Programm Niedersächsische Moorlandschaften

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Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Niedersächsisches Ministerium
für Umwelt, Energie und Klimaschutz

Programm
Niedersächsische
Moorlandschaften
Grundlagen, Ziele, Umsetzung
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Niedersächsische Moorlandschaften
– Grundlagen, Ziele, Umsetzung –

Inhalt

1        Einführung                                 4   7     Umsetzung des Moormanagements              49
2        Anlass                                     8   7.1   Entwicklung gebietsbezogener Ziele         49
3        Rahmenbedingungen für das                      7.2   Flächenmanagement                          51
         Moormanagement                            10   7.3   Etablierung einer moorschonenden
                                                              Bewirtschaftung                            53
4        Entwicklung und Ausprägung der Moore      13   7.4   Projektfinanzierung des Moormanagements    54
4.1      Entwicklung der Moore und der weiteren         7.5   Bereitstellung von Torfersatz für den
         kohlenstoffreichen Böden                  13         Gartenbau                                  56
4.2      Heutige Nutzung der Moore und der              7.6   Information, Öffentlichkeitsarbeit und
         weiteren kohlenstoffreichen Böden         18         Kommunikation                              56
4.3      Moortypische Arten und Lebensräume        22   7.7   Forschungsaktivitäten in Norddeutschland   57

5        Kulisse der Niedersächsischen                  8     Weitere Programmbausteine                  59
         Moorlandschaften                          24   9     Organisatorische Struktur                  61
5.1      Moorböden und weitere kohlenstoffreiche        10    Zusammenfassung und Ausblick               63
         Böden                                     26   11    Literatur                                  65
5.2      Zusätzliche Moorlebensräume               27   12    Anhänge                                    67
5.3      Verteilung der Landnutzung in den
         niedersächsischen Moorlandschaften        28
5.4      Treibhausgas-Emissionen                   30

6    Ziele und Handlungsfelder des
     Moormanagements                               34
6.1 Klimaschutz                                    35
6.2 Erhaltung der biologischen Vielfalt            36
6.3 Gewässerschutz und
     Landschaftswasserhaushalt                     38
6.4 Bodenschutz                                    39
6.5 Landwirtschaft                                 39
6.6 Wald, Forstwirtschaft                          41
6.7 Torfabbau                                      42
6.8 Übersicht Moornutzungstypen                    43
6.9 Weitere Handlungsfelder                        44
6.10 Synergien und Konflikte                       47

                                                                                                          3
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
1 Einführung
Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften dient        Mindestens genauso wichtig ist, was Verantwortliche vor
dem Schutz und der Entwicklung der niedersächsischen        Ort tun, um den Klimawandel zu stoppen. Gerade auf lo-
Moore, d. h. der Moorböden und der Moorlebensräume          kaler Ebene leisten viele Schlüsselakteure ihren Beitrag
als charakteristische Bestandteile der niedersächsischen    zum Klimaschutz. Allen voran gestalten die Kommunen
Landschaft. Ziel ist die Erhaltung und die Verbesserung     die erforderliche Transformation hin zu einer emissions-
der vielfältigen natürlichen Funktionen und Leistungen      armen Lebensweise, der Dekarbonisierung der Wirtschaft
von Mooren insbesondere für den Klimaschutz, die bio-       und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
logische Vielfalt, den Gewässerschutz und den Boden-           Hierzu wird die Landesregierung mit dem beabsichtig-
schutz. Das Programm zielt hinsichtlich bestehender Nut-    ten Landes-Klimaschutzgesetz und dem darauf aufbau-
zungen auf Moorstandorten auch darauf ab, möglichst         enden Integrierten Energie- und Klimaschutzprogramm
torfschonende Bewirtschaftungsformen zu fördern. Alle       weitere bedeutende Schritte zur Erreichung der Klima-
Maßnahmen zur Umsetzung des Programms werden als            schutzziele durch Reduktion der energiebedingten Treib-
Moormanagement bezeichnet.                                  hausgas-Emissionen beisteuern.
   In Niedersachsen sind im Rahmen der Umsetzung des           Insgesamt besteht die Notwendigkeit, den Schutz von
Niedersächsischen Moorschutzprogramms (MSP) von             Mooren in Niedersachsen auf Grundlage der landespoli-
1981/1986 (s. Kap. 3) seit über 30 Jahren Maßnahmen zur     tischen Ziele neu aufzustellen und an die neuen Anfor-
Sicherung, Renaturierung und Wiedervernässung von           derungen und Erkenntnisse (Schutz des Klimas, Einbezie-
Hochmoorlebensräumen umgesetzt worden. Mit dem              hung der Niedermoore) anzupassen.
neuen Programm Niedersächsische Moorlandschaften               Vor diesem Hintergrund wird durch das federfüh-
wird das bisherige MSP von 1981/1986 fortgeschrieben        rende Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie
und ergänzt. Dabei wird auf den gewonnenen Erfahrun-        und Klimaschutz (MU) in Abstimmung mit dem Nieder-
gen aufgebaut, zukünftig werden aber auch deutlich          sächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft
neue Akzente gesetzt.                                       und Verbraucherschutz (ML) und dem Niedersächsischen
   Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz wurde        Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW)
in Niedersachsen schon vor Jahren erkannt. Bereits in der   gemeinsam das neue Programm Niedersächsische Moor-
Empfehlung der Niedersächsischen Regierungskommis-          landschaften aufgestellt. Es soll die Grundlage für um-
sion Klimaschutz für eine niedersächsische Klimaschutz-     fassende umsetzungsorientierte Aktivitäten zum Moor-
strategie werden die Erhaltung organischer Böden und        management in Niedersachsen für die nächsten Jahre
die Weiterentwicklung des Moorschutzprogramms be-           bilden. Dabei sind die bisherigen Anstrengungen zur Er-
nannt. Die Ausrichtung des Moorschutzes auch auf den        haltung der Moore weiter zu intensivieren und auf eine
Klimaschutz fand daher Einlass in die Klimapolitische       breitere Grundlage zu stellen.
Umsetzungsstrategie Niedersachsen.                             Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften
   Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 (BMUB           stellt damit einen Neubeginn für das Management von
2014) will die Bundesregierung die Treibhausgas-Emissio-    Mooren und den Klimaschutz in Mooren dar, indem
nen bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 vermindern, u. a.       „ die Chance eines gemeinsamen Vorgehens der für das
durch eine Reduzierung in entwässerten Mooren.                 Moormanagement relevanten Akteure genutzt und
   Mit dem Klimaschutzplan 2050, den die Bundesre-             dieses als Querschnittsaufgabe erkannt wird, in der
gierung 2016 beschließen will, sollen die langfristigen        die sektoralen Ziele und Instrumente gebündelt wer-
Klimaschutzziele (Reduzierung der CO2-Emissionen um            den,
80 bis 95 % gegenüber 1990) umgesetzt werden. Auch          „ durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachver-
für den Themenkomplex Minderung von Treibhausgas-              waltungen, amtlichem und ehrenamtlichem Natur-
Emissionen aus der Moornutzung sollen Maßnahmenvor-            schutz, Land- und Forstwirtschaft, Verbänden und Wis-
schläge gemacht werden.                                        senschaft Interessenskonflikte frühzeitig erkannt und
   Mit dem Programm Niedersächsische Moorlandschaf-            Lösungsansätze zügig entwickelt werden können,
ten leistet Niedersachsen einen wichtigen Beitrag zur       „ die erforderlichen Aktivitäten auf einer einheitlichen,
Erreichung der nationalen Klimaschutzziele Deutsch-            programmatischen Grundlage systematisch geplant,
lands, die im Rahmen der Weltklimakonferenz in Paris im        koordiniert und umgesetzt werden können,
Dezember 2015 untermauert worden sind. Als Fazit des        „ die bisherigen und bereits begonnenen Aktivitäten
Klimagipfels bleibt auch festzuhalten, dass es für eine        gebündelt und optimiert werden,
ernst gemeinte Reduzierung der Treibhausgas-Emissio-        „ die erheblichen Synergieeffekte im Management von
nen nicht ausreicht, sich auf globale Vereinbarungen zu        Mooren, insbesondere für den Klimaschutz, genutzt
verlassen.                                                     werden.

