DER ANDERE FUSSBALL - Arbeiterfußball in Nürnberg Ausstellung 11.1. bis 2.2.2022 in Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball ...

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DER ANDERE FUSSBALL - Arbeiterfußball in Nürnberg Ausstellung 11.1. bis 2.2.2022 in Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball ...
DER ANDERE FUSSBALL
  100 Jahre Arbeiterfußball - 125 Jahre Arbeitersport

            all
Arbeiterfußb
  in Nürnberg
                     ung
    regionale Ergänz

   Ausstellung
11.1. bis 2.2.2022
    in Nürnberg                               Amt für Kultur
                                              und Freizeit
DER ANDERE FUSSBALL - Arbeiterfußball in Nürnberg Ausstellung 11.1. bis 2.2.2022 in Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball ...
DER ANDE
                                                                                                           RE FUSSBA
                                                                                                                                                    2. Auflage •
                                                                                                                                                                   2021

                                                                      100 Jahre Ar
                                                                                           beiterfußball            L
                                                                                                                 - 125 Jahre
                                                                                                                                    Arbeitersport
                                                                                                                                                        L
                                                                                 BEGLEITBROSCHÜRE
                                                                                     Neu überarbeitete und erweiterte Ausgabe
                                                                                                                                  2021

    allgemeine
      Begleit-
    Broschüre
  Die allgemeine Begleitbroschüre zur
Ausstellung ist für 7 € an der Pforte der
 Kulturwerkstatt Auf AEG zu erwerben.
                                            Unter Mitarbeit                   Redaktion Heinric
                                                            von   Reiner Fricke,                h Nahr und
                                                                                 Rolf Fromm                Eike Stiller
                                                                    Thomas Oel                hagen, Ralf
                                                                                 lermann, Hel              Knipping, Rai
                                                                                                 ga Roos und             ner Hertle, Uli
                                                                                                             Werner Skrent               Matheja,
                                                                                                                             ny

                                                                                                                                                    1
DER ANDERE FUSSBALL - Arbeiterfußball in Nürnberg Ausstellung 11.1. bis 2.2.2022 in Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball ...
SSTELLUNG
DIE WANDERAU
              USSBALL“
„DER ANDERE F
                                              ...in Nürnberg
Die Ausstellung des Paderborner Kreis –             und sein Lernzentrum „Kopfball“ gemein-
Arbeiterfußball e.V. war erstmals im Okto-          sam mit engagierten Einzelpersonen in die
ber 2018 im Deutschen Fußballmuseum in              Kulturwerkstatt Auf AEG ein.
Dortmund zu sehen. Seitdem tourt sie durch
die Republik und wächst stetig: Zu den ur-          Dort präsentieren wir zusätzlich die Ergeb-
sprünglich 16 Roll-ups sind inzwischen wei-         nisse der Spurensuche zum Arbeitersport
tere regionale dazugekommen, u. a. zum              und Arbeiterfußball in der Region. Uns sind
Arbeiterfußball in Frankfurt, Bielefeld, Stutt-     derzeit 15 Nürnberger Fußballvereine be-
gart, Magdeburg, Hamburg und Babelsberg.            kannt, die ihre Wurzeln im Arbeitersport ha-
                                                    ben. Bemerkenswert sind darüber hinaus die
„Der andere Fußball“ ist eine Würdigung             politisch-historischen Kontexte der Arbeiter-
der Vereine und Sportler*innen, die v. a. in        sportbewegung, die sich im Nürnberg der
den 1920er Jahren für einen anderen Fuß-            1920er Jahre besonders deutlich zeigen –
ball standen, eingebunden in die Kultur und         gerade mit Blick auf das 2. Arbeitersport-
Ziele der internationalen Arbeiterbewegung.         und Turnfest, das 1929 in Nürnberg gefeiert
Solidarität und Opferbereitschaft standen           wurde – und bereits das letzte seiner Art ge-
als Werte über dem rein sportlichen Erfolg.         wesen sein sollte.
Es herrschte ein aus heutiger Perspektive
„fast fremdartiger Glauben an eine besse-           Die Ergebnisse der Recherchen sind –
re Zukunft“ (Schröder, S. 217). Ein Lebensgefühl,   festgehalten auf zwei Roll-ups – fortan
das 1933 durch die Machtübernahme der               Bestandteil der Ausstellung und werden
Nationalsozialisten brutal beendet wurde.           in der vorliegenden Broschüre ausführ-
                                                    lich dargestellt. Für die Erarbeitung gilt Uli
Die 17. Station der Ausstellung ist nun in          Matheja (Paderborner Kreis - Arbeiterfuß-
Nürnberg. In der traditionsreichen Arbei-           ball e.V.) und Benjamin Wolf (Autor 1. FC
terstadt laden die Deutsche Akademie für            Nürnberg Fußballfibel und Fanzine „Der
Fußball-Kultur, das Fanprojekt Nürnberg             Daggl“) besonderer Dank.

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DER ANDERE FUSSBALL - Arbeiterfußball in Nürnberg Ausstellung 11.1. bis 2.2.2022 in Nürnberg - Deutsche Akademie für Fußball ...
N,
    TURNVATER JAH                                              gefügtes Machtgebilde“, sondern lediglich
                  DIE
    BISMARCK UND                                               ein „ewiger Bund [...] von 22 Fürstenstaa-
                 SETZE
    SOZIALISTENGE
                                                               ten und drei Hansestädten [...] unter preu-
                                                               ßischer Führerschaft“, den der König von
                                                               Preußen im Namen des Norddeutschen
    Die deutsche Turnbewegung geht zurück                      Bundes, die Könige von Bayern und Würt-
    auf „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn                      temberg sowie die Großherzöge von Baden
    (1778 – 1852), für den Leibeserziehung der                 und Hessen(-Darmstadt) „zum Schutze des
    Vorbereitung auf den Kampf gegen die na-                   Bundesgebietes“ geschlossen hatten. (Vorwort
    poleonische Besetzung Deutschlands die-                    zur Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871)
                                                                                                                        Der vom
    nen sollte. So wurde aus dem römischen                     Kaiser ernannte Reichskanzler (i. d. R. auch
    „mens sana in corpore sano“ in Deutschland                 preußischer Ministerpräsident) war als Vor-
    „frisch, fromm, fröhlich, frei“. Der auf dem               sitzender des Bundesrates nur dem Kaiser
    Wiener Kongress 1814/15 verabschiedeten                    gegenüber verantwortlich und unterlag kei-
    Restauration der vorrevolutionären Herr-                   ner parlamentarischen Kontrolle.
    schaftsstrukturen stand die Turnbewegung
    zunächst kritisch gegenüber, was im sog.                   Da Bismarck sich nach den Annexionen des
    „Vormärz“ zu mehreren Turnsperren und                      Königreichs Hannover, des Kurfürstentums
    nach 1848 erneut zu politischer Verfolgung                 Hessen(-Kassel), des Herzogtums Nassau
    führte. Auch der 1846 gegründete Turnverein                und der Freien Stadt Frankfurt 1866 den Zorn
    Nürnberg schloss sich der demokratischen                   des preußischen Adels eingehandelt hatte,
    Bewegung an und wurde 1850 „wegen poli-                    war der „weiße Revolutionär“ (Gall 1980) auf
    tischer Agitation“ verboten. Erst 1859 durfte              die Unterstützung des sich im Zuge der In-
    er sich als „Gymnastischer Verein“ neu for-                dustrialisierung herausbildenden „Industrie-
    mieren, musste aber auf jede „politische“                  adels“ angewiesen und zu einem ständigen
    Tätigkeit verzichten. (TSV 1846 Nürnberg: Über uns)        Spagat zwischen den verschiedenen politi-
                                                               schen Strömungen gezwungen. Während in
    Nach 1871 unterstützte die 1868 gegründete                 Preußen das alte Dreiklassenwahlrecht un-
    Deutsche Turnerschaft (DT) dann allerdings                 angetastet blieb, konnte er auf Reichsebene
    das neue Kaiserreich und die von Otto von                  sehr wohl mit einem Mehrheitswahlrecht
    Bismarck (1815 – 1898) konzipierte Verfas-                 leben. Im Reichstag vertreten waren die in
    sung, nach der weder die Staatsgewalt vom                  den einzelnen Wahlkreisen von der männli-
    Volke ausging (Art. 1 der Weimarer Verfassung 1919) noch   chen Bevölkerung über 25 Jahren mit abso-
    von diesem „kraft seiner verfassungsgeben-                 luter Mehrheit gewählten Kandidaten. Damit
    den Gewalt“ beschlossen wurde (Präambel des                war es mit der Demokratie aber auch schon
    Bonner Grundgesetzes 1949)
                              . Nach Oliver F. R. Haardt       vorbei. Auf Grund der Altersstruktur waren
    war das Deutsche Reich nämlich kein „fest-                 nämlich nur rund 20 % der Bevölkerung

