmoorstandorten, teilweise verdrängt. Von den Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Für eine ackerbauliche Nutzung wurden Moorböden Böden in Niedersachsen werden rd. 369.000 ha (70 %) häufig melioriert und zusätzlich entwässert, um die Be- landwirtschaftlich genutzt, davon knapp vier Fünftel als fahrbarkeit sicherzustellen. In Jahren mit ausgiebigen Grünland (s. Tab. 2). Niederschlägen erweisen sich diese Flächen als zeitweilig Auf den Grünlandstandorten hat sich aufgrund der nicht ackerfähig. günstigen Standortbedingungen seit jeher eine intensive Rund ein Fünftel der Landwirtschaftsflächen auf Milchviehhaltung entwickelt. In Niedersachsen werden Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden insgesamt mehr als 830.000 Milchkühe gehalten (AGRAR- wird ackerbaulich genutzt, nicht nur zum Anbau von STATISTIK 2015), die Mehrzahl davon in den nordwest- Silomais als Viehfutter und Substrat für Biogasanlagen, lichen Landesteilen, wo u. a. mit den Mooren auch die sondern regional auch zum Anbau von Kartoffeln, Ge- absoluten Grünlandstandorte konzentriert sind (vgl. treide und Sonderkulturen. Eine ackerbauliche Nutzung Abb. 3). findet man auf tief entwässerten Moorböden und auf Aufgrund des hohen Leistungsniveaus der niedersäch- Sanddeckkulturen. sischen Milchkühe kann insbesondere der Energiebedarf Unabhängig von ihrer aktuellen Nutzung handelt es aus dem Grundfutter nicht mehr vollständig vom Grün- sich bei den Moorböden um absolute Grünlandstandorte. land gedeckt werden. Darüber hinaus verliert die klassi- Die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung sche Weidewirtschaft mit zunehmenden Herdengrößen der Moorböden basiert auf den anerkannten Regeln der und den daraus erwachsenden logistischen Herausforde- guten fachlichen Praxis, die aus dem landwirtschaftlichen rungen an das Weidemanagement an Bedeutung. Beide Fachrecht resultieren (s. Kasten rechts). Faktoren führen zu einer Intensivierung der Grünland- Abb. 3: In den moorreichen Gebieten in Nordwestniedersachsen liegt der Schwer- punkt der Milchviehhaltung. (Quellen: LBEG, LSN) 18
Allgemeine fachliche Regeln für die ordnungsgemäße Landwirtschaft auf Moorböden Als gute fachliche Praxis (gfP) wird „in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen das von den Landwirten bei ihrer Landnutzung zwingend und auf eigene Kosten/ohne Entschädigung einzuhaltende ökologische und sicherheitstechnische Schutzniveau bezeichnet“. Die gute fachliche Praxis des Pflanzenbaus wird unter anderem in den Leitlinien der ordnungsgemäßen Landwirtschaft (LANDWIRTSCHAFTSKAMMER NIEDERSACHSEN 2009) definiert. Die „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nur dann rechtsverbindliche Auswirkungen hat, wenn über die gfP hinausgehende Einschränkungen wirksam werden oder die übergeord- nete Gesetzgebung die Inhalte verbindlich regelt. Aus standortkundlicher und landwirtschaftlicher Sicht sind Moorböden und andere organische Böden nach diesen Regelwerken absolute Grünlandstandorte (BOESS et al. 2011). Im Gegensatz zu den fakultativen (also möglichen, aber nicht zwingenden) Grünlandstandorten lassen absolute Grünlandstandorte aufgrund spezifi- scher Standortfaktoren (Wasserhaushalt, Gründigkeit, Humus- und Tongehalt, Topographie) keine ordnungs- gemäße Ackernutzung zu (Leitlinien der ordnungsgemäßen Landwirtschaft 2009). Zur Abgrenzung von fakul- tativen und absoluten Grünlandstandorten dienen wissenschaftlich belegte, nachvollziehbare pflanzenbaulich- bodenkundliche Kriterien (BOESS et al. 2011). Moorböden sind Grünlandstandorte. Dennoch hat in vielen Regionen die Ackernutzung, vor allem in Form des Maisanbaus, zugenommen und das Grünland teilweise verdrängt. (Foto Grünland im Ochsenmoor: Oliver Lange, Foto Acker im Oppenweher Moor: Gerd Lange) 19