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Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Hochmoore und Niedermoore sind Bestandteile der Niedersächsischen Moorlandschaften.
(Fotos Hochmoor im Oederquarter Moor und Aueniederung mit Niedermooren: Helmut Bergmann/Landkreis Stade)

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Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Zu den wesentlichen Eckpunkten und Zielsetzungen des         Die Kulisse Niedersächsische Moorlandschaften und
neuen Programms zählen insbesondere                          deren kartenmäßige Darstellung stellt eine wichtige
„ Ausrichtung auf Klimaschutzziele vor allem durch           fachliche Grundlage für die weiteren Betrachtungen zum
   die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen aus           Moormanagement dar. Für die EU-Förderperiode 2014-
   Mooren,                                                   2020 wurden die wesentlichen finanziellen Voraussetzun-
„ Beachtung der landschaftsökologischen Funktionen           gen zur Umsetzung der Maßnahmen auf Grundlage des
   von Mooren und ihrer Bedeutung für Klimaschutz,           Programms geschaffen (insbesondere EFRE-Förderrichtli-
   Bodenschutz, Naturschutz, Gewässerschutz sowie als        nie „Klimaschutz durch Moorentwicklung“).
   typischer Bestandteil der niedersächsischen Kulturland-      Weiterhin ist die Erarbeitung und Einführung zusätzli-
   schaft,                                                   cher Programmbausteine geplant, mit denen die Inhalte
„ Einbeziehung sowohl der Hochmoore als auch der             dieser Veröffentlichung weiter konkretisiert und für die
   Niedermoore und der mit diesen Mooren vergesell-          Praxis im Moormanagement sinnvoll ergänzt werden.
   schafteten weiteren kohlenstoffreichen Böden,                Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften ist
„ Betrachtung land- und forstwirtschaftlich genutzter        ein zwischen den beteiligten Ressorts abgestimmtes Kon-
   Flächen in Mooren und Mitwirkung der Bewirtschaf-         zept, das die Grundlage und Leitlinie für die Arbeit der
   ter und Eigentümer als Partner für Klima- und Boden-      Landesbehörden im Bereich des Moor- und Klimaschut-
   schutz bei Maßnahmen auf freiwilliger Basis,              zes darstellt. Darüber hinaus ist es eine Empfehlung für
„ Verwirklichung eines ressort-, fach- und interessen-       die Behörden auf kommunaler Ebene.
   übergreifenden Ansatzes, um sämtliche betroffene             Gegenüber Einzelnen ist das Programm daher recht-
   Belange und Interessen zu bündeln und gemeinsame          lich nicht unmittelbar bindend. Aus dem Programm
   Lösungen zu erzielen,                                     abgeleitete konkrete Ziele und Erfordernisse werden
„ Konzipierung und Umsetzung eines inhaltlich umfas-         für Einzelne nur verbindlich, wenn diese z. B. in Rechts-
   senden Ansatzes zum Moormanagement und zum                vorschriften aufgenommen, in verbindlichen Plänen
   Klimaschutz.                                              und Programmen berücksichtigt oder durch hoheitliche
Das Programm Niedersächsische Moorlandschaften setzt         Schutzverfahren etc. umgesetzt werden.
sich aus mehreren Hauptbestandteilen zusammen. In der           Die Umsetzung von konkreten Maßnahmen im Rah-
vorliegenden Veröffentlichung werden                         men des Moormanagements wird insbesondere auf land-
„ die Ausgangssituation und die Anforderungen an             und forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf Grundlage
   Moore im Hinblick auf ihre vielfältigen Funktionen        der Freiwilligkeit der jeweiligen Flächeneigentümer und
   einschließlich ihrer Klimarelevanz dargestellt,           -bewirtschafter erfolgen (z. B. vertragliche Vereinbarun-
„ die Verbreitung der Moore und weiteren kohlenstoff-        gen, freiwillige Selbstbindung).
   reichen Böden in Niedersachsen beschrieben und dar-          Erfolgreich ist Moormanagement nur im Dialog mit
   aus eine Kulisse abgeleitet,                              allen Beteiligten, was eine intensive Diskussion mit den
„ die Ziele für ein zukünftiges Moormanagement ent-          jeweiligen Akteuren vor Ort voraussetzt. Die Erhaltung
   wickelt,                                                  und Entwicklung der Moorlandschaften wird daher über
„ geeignete Maßnahmen zum Schutz sowie zur moor-             einen langen Zeitraum schrittweise durch differenzierte
   und klimaschonenden Nutzung der Moore dargestellt         und meist kleinräumige Lösungsansätze umgesetzt wer-
   und                                                       den.
„ die zum Erreichen dieser Ziele bzw. zur Umsetzung der
   Maßnahmen bereits bestehenden Instrumente aufge-
   zeigt.

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Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Programm Niedersächsische Moorlandschaften

                                                – Definitionen –

Das Programm dient dem Schutz und der Entwicklung der niedersächsischen Moorlandschaften. Ziel ist es, die
vielfältigen natürlichen Funktionen und Leistungen von Mooren als charakteristische Bestandteile der nieder-
sächsischen Landschaft und als Wirtschaftsgrundlage des Menschen zu erhalten und zu verbessern. Dabei ist die
Klimaschutzfunktion der Moore von hoher Bedeutung. Maßnahmen zur Umsetzung des Programms werden als
Moormanagement bezeichnet.

„   Moorlandschaften sind alle Moore, unter Einbeziehung der mit ihnen vergesellschafteten weiteren kohlen-
    stoffreichen Böden, in ihrer gegenwärtigen Ausprägung mit ihrer Funktion im Naturhaushalt sowie ihrer
    Bedeutung für die Nutzung durch die Menschen.

      Moore umfassen die Moorböden sowie die Moorlebensräume. Zu den Mooren gehören Hochmoore und
      Niedermoore.

      –   Moorböden weisen eine Torfschicht von mindestens 30 cm im Oberboden auf. Die Torfe haben sich
          unter Wassersättigung durch Anhäufung von unvollständig zersetztem Pflanzenmaterial gebildet und
          bestehen zu mindestens 30 % aus organischer Substanz. Weitere kohlenstoffreiche Böden haben sich an
          den Rändern der Moore oder im Übergang von der Marsch zur Geest ausgebildet.

      –   Moorlebensräume werden durch moortypische Arten und Lebensgemeinschaften geprägt. Sie kommen
          insbesondere in naturnahen Mooren und (weitgehend) ungenutzten, degenerierten Mooren vor.

„   Moormanagement umfasst Maßnahmen zur Verringerung der Torfzehrung und -sackung und damit zur
    Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen sowie zur Verbesserung der weiteren natürlichen Funktionen der
    niedersächsischen Moorlandschaften. Moormanagement umfasst Maßnahmen zum Moorschutz sowie zur
    moorschonenden Bewirtschaftung.

      Moorschutz beinhaltet Maßnahmen zur Erhaltung naturnaher Moore und zur möglichst weitgehenden
      (Wieder-)Entwicklung regenerierbarer Moore unter Sicherung des hierfür erforderlichen standorttypischen
      Wasserhaushalts.

      Moorschonende Bewirtschaftung bezeichnet Maßnahmen, im Wesentlichen auf land- und forstwirtschaft-
      lich genutzten Moorböden, zur Verringerung der Torfzehrung und -sackung.

      Klimaschutz durch Moormanagement umfasst alle Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgas-
      Emissionen aus Mooren und weiteren kohlenstoffreichen Böden sowie zur Erhaltung der Kohlenstoff-
      vorräte im Torf und der Senkenfunktion für Kohlenstoff.