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wahlberechtigt. Ferner wurden die Wahlkrei-       sen.“ (Geiges, S. 16 f.) Daher kam es am 21. Mai
se bis zum Ende der Monarchie 1918 nicht          1893 in Gera zur Gründung des Arbeiter-Tur-
den demographischen Veränderungen der             nerbunds (ATB). Neben den Arbeiterturnern
Bevölkerungsstruktur, die zu einer Heraus-        gehörten auch der Arbeiter-Samariterbund
bildung eines Industrieproletariats führten,      (Ursprünge 1888 in Berlin), die Naturfreun-
angepasst. So blieben Sozialisten und So-         de (gegründet 1895 in Wien) und der Rad-
zialdemokraten bis zu Bismarcks Entlassung        fahrerbund „Solidarität“ (gegründet 1896 in
1890 die größten innenpolitischen Gegner.         Offenbach) zur Arbeitersportbewegung. Ob-
Eine Verschärfung des Pressegesetzes und          wohl als Partei verboten, konnten die Sozial-
die Einführung eines politischen Paragra-         demokraten ihre Arbeit im Reichstag und im
fen ins Strafgesetzbuch ließ sich aber im         Vereinsleben fortsetzen und die Zahl ihrer
Reichstag nicht durchsetzen. Erst nach zwei       Reichstagsabgeordneten von neun im Jahr
Kaiserattentaten und Neuwahlen 1878 fand          1878 auf 35 im Jahr 1890 steigern. Wegen
sich eine parlamentarische Mehrheit für das       der staatlichen Überwachung wurden Ge-
„Gesetz gegen die gemeingefährlichen Be-          sangvereine, Schrebergartenkolonien und
strebungen der Sozialdemokratie“, das bis         vermehrt auch Turnvereine sozusagen zu
1890 mehrmals verlängert wurde. Diese             „Tarnorganisationen“ der SPD. Auch der
Maßnahme ist allerdings auch ein Indiz da-        1862 gegründete TV Glaishammer trat 1893
für, dass es Bismarck nicht gelungen war, die     aus der Deutschen Turnerschaft aus und
Arbeiterschaft in den neuen deutschen Staat       schloss sich als erster süddeutscher Verein
zu integrieren. Die DT gehörte zu den Unter-      dem neuen Arbeiter-Turnerbund an.
stützern des Sozialistengesetzes.
                                                                   N DES
                                                      NÜRNBERG: VO
                                                                   ICHES
                                                     „DEUTSCHEN RE
Kein Wunder, dass die Arbeiterschaft in den
traditionellen Turnvereinen nicht wohlgelit-
                                                                 IN“ ZUR
ten war. Lars Geiges führt an, dass „in Orten       SCHATZKÄSTLE
                                                                      RG
mit einer starken industriellen Arbeiterschaft
                                                       ROTEN HOCHBU
häufig zwei, drei oder mehr Vereine der DT
[entstanden], deren Mitgliederstrukturen re-      Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Nürn-
lativ homogen waren und sich gerade darin         berg dank einer „dynamische[n] Entwick-
voneinander unterschieden: Ein Verein war         lung“ sowohl „zum industriellen Herzen
für das Bürgertum, ein zweiter für den Mit-       Bayerns“ als auch „zu einer Symbolstadt
telstand und der dritte für die Arbeiterschaft.   für den deutschen Nationalismus“. Einer-
Mitglieder, die sich offen zur Sozialdemo-        seits „rote Hochburg“, andererseits die
kratie bekannten, bzw. Vereine, in denen          „deutscheste der deutschen Städte“ – ein
sozialdemokratische Mitglieder die Mehrheit       „Doppelgesicht der Stadt, das sich ja auch
besaßen, wurden aus der DT ausgeschlos-           topographisch in deutlicher Trennung des

                                                                                                     5
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Stadtbilds innerhalb und außerhalb der         360.000 an (Beer, S. 94). Eklatant dabei der
    Stadtmauern zeigte, gehört zu den Beson-       „Schub in Richtung Arbeiterstadt und Fa-
    derheiten der Nürnberger Geschichte bis in     brikindustrie“. Allein zwischen 1895 und
    die Katastrophe des Nationalsozialismus.“      1907 wuchs die Zahl der Arbeiter von
             Selbst eine Postkarte vom 2. Arbei-
    (Beer, S. 90)
                                                   41.941 auf 93.271, was einem Anteil von
    ter-Turn- und Sportfest 1929 bediente sich     73,3 % aller Beschäftigten der Stadt be-
    dieses Bildes.                                 deutete (Beer, S. 93).

    Hatte Nürnberg bei der Eingliederung in        Diese Entwicklung spiegelte sich jedoch
    den bayerischen Staat 1806 rund 25.000         nicht in der politischen Partizipation der
    Einwohner, so verdoppelte sich die Zahl        Arbeiterschaft auf kommunaler, Landes-
    sowohl durch Zuzug als auch durch die          und Reichsebene wieder. Ein 1869 unter-
    Eingemeindung von Vorstädten bis 1846          nommener Vorstoß zur Liberalisierung des
    auf über 50.000 und bis 1881 auf über          Wahlrechts in Bayern wurde im Landtag
    100.000. Nach weiteren Eingemein-              von „Fortschrittlern und Liberalen“ nicht
    dungen 1898/99 stieg die Bevölkerung           nur abgelehnt, sondern dahingehend ver-
    bis 1900 auf rund 261.000 und bis zum          schärft, dass das Gemeindewahlrecht an
    Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 auf fast       das Bürgerrecht gekoppelt wurde, für das

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hohe Gebühren zu entrichten waren. Absicht                 Auf kommunaler Ebene war der Weg stei-
war, „gewisse Personen von der Erlangung                   niger. Erst nachdem 1907 das Verhältnis-
des Wahlrechts abzuhalten“ (Gärtner, S. 103). So           wahlrecht in Gemeinden mit über 4000
waren in Nürnberg 1869 von 70.000 Ein-                     Einwohnern eingeführt worden war, konn-
wohnern nur 6191 männliche Personen bei                    ten die Sozialdemokraten zehn der 20 neu
Kommunalwahlen wahlberechtigt, 1887                        zu besetzenden Mandate in der Gemeinde-
von 120.000 nur 5593. Zum Vergleich: Bei                   vertretung erringen und fortan zwei Mitglie-

  Gruppenbild der 1893 in den bayerischen Landtag gewählten SPD-Abgeordneten. V. l.: Gabriel Löwenstein,
Franz Josef Ehrhart, Karl Grillenberger, Johann Scherm (alle Nürnberg) und Georg von Vollmar (München).
(BayHStA Bildersammlung Nr. 5635)

den Reichstagswahlen 1884 durften rund                     der im Magistrat der Stadt Nürnberg stel-
22.000 Nürnberger an die Urnen gehen.                      len. 1911 verdoppelte die SPD ihre Mandate
(Gärtner, S. 105 und 107)
                          Karl Grillenberger, Chefredak-   und war jetzt zweitstärkste Fraktion. 1912
teur der „Fränkschen Tagespost“, war 1881                  verteidigte Albert Südekum sein Reichs-
als erster bayerischer Sozialdemokrat in                   tagsmandat mit 66,5 % der abgegebenen
den Reichstag eingezogen. Im bayerischen                   Stimmen und bei den Landtagswahlen ge-
Landtag war die SPD erstmals 1893 mit fünf                 wann die SPD neun Mandate hinzu und
Abgeordneten vertreten.                                    war nun drittstärkste Fraktion.

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BERG:
    AUCH IN NÜRN                                     trolle. Mal wurde versucht, die Vereine für
                 EIN ZUM
    VOM TURNVER                                      „politisch“ zu erklären, was den Aufbau
                T
    ARBEITERSPOR
                                                     von Jugendabteilungen erschwerte, da es
                                                     Unter-18-Jährigen untersagt war, Mitglied
                                                     in einem politischen Verein zu werden,
    Da nach dem TV Glaishammer auch die              mal wurde den Vereinen der Gebrauch
    Turnvereine Gostenhof, St. Johannis und          städtischer Turnhallen untersagt. Trotzdem
    Neuwetzendorf die DT verließen, wurde            wuchs die Mitgliedschaft im ATB von 1903
    am 18. Februar 1894 der Arbeiterturngau          bis 1914 von rund 9000 auf rund 187.000
    „Nürnberg und Umgebung“ gebildet, dem            (Ueberhorst, S. 31 und 351)
                                                                                . Gespalten blieb allerdings
    auch die Arbeiter-Turnvereine Bleiweishof,       lange Zeit die Einstellung der ATB-Führung
    Steinbühl sowie Neu-Lichtenhof und Neu-          zu neuen Sportarten wie Fußball. In dieser
    Gibitzenhof beitraten. Nachdem in München        Hinsicht unterschieden sich „bürgerliche“
    ein zweiter Bezirk enstanden war, wurde im       und „proletarische“ Turner kaum. Noch
    August 1895 der 7. Kreis im ATB gegründet.       1909 wurde Fußball als „gesundheitsschä-
                                                     digend betrachtet und die einseitige körper-
                                                     liche Ausbildung sogenannter »Nur-Fuß-
                                                     baller« beklagt.“ (Geiges, S. 34) Nachdem 1910
                                                     in Berlin erste „Serienspiele“ durchgeführt
                                                     wurden, folgten bis 1914 auch Bremen,
                                                     das Königreich und die preußische Provinz
                                                     Sachsen, Thüringen, Rheinland-Westfalen,
                                                     Hessen und Hessen-Nassau sowie Bayern
                                                     (Frommhagen 2011, S. 18)
                                                                                .

    1901 kamen mit Bamberg (3.), und 1902 mit        Der 1. Weltkrieg beschleunigte die Entwick-
    Würzburg (4.) weitere Bezirke dazu. 1923         lung, denn das Leben an der Front machte
    wurde Südbayern als 19. Kreis selbständig.       keinen Unterschied zwischen „bürgerli-
    Der 7. Kreis umfasste 1925 neun Bezir-           chen“ und „proletarischen“ Soldaten. 1919
    ke: Nürnberg (1.), Regensburg (2.), Hof (3.),    wurde daher aus dem Arbeiter-Turner- der
    Schweinfurt (4.), Stockheim (5.), Weiden         Arbeiter-Turn- und Sportbund und zwei Jah-
    (6.), Coburg (7.), Bayreuth (8.), Marktredwitz   re später Fußball formell als eigenständige
    (9.). Wenig später wechselte Ingolstadt als      Sparte im ATSB anerkannt (Hauk, S. 164/165). In
    10. Bezirk aus dem 19. in den 7. Kreis.          der Weimarer Republik entwickelte sich
                                                     der Arbeitersport nach Partei, Gewerkschaft
    Bis zum Ende der Monarchie 1918 stand            und Genossenschaftsbewegung zur „vierten
    der ATB unter ständiger polizeilicher Kon-       Säule“ der Arbeiterbewegung (Skrentny, S. 2).

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RBEITER-
NÜRNBERGER A                                                . Am 26. September 1923 wurde der
                                                      Bayerns)

              R
FUSSBALL IN DE                                        1921 als Ministerpräsident zurückgetretene
               UBLIK
WEIMARER REP
                                                      Kahr Generalstaatskommissar mit dikta-
                                                      torischen Vollmachten und verhängte den
                                                      Ausnahmezustand (bis 16. Februar 1925).
In der Weimarer Republik wurden die So-               Er weigerte sich außerdem, Anordnungen
zialdemokraten stärkste politische Kraft in           der Reichsregierung (u. a. das Verbot des
Nürnberg. Unter Leitung von Oberbürger-               NSDAP-Organs „Völkischer Beobachter“)
meister Dr. Hermann Luppe (DDP) wurden                durchzusetzen und spielte auch beim miss-
zahlreiche soziale Projekte umgesetzt                 lungenen Hitlerputsch vom 8./9. Novem-
und 1928 am Dutzendteich eine moder-                  ber 1923 in München eine höchst unrühm-
ne Sportanlage erreichte, wo 1929 das                 liche Rolle. Am 11. November 1923 wurden
2. Arbeiter-Turn- und Sportfest des ATSB              NSDAP und KPD reichsweit verboten. Den-
ausgetragen wurde. Luppe, 1919/20 Mit-                noch konnte sich der „Völkische Block“ bei
glied der Weimarer Nationalversamm-                   den Landtags- und Reichstagswahlen 1924
lung, war ein entschiedener Vertreter                 in Nürnberg auf Anhieb einen Stimmenan-
der neuen Demokratie, was seine Arbeit                teil von 27,8, bzw. 26,0 % sichern.
nicht unbedingt erleichterte, da „die poli-
tische Wirklichkeit“ in Bayern „nach-                 Auch die staatliche Beobachtung der
haltig durch monarchische und rechts-                 Arbeitersportbewegung wurde wie schon
radikale Kräfte bestimmt [wurde].“ So                 im Kaiserreich fortgesetzt. So vermerkte
versuchte Ministerpräsident Gustav Ritter             die Polizeidirektion Nürnberg-Fürth am
von Kahr (BVP) nach Niederschlagung                   10. April 1926, dass es „nicht im Staats-
der Münchner Räterepublik 1919 und des                interesse gelegen sein [dürfe], durch
Kapp-Putsches 1920 „mit allen Mitteln                 staatliche Zuschüsse an die Arbeiter-
die vor 1918 herrschenden Verhältnisse                turn- und Sportvereine die Erziehung und
wiederherzustellen und Bayern zu einer                Heranbildung von Klassenkämpfern und
»Ordnungszelle« des Reichs zu formen.“                gleichzeitig die Sozialdemokratie in ihren
                    Am 1./2. September 1923
(zitiert nach Weigang, S. 26)
                                                      Bestrebungen auf Errichtung der sozialisti-
nutzten Nationalsozialisten und völkische             schen Republik finanziell zu stärken.“ (zitiert
Wehrverbände mit Duldung des Nürnber-                 nach Bach-Damaskinos, S. 188 f.)
                                                                                       Dennoch nahm „die
ger Polizeidirektors Heinrich Gareis den              Arbeitersportbewegung seit Kriegsende
„Deutschen Tag“ zu „parademäßigen                     einen ungeahnten Aufschwung [...] und
Aufmärschen“, bei denen „das Straßen-                 kann sich, sowohl was ihre vielfältige Ver-
bild [...] völlig vom Hakenkreuz, der feld-           zweigung und ihre Leistungen anbelangt,
grauen Kappe und den schwarzweißroten                 getrost mit den bürgerlichen Sportvereini-
Fahnen beherrscht“ wurde (vgl. Historisches Lexikon   gungen messen“. (Gärtner, S. 379)

                                                                                                           9
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MIT GL IED ERE NTWICKLUNG
     DIE
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                                                                                   Erfolgreichster Verein war der TSV Nürn-

     NÜ RN BE RG  ER A                                                           berg-Ost, der neben drei Süddeutschen
                                                                                 Meisterschaften 1930 und 1932 auch
                      ND DER
     VEREINE ANHA
                                                                                 ATSB-Bundesmeister wurde. Das Foto
                                                                                 aus dem Archiv vom Rolf Frommhagen

                      TSBERICHTE
     ATSB-GESCHÄF
                                                                                 zeigt die „Oster“ am 21. Mai 1932 in hellen
                                                                                 Hemden vor dem Endspiel im Nürnberger
                                                                                 Stadion (4:1 gegen FT Cottbus 93).

     1920       13 Vereine (12 mit Fußballsparte) mit 4653 Mitgliedern (davon 1110 Fußballer)
     1924/25 21 Vereine (19) mit 6296 Mitgliedern (1959 Fußballer)
     1926/27 24 Vereine (21) mit 6513 Mitgliedern (2198 Fußballer)
     1928/29 27 Vereine (23) mit 6553 Mitgliedern (2179 Fußballer)
     Zum Vergleich der 1. FC Nürnberg: 3336 Mitglieder (1920), 2413 (1923), 3009 (1926)

      Jahr       Meister 1. Bez. Mittelfranken     Meister 7. Kreis Bayern            Süddeutscher Meister
      1920       TSV 1895 Fürth                    TSV 1895 Fürth                     TSV 1895 Fürth
      1921       TSVgg Nürnberg-Südost             TSVgg Nürnberg-Südost              FT Frankfurt, Abt. 6 Bornheim
      1922       TSV Nürnberg-Ost                  Münchner BSC                       ATSV Mannheim-Rheinau
                                                           Teilung in Nord- (7. Kreis) und Südbayern (19. Kreis)
      1923       TSV Nürnberg-Ost                  TSV Nürnberg-Ost                   *
      1924       VfR Mögeldorf                     VfR Mögeldorf                      *
      1925       TSVgg 1891 Nürnberg-West          TSVgg 1891 Nürnberg-West           TSVgg 1891 Nürnberg-West
      1926       TSV St. Leonhard-Schweinau        TSV St. Leonhard-Schweinau         TSV St. Leonhard-Schweinau
      1927       TSVgg 1891 Nürnberg-West          TSVgg 1891 Nürnberg-West           TSVgg 1891 Nürnberg-West
      1928       SpVgg 1916 Nürnberg-Zabo          FTSV Weiden                        ASV Frankfurt-Westend
      1929       TSV St. Leonhard-Schweinau        FTSV Weiden                        FTSV Weiden
      1930       TSV Nürnberg-Ost                  TSV Nürnberg-Ost                   TSV Nürnberg-Ost
      1931       TSV Nürnberg-Ost                  TSV Nürnberg-Ost                   TSV Nürnberg-Ost
      1932       TSV Nürnberg-Ost                  TSV Nürnberg-Ost                   TSV Nürnberg-Ost
      1933       TV 1884 Gostenhof                 TV 1884 Gostenhof                  nicht beendet
      *) 1923 und 1924 nachm der nordbayerische Meister an der Mitteldeutschen Meisterschaft teil.

10
IND:
DAS PROBLEMK                                   „Die Inanspruchnahme der Tagespresse
               ORT-
DIE ARBEITERSP                                 muß für viele Zwecke genügen. Wird die
               EIS
PRESSE IM 7. KR
                                               örtliche Arbeiterpresse und das Bundes-
                                               orgen dann aufmerksam
                                               gelesen, kommen wir
Heinrich Sorg (1898 – 1963) betonte im         auch so einigermaßen
Geschäftsbericht 1928/29 des 9. Kreises        glimpflich über die Mi-
die wichtige Rolle des Pressewesens für        sere der Zeit hinweg.“
die Arbeitersportbewegung. „Stünde einer       („Freie Sportwoche“ vom 13. Dezember

Bundespresse eine gut entwickelte Kreis-       1922)
                                                    In der Bibliothek der
presse zur Seite, hätten wir, in Verbindung    Friedrich-Ebert-Stiftung
mit den Tageszeitungen, ein Pressenetz,        in Bonn fanden sich aller-
daß nicht nur innerorganisatorisch allen       dings drei Exemplare des
Anforderungen gerecht werden könnte,           4. Jahrgangs 1924 eines
sondern auch dem außenstehenden Pu-            „Mitteilungsblattes              für
blikum beizukommen in der Lage wäre.“          den 7. Kreis“. Wie für den 5. Fußballkreis
                                               (Thüringen) bereits 1923 belegt, lagen die
Seit seiner Gründung gab der AT(S)B die        zweiseitigen Blätter vermutlich doch als
„Arbeiter-Turn-Zeitung“ (seit 1931 „Arbei-     Beilage der „Freien Sportwoche“ bei. Die
ter-Turn- und Sportzeitung“) heraus. 1919      „Misere der Zeit“ wurde bei einer Schriftlei-
kam die „Freie Sportwoche“ dazu. Die           tertagung 1924 in Leipzig deutlich, denn die
„Fränkische Tagespost“ wurde 1871 als          „Arbeiter-Turn-Zeitung“ wurde im 7. Kreis
„Fürther Demokratisches Wochenblatt“ be-       nur von 11,5 % der Turner und die „Freie
gründet und erschien von 1874 bis 1878 als     Sportwoche“ nur von 17 % der Fußballer
„Nürnberg-Fürther Sozialdemokrat“. Mit         gelesen (Mitteilungsblatt vom 12. November 1924).
Karl Grillenberger, Philipp Scheidemann
und Kurt Eisner hatte das Blatt prominen-
te Herausgeber und Redakteure. Lediglich
auf der Kreisebene haperte es. Das am
1. Mai 1921 erstmals erschienene monat-
liche „Mitteilungsblatt des Arbeiter-Turn-     Zu den finanziellen Problemen kamen in-
und Sportbundes, 7. Kreis, Bayern“ musste      haltliche dazu. Durch Ablehnung des Leis-
schon nach anderthalb Jahren aus finan-        tungsgedankens im „bürgerlichen“ Sport
ziellen Gründen wieder eingestellt werden.     galt nämlich die Prämisse, „Unwahres,
Der Wunsch, Kreisblätter künftig „als Beila-   Selbstverständliches und Ueberflüssiges [...]
ge der Freien Sportwoche“ herauszugeben,       von vornherein weg[zulassen]. Schade um
wurde aus Kostengründen nicht umgesetzt.       die Tinte.“ Dazu gehörten auch Minuten-

                                                                                                   11
angaben bei Toren, denn „die Wichtigkeit        „Freien Sportwoche“ vom 24. September
     des Momentes liegt nicht in der Zeit, die       1928 genannt: „Saumselige und mangel-
     Erde bleibt auch nicht stehen“. Unterbleiben    hafte Zuleitung der Spielergebnisse an die
     sollten auch „Lobhudeleien und hervorhe-        Kreispressezentrale. [...] Vielleicht tragen
     bende[n] Namensnennungen [...]. Im Rah-         diese Zeilen dazu bei, die Vereine in erster
     men des Arbeitersports soll es keinen Per-      Linie zur Erfüllung ihrer Pflichten zu brin-
     sonenkultus geben.“ Getadelt wurden auch        gen, dann werden auch Bezirk und Kreis
     Mannschaftsbilder. „Ehe mal ein solches         mit mehr Freude bei der Sache sein.“ Dazu
     Verwendung finden kann, ist die Mannschaft      kam ein starres Spielsystem, in dem die
     schließlich nicht mehr zusammen, das Bild       höchste Spielklasse nicht nur in Nürnberg
     wertlos und die jetzt hohen Ausgaben [...]      in mehreren Gruppen spielte, so dass 1932
     besser für belehrende Bilder angewandt.“        nicht weniger als 260 Mannschaften „erst-
     („Freie Sportwoche“ vom 19. Mai 1920)
                                                     klassig“ waren. So erreichten selten die
                                                     spielstärksten Mannschaften das Endspiel
     Auch die Qualität der Beiträge wurde im-        um die Kreismeisterschaft. Aus heutiger
     mer wieder kritisiert, doch blieben viele Ap-   Sicht unverständlich ist auch der weitge-
     pelle ungehört. Als Gründe für die schlechte    hende Verzicht auf Tabellen im Bundesor-
     Berichterstattung im 7. Kreis wurden in der     gan, während die „Fränkische Tagespost“

12
Abteilung A                                   Abteilung B
 Gostenhof         15 Sp.          25 P.     Südost              16 Sp.          27 P.
 Laufamholz        16 Sp.          21 P.     Ost                 13 Sp.          20 P.
 Fr. T. Nürnberg   16 Sp.          18 P.     Glaishammer         15 Sp.          20 P.
 Schweinau         17 Sp.          18 P.     Süd                 16 Sp.          18 P.
 West              14 Sp.          16 P.     Röthenbach          17 Sp.          14 P.
 Südwest           16 Sp.          16 P.     Schwabach           14 Sp.          12 P.
 Mögeldorf         17 Sp.          15 P.     T.- u. Spv. Fürth   13 Sp.          11 P.
 Rangierbahnhof    14 Sp.          11 P.     Zabo                14 Sp.          11 P.
 Johannis          15 Sp.          10 P.     BC. Fürth           17 Sp.          9 P.
 Lauf              14 Sp.          4 P.      Buchenbühl          15 Sp.          8 P.

sogar Kastentabellen und regelmäßig län-     und Rugby im ATSB“ ablöste. Immerhin er-
gere Spielberichte veröffentlichte.          schien am 3. Oktober 1932 ein Zwischen-
                                             stand der beiden Nürnberger Gruppen
Daran änderte sich auch im „Fußball-Stür-    und am 6. März 1933 sogar ein Foto mit
mer“ wenig, der 1932 die „Freie Sportwo-     Spielernamen und Positionen vom letzten
che“ als „Amtliche Zeitschrift für Fußball   Kreismeister TV 1884 Gostenhof.

                                                                                         13
FEST
     DAS 2. BUNDES
                  TURN-
     DES ARBEITER-
                                                Mit diesen Worten aus dem Gedicht „Dem

                   DES 1929                     neuen Sieg entgegen“ aus der Festschrift
     UND SPORTBUN                               Nr. 3 begrüßte der Sozialdemokrat und
     IN NÜRNBERG                                Gewerkschafter Wilhelm Bock die Teilneh-
                                                mer des 2. ATSB-Bundesfestes in Nürn-
                                                berg. 1929 ist Deutschland eine parlamen-
                                                tarische Demokratie, Paul von Hindenburg
          Zum zweiten Male werden wir,          ist Reichspräsident, in Bayern regiert die
          voran das rote Schlachtpanier,        konservative Bayerische Volkspartei (BVP)
          zum Kampfe aufmarschieren.            und die Welt steht kurz vor einer großen
            Und Millionen an der Zahl,          Weltwirtschaftskrise. Die Zeiten in der
           die werden zum zweiten Mal           jungen Republik sind unruhig. Die NSDAP
           ins Land der Zukunft führen.         gewinnt immer mehr Anhänger, während
                                                sich im sozialistischen Lager Sozialdemo-
         Und wieder ruft die heil‘ge Pflicht,   kraten und Kommunisten Steine in den
        ihr Schwestern, Brüder, zögert nicht    Weg legen. Die Zeit schien reif für ein Zei-
            für‘s schöne Ziel zu streiten.      chen der Einheit und des Aufbruchs, das
         Die Fahnen hoch, im gleichen Tritt,    mit dem Bundesfest in die Republik ge-
        in Reih und Glied mit festen Schritt,   sendet werden sollte.
          so woll‘n wir vorwärts schreiten.
                                                Das erste Fest fand im Juli 1922 in Leipzig
        Mag auch das Schicksal mit Gewalt       statt. Bis zu 100.000 Teilnehmer fanden
          dem Einzelnen gebieten Halt,          sich zwischen dem 22. und 24. Juli auf
           wir werden dennoch siegen            dem Messegelände zusammen und traten
        und mehr als Hunderttausend sein;       im sportlichen Wettbewerb gegeneinan-
          So ziehen wir in Nürnberg ein         der an. Sieben Jahre später sollte in Nürn-
            und unsre Fahnen fliegen.           berg das Bundesfest seine zweite Auflage
                                                erleben. Die Entscheidungen der Gremien
         Und ob wir Weib sind oder Mann,        des ATSB zugunsten der fränkischen Me-
          ein Meer von Fahnen uns voran         tropole können von mehreren Seiten aus
           auf Siegumrauschten Wegen.           betrachtet werden. Nürnberg war in den
         So schreiten wir als stolze Macht      1920er Jahren eine Industriestadt und
         aus fluchbelad‘ner dunkler Nacht       eines der Zentren der deutschen Arbei-
            dem neuen Sieg entgegen.“           terbewegung, zum Beispiel wurde hier
                                                am 5. Juli 1919 der Allgemeine Deutsche
                                                Gewerkschaftsbund (ADGB) gegründet.

14
15
eine Heerschau der völkischen Wehrver-
                                                  bände, die unter anderem von Adolf Hitler
                                                  angeführt wurde. Der erste Reichspartei-
                                                  tag der NSDAP in Nürnberg fand im Jahr
                                                  1927 statt.

                                                  Die Konflikte innerhalb der Arbeiterschaft
                                                  sollten auch vor dem Bundesfest in Nürn-
                                                  berg ihre Auswirkungen entfalten. Ein Jahr
                                                  vor der Veranstaltung kam es nach langen
                                                  Konflikten zur Spaltung zwischen den so-
                                                  zialdemokratischen und kommunistischen
                                                  Sportlern. Unruhige Zeiten, dennoch be-
                                                  reitete man sich in Nürnberg gewissen-
                                                  haft und voller Eifer auf das Bundesfest
                                                  vor. Die Stadt putzte sich heraus für ihre
                                                  zahlreich erwarteten Gäste aus Nah und
                                                  Fern. Sehenswürdigkeiten wie die Kaiser-
                                                  burg, die Insel Schütt oder der Hauptmarkt
                                                  sollten eine schöne Kulisse für das freudig
                                                  erwartete Ereignis liefern. Es wurde ein
     Auf der anderen Seite wird auch von ei-      Wohnungsausschuss gebildet, um die Un-
     nem Zeichen an die damalige bayerische       terkünfte der Gäste zu koordinieren. Auch
     Staatsregierung gesprochen. Die Bayeri-      Nürnberger Arbeiter rückten zu Hause die
     sche Volkspartei (BVP) sah sich als Partei   Möbel zur Seite, um Schlafplätze für die
     des politischen Katholizismus, warnte vor    Genossen zu schaffen. Küchen, eine Post-
     einem um sich greifenden Bolschewismus       stelle, Kraftwagenlinien und ein medizini-
     in der Weimarer Republik, sie erkor die      scher Dienst wurden eingerichtet.
     Sozialdemokratische Partei Deutschlands
     (SPD) zu ihrem politischen Gegner und        Die Wettkämpfe fanden auf einem 3000
     sympathisierte mit antirepublikanischen      Quadratkilometer großen Gelände auf
     Bestrebungen, wie sie vornehmlich von        dem Zeppelinfeld, nahe des Dutzend-
     der NSDAP betrieben wurden. Diese war        teichs, statt. Das Herzstück bildete dabei
     auch im „roten Nürnberg“ präsent und ak-     das Städtische Stadion (heute Max-Mor-
     tiv. Bereits im September 1923 veranstal-    lock-Stadion). Dieses wurde im Jahr 1928
     tete sie, ohne Gegenwehr der örtlichen       fertiggestellt und galt damals als das mo-
     Arbeiterschaft, den „Deutschen Tag“ –        dernste der Welt. Am 19. Juli wurde das

16
2. Bundesfest offiziell mit einem Festakt           gen. Die Teilnehmer versammelten sich
im Nürnberger Rathaus eröffnet. Bis zum             an Treffpunkten, die über die gesamte
Sonntag traten 1645 Sportler und Sport-             Stadt verteilt waren und liefen mit Fahnen,
lerinnen in 3000 Wettbewerben gegenei-              Trommeln, Pfeifen, geschlossen in Achter-
nander an. Sie maßen sich beim Turnen,              Reihen durch die Stadt zum Zeppelinfeld.
in der Leichtathletik, beim Handball, Fuß-          Den Abschluss bildete am Abend eine fei-
ball und Wassersport. Neben den eng ge-             erliche Schlusskundgebung im Stadion.
takteten sportlichen Wettkämpfen wurde
den insgesamt 120.000 Aktiven und Be-                       Die Organisatoren zeigten sich zufrieden
suchern einiges geboten. In den verschie-                   mit dem Bundesfest in Nürnberg und sa-
denen Stadtteilen wurden in Kneipen,                        hen die Tage im Juli als Aufbruch für die
                                                                               Arbeiterbewegung.
                                                                               „Das war unser Fest,
                                                                               unser Sieg!“ steht in
                                                                               einer im Nachgang
                                                                               veröffentlichten Fest-
                                                                               schrift geschrieben.
                                                                               Es sollte das letzte
                                                                               Bundesfest bleiben.
                                                                               Nach der „Macht-
                                                                               übernahme“ durch
                                                                               Adolf Hitler im Ja-
                                                                               nuar 1933 kam es
                                                                               nur wenige Wochen
  Der Festumzug in der Königsstraße. (Archiv Dr. Eike Stiller)
                                                                               später zu einer Be-
                                                                               setzung der ATSB-
Restaurants, Gemeinde- und Festsälen Geschäftsstelle durch die Polizei. Dies
Kreisabende organisiert. Die Geselligkeit kam einer Zerschlagung des Verbandes
und die Solidarität sollten im Mittelpunkt gleich. Das Vermögen wurde von den Na-
stehen und nicht der sportliche Wettbe- zis beschlagnahmt, die Arbeitersportler
werb und der Drang zu gewinnen. So gab gingen in den Widerstand, passten sich
es neben den Wettkämpfen unter dem Ti- an oder wechselten die Seiten.
tel „Unser Körper in Formung, Schulung,
Kraft und Schönheit“ Massenübungen, an
denen mehrere tausend Menschen teil-
nahmen. Den Höhepunkt des Bundesfes-
tes bildete der Festzug am Sonntagmor-                                                Benjamin Wolf

                                                                                                        17
TISCHE
     DER KOMMUNIS
                   RAUM                                Die Quellenlage zum Rotsport im Raum
     „ROTSPORT“ IM                                     Nürnberg ist dünn, da Ulrich Neuhäußler-

     NÜRNBERG                                          Wespy in seiner 1981 publizierten Disserta-
                                                       tion über „Die KPD in Nordbayern 1919 –
     Nach Gründung der KPD am 30. Dezember             1933“ den Sport nur tangiert. Immerhin
     1918 blieben die kommunistischen Arbeiter-        erfährt man, dass der „»Zentralsportverein
     sportler zunächst im ATB, der auf seinem          für proletarische Körper- und Geisteskul-
     12. Bundesturntag 1919 in Leipzig jedoch die      tur« Nürnberg, zugleich Landes-Leitung der
     Formel „Diktatur des Proletariats“ ablehnte.      »Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit«
     1921 wurde in Moskau die „Rote Sportinter-        für Bayern“ 1931 seinen Sitz in der Koper-
     nationale“ (RSI) als Gegenpol zur 1920 gebil-     nikusstraße 7/9 in Galgenhof hatte (S. 208 f.).
     deten „Luzerner Sportinternationale“ (LSI, ab     Vom KG-Organ „Roter Bayernsport“ hat mir
     1928: Sozialistische Arbeiter-Sport-Internatio-   die Universitätsbibliothek Erlangen-Nürn-
     nale/SASI) gegründet. Auf die erste Arbeiter-     berg dankenswerterweise drei Exemplare,
     Olympiade 1925 in Frankfurt antwortete die        die die Zeit des „Dritten Reichs“ überlebt
     RSI 1928 mit einer Spartakiade in Moskau.         haben, zur Verfügung gestellt. Wichtigste
     Die 1931 kurz vor der zweiten Arbeiter-Olym-      Quelle war die „Neue Zeitung. Ausgabe A“
     piade in Wien begonnene Spartakiade in            (vormals „Nordbayerische Volkszeitung“),
     Berlin wurde nach polizeilichem Verbot in         deren Jahrgänge 1930 bis 1933 in der
     Moskau beendet. Bereits seit 1928 wurden          Bayerischen Staatsbibliothek in München
     kommunistische Funktionäre und Vereine            eingesehen werden konnten.
     aus dem ATSB ausgeschlossen, was 1929
     zur Bildung einer „Interessengemeinschaft
     zur Wiederherstellung der Einheit im Arbei-
     tersport“ (ab 1930 „Kampfgemeinschaft für
     Rote Sporteinheit“) führte. Die ideologischen
     Differenzen zwischen SPD und KPD, die
     letztlich zur Spaltung der Arbeitersportbe-
     wegung führte, sind bei Horst Ueberhorst
     in Kapitel V dargestellt (u. a. „Der Weg zur
     Spaltung“, „Die Arbeiter-Turn- und Sportbe-
     wegung im Zeichen der »Eisernen Front«“
     und „Die kommunistische Opposition“). Etwa
     1932 publizierte der ATSB selbst eine 40-sei-
     tige Schrift zu diesem Thema. Den kommu-          Der erste in Nordbayern aus dem ATSB
     nistischen Standpunkt aus DDR-Zeiten ver-         ausgeschlossene Verein war im April 1931
     tritt das Autorenkollektiv um Martin Zöller.      der oberfränkische TSV Selb 06. Im De-

18
zember 1931 trat der Zentralsportverein                     „alten“ TSV Nürnberg-West zum Wech-
Nürnberg zum ersten Mal an die Öffent-                      sel in den Rotsport zu bewegen, denn
lichkeit („Neue Zeitung“ vom 1. und 5. Dezember 1931). Ab   die ATSB-Geschäftsberichte weisen bei
Januar 1932 fanden Serienspiele zur Er-                     diesem zwischen 1926/27 und 1928/29
mittlung des nordbayerischen Meisters                       einen Mitgliederschwund von 338 (davon
statt, der zu den Reichsmeisterschaften                     150 Fußballer) auf 66 (davon 54 Fußbal-
gemeldet werden sollte. Aber erst, nach-                    ler) nach. Prominentester „Wester“ war
dem im Februar 1932 der TSV Eibach 08                       Daniel Dorn (1900 – 1968, Foto), mit 33
zum Rotsport übertrat, finden sich ver-                     Einsätzen (davon 25 Länderspielen) Re-
mehrt Hinweise auf Spiele in der Region.                    kordspieler der ATSB-Bundesauswahl. Er
Am 26. Juni wurde an der Zerzabelshof-                      gehörte der siegreichen deutschen Mann-
straße der Sportplatz des ZSV Nürnberg                      schaft bei der Arbeiter-Olympiade 1925 in
eingeweiht, auf dem am 4. Juni bereits                      Frankfurt an und bestritt später auch ein
das Schlussspiel um die Landesmeister-                      Spiel für die IG-Auswahl. Mit Max Knörl
schaft zwischen dem Rasensportverein                        und Michael Tischner nahmen 1932 zwei
Nürnberg-West und dem FSV Selb 06                           „Wester“ an der dritten Tour der KG-Aus-
stattgefunden hatte (6:2). In der Süddeut-                  wahl durch die UdSSR teil.
schen Meisterschaft schied der RSV West
jedoch am 10. Juli beim FSV Stuttgart-Ost                   Die Serienspiele im Nürnberger Bezirk be-
vor 1700 Zuschauern unglücklich mit 2:3                     gannen am 24. September 1932 mit neun
in der Verlängerung aus.                                    Mannschaften. Der aus jeweils vier hektogra-

                                                                              Sp.   ge.   ver.   u.   p
                                                            West              6     6     0      0    12
                                                            Südost            6     6     0      0    12
                                                            Schwabach         7     3     3      1    7
                                                            Städt. Arbeiter   4     2     2      0    4
                                                            Eibach            8     4     4      0    8
                                                            Fichte            8     2     5      1    5
                                                            Erlangen          7     2     5      0    4
                                                            Nordost           7     3     4      0    6
                                                            Johannis          7     1     6      0    2

Der RSV West war der erfolgreichste                         phierten Seiten bestehende „Rote Bayern-
Nürnberger Verein, da es ihm anscheinend                    sport“ berichtete ausführlich über die Spiele
gelungen war, viele Mitglieder aus dem                      und veröffentlichte sogar Tabellen. Als zum

                                                                                                            19
Serienspiele eine Woche später beendet.
                                                     Am 28. Februar titelte die „Neue Zeitung“
                                                     in ihrer letzten Ausgabe: „Alarm! Alarm! Die
                                                     gesamte KPD.-Presse in Preußen verboten.
                                                     Die SPD.-Presse vom gleichen Schicksal
                                                     bedroht.“ Es war der Morgen nach dem
                                                     Reichstagsbrand. Während die „Fränkische
                                                     Tagespost“ an diesem Tag nicht erscheinen
                                                     durfte, kündigte die „Neue Zeitung“ für den
                                                     13. März noch das erstmalige Erscheinen der
                                                     Zeitschrift „Der rote Sportler“ an. Da aber lief
                                                     die Verfolgung von Kommunisten bereits auf
     Abschluss der Vorrunde die verlustpunktfrei-    Hochtouren. „Verhaftet wurden vor allem
     en Mannschaften von West und Südost auf-        die in der »legalen« Zeit politisch aktiven
     einandertrafen, schrieb er am 21. November:     und [...] besonders bekannten Funktionäre
     „Wer wird Bezirksmeister? – Südost erhielt      der Orts- und Stadtteilgruppen, der Wohn-
     in der letzten Woche neue Kräfte. [...] West    gebietsorganisationen und der lokalen Rote
     tritt in kompletter Aufstellung mit den bei-    Hilfe-, Erwerbslosen-, Rotsport- und ähnli-
     den Russlandfahren Tischner und Knörl an        chen Gruppen“. (Mehringer, S. 77)
     u[nd] sie werden ihr Bestes herausgeben um
                                                                          UNG
                                                            DIE ZERSCHLAG
     den Sieg für ihre Farben zu sichern.“ Das Er-

                                                                 DES ARBEITER-
     gebnis von 7:2 für West konnte der „Neuen
     Zeitung“ entnommen werden. Nach dem
                                                                           RT-
     30. Januar 1933 trat die Sportberichterstat-
                                                            TURN- UND SPO
     tung zwar hinter der politischen Agitation in
                                                                  BUNDES 1933
     den Hintergrund, doch erschien in der „Neu-
     en Zeitung“ vom 13. Februar 1933 noch eine
     Anzeige des Nürnberger Zentralsportvereins      Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichs-
     mit den Sprechzeiten am Sportplatz Zabo         kanzler schien den Arbeitersport zunächst
     und seiner Unterabteilungen Südost, Nord-       wenig zu beeinträchtigen. Am 19. Februar
     ost, Altstadt, Johannis, Süd, Schweinau,        1933 wurde der TV 1884 Gostenhof durch
     Gostenhof, dem Sänger-Chor, der Samari-         ein 3:0 gegen die SpVgg Bayreuth-Altstadt
     ter-Abteilung und der Gymnastikgruppe für       vor 3000 Zuschauern im Nürnberger Stadi-
     Frauen. Die letzten bekannten Ergebnisse        on Kreismeister. Mit der nach dem Reichs-
     aus Nürnberg datieren vom 19. Februar           tagsbrand noch am 28. Februar verkün-
     (ZSV Fürth I – RSV West I 2:1, ZSV Fürth II –   deten „Verordnung des Reichspräsidenten
     RSV West II 2:2). In München wurden die         zum Schutz von Volk und Staat“ wurden die

20
Bürgerrechte der Wei-
marer Verfassung außer
Kraft gesetzt und die
„Wahlen“ vom 5. März
zur Farce. Zusammen
mit der „Verordnung
des     Reichspräsiden-
ten zum Schutze des
Deutschen Volkes“ vom
4. Februar 1933 und
dem     Ermächtigungs-
gesetz vom 24. März
1933 diente diese Ver-
ordnung zur Festigung
der Machtposition Adolf
Hitlers und der Besei-
tigung des demokrati-
schen Rechtsstaats.

Ungeachtet des Terrors
gegen Sozialdemokra-
ten und Kommunisten
begannen am 12. März
die Spiele um die Süd-
deutsche Meisterschaft.
In Mannheim unterlag
die FTSVgg Dietzenbach
gegen den 1. FFC 1921 Ludwigshafen mit         zu bestimmenden Tag gegen Nürnberg-Gos-
2:3. Der weitere Verlauf der Süddeutschen      tenhof.“ („Der Fußball-Stürmer“ vom 20. März 1933) Es war
Meisterschaft fiel dann „den politischen Er-   die letzte Ausgabe des Blattes, in dem aber
eignissen [...] zum Opfer. In Nürnberg sind    auch zu lesen war, dass „im Gegensatz zu
die Spielplätze der Arbeitersportler bis auf   Nürnberg [...] die Spiele in Würzburg, Bay-
zwei Ausnahmen polizeilich gesperrt. Die       reuth und der Oberpfalz keinerlei einschrän-
weitere Austragung der Süddeutschen Meis-      kenden Bestimmungen“ unterlagen.
terschaft denkt man sich nun so, dass am
26. März Stuttgart-Ost gegen FT München        Bereits Mitte März wurde die Bayerische
spielt und der Sieger hieraus an einem noch    Politische Polizei gebildet, deren Leiter am

                                                                                                           21
1. April 1933 SS-Führer Heinrich Himmler                 Aufbau befindlichen [...] deutschen Sport-
     als „Politischer Polizeikommandeur Bay-                  verbänden an[zu]schließen“, ehemalige
     erns“ übernahm. Sein Stellvertreter wurde                Arbeitersportler durften bis zum 1. Oktober
     Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheits-                 1933 nicht in andere Vereine aufgenom-
     dienstes der SS. Am 29. März ordnete das                 men werden. In beiden Fällen konnte der
     bayerische Innenministerium das Verbot                   Reichssportkommissar Ausnahmen zulas-
     marxistischer Organisationen an. Jede Be-                sen. Eine solche ist vom TSV Johannis 1883
     tätigung von Organisationen, deren „leiten-              überliefert, der 1933 seine „unglücklichsten
     de Kräfte der marxistischen Weltanschau-                 Stunden“ erlebte, „nämlich das Verbot der
     ung nahestehen oder ihre Haltung darauf                  gesamten Arbeitersport-Bewegung mit der
     schliessen lässt, ist verboten“. Am 17. Mai              Folge von Hausdurchsuchungen, Beschlag-
     1933 forderte die Polizeidirektion Nürn-                 nahme des Heimes, des Grundstücks und
     berg-Fürth die Städtische Sparkasse Nürn-                des gesamten Vereinseigentums.“ Die An-
     berg unter dem Betreff „Beschlagnahme“                   fang 1934 signalisierte und am 14. Juni 1934
     „zur Feststellung der in Frage kommenden                 vollzogene Wiederaufnahme seiner sportli-
     Konten“ von 60 Arbeiter-Sport- und Sän-                  chen Tätigkeit erfolgte allerdings „unter er-
     gervereinen auf. Bis auf Südwest standen                 schwerten Bedingungen; dem Verein wur-
     alle 15 der obersten Spielklasse ange-                   den zwei Vereinsführer vorgesetzt.“ (125 Jahre
     hörenden Nürnberger Fußballvereine im                    TSV Johannis 1883, S. 11)

     1. Bezirk auf der Liste. Die Sparkasse zöger-
     te die Sache jedoch hinaus und verweigerte               Auch der SV Zabo, Kreismeister 1928,
     vorläufig die Überweisung der Guthaben an                wurde 1933 „aufgelöst und das Vereins-
     die Bayerische Politische Polizei, da diese              vermögen beschlagnahmt.“ (Flyer 100 Jahre SpVgg
     zur Deckung von Hypothekenzinsen ver-                    Zabo Eintracht
                                                                             ) Auf dem inzwischen von der SA
     wendet werden sollen. In einem Schreiben                 als Exerzierplatz genutzten Sportgelände
     an den Bayerischen Sparkassen- und Giro-                 der FT Nürnberg-Süd in der Werderau,
     verband vom 31. Januar 1934 wurden die                   wurden im Juli 1933 „etwa 300 Juden
     Hypothekendarlehen an „marxistische Or-                  [...] zusammen[getrieben] und [...] einen
     ganisationen“ mit 65.657,24 Mark beziffert               Tag lang“ gequält (Neidiger, S. 20). Beim in
                                                  .
     (Stadtarchiv Nürnberg/StadtAN E 53/2 Nr. 1891)
                                                              „Reichsbahn-Turn- und Sportverein“ um-
                                                              benannten ATSV Rangierbahnhof wurde
     Am 27. Juni 1933 verfügte Reichsinnen-                   noch 1940 „eine richtige Gesinnung“ an-
     minister Frick in einem Rundschreiben an                 gemahnt und der Vorstand angewiesen,
     die Landesregierungen „die endgültige Li-                „dass sich der Verein nur im nationalsozia-
     quidierung des Arbeitersports“. (Teichler, S. 229 ff.)   listischen Sinne betätigt. Sollten sich bei
     Ehemaligen Arbeitersportvereinen war es                  der Überwachung des Vereins Mißstände
     untersagt, sich vor dem 1. April 1934 den „im            bemerkbar machen, [...] müsse er mit der

22
Sportgelände der FT Nürnberg-Süd in der Werderau (Luftaufnahme aus dem Jahr 1927, StadtAN A 97 Nr. 132)

polizeil. Auflösung [...] rechnen.“ Manch-
                                                                               NIS DER
mal genügten auch bloße Vermutungen
                                                                   DAS VERMÄCHT
                                                                                     IT
für eine Verhaftung. So im Fall des SC Ger-
mania Schniegling, der im März 1933 in
                                                                        VERGANGENHE
Verdacht einer „vermutlich politischem Tä-
tigkeit“ geriet, nachdem Mitglieder der Pri-                       Obwohl die Alliierten 1945 alle von der
vatmannschaft Blau-Weiß am Königsplatz                             NSDAP betreuten Vereine und Verbände,
aufgefallen waren. Kriminalpolizeiliche                            zu denen auch die im Nationalsozialis-
Untersuchungen ergaben schließlich, dass                           tischen Reichsbund für Leibesübungen
von den 23 Festgenommenen „der größ-                               (NSRL) organisierten Sportvereine zähl-
te Teil politisch nicht einwandfrei“ sei und                       ten, verboten und ