BEWERTUNG DER EXPERTENGRUPPE OFF-LABEL IM BEREICH NEUROLOGIE/PSYCHIATRIE - BFARM

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Bewertung
        der Expertengruppe Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie
                           nach § 35c Abs. 1 SGB V
                             zur Anwendung von
                   IVIG bei Polymyositis / Dermatomyositis

                                    Addendum 1
                                 (Stand 01.04.2019)

Hintergrund

Seit der Bewertung der Expertengruppe Off-Label im Bereich Neurologie/Psychiatrie
vom 13.12.2011, die unter folgendem Link auf der Homepage des BfArM abrufbar ist:
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/BereitsZug
elAM/offlabel/Bewertungen/Polymyositis Dermatomyositis.pdf? blob=publicationFil
e&v=5
liegt neues wissenschaftliches Erkenntnismaterial in Form von Reviews sowie auch
Studienergebnisse zur Anwendung von IVIG bei Polymyositis (PM) und
Dermatomyositis (DM) vor. Diese kommen aus den Gebieten Neurologie (6),
Neuropädiatrie (3) und Rheumatologie / Autoimmunologie (9).

Die insgesamt sehr seltenen Myositiden werden in der S2k-Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (gültig bis 31.08.2019; AWMF-Registernummer 030/054)
behandelt und nach dem Vorschlag von Carstens und Schmidt (2014) klassifiziert:
Polymyositis (PM), Dermatomyositis (DM), sporadische Einschlusskörperchen-
Myositis (sporadic inclusion body myositis (sIBM)). Diese Klassifikation legt auch der
Cochrane-Review zu Grunde (Gordon et al. 2012). Auf den neuen Ansatz einer
erweiterten sog. integrierten Klassifikation des ENMC (European Neuro-Muscular
Center) soll hingewiesen werden (Allenbach et al. 2017).

Es steht daher zu erwarten, dass sich der Stellenwert für IVIG im Spektrum neuer
Substanzen und monoklonaler Antikörper verändern wird. Wie in einer aktuellen
Übersicht zu immunmodulierenden und immunsuppressiven Therapieoptionen
dargestellt, hat sich das Spektrum der im Off-Label-Use angewandten Substanzen
erheblich erweitert (Barsotti et al., 2018), auch die zunehmend für relevant erachtete
Bedeutung der immunologischen Checkpoint-Failures bei Myositiden werden in
einem Review dargestellt (Heberlet et al. 2018).

Erkenntnismaterial

Unter Beibehaltung der für die Bewertung 2011 verwendeten Suchkriterien wurde
eine Embase-Suche (zuletzt 24.1.2019) und Pubmed-Suche (zuletzt 14.1.2019)
durchgeführt.

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Cochrane-Review und andere Reviews
Seit der Bewertung des Jahres 2011 ist das damals erwartete Cochrane-Update zu
PM und DM erschienen (Gordon et al. 2012), in dem Immunsuppressiva und
immunmodulatorische Substanzen (IVIG, Biologics (z.B. Eternacept)) und
Plasmapherese sowie Leukapherese untersucht wurden. Bei den eingeschlossenen
Patienten durfte keine „inclusion body myositis“ (IBM; Einschlusskörper-Myositis)
vorliegen. Die Ergebnisse zeigen bzgl. IVIG und PM sowie IVIG und DM, dass
weiterhin eine geringe Qualität der Studienlage, insbesondere im Hinblick auf
geeignete RCTs gegeben ist. Insgesamt wird die Bewertung der Expertengruppe
davon nicht verändert.

In weiteren systematischen Reviews wird der Einsatz von IVIG bei PM und DM
analysiert und bewertet (Vermaak et al. 2015, Lünemann et al. 2016, Anh-Tu et al.
2017, McGath et a. 2018, Barsotti et al. 2018). Dabei wird allerdings eine
unterschiedliche Begrifflichkeit (z.B. idiopathische inflammatorische Myositis (Anh-Tu
et al. 2017)) in der Rheumatologie angewendet, die der „klassischen“ Nomenklatur in
der Neurologie (s. Lünemann et al. 2016) nicht ganz entspricht. Diese Reviews
ergeben zwar, dass die Studienlage zum Einsatz von IVIG bei diesen Myositiden,
insbesondere bei der PM begrenzt ist, aber keine Studienergebnisse vorliegen, die
eine Änderung der Bewertung der Expertengruppe aus dem Jahre 2011 rechtfertigen
würde.

Leitlinien

Die Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und Deutschen
Gesellschaft für Neurologie werden von Sunderkötter et al. (2016) für die
Dermatomyositis analysiert und der Stellenwert für die PM und DM unverändert
gesehen.

Studien

Es liegen neue retrospektive Untersuchungen vor: Foreman et al. (2017)
untersuchten 57 DM-Patienten, die zwischen 2000 und 2014 unter einer Langzeit-
Therapie mit IVIG standen und in einem Audit befragt wurden. Dabei zeigte sich bei
77% der Fälle eine Verbesserung des Krankheitsverlaufs. Die Autoren resümieren,
dass Studien zur Frage der niedrigsten effektiven Dosierung von IVIG sowie zur
Frage der Beendigung einer IVIG-Behandlung bei Erreichen einer stabilen
Krankheitsphase unternommen werden sollten. In einer retrospektiven Studie an 42
Erwachsenen mit DM konnten Kampylafka et al. (2012) zeigen, dass unter einer
Add-on-Therapie mit IVIG die Remissionsrate nach 6 Monaten höher lag (p=0.007)
und die Zahl der Verschlechterungen sich invers zur Zahl der Behandlungen mit IVIG
verhielt (p=0.03). Hinzuweisen ist auf eine retrospektive Studie in einem „real-life“-
Setting von Cherin et al. (2016), in der von insgesamt 14 Fällen (davon 7 PM-
Patienten und 2 DM-Patienten) 10 eine deutliche Besserung zeigten.