                                                                                                                7
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
2 Anlass
Niedersachsen ist Moorland. Hoch- und Niedermoore
nehmen einen Anteil von ca. 8 % der Landfläche Nieder-
sachsens ein. Hier liegen ca. 73 % der Hochmoore und ca.
18 % der Niedermoore Deutschlands. Damit trägt Nieder-
sachsen eine bundesweite besondere Verantwortung
für den Moor- und Klimaschutz, vor allem für die Hoch-
moore, die im Nordwesten des Landes ihren Verbrei-
tungsschwerpunkt haben. 70 % der Fläche der nieder-
sächsischen Hoch- und Niedermoore ist landwirtschaft-
lich genutzt und stellt damit die Existenzgrundlage einer
Vielzahl von Betrieben dar (HÖPER 2007). Daraus resul-
tiert eine besondere Verantwortung Niedersachsens beim
Moor- und Klimaschutz gegenüber der Landwirtschaft.
    Die Aktivitäten des Menschen, vor allem in den Berei-
chen Energiegewinnung und Landnutzung, führen zu                    Naturnahe Moore mit wachsenden Torfmoosen können als „Stoffsenke“
globalen Klimaveränderungen (IPCC 2014). Auslöser hier-             wirken. (Foto: Gerd-Michael Heinze)

für ist die erhebliche Freisetzung klimarelevanter Gase,
v. a. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O).           Natürliche und naturnahe Moore können als „Stoff-
Moore haben eine besondere Bedeutung für das globale                senke“ wirken, indem sie den jeweiligen Stoffkreisläufen
Klima und speichern große Mengen Kohlenstoff in ihrem               Kohlenstoff und Stickstoff entziehen und dann in den
Torfkörper (vgl. SRU 2012).                                         wachsenden Torfschichten langfristig festlegen. Somit
                                                                    sind sie in der Naturlandschaft die bedeutendsten An-
                                                                    reicherungsökosysteme besonders für Kohlenstoff- und
                                                                    Stickstoffverbindungen.
                                                                       Die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff (C) aus
                                                                    der Atmosphäre liegt in natürlichen Hochmooren zwi-
                                                                    schen 200 und 300 kg C pro Hektar und Jahr (ha/a), in
                                                                    natürlichen Niedermooren zwischen 140 kg und 300 kg
                                                                    C/ha/a (HÖPER 2007). Dies entspricht einer Bindung des
                                                                    Treibhausgases Kohlendioxid von 500 bis 1.100 kg/ha/a.
                                                                       Wachsende Hoch- und Niedermoore stellen somit eine
                                                                    Senke für Kohlenstoff dar. Allerdings setzen sie in gewis-
                                                                    sem Umfang klimarelevantes Methan frei, so dass ihre
                                                                    Klimabilanz in etwa ausgeglichen ist.
                                                                       Entwässerte und degenerierte Moorböden hingegen
                                                                    verlieren ihre Funktion als Kohlenstoffsenke. Sie werden
                                                                    stattdessen zu einer Quelle für Treibhausgase, wobei die
                                                                    über sehr lange Zeiträume gespeicherten Kohlenstoffvor-
                                                                    räte in vergleichsweise kurzer Zeit wieder in die Atmo-
                                                                    sphäre abgegeben werden. Durch die Entwässerung der
                                                                    Torfkörper und die damit einhergehende Durchlüftung
                                                                    kommt es zur Oxidation und fortschreitenden Zersetzung
                                                                    des Torfs und damit zur Freisetzung von Kohlendioxid
                                                                    und des besonders klimawirksamem Lachgases. Die Me-
                                                                    thanfreisetzung ist dagegen gering. In der Summe ist die
                                                                    Freisetzung von Treibhausgasen entwässerter Moorbö-
                                                                    den um ein Vielfaches höher als die von naturnahen oder
                                                                    wiedervernässten Moorböden.
                                                                       Natürliche und naturnahe Niedermoore weisen zudem
Abb. 1: Etwa 73 % der Hochmoore und 18 % der Niedermoore Deutsch-   eine besondere Funktion als Stoffsenke für Stickstoff
lands liegen in Niedersachsen. (© BGR Hannover)                     auf, den sie dem durchströmenden Grund- und Ober-
                                                                    flächenwasser entziehen. Ein kleiner Teil des als Nitrat
                                                                    zuströmenden Stickstoffs wird in den Torfen gebunden.
                                                                    Der größere Teil wird durch Denitrifikation vollständig
                                                                    abgebaut.

8
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Abb. 2: Treibhausgas-Emissionen in Mooren

Erhaltung und Wiederherstellung eines naturnahen Zu-      Die Treibhausgas-Emissionen aus entwässerten Mooren
stands dieser Böden und ihrer Funktionen sind somit       (einschließlich Torfnutzung) erreichen in Niedersachsen
wichtige Bestandteile des Klimaschutzes. Auf vielen       die Größenordnung von 12 % der Gesamtemissionen.
Standorten geht es jedoch vorrangig darum, eine mög-      Über die Klimaschutzfunktion hinaus üben naturnahe
lichst klimaschonende Bewirtschaftung zu verwirklichen.   Moore weitere vielfältige Schutz-, Speicher-, Filter- und
   Entwässerte und degenerierte Moore haben mit           Pufferfunktionen aus, die zur Erhaltung des Naturhaus-
43,8 Mio. t CO2-Äquivalenten einen Anteil von 4,6 % an    haltes, der Stoffkreisläufe und der nachhaltigen Nut-
den gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland       zungsfähigkeit der Naturgüter beitragen und somit um-
und damit eine große Relevanz (UMWELTBUNDESAMT            fassende Ökosystemdienstleistungen darstellen.
2014). Mehr als 95 % der deutschen Moore sind heute          Durch den sich abzeichnenden Klimawandel werden
aufgrund entwässerungsbedingter Torfzersetzung            sich die klimatischen und hydrologischen Bedingungen
bedeutende Emittenten für klimarelevante Gase und         für die Moore in Niedersachsen voraussichtlich verän-
gewässerbelastende Nährstoffe.                            dern, so dass sie ggf. tiefgreifenden negativen Verände-
                                                          rungen ausgesetzt sein werden.

                                                                                                                      9
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
3 Rahmenbedingungen für das Moormanagement
Das Niedersächsische Moorschutzprogramm (MSP Teil
I und II) von 1981/1986 ist seit über 30 Jahren eine aus              Das Niedersächsische Moorschutzprogramm
Naturschutzsicht zentrale Grundlage für die Aktivitä-
ten zum Moormanagement in Niedersachsen. Mit dem                      Das Niedersächsische Moorschutzprogramm wurde
Programm Niedersächsische Moorlandschaften wird die                   von der damaligen Landesregierung in zwei Teilen
erforderliche Weiterentwicklung und Anpassung an die                  beschlossen: Teil I im Jahre 1981, Teil II im Jahre 1986
heutigen Erfordernisse vorgenommen (s. Kap. 1). Gleich-               (s. Karte in Anhang 1).
wohl bleiben Teile des MSP I und II auch zukünftig rele-                  Da ca. 2/3 aller deutschen Hochmoore in Nieder-
vant (s. Kasten).                                                     sachsen liegen, trägt Niedersachsen für diesen
   Die Klimapolitische Umsetzungsstrategie Niedersach-                Lebensraum eine besondere Verantwortung. Zu-
sen (s. Kap. 1) stellt eine wesentliche Grundlage für das             sammengefasst hat die Programmkulisse des Moor-
Programm Niedersächsische Moorlandschaften und des-                   schutzprogramms einen Umfang von ca. 211.000 ha.
sen inhaltliche Ausrichtung dar.                                      Die Niedermoore waren nicht Bestandteil des Moor-
   Im Naturschutzrecht unterliegen Moore als Lebens-                  schutzprogramms.
räume von Tier- und Pflanzenarten einem besonderen                        Hauptziel des Moorschutzprogramms war es, die
Schutz. Im Vordergrund stehen die europarechtlichen                   Flächenansprüche von Naturschutz und Torfabbau
Anforderungen des ökologischen Netzes Natura 2000                     zu entflechten. Etwa 50.000 ha Moorfläche wurden
und die daraus für Deutschland bestehenden Verpflich-                 damals als für den Naturschutz besonders wertvoll
tungen zu dessen Erhaltung und Entwicklung.                           erfasst. Sie sollten unmittelbar unter Naturschutz
   Gemäß der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie ist die              gestellt werden. Weitere ca. 31.500 ha sollten nach
Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhal-                Abschluss des Torfabbaus als Naturschutzgebiet aus-
tungszustandes der im Anhang I der Richtlinie aufgeführ-              gewiesen werden (bei Abbaugenehmigungen vor
ten Lebensraumtypen sowie der im Anhang II aufgeführ-                 Beginn der 1980er Jahre war nach Torfabbau in der
ten Tier- und Pflanzenarten sicherzustellen. Gemäß der                Regel eine landwirtschaftliche Folgenutzung durch
Europäischen Vogelschutzrichtlinie sind die Vorkommen                 Anlage einer Sandmischkultur vorgesehen). Für die
der in Anhang I aufgeführten Vogelarten und Zugvogel-                 übrigen ca. 130.000 ha erfolgte keine planerische
arten nachhaltig zu sichern.                                          Aussage.
   Naturnahe Hoch- und Niedermoore gehören zu den                         1994 wurde eine naturschutzfachliche Neubewer-
nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Ver-                  tung von 92 Hochmooren mit industriellem Torfab-
bindung mit § 24 des Niedersächsischen Ausführungs-                   bau innerhalb der Programmkulisse des Moorschutz-
gesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG)                    programms (einschließlich des dortigen Hochmoor-
gesetzlich geschützten Biotopen. Viele gesetzlich ge-                 grünlandes) vorgenommen, ohne jedoch hieraus
schützte Moore befinden sich in Natura 2000- und Natur-               planerische Aussagen abzuleiten.
schutzgebieten (NSG).                                                     Bis heute wurden innerhalb der Programmkulisse
   Die naturnahen montanen Hochmoore im Harz sind                     des Moorschutzprogramms ca. 60.000 ha unter Na-
Teil des Nationalparks.                                               turschutz (NSG) gestellt. Damit ist das ursprüngliche
                                                                      Ziel, ca. 81.000 ha als NSG auszuweisen, heute zu ca.
Tab. 1: Flächenanteil von Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen   75 % erfüllt. Nicht zuletzt durch die Notwendigkeit
Böden in den Natura 2000-Gebieten Niedersachsens                      der Umsetzung der Natura 2000-Richtlinien ist davon
(Stand Oktober 2015)
                                                                      auszugehen, dass dieses Ziel in den nächsten Jahren
                                          Fläche innerhalb der        vollständig erfüllt sein wird.
 Bodentyp
                                          Natura 2000-Gebiete             Die Ausweisung von Schutzgebieten, Torfabbau-
 Hochmoor                                       50.800 ha             genehmigungen mit einer naturschutzkonformen
 Niedermoor                                     38.700 ha             Folgenutzung und die Überführung von Flächen in
 Moorgley                                       10.000 ha             öffentliches Eigentum haben dafür gesorgt, dass auf
 Organomarsch                                    3.300 ha             dem überwiegenden Teil der o. g. für den Natur-
 Sanddeckkultur                                  1.400 ha             schutz vorgesehenen Programmflächen in den ver-
                                                                      gangenen 30 Jahren die Ziele des Moorschutzpro-
                                                                      gramms eingeleitet wurden und seitdem kontinuier-
                                                                      lich umgesetzt werden.

10
Programm Niedersächsische Moorlandschaften
Die europarechtlichen Anforderungen des ökologischen Netzes Natura 2000 sind eine der übergeordneten Rahmenbedingungen für das Moor-
management in Niedersachsen.
(Foto Drömling: Knut Sandkühler, Fotos Große Moosjungfer u. Großer Brachvogel: Gerd-Michael Heinze)

In der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt von              teil des Naturhaushaltes lässt sich für die Moore ableiten,
2007 werden allgemein Ziele für Moore dargestellt. Dem-                dass ihre besondere Rolle als Stoffspeicher sowie als Be-
nach soll/en                                                           standteil von Stoffkreisläufen, hier u. a. im Hinblick auf
„ heute noch bestehende natürlich wachsende Hoch-                      klimarelevante Gase, zu erhalten ist.
   moore gesichert werden und sich in einer natürlichen                   Das Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen
   Entwicklung befinden,                                               (LROP) hat die Funktion, die landesweit geltenden Ziele
„ die Regeneration gering geschädigter Hochmoore ein-                  und Grundsätze für die Raum- und Landesplanung auf-
   geleitet werden mit dem Ziel, intakte hydrologische                 zustellen. Das LROP steuert verschiedene raumrelevante
   Verhältnisse und eine moortypische, oligotrophe Nähr-               Nutzungen und entflechtet konkurrierende Nutzungsan-
   stoffsituation zu erreichen,                                        sprüche. Dafür kommen neben textlichen auch zeichne-
„ in regenerierbaren Niedermooren der Torfschwund                      rische Festlegungen, auf Landesebene insbesondere in
   signifikant reduziert werden und Moore wieder als                   Form von Vorranggebieten, infrage. Das LROP hat Be-
   Nährstoff- und CO2-Senke wirken,                                    hördenverbindlichkeit und ist für Privatpersonen in der
„ wesentliche Teile der heute intensiv genutzten Nieder-               Regel nur dann relevant, wenn diese raumbedeutsame
   moore extensiviert werden und nur noch Grünland-                    genehmigungsbedürftige Vorhaben planen, zu denen
   nutzung sowie typische Lebensräume aufweisen.                       das jeweilige Fachrecht eine sogenannte Raumordnungs-
Die Niedersächsische Naturschutzstrategie wird zurzeit                 klausel enthält oder diese der Planfeststellung bzw. einer
erarbeitet. Ausgehend vom heutigen Zustand von Natur                   Genehmigung mit der Rechtswirkung der Planfeststel-
und Landschaft und unter Würdigung gesellschaftlicher,                 lung bedürfen.
wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen sol-                   Damit bestehen grundlegende Unterschiede zum Pro-
len hierin Visionen, Ziele, strategische Überlegungen und              gramm Niedersächsische Moorlandschaften, bei dem es
Umsetzungsbausteine für ein besseres Miteinander von                   sich um ein Fachprogramm handelt, das gegenüber Ein-
Mensch und Natur ihren Niederschlag finden. Das Thema                  zelnen keine unmittelbar bindende Wirkung entfaltet
Moore wird in der Niedersächsischen Naturschutzstrate-                 und dessen Verwirklichung über vielfältige andere Instru-
gie voraussichtlich als wichtiger Schwerpunkt mit diver-               mente erreicht werden soll.
sen Querverbindungen zu anderen Themen aufgegriffen.                      Das LROP wird zurzeit geändert. Es ist geplant, aus Kli-
   Als wasserabhängige Ökosysteme und aufgrund ihrer                   maschutzgründen weitergehende Ziele zur Erhaltung der
Senkenfunktion (auch für Stickstoff- und Phosphorver-                  Moore in Niedersachsen und spezifische Vorgaben für
bindungen) haben die Moore außerdem eine besondere                     den Torfabbau in das LROP aufzunehmen.
Bedeutung für die Umsetzung der EG-Wasserrahmen-                          Das LROP in seiner jetzigen Entwurfsfassung und das
richtlinie (WRRL). Ziele gemäß Art. 1a) der WRRL sind                  Programm Niedersächsische Moorlandschaften bauen
auch die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung                    inhaltlich nicht aufeinander auf. Gleichwohl können sich
sowie der Schutz und die Verbesserung der aquatischen                  beide Programme gegenseitig unterstützen und dazu
Ökosysteme bzw. der direkt von ihnen abhängenden                       beitragen, die Ziele zu Mooren zu verwirklichen.
Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf ihren                    Im derzeit gültigen LROP (2008, zuletzt geändert 2012,
Wasserhaushalt.                                                        Abschnitt 3.1.2 Ziffer 5 Nr. 4) steht der Grundsatz, dass
   Gemäß § 2 Bundesbodenschutzgesetz sind die Boden-                   bei allen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen
funktionen von Böden zu schützen. Dies schließt Moor-                  die Schutzerfordernisse der Gebiete mit landesweiter
böden ein. Dazu gehören die natürlichen Funktionen                     Bedeutung für den Moorschutz zu berücksichtigen sind.
des Bodens als Lebensgrundlage und Lebensraum, als                     Dies bezieht sich jedoch noch auf die Flächen des Nieder-
Bestandteil des Naturhaushaltes und „als Abbau-, Aus-                  sächsischen Moorschutzprogramms von 1981/1986.
gleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkun-
gen“, weiterhin die Archivfunktion sowie die Nutzungs-
funktion u. a. für land- und forstwirtschaftliche Nutzun-
gen. Im Hinblick auf die Funktion des Bodens als Bestand-

