Depression: eine ernstzunehmende krankheit

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Depression: eine ernstzunehmende krankheit
Depression:
eine ernstzunehmende Krankheit
Depression – jeder kennt diesen Begriff, aber was verbirgt sich eigentlich dahinter?
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er mit niedergedrückter Stimmung in Verbindung
gebracht. Jedoch ist eine klinische Depression eine ernstzunehmende Erkrankung mit
vielen Gesichtern – denn ein Stimmungstief und gewöhnliche Phasen der Entmutigung
sind etwas anderes als eine Depression im medizinischen Sinn. Weltweit sind mehr als
100 Millionen Menschen von Depressionen betroffen. In Deutschland sind es zwischen
4 und 8 Millionen. Etwa 170.000 Personen mit dieser Diagnose werden klinisch behandelt.

WAS IST EINE DEPRESSION?
                                                         keiten bis zu Appetitlosigkeit und Schlafstörungen
Depression ist ein diagnostisch unspezifischer Be-       reichen. Für schwer Betroffene werden der Zustand
griff für Störungen im affektiven Bereich, also der      der inneren Leere und das Gefühl, emotional nichts
Gefühls- und Stimmungslage des Menschen. Die             mehr zu empfinden, zu einer Belastung, die lebens-
Betroffenen leiden an unterschied­lichen Symptomen,      gefährlich ist. Jedes Jahr begehen mehrere Tausend
die von einer niedergeschlagenen Stimmung und            Menschen mit depressivem Hintergrund in Deutsch-
Verlust an Interessen über Konzen­trations­schwie­rig­   land Selbstmord.

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Depression: eine ernstzunehmende krankheit
Gesundheit

                                             Die Abgrenzung einer depressiven Erkrankung von
                                             normalen, kurzzeitigen Verstimmungen erfolgt an-
                                             hand der Dauer, Art und Intensität der Beschwerden.
                                             Unterschieden wird zwischen einer so genannten
                                             depressiven Episode – die häufigste Art der Depres-
                                             sion – und einer dauerhaften Erkrankung. In der
                                             Regel werden depressive Episoden nach Schwere-
                                             grad und Anzahl der Symptome beschrieben:

                                             •• LEICHTE DEPRESSIVE EPISODE:
                                                Mindestens zwei Hauptsymptome und zwei an-
                                                dere häufige Symptome. Leichte Depressionen
                                                äußern sich durch einige nicht allzu stark aus-
                                                geprägte Symptome und sind gut zu bewältigen.
                                                Ohne Behandlung können sie jedoch zu mittel-
                                                schweren Depressionen werden.

                                             •• MITTELGRADIGE DEPRESSIVE EPISODE:
                                                Mindestens zwei Hauptsymptome und drei bis
                                                vier andere häufige Symptome. Mittelschwere
                                                Depressionen bereiten teilweise Probleme bei
                                                der Bewältigung des Berufs- oder Privatlebens.
                                                Wird der Leidensdruck zu groß, sollten Sie einen
                                                Arzt aufsuchen.

DIE HÄUFIGSTEN MERKMALE EINER                •• SCHWERE DEPRESSIVE EPISODE:
DEPRESSION ZUSAMMENGEFASST                      Alle Hauptsymptome und mindestens vier häu-
                                                fige Symptome. Schwere Depressionen sind
                                                ernsthafte Erkrankungen, die dem Betroffenen
                                                große Schwierigkeiten bereiten, seine alltägliche
HAUPTSYMPTOME:                                  Lebens­situation zu meistern. Nicht selten sind sie
ƒƒ Gedrückte Stimmung,                          auch mit Selbstmordgedanken und -versuchen
   innere Leere, Traurigkeit                    verbunden.
ƒƒ Interessen- / Freudlosigkeit
ƒƒ Antriebslosigkeit
                                             URSACHEN

WEITERE HÄUFIGE SYMPTOME:                    Einer Depression können mehrere Ursachen zugrun-
ƒƒ Konzentrationsschwäche                    de liegen, wobei biologische, psychische und sozi-
ƒƒ Vermindertes Selbstwertgefühl             ale Komponenten zusammenwirken. Oft wird die
ƒƒ Innere Unruhe oder Hemmung                Erkrankung durch einschneidende Ereignisse oder
ƒƒ Selbstanklagen, Schuldgefühle,            anhaltende Probleme verursacht. Dies kann bereits
   Selbstmordgedanken                        ein Umzug in eine fremde Stadt sein oder der Ver-
ƒƒ Schlafstörungen                           lust des Partners, der Tod eines Angehörigen, die
ƒƒ Appetitlosigkeit oder Essunlust           dauernde berufliche Über- oder Unterforderung. In
ƒƒ Körperliche Beschwerden und               vielen Fällen ist aber auch kein Auslöser identifi-
   Missempfindungen                          zierbar. Neben solchen psychosozialen Gründen
ƒƒ Rückzug aus dem sozialen Umfeld           können aber auch genetische Faktoren eine Rolle
                                             bei der Entstehung einer depressiven Erkrankung
Dauer der Symptome: mindestens zwei Wochen   spielen.

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Depression: eine ernstzunehmende krankheit
REIZÜBERTRAGUNG
                                   REZEPTOREN
     IM NORMALFALL

     Im Ende einer Nervenfaser sind die
     Botenstoffe (Transmitter) in Vesikeln
     (kleine Bläschen innerhalb der Zelle)
     gespeichert. Kommt ein Nerven-
     reiz (Impuls) an, werden sie ausge­
     schüttet.

     Über den synaptischen Spalt gelan-
     gen die Botenstoffe (Serotonin und
     Noradrenalin) an die nachgeordnete
     (postsynaptische) Zelle und binden
     dort an Rezeptoren – der Impuls
     wird weitergeleitet.

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Depression: eine ernstzunehmende krankheit
Gesundheit

    WAS IM KÖRPER PASSIERT

    Die einzelnen Nervenzellen, die unseren Körper            Eine depressive Episode vergeht also in leichten
    durchziehen und aus denen unser Gehirn zum großen         Fällen in der Regel. Dennoch besteht vor allem in
    Teil besteht, tauschen untereinander Informationen        schwereren Fällen das Risiko, dass die Erkrankung
    (Impulse) aus. Diese können als Sinneseindrücke           wiederkehrt oder chronisch wird. Sie sollten also
    registriert werden, zum Beispiel als Anblick eines Bil-   reagie­ren, wenn Sie Symptome einer depressiven
    des oder als Hören von Musik – es kann sich aber          Erkrankung bei sich, Angehörigen oder Freunden
    auch um Gefühle oder Gedanken handeln. Die Weiter­        feststellen.
    gabe solcher Informationen zwischen einzelnen Zel-
    len des Gehirns findet durch die Ausschüttung von
    Botenstoffen statt, den sogenannten Neurotrans­           SO HELFEN SIE SICH SELBST
    mittern wie Serotonin und Noradrenalin.
                                                              •• Halten Sie einen möglichst geregelten Tages­
    Bei einer Depression ist diese Informationsweiter-           ablauf ein.
    gabe innerhalb unseres Gehirns verändert. Es kommt        •• Treiben Sie leichten Sport.
    zu einer Störung des Neurotransmitter-Stoffwech-          •• Überfordern Sie sich nicht! Setzen Sie sich täglich
    sels: Die Konzentration der Botenstoffe Serotonin            kleine, überschaubare Aufgaben.
    und Noradrenalin ist erniedrigt – wichtige Impulse        •• Vermeiden Sie große Veränderungen oder wichtige
    werden nicht mehr ausreichend übermittelt. Da-               Entscheidungen bzw. treffen Sie sie nicht allein.
    durch sinkt die Fähigkeit, Empfindungen wie Freude        •• Versuchen Sie sich auf angenehme Dinge und
    oder Zufriedenheit zu verspüren; negative Gefühle            Tätigkeiten zu konzentrieren und beziehen Sie
    werden übermächtig. Unklar ist, ob der veränderte            auch Ihre Familie und Bekannte mit ein.
    Gehirnstoffwechsel Ursache oder Folge der depres-         •• Achten Sie auf körperliche Gesundheit, Ernährung
    siven Erkrankung ist.                                        und Körperhygiene.
                                                              •• Verzichten Sie auf Alkohol.
    Das gestörte Gleichgewicht der Transmitter kann sich      •• Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus,
    nach einigen Monaten von selbst wieder regulieren.           z. B. in Selbsthilfegruppen.
                s

                                 POSTSYNAPTISCHE ZELLE
               pul
              Im

                                                                               REIZÜBERTRAGUNG
                                                                               BEI DEPRESSION

                                                                               Man geht davon aus, dass bei einer
                               SYNAPTISCHER                                    Depression die Konzentration an
                               SPALT
                                                                               Botenstoffen im synaptischen Spalt
                                                                               erniedrigt ist.

                                                                               Die Folge ist eine stark verringerte
                                                                               Weitergabe der Impulse. Dadurch
                                                                               entsteht die Fehlgewichtung bzw.
                      BOTENSTOFFE                                              der Mangel an affektiven Informa­
                      SEROTONIN UND
                                                                               tionen beim Betroffenen.
Impuls

                      NORADRENALIN

                                                                                                        vitamin 17
Gesundheit

PSYCHOTHERAPIE                                            PHARMAKOTHERAPIE

Psychotherapien eignen sich vor allem für leichte und     Gerade in schweren Fällen häufig unverzichtbar, da
mittelschwere Erkrankungen, da der Therapieerfolg         Medikamente (Antidepressiva) schneller wirken als
in großem Maße von der Fähigkeit des Patienten ab-        eine Psychotherapie bzw. manchmal diese auch erst
hängt, aktiv an den Veränderungen mitzuarbeiten.          ermöglichen. Das jeweilige Medikament beeinflusst
Es handelt sich um Einzelgespräche zwischen Pati-         die Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin im Stoff-
ent und Therapeut. Die Beziehung zwischen beiden          wechselprozess des Gehirns auf unterschiedliche
spielt daher ebenfalls eine wichtige Rolle.               Weise. Medikamente müssen über einen längeren
                                                          Zeitraum genommen werden und sollten nicht abrupt
                                                          abgesetzt werden.

ÄRZTLICHE THERAPIE                                        ver­fügen, und die Leistungen müssen vertraglich
                                                          zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und der
Eine pauschale Behandlung, die bei allen Erkrankten       PBeaKK geregelt sein. Weitere Sitzungen müssen
gleich gut hilft, gibt es nicht. Vielmehr muss sich die   dann ebenfalls über das Gutachterverfahren bean-
Therapie individuell gestalten und Rücksicht auf die      tragt werden.
körperlichen und seelischen Auslösefaktoren und
den Schweregrad der Depression nehmen. Zwei               Bitte wenden Sie sich mit Fragen im Einzelfall an un-
unterschiedliche Therapieformen werden bei der Be-        sere Kundenberatung. Weiterführende Informationen
handlung jedoch hauptsächlich gewählt: die Psycho-        finden Sie auch auf www.pbeakk.de.
therapie oder die Pharmakotherapie beziehungsweise
eine Kombination aus beiden.
                                                          SELBSTHILFE
Voraussetzung für einen Therapieerfolg ist, dass die
Betroffenen sich offen gegenüber ihrem Arzt äußern        Das „Kompetenznetz Depression, Suizidalität“ ist
und die seelischen und emotionalen Probleme nicht         ein bundesweites Netzwerk zur Optimierung von
verschweigen – denn auch der Verlauf anderer Er-          Forschung und Versorgung im Bereich depressiver
krankungen, beispielsweise eines Herzleidens, kann        Erkrankungen. Es soll den Wissenstransfer zwischen
durch eine Depression negativ beeinflusst werden.         den beteiligten Akteuren der Patientenversorgung
                                                          dauerhaft stärken. Das Projekt wird vom Bundesminis­
                                                          terium für Bildung und Forschung gefördert. Betrof-
KOSTENERSTATTUNG DURCH DIE PBEAKK                         fene, Angehörige und Interessierte können sich auf
                                                          der Internetseite des Kompetenznetzes umfassend
In der Regel werden Betroffene von ihrem Hausarzt         informieren: www.kompetenznetz-depression.de
zu einem Spezialisten überwiesen (z. B. Psychiater,
Nervenarzt). Sie können zunächst fünf Probesit­           Im Buchhandel gibt es eine große Anzahl seriö-
zungen bei bis zu drei Therapeuten in Anspruch neh­       ser medizinischer Sachbücher, auch zu speziellen
men, um herauszufinden, ob eine Zusammen­arbeit           Einzelthemen. Erfahrungsberichte von Betroffenen
funktioniert. Die Probesitzungen müssen nicht vorab       mit verschiedenen Schwerpunkten sind ebenfalls
genehmigt werden. Im weiteren Verlauf beantragt           erhältlich.
der ausgewählte Therapeut für sie bei der PBeaKK
eine Therapie (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie
oder Analyse) sowie bei Bedarf ihre Verlängerung.
Vor Beginn der Therapie sollte auf jeden Fall erst eine
                                                                                                        UNSER
Genehmigung der PBeaKK vorliegen.                         Kostenlose Telefonseelsorge innerhalb
                                                          Deutschlands durch TelefonSeelsorge            TIPP
A-Mitgliedern können bis zu 25 Sitzungen ohne Gut-        und Offene Tür e.V.:
achterverfahren genehmigt werden, der Therapeut           0800 111 0 111 und 0800 111 0 222
muss aber über eine kassenärztliche Zulassung

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