Gartenbauliche Nutzung Torfgewinnung In mehreren Regionen Niedersachsens (vgl. Abb. 4) hat Die niedersächsischen Hochmoore sind auch durch Torf- der Erwerbsgartenbau eine große Bedeutung (erhebliche abbau nachhaltig verändert worden. Nachdem die Torf- Wertschöpfung, Arbeitsplätze). Torf ist dabei der wich- gewinnung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts über- tigste und derzeit unverzichtbare Bestandteil gartenbau- wiegend durch bäuerlichen Torfstich geschah, setzte in licher Substrate. Grund dafür sind seine chemischen, phy- der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die industrielle sikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften sowie Torfgewinnung ein, zunächst noch für die Nutzung von die jahrzehntelangen Erfahrungen mit diesem Ausgangs- Schwarztorf als Brenntorf und von Weißtorf für Einstreu. stoff. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der industrielle Torf- Außerdem ist insbesondere die niedersächsische abbau intensiviert und die Nutzung veränderte sich hin Baumschulwirtschaft zur Erhaltung und Weiterentwick- zur Verwendung von Weißtorf und später auch Schwarz- lung ihrer Wirtschaftskraft auf die Verfügbarkeit ausrei- torf als gärtnerische Erden. chender Freilandkulturflächen mit Bodenverhältnissen, Seit Inkrafttreten des Niedersächsischen Moorschutz- die den Anbau von qualitativ hochwertigen Gehölzen programms von 1981/1986 ist ein Torfabbau in natur- ermöglichen (Moorböden), angewiesen. Bestimmte Kul- nahen Mooren nicht mehr erlaubt (s. a. Kap. 3). turlandschaften, wie z. B. im Ammerland, haben sich ge- Auch heute findet in Niedersachsen Torfgewinnung rade aufgrund der Torfgewinnung und der Torfnutzung auf genehmigten Flächen statt, und es werden Torfab- entwickelt und die Konzentration bestimmter Branchen baugenehmigungen erteilt. Der Rohstoff Torf ist wegen bewirkt. seiner Eigenschaften insbesondere für den Erwerbsgar- Nach aktuellen Schätzungen des Industrieverban- tenbau, aber in geringem Umfang auch für die Her- des Garten (IVG 2011, zit. in REGIERUNGSKOMMISSION stellung von Spezialklinkern von hohem Wert. Auch als KLIMASCHUTZ 2012) werden in Deutschland zur Her- natürliches Heilmittel des Bodens wird Torf in der Kur stellung von Blumenerden und Kultursubstraten jährlich sowie im Wellnesstourismus genutzt. Um die Funktion etwa 8,5 Mio. m3 Torf verarbeitet. 55 % der Erden und von Kurorten als „staatlich anerkanntes Moorheilbad“ Substrate werden im Erwerbsgartenbau, 35 % im Frei- oder „staatlich anerkannter Ort mit Moor-Kurbetrieb“ zu zeitgartenbau und 10 % im Garten- und Landschaftsbau erhalten, besteht auch weiterhin der Bedarf zum Abbau u. a. verwendet. In den Substraten für den Freizeitgar- des Torfes zu Kur- und Heilzwecken. tenbau beträgt der Torfanteil 77 %, in Substraten für den Erwerbsgartenbau 93 %. Abb. 4: Die Baumschulen konzentrieren sich v. a. auf den Moorböden im Ammerland. (Quellen: LBEG, LSN) 20
Torfstecher im Sarninghauser-Woltring- hauser Hochmoor bei Steyerberg (1930) (Foto: Hugo Weigold / Niedersächsisches Landesmuseum Hannover) Der getrocknete Frästorf aus den Torfab- baufeldern im Toten Moor wird mit Samm- lern verladen. (Foto: Andreas Bauerochse) Die deutsche Torfindustrie ist weltweit größter Hersteller Forstwirtschaftliche Nutzung von Blumenerden und Kultursubstraten. Von den jähr- Die Forstwirtschaft auf Moorstandorten spielt gegenüber lich 8,5 Mio. m³ Torf, die für Kultursubstrate verarbeitet dem Torfabbau und der Landwirtschaft eine untergeord- werden, stammen etwa 6,5 Mio. m³ – und damit annä- nete Rolle. Nur vereinzelt sind größere Hochmoorberei- hernd die gesamte in Deutschland gewonnene Menge – che nach der Kultivierung in Wälder umgewandelt wor- aus Niedersachsen. Die übrigen Mengen werden aus den den (z. B. Berumerfehner Moor). Häufiger wurden ge- baltischen Staaten, Skandinavien und Kanada eingeführt rade kleinere Waldhochmoore aufgrund von Holzknapp- (CASPERS & SCHMATZLER 2009). heit entwässert und mit Nadelbäumen aufgeforstet. Bei den heimischen Lagerstätten zeichnet sich aller- Bedeutender ist die forstwirtschaftliche Nutzung der dings eine deutliche Verknappung der verfügbaren Torf- Wälder auf Niedermoorböden. Niedermoore sind meist vorkommen ab. Während sich in Niedersachsen 2012 von Natur aus baumbestanden (Erlenbruch) und werden noch 11.500 ha in Abbau befanden, werden es 2022 noch seit Jahrhunderten bewirtschaftet. etwa 6.000 ha sein, soweit keine neuen Torfabbaugeneh- In der Gesamtschau werden Wälder auf Moorstand- migungen erteilt werden (SCHMATZLER 2012). orten aber sehr extensiv genutzt, viele sind unbewirt- Die rückläufige Torfgewinnung ist nicht allein durch schaftet. Hierzu zählen insbesondere große Flächen fehlende Lagerstätten, sondern auch mit konkurrieren- sekundärer Birkenwälder auf entwässerten und abge- den Ansprüchen des Naturschutzes, des Klimaschutzes torften Hochmoorflächen. und der Landwirtschaft an die Hochmoore begründet (CASPERS 2015). Für den Torfabbau dürfen nur noch landwirtschaftlich vorgenutzte Hochmoorflächen ge- nutzt werden, die nach Abschluss der Torfgewinnung wiedervernässt werden. 21
4.3 Moortypische Arten und Lebensräume Auf entwässerten Hochmooren und auf Anmoorböden wachsen in Niedersachsen häufig zwergstrauchreiche Moore sind einzigartige Lebensräume, die aufgrund Heiden aus Glocken- und Besenheide, in den feuchten ihrer Wasser- und Nährstoffverhältnisse, Entstehungsge- Ausprägungen auch mit Torfmoosen. Heiden auf an- schichte sowie teilweisen Nutzungseinflüssen sehr unter- moorigen Böden wurden in der Vergangenheit vielfach schiedlich ausgebildet sein können. in Grünland umgewandelt und sind daher sehr selten Natürliche, intakte Hochmoore sind weitestgehend geworden. Moorheiden mit Grundwassereinfluss sind gehölzfrei, meist uhrglasförmig aufgewölbt und werden oft etwas artenreicher als Hochmoore und Lebensraum ausschließlich durch Regenwasser gespeist. Diese stark zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wie z. B. von einem intakten Wasserhaushalt abhängigen Bio- Kreuzotter oder Torfmoos-Knabenkraut. tope sind aufgrund der extremen Standortbedingungen Der überwiegende Flächenanteil der unkultivierten (Nässe, vielfach Nährstoffarmut, kühl-feuchtes Mikro- Hochmoorreste Niedersachsens wird von mehr oder we- klima) von Natur aus eher artenarm, beheimaten jedoch niger stark degenerierten Moorbiotopen eingenommen, hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten, wie z. B. in denen trockene Moorwälder oder dichte Pfeifengras- Moor-Perlmutterfalter, Sonnentau oder Moosbeere. Bestände vorherrschen und Torfmoose weitestgehend Durch Torfabbau geprägte Gebiete, die heute wie- fehlen. Die Flächen stellen aber wichtige Rückzugsräume dervernässt sind, können unter günstigen Bedingungen für Tier- und Pflanzenarten dar, deren naturschutzfach- nach einer gewissen Zeit hochmoorähnliche Ökosysteme licher Wert sich durch Wiedervernässungsmaßnahmen ausbilden und somit wichtige Ersatzlebensräume dar- erheblich steigern lässt. stellen, z. B. für die hochgradig gefährdete Libellenart Hochmoore waren früher prägender Bestandteil des Hochmoor-Mosaikjungfer. Gehölzarme, nasse Wiederver- niedersächsischen Tieflands; naturnahe Ausprägungen nässungsflächen sind wichtige Bruthabitate z. B. für den sind heute aber nur noch in kleinflächigen Restbestän- Großen Brachvogel und wichtige Überwinterungshabi- den vorhanden. tate für Kornweihen und Sumpfohreulen. Auch in den naturnahen Mooren sind zum Teil große Große Bedeutung als Brut- und Rastbiotop haben Bereiche degradiert und in ihren Biotopqualitäten be- nasse Hochmoor-Lebensräume auch für den sich derzeit einträchtigt. Folglich ist die Mehrzahl der Moorbiotope ausbreitenden und im Bestand zunehmenden Kranich. Niedersachsens in ihrem Bestand bedroht und den stark Die im Rahmen der Wiedervernässung zumindest zeit- gefährdeten Lebensräumen zuzurechnen. weise überstauten Flächen können wichtige Ersatzle- Noch naturnahe Moore werden durch flächendecken- bensräume für Wasservogelarten darstellen, Moorrand- den Nährstoffeintrag aus der Luft und von angrenzen- bereiche sind u. a. für Ziegenmelker und Raubwürger den Nutzungen geschädigt. Weitere Gefährdungsfak- bedeutsam. Vielfach haben sich auch sekundäre Birken- toren sind ausbleibende Niederschläge und der Anstieg und Kiefern-Moorwälder entwickelt, die ebenfalls wert- der Jahresmitteltemperatur im Zuge des Klimawandels, volle Lebensräume auch für die Avifauna darstellen. welche die Wasserbilanz negativ beeinflussen. In den kultivierten Mooren hat die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung zu einem wesentlichen Verlust von für den Arten- und Biotopschutz wertvollen Grünlandflächen geführt. Offene Hochmoorbereiche, wie hier im Neustädter Moor, sind Lebensraum u. a. von Hochmoor-Mosaikjungfer und Rosmarinheide. (Fotos: Kerrin Obracay, 2 x Gerd-Michael Heinze) 22
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