                                                                                                                                       11
Mit Inkrafttreten des Moorschutzprogramms von 1981/                       Torfgewinnung auf genehmigten Flächen statt und es
1986 wurde auch der Torfabbau neu geregelt. Für eine                      werden auch noch neue Genehmigungen erteilt. Diese
kartenmäßig dargestellte Fläche von ca. 50.000 ha war                     beziehen sich jedoch nur auf Bereiche, die keine be-
ein Torfabbau prinzipiell nicht mehr vorgesehen. Weitere                  sondere Bedeutung für den Naturschutz haben. Insge-
31.000 ha sollten nach der Abtorfung wiedervernässt                       samt geht die Torfgewinnungsfläche deutlich zurück
werden. Arbeitshilfen zur Anwendung der Eingriffsrege-                    (SCHMATZLER 2012, NLWKN 2012), so dass jährlich meh-
lung zu Bodenabbauvorhaben gewährleisten, dass lan-                       rere hundert Hektar ehemalige Abbauflächen wiederver-
desweit nach einem Torfabbau i. d. R. eine Wiedervernäs-                  nässt werden.
sung zu erfolgen hat (MU & NLÖ 2003). Technische Hin-                        Der Torfabbau in Hochmooren erfolgt in Niedersach-
weise für die Herrichtung von Torfabbauflächen sorgen                     sen auf Grundlage der §§ 8-12 NAGBNatSchG bzw. der
dafür, dass die Zielsetzungen des Moorschutzes durch                      vorher gültigen gesetzlichen Regelungen, aufgrund
geregelte Abbauverfahren, Belassen von Resttorfschich-                    Wasserrechts oder anderer Rechtsnormen unter Einbezie-
ten und Details zur naturschutzkonformen Folgenutzung                     hung des Naturschutzrechts. Im Rahmen der Torfabbau-
eingehalten werden (RdErl. d. MU v. 3.1.2011).                            genehmigung werden alle wesentlichen Parameter für
   Auch heute noch findet in Niedersachsen aufgrund                       den Torfabbau wie Laufzeit, Abtorfungsart, Abbautiefe
der Bedeutung von Torfsubstraten für den Gartenbau                        und nicht zuletzt die Folgenutzung geregelt.

Jährlich werden mehrere hundert Hektar ehemalige Torfabbauflächen wiedervernässt. (Foto Stapeler Moor: Hans-Jürgen Zietz)

12
4 Entwicklung und Ausprägung der Moore

Moorstandorte sind gekennzeichnet durch eine über Jahrtausende gewachsene Torfschicht aus Torfmoosen.
(Foto Schönes Torfmoos und Moosbeere: Monika Koperski, Foto Weißtorf: Ernst Gehrt)

4.1 Entwicklung der Moore und der weiteren                                Ende der letzten Eiszeit bis zu mehrere Meter mäch-
kohlenstoffreichen Böden                                                  tige Schichten von Torf gebildet. Torf ist von unten nach
                                                                          oben aufgewachsenes Material, das zu mindestens 30
Moorstandorte sind gekennzeichnet durch eine Jahr-                        Masseprozenten aus toter organischer Substanz besteht
tausende lange Ansammlung von organischer Substanz                        (AG BODEN 2006).
unter nassen Standortbedingungen. So haben sich nach

Das Bodenprofil durch einen Hochmoorboden zeigt die verschiedenen Schichten. (Fotos: Walter Schäfer, Klaus Hoffmann, Udo Müller)

                                                                                                                                   13
4.1.1 Geologische Entwicklung und boden-                     Niedermoore mit Kleimarschauflage (alt: Moormarsch)
kundliche Einordnung                                         haben sich im küstennahen Bereich infolge des Meeres-
                                                             spiegelanstiegs und der Überlagerung von Niedermoor-
Die niedersächsischen Moorlandschaften sind geprägt          torfen durch Meeressedimente gebildet. Auf diesen
durch Hoch- und Niedermoorböden sowie durch weitere          Standorten werden die liegenden Torfe durch die ton-
kohlenstoffreiche Böden, die sich am Saum oder im Um-        oder lehmreichen Auflagen vor Mineralisierung ge-
feld der Moore unter ähnlichen Bedingungen gebildet          schützt, so dass selbst unter Grünlandnutzung keine nen-
haben oder aus Moorböden hervorgegangen sind. Diese          nenswerten Treibhausgas-Emissionen auftreten. Auch
werden in der bodenkundlichen Bezeichnung aber nicht         besteht kein landwirtschaftliches Interesse, die Standorte
den Moorböden zugerechnet. Im Zuge der Moorkultivie-         ackerbaulich zu nutzen. Durch tiefes Pflügen würde die
rung sind zudem neue, vom Menschen gestaltete kulti-         Kleiauflage mit den darunter liegenden Torfen vermischt
vierte Böden entstanden, wie z. B. Sanddeckkulturen in-      und die Tragfähigkeit und Stabilität der Standorte erheb-
folge von Besandung der Moore.                               lich verschlechtert. Es wird daher davon ausgegangen,
                                                             dass diese Standorte keine Relevanz für den Klimaschutz
Moorböden                                                    aufweisen.
Moorböden weisen eine Torfmächtigkeit von mindestens            Organomarschen entstehen aus lagunären Sedimen-
30 cm auf (einschließlich zwischengelagerter minerali-       ten in der Marsch. In diese Sedimente sind häufig gering-
scher Schichten und Mudden). Grundwasserabhängige            mächtige Torflagen eingelagert. Bei hohen Grundwasser-
Niedermoore entstanden teilweise schon am Ende der           ständen bilden sich Eisensulfat und Pyrit. Unter landwirt-
Weichsel-Eiszeit. In den Niedermooren haben sich Seg-        schaftlicher Nutzung ist der Grundwasserstand abge-
gen-, Schilf- oder Bruchwaldtorfe abgelagert. Im Holozän     senkt, die Schwefelverbindungen oxidieren, es bildet sich
breiteten sich ab ca. 8.000 Jahren vor heute auch zuneh-     Schwefelsäure und die Böden versauern. Wegen dieser
mend durch Regenwasser beeinflusste Hochmoore aus,           sulfatsauren Bedingungen werden die Organomarschen
geprägt durch die typischen Torfe aus Torfmoosen, teil-      häufig als Grünland mit hohen Grundwasserständen ge-
weise mit Wollgras.                                          nutzt. Bisher ist noch wenig über die Stabilität der orga-
   Im norddeutschen Tiefland waren schließlich durch-        nischen Substanz in den Organomarschen, vor allem bei
schnittlich rund 10 % der Fläche von Mooren bedeckt, in      Entwässerung und Nutzung, bekannt.
Nordwestniedersachsen sogar rund 30 %. Im Gegensatz
zu den in ganz Niedersachsen vorkommenden Nieder-            Kultivierte Böden
mooren nimmt der Anteil der Hochmoore vom subozea-           Durch die Kultivierung der Moore sind neue, vom Men-
nisch geprägten Westen und Nordwesten zum kontinen-          schen gestaltete Böden entstanden. Auch diese können
taler geprägten Osten des Landes generell ab.                teilweise klimarelevant sein.
   Heute sind die Moore Mitteleuropas hydrologisch               Sanddeckkulturen wurden vor allem auf hofnahen
weitestgehend verändert und Bestandteil der Kultur-          Flächen zur Verbesserung der Trittfestigkeit des Hoch-
landschaft. Mit der Entwässerung und Kultivierung der        moorgrünlandes angelegt, indem die Torfe mit 15 bis
Moore zur landwirtschaftlichen Nutzung und Torfgewin-        20 cm dicken Sandschichten überdeckt wurden. Der
nung ist die ursprüngliche natürliche Vegetation weitge-     Schutz des Torfes vor Mineralisierung ist nicht vollstän-
hend verschwunden. In diesen Mooren unterbleibt die          dig. Die Mächtigkeit der Sandauflage und die Nutzungs-
Torfbildung, der vorhandene Torf wird fortschreitend         art sind entscheidend bei der Beurteilung der torfkonser-
mikrobiell zersetzt.                                         vierenden Eigenschaften einer Sanddeckkultur. Die unter
                                                             dem Sand liegenden Torfe können durch Bodenbear-
Weitere kohlenstoffreiche Böden                              beitung an die Oberfläche geholt und dort mineralisiert
Zu den weiteren kohlenstoffreichen Böden zählen v. a.        werden, so dass Kohlendioxid freigesetzt wird.
Moorgleye, Organomarschen und die durch Moorüber-                Sandmischkulturen wurden früher nach Torfabbau
sandung entstandenen Sanddeckkulturen.                       oder auf Mooren mit mittlerer bis geringer Mächtigkeit
   Unter natürlichen Bedingungen zeigen Moorgleye            angelegt, indem die Torfschicht mit den darunter liegen-
mit einer Torfmächtigkeit von 10 bis unter 30 cm Stadien     den Sanden tief gepflügt wurde. Diese Böden werden in
einer beginnenden Moorbildung an (AG BODEN 2006).            der Regel ackerbaulich genutzt. Der Profilaufbau wird
Der Grundwasserstand steht lange nahe der Oberfläche.        durch diese Maßnahme nachhaltig verändert und der
Geringmächtige Torfdecken unter 30 cm Mächtigkeit            Moorcharakter geht verloren. Daher werden die Sand-
können auch durch Sackung, Schrumpfung und Torfver-          mischkulturen nicht in die Kulisse der Moorlandschaften
zehr entstehen, wenn Moorböden entwässert wurden.            (s. Kap. 5.1) aufgenommen.
Im Vergleich zu den natürlichen Moorgleyen weisen
diese Böden einen Vererdungshorizont auf. Moorgleye
sind sehr empfindlich. Werden sie ackerbaulich ge-
nutzt und die flachen Torfe mit den darunter liegenden
Sanden vermischt, wird die organische Substanz relativ
schnell mineralisiert. Ihre Erfassung erfordert somit eine
stetige Aktualisierung.

14
Gemälde von niedersächsischen Niedermoor- und Hochmoorlandschaften:
Hamme-Hütte (1897) von Fritz Mackensen (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ARTOTHEK; © VG Bild-Kunst, Bonn 2016)
und Moorlandschaft (1903) von Otto Modersohn (Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ARTOTHEK)

                                                                                                                        15
Sanddeckkultur und Sandmischkultur (Tiefpflügung) in Westniedersachsen in den 1980er Jahren
(Fotos Sedelsberger Moor u. Melmmoor: Jürgen Göttke-Krogmann)

4.1.2 Historische Entwicklung                                             Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Verfahren
                                                                          der Moorkultivierung entwickelt (BLANKENBURG 2015).
Das Überwachsen immer größerer Landstriche durch                          Etwa seit dem 11./12. Jahrhundert wurden Moore land-
die Hochmoore nach der letzten Eiszeit hatte einschnei-                   wirtschaftlich genutzt. Mönche des Zisterzienserordens
dende Konsequenzen für die spätere Entwicklung die-                       nutzten die nährstoffreichen Niedermoore, zunächst
ser Regionen. Moore stellten lange Zeit vor allem nicht                   noch in den trockeneren Randlagen, zur Futtergewin-
besiedelbare Räume und Barrieren dar. Erste Versuche,                     nung (GÖTTLICH & KUNTZE 1990).
diese unwirtlichen Lebensräume zu überwinden, sind
durch die Jahrtausende alten Bohlenwege überliefert.

Nord-Süd-Kanal im Bourtanger Moor (Mitte des 20. Jahrhunderts) (Foto: Friedrich Hamm / Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)

16
Weidegrünland auf Weißtorf (Deutsche Hochmoorkultur) im Schweger Moor 1936: links mit sandbedecktem Damm und Entwässerungsgräben, rechts
mit angrenzendem Torfabbau (Fotos: Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)

In den Niederlanden wurde im 16. Jahrhundert die Fehn-                 großflächigen Einsatz grundlegend standortverändern-
kultur entwickelt und im 17. Jahrhundert in Nordwest-                  der Maßnahmen (Melioration). Im Zuge des Emslandpla-
deutschland eingeführt. Im Bourtanger Moor setzte die                  nes wurden in den 1950er bis 1980er Jahren niedersäch-
Nutzung der Hochmoore im 17./18. Jahrhundert ein (HA-                  sische Hochmoorstandorte großflächig landwirtschaftlich
VERKAMP 2011). Die Fehnsiedlung Papenburg wurde be-                    nutzbar gemacht.
reits 1633 gegründet. Es wurden Kanäle angelegt, Hoch-                    Auch auf den meist eher extensiv genutzten Grün-
moore entwässert sowie Schwarztorf für die Brenntorf-                  landstandorten der Niederungen wurde die Entwässe-
nutzung entnommen und abtransportiert. Der verblie-                    rung vorangetrieben, teilweise begleitet durch Deichbau-
bene Weißtorf wurde mit Sand überdeckt, aufgedüngt                     maßnahmen, um die regelmäßigen winterlichen Über-
und der Standort in eine ackerbauliche Nutzung über-                   schwemmungen zu unterbinden.
führt (GÖTTLICH & KUNTZE 1990). In den nachfolgenden                      Die Besiedlung und Bewirtschaftung der niedersäch-
Jahrhunderten verbreiteten sich der bäuerliche Torfstich               sischen Moore wurde in den vergangenen Jahrhunder-
sowie weitere Verfahren zur Kultivierung der Moore und                 ten zu einem erheblichen Anteil staatlich gefördert und
zur Verbesserung der Ertragsfähigkeit dieser Standorte.                gelenkt. Zur Sicherstellung der Ernährung einer wach-
   Die Moorbrandkultur ist wohl das älteste Kulturver-                 senden Bevölkerung stand dabei stets die Förderung der
fahren der Moore und wurde in den größeren Moor-                       landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen im Zentrum
gebieten Norddeutschlands bis in das 20. Jahrhundert                   der Interessen. Heute leben Zehntausende Menschen in
hinein ausgeübt. Einem mehrjährigen, geringwertigen                    den ehemals unbesiedelten Moorlandschaften.
Ackerbau mit Buchweizen, Hafer, Kartoffeln und Roggen
folgten, nachdem die Nährstoffe der Brandasche ver-
braucht waren, etwa 30 Brachejahre.
   Erst seit 1923 ist die Moorbrandkultur in Deutsch-
land verboten. Um der starken Beeinträchtigung durch
die Rauchentwicklung ein Ende zu setzen, wurde schon
gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Deutsche Hoch-
moorkultur entwickelt, die auf der Grundlage vorhan-
dener Weißtorfschichten eine Grünlandbewirtschaftung
erlaubte. Grundvoraussetzung für die land- (und forst-)
wirtschaftliche Nutzung war eine Entwässerung der
Moore.
   Aber erst der technische Fortschritt im Verlauf des
20. Jahrhunderts ermöglichte durch intensive Meliora-
tion und Düngung eine wirtschaftliche Aufwertung und
Angleichung der Moore gegenüber anderen Regionen.                      Die letzte staatlich veranlasste Tiefkultur fand im Schweger Moor statt.
Die technischen Möglichkeiten erlaubten nun auch den                   (Foto, etwa 1986: Jürgen Göttke-Krogmann)

                                                                                                                                              17
4.2 Heutige Nutzung der Moore und der weiteren             nutzung (Intensivweide- bzw. Schnittnutzung). Parallel
kohlenstoffreichen Böden                                   dazu hat der Maisanbau in einigen Regionen das Grün-
                                                           land auf den entwässerten Niedermooren, aber auch auf
Landwirtschaftliche Nutzung                                vielen Hochmoorstandorten, teilweise verdrängt.
Von den Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen              Für eine ackerbauliche Nutzung wurden Moorböden
Böden in Niedersachsen werden rd. 369.000 ha (70 %)        häufig melioriert und zusätzlich entwässert, um die Be-
landwirtschaftlich genutzt, davon knapp vier Fünftel als   fahrbarkeit sicherzustellen. In Jahren mit ausgiebigen
Grünland (s. Tab. 2).                                      Niederschlägen erweisen sich diese Flächen als zeitweilig
   Auf den Grünlandstandorten hat sich aufgrund der        nicht ackerfähig.
günstigen Standortbedingungen seit jeher eine intensive       Rund ein Fünftel der Landwirtschaftsflächen auf
Milchviehhaltung entwickelt. In Niedersachsen werden       Moorböden und weiteren kohlenstoffreichen Böden
insgesamt mehr als 830.000 Milchkühe gehalten (AGRAR-      wird ackerbaulich genutzt, nicht nur zum Anbau von
STATISTIK 2015), die Mehrzahl davon in den nordwest-       Silomais als Viehfutter und Substrat für Biogasanlagen,
lichen Landesteilen, wo u. a. mit den Mooren auch die      sondern regional auch zum Anbau von Kartoffeln, Ge-
absoluten Grünlandstandorte konzentriert sind (vgl.        treide und Sonderkulturen. Eine ackerbauliche Nutzung
Abb. 3).                                                   findet man auf tief entwässerten Moorböden und auf
   Aufgrund des hohen Leistungsniveaus der niedersäch-     Sanddeckkulturen.
sischen Milchkühe kann insbesondere der Energiebedarf         Unabhängig von ihrer aktuellen Nutzung handelt es
aus dem Grundfutter nicht mehr vollständig vom Grün-       sich bei den Moorböden um absolute Grünlandstandorte.
land gedeckt werden. Darüber hinaus verliert die klassi-      Die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung
sche Weidewirtschaft mit zunehmenden Herdengrößen          der Moorböden basiert auf den anerkannten Regeln der
und den daraus erwachsenden logistischen Herausforde-      guten fachlichen Praxis, die aus dem landwirtschaftlichen
rungen an das Weidemanagement an Bedeutung. Beide          Fachrecht resultieren (s. Kasten rechts).
Faktoren führen zu einer Intensivierung der Grünland-

                                                                                 Abb. 3: In den moorreichen Gebieten in
                                                                                 Nordwestniedersachsen liegt der Schwer-
                                                                                 punkt der Milchviehhaltung.
                                                                                 (Quellen: LBEG, LSN)

18
Allgemeine fachliche Regeln für die ordnungsgemäße Landwirtschaft auf Moorböden

Als gute fachliche Praxis (gfP) wird „in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen das von den Landwirten
bei ihrer Landnutzung zwingend und auf eigene Kosten/ohne Entschädigung einzuhaltende ökologische und
sicherheitstechnische Schutzniveau bezeichnet“. Die gute fachliche Praxis des Pflanzenbaus wird unter anderem
in den Leitlinien der ordnungsgemäßen Landwirtschaft (LANDWIRTSCHAFTSKAMMER NIEDERSACHSEN 2009)
definiert.
   Die „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nur dann rechtsverbindliche
Auswirkungen hat, wenn über die gfP hinausgehende Einschränkungen wirksam werden oder die übergeord-
nete Gesetzgebung die Inhalte verbindlich regelt.
   Aus standortkundlicher und landwirtschaftlicher Sicht sind Moorböden und andere organische Böden nach
diesen Regelwerken absolute Grünlandstandorte (BOESS et al. 2011). Im Gegensatz zu den fakultativen (also
möglichen, aber nicht zwingenden) Grünlandstandorten lassen absolute Grünlandstandorte aufgrund spezifi-
scher Standortfaktoren (Wasserhaushalt, Gründigkeit, Humus- und Tongehalt, Topographie) keine ordnungs-
gemäße Ackernutzung zu (Leitlinien der ordnungsgemäßen Landwirtschaft 2009). Zur Abgrenzung von fakul-
tativen und absoluten Grünlandstandorten dienen wissenschaftlich belegte, nachvollziehbare pflanzenbaulich-
bodenkundliche Kriterien (BOESS et al. 2011).

                                                                               Moorböden sind Grünlandstandorte.
                                                                               Dennoch hat in vielen Regionen die
                                                                               Ackernutzung, vor allem in Form des
                                                                               Maisanbaus, zugenommen und das
                                                                               Grünland teilweise verdrängt.
                                                                               (Foto Grünland im Ochsenmoor: Oliver
                                                                               Lange, Foto Acker im Oppenweher Moor:
                                                                               Gerd Lange)

                                                                                                                   19
Gartenbauliche Nutzung                                      Torfgewinnung
In mehreren Regionen Niedersachsens (vgl. Abb. 4) hat       Die niedersächsischen Hochmoore sind auch durch Torf-
der Erwerbsgartenbau eine große Bedeutung (erhebliche       abbau nachhaltig verändert worden. Nachdem die Torf-
Wertschöpfung, Arbeitsplätze). Torf ist dabei der wich-     gewinnung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts über-
tigste und derzeit unverzichtbare Bestandteil gartenbau-    wiegend durch bäuerlichen Torfstich geschah, setzte in
licher Substrate. Grund dafür sind seine chemischen, phy-   der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die industrielle
sikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften sowie       Torfgewinnung ein, zunächst noch für die Nutzung von
die jahrzehntelangen Erfahrungen mit diesem Ausgangs-       Schwarztorf als Brenntorf und von Weißtorf für Einstreu.
stoff.                                                      Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der industrielle Torf-
   Außerdem ist insbesondere die niedersächsische           abbau intensiviert und die Nutzung veränderte sich hin
Baumschulwirtschaft zur Erhaltung und Weiterentwick-        zur Verwendung von Weißtorf und später auch Schwarz-
lung ihrer Wirtschaftskraft auf die Verfügbarkeit ausrei-   torf als gärtnerische Erden.
chender Freilandkulturflächen mit Bodenverhältnissen,          Seit Inkrafttreten des Niedersächsischen Moorschutz-
die den Anbau von qualitativ hochwertigen Gehölzen          programms von 1981/1986 ist ein Torfabbau in natur-
ermöglichen (Moorböden), angewiesen. Bestimmte Kul-         nahen Mooren nicht mehr erlaubt (s. a. Kap. 3).
turlandschaften, wie z. B. im Ammerland, haben sich ge-        Auch heute findet in Niedersachsen Torfgewinnung
rade aufgrund der Torfgewinnung und der Torfnutzung         auf genehmigten Flächen statt, und es werden Torfab-
entwickelt und die Konzentration bestimmter Branchen        baugenehmigungen erteilt. Der Rohstoff Torf ist wegen
bewirkt.                                                    seiner Eigenschaften insbesondere für den Erwerbsgar-
   Nach aktuellen Schätzungen des Industrieverban-          tenbau, aber in geringem Umfang auch für die Her-
des Garten (IVG 2011, zit. in REGIERUNGSKOMMISSION          stellung von Spezialklinkern von hohem Wert. Auch als
KLIMASCHUTZ 2012) werden in Deutschland zur Her-            natürliches Heilmittel des Bodens wird Torf in der Kur
stellung von Blumenerden und Kultursubstraten jährlich      sowie im Wellnesstourismus genutzt. Um die Funktion
etwa 8,5 Mio. m3 Torf verarbeitet. 55 % der Erden und       von Kurorten als „staatlich anerkanntes Moorheilbad“
Substrate werden im Erwerbsgartenbau, 35 % im Frei-         oder „staatlich anerkannter Ort mit Moor-Kurbetrieb“ zu
zeitgartenbau und 10 % im Garten- und Landschaftsbau        erhalten, besteht auch weiterhin der Bedarf zum Abbau
u. a. verwendet. In den Substraten für den Freizeitgar-     des Torfes zu Kur- und Heilzwecken.
tenbau beträgt der Torfanteil 77 %, in Substraten für den
Erwerbsgartenbau 93 %.

                                                                                  Abb. 4: Die Baumschulen konzentrieren sich
                                                                                  v. a. auf den Moorböden im Ammerland.
                                                                                  (Quellen: LBEG, LSN)

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Torfstecher im Sarninghauser-Woltring-
                                                                                   hauser Hochmoor bei Steyerberg (1930)
                                                                                   (Foto: Hugo Weigold / Niedersächsisches
                                                                                   Landesmuseum Hannover)

                                                                                   Der getrocknete Frästorf aus den Torfab-
                                                                                   baufeldern im Toten Moor wird mit Samm-
                                                                                   lern verladen.
                                                                                   (Foto: Andreas Bauerochse)

Die deutsche Torfindustrie ist weltweit größter Hersteller   Forstwirtschaftliche Nutzung
von Blumenerden und Kultursubstraten. Von den jähr-          Die Forstwirtschaft auf Moorstandorten spielt gegenüber
lich 8,5 Mio. m³ Torf, die für Kultursubstrate verarbeitet   dem Torfabbau und der Landwirtschaft eine untergeord-
werden, stammen etwa 6,5 Mio. m³ – und damit annä-           nete Rolle. Nur vereinzelt sind größere Hochmoorberei-
hernd die gesamte in Deutschland gewonnene Menge –           che nach der Kultivierung in Wälder umgewandelt wor-
aus Niedersachsen. Die übrigen Mengen werden aus den         den (z. B. Berumerfehner Moor). Häufiger wurden ge-
baltischen Staaten, Skandinavien und Kanada eingeführt       rade kleinere Waldhochmoore aufgrund von Holzknapp-
(CASPERS & SCHMATZLER 2009).                                 heit entwässert und mit Nadelbäumen aufgeforstet.
   Bei den heimischen Lagerstätten zeichnet sich aller-         Bedeutender ist die forstwirtschaftliche Nutzung der
dings eine deutliche Verknappung der verfügbaren Torf-       Wälder auf Niedermoorböden. Niedermoore sind meist
vorkommen ab. Während sich in Niedersachsen 2012             von Natur aus baumbestanden (Erlenbruch) und werden
noch 11.500 ha in Abbau befanden, werden es 2022 noch        seit Jahrhunderten bewirtschaftet.
etwa 6.000 ha sein, soweit keine neuen Torfabbaugeneh-          In der Gesamtschau werden Wälder auf Moorstand-
migungen erteilt werden (SCHMATZLER 2012).                   orten aber sehr extensiv genutzt, viele sind unbewirt-
   Die rückläufige Torfgewinnung ist nicht allein durch      schaftet. Hierzu zählen insbesondere große Flächen
fehlende Lagerstätten, sondern auch mit konkurrieren-        sekundärer Birkenwälder auf entwässerten und abge-
den Ansprüchen des Naturschutzes, des Klimaschutzes          torften Hochmoorflächen.
und der Landwirtschaft an die Hochmoore begründet
(CASPERS 2015). Für den Torfabbau dürfen nur noch
landwirtschaftlich vorgenutzte Hochmoorflächen ge-
nutzt werden, die nach Abschluss der Torfgewinnung
wiedervernässt werden.

                                                                                                                             21
4.3 Moortypische Arten und Lebensräume                                  Auf entwässerten Hochmooren und auf Anmoorböden
                                                                        wachsen in Niedersachsen häufig zwergstrauchreiche
Moore sind einzigartige Lebensräume, die aufgrund                       Heiden aus Glocken- und Besenheide, in den feuchten
ihrer Wasser- und Nährstoffverhältnisse, Entstehungsge-                 Ausprägungen auch mit Torfmoosen. Heiden auf an-
schichte sowie teilweisen Nutzungseinflüssen sehr unter-                moorigen Böden wurden in der Vergangenheit vielfach
schiedlich ausgebildet sein können.                                     in Grünland umgewandelt und sind daher sehr selten
   Natürliche, intakte Hochmoore sind weitestgehend                     geworden. Moorheiden mit Grundwassereinfluss sind
gehölzfrei, meist uhrglasförmig aufgewölbt und werden                   oft etwas artenreicher als Hochmoore und Lebensraum
ausschließlich durch Regenwasser gespeist. Diese stark                  zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten wie z. B.
von einem intakten Wasserhaushalt abhängigen Bio-                       Kreuzotter oder Torfmoos-Knabenkraut.
tope sind aufgrund der extremen Standortbedingungen                        Der überwiegende Flächenanteil der unkultivierten
(Nässe, vielfach Nährstoffarmut, kühl-feuchtes Mikro-                   Hochmoorreste Niedersachsens wird von mehr oder we-
klima) von Natur aus eher artenarm, beheimaten jedoch                   niger stark degenerierten Moorbiotopen eingenommen,
hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten, wie z. B.                   in denen trockene Moorwälder oder dichte Pfeifengras-
Moor-Perlmutterfalter, Sonnentau oder Moosbeere.                        Bestände vorherrschen und Torfmoose weitestgehend
   Durch Torfabbau geprägte Gebiete, die heute wie-                     fehlen. Die Flächen stellen aber wichtige Rückzugsräume
dervernässt sind, können unter günstigen Bedingungen                    für Tier- und Pflanzenarten dar, deren naturschutzfach-
nach einer gewissen Zeit hochmoorähnliche Ökosysteme                    licher Wert sich durch Wiedervernässungsmaßnahmen
ausbilden und somit wichtige Ersatzlebensräume dar-                     erheblich steigern lässt.
stellen, z. B. für die hochgradig gefährdete Libellenart                   Hochmoore waren früher prägender Bestandteil des
Hochmoor-Mosaikjungfer. Gehölzarme, nasse Wiederver-                    niedersächsischen Tieflands; naturnahe Ausprägungen
nässungsflächen sind wichtige Bruthabitate z. B. für den                sind heute aber nur noch in kleinflächigen Restbestän-
Großen Brachvogel und wichtige Überwinterungshabi-                      den vorhanden.
tate für Kornweihen und Sumpfohreulen.                                     Auch in den naturnahen Mooren sind zum Teil große
   Große Bedeutung als Brut- und Rastbiotop haben                       Bereiche degradiert und in ihren Biotopqualitäten be-
nasse Hochmoor-Lebensräume auch für den sich derzeit                    einträchtigt. Folglich ist die Mehrzahl der Moorbiotope
ausbreitenden und im Bestand zunehmenden Kranich.                       Niedersachsens in ihrem Bestand bedroht und den stark
Die im Rahmen der Wiedervernässung zumindest zeit-                      gefährdeten Lebensräumen zuzurechnen.
weise überstauten Flächen können wichtige Ersatzle-                        Noch naturnahe Moore werden durch flächendecken-
bensräume für Wasservogelarten darstellen, Moorrand-                    den Nährstoffeintrag aus der Luft und von angrenzen-
bereiche sind u. a. für Ziegenmelker und Raubwürger                     den Nutzungen geschädigt. Weitere Gefährdungsfak-
bedeutsam. Vielfach haben sich auch sekundäre Birken-                   toren sind ausbleibende Niederschläge und der Anstieg
und Kiefern-Moorwälder entwickelt, die ebenfalls wert-                  der Jahresmitteltemperatur im Zuge des Klimawandels,
volle Lebensräume auch für die Avifauna darstellen.                     welche die Wasserbilanz negativ beeinflussen.
                                                                           In den kultivierten Mooren hat die Intensivierung der
                                                                        landwirtschaftlichen Nutzung zu einem wesentlichen
                                                                        Verlust von für den Arten- und Biotopschutz wertvollen
                                                                        Grünlandflächen geführt.

Offene Hochmoorbereiche, wie hier im Neustädter Moor, sind Lebensraum u. a. von Hochmoor-Mosaikjungfer und Rosmarinheide.
(Fotos: Kerrin Obracay, 2 x Gerd-Michael Heinze)

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