Die Komorbidität „Schluckstörungen“ wurde an 73 Patienten mit PM oder DM selektiv
untersucht. Dabei sprachen 60 Patienten auf die IVIG-Behandlung deutlich an. Sie
konnten wieder normal schlucken und waren nicht mehr auf eine Sondenernährung
angewiesen (Marie et al. 2010).

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In der Neuropädiatrie sind 3 Publikationen zu erwähnen: de Innocencio et al. (2016)
haben einen positiv verlaufenden Fall unter SCIG-Therapie bei juveniler
therapierefraktärer Dermatomyositis berichtet. Ferner liegt ein Online-Survey in
Deutschland und Österreich vor, der für die juvenile DM zu einer positiven Bewertung
von IVIG kommt (Hinze et al. 2018). Die CARRA-Gruppe zeigt, dass die Expertise im
Einsatz von Biologics (z.B. Rituximab, Eternacept, Infliximab) in verschiedenen
Kombinationen mit Immunsuppressiva („pattern of treatment“) bei juveniler DM im
Wandel ist und sich neue Option entwickeln (Spencer et al. 2017).

                                Aktualisiertes Fazit

Fazit

Im Ergebnis hat die bisherige Einschätzung der Wirksamkeit und die vorgelegte
Nutzen-Risiko-Bewertung von IVIG bei Polymyositis und Dermatomyositis Bestand.
(siehe hierzu die Punkte 11 und 12 der Bewertung, Stand 13.12.2011)

Für die Anwendung von IVIG bei Kindern und Jugendlichen empfiehlt die
Expertengruppe derzeit kein externes neuropädiatrisches Gutachten.

Neue Substanzen wurden für die zu bewertenden Indiktionen nicht zugelassen.

Das Ergänzende Fazit (zu Punkt 13 der Bewertung, Stand 13.12.2011) wird wie folgt
geändert:

13.4 Nennung der speziellen Patientengruppe (z.B. vorbehandelt –
nichtvorbehandelt, Voraussetzungen wie guter Allgemeinzustand usw.)

Patienten mit gesicherter Diagnose Polymyositis und Dermatomyositis entsprechend
den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (S2k-Leitlinie;
gültig bis 31.08.2019; AWMF-Registernummer 030/054), die unter der zugelassenen
Therapie eine Therapieresistenz zeigen. Therapieresistenz liegt in der Frühphase
vor, wenn Kortikoide in Monotherapie, z.B. in einem foudroaynten Verlauf, nicht
wirksam sind, d.h. weder in Tagen noch in 2 – 3 Wochen einen Einfluss auf die
klinischen und/oder die laborchemischen Parameter zeigen oder wenn, z.B. bei
schweren Einschränkungen im ADL, in der Langzeittherapie in der Kombination mit
Azathioprin eine Absenkung der Kortikoiddosis unter die Cushing-Schwelle nicht
gelingt oder wenn nach Eindosierung von Azathioprin zu einer laufenden
Kortikoidtherapie eine klinische Besserung ausbleibt.
Bei Patienten mit PM und DM mit lebensbedrohlichen Komorbiditäten wie
Atemlähmung oder Schluckstörungen kann IVIG als primäre Add-on-Therapie
erwogen werden (Marie et al. 2010).

13.7 Behandlungsdauer

   -    bei Respondern mindestens 6 Monate (siehe Dalakas et al. 1993, Cherin et al.
        2002, Kampylaka et al. 2012)
   -    bei Nonrespondern Abbruch nach 3 Monaten,
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Kriterien für Therapieresponse bei PM und DM sind: klinisch relevante Besserung
der Muskelkraft, Abnahme der CK-Werte, bei DM zusätzlich Verbesserung der
Hautveränderungen

14. Bemerkungen

Die Klassifikation der entzündlichen Myopathien befindet sich in einem Umbruch. Für
die Zukunft deutet sich an, dass es zu einer neuen „integrierten Klassifikation“
kommen könnte, wie sie z.B. von dem European Neuro-Muscular Centre (ENMC)
vorgeschlagen wurde (Allenbach et al. 2017): dabei wird die PM als extrem seltene
Variante gesehen. Die DM wird als „Dermatomyositis Spektrum Erkrankung“
gesehen (anti-MDA5 Autoantikörper-assoziierte DM, anti-Mi-2 Autoantikörper
assoziierte DM, anti-TIF-1γ Antikörper assoziierte DM, anti-NXP-2 Autoantikörper
assoziierte DM oder SAE Autoantikörper assoziierte DM).
Diese wissenschaftliche Diskussion ist ein bedeutsamer Hinweis darauf, dass in den
bisherigen Studien tatsächlich Patienten mit verschiedenen Formen von Myositis-
Varianten eingeschlossen wurden und zukünftig möglicherweise umfassende
Änderungen in diesem Bereich anfallen dürften. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht die
Expertengruppe keinen Bedarf diese in Gang befindlichen Entwicklungen in das
ergänzende Fazit einzubeziehen.

                                          Literaturbasis

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), gültig bis 31.8.2019 (AWMF-
Registernummer: 030/054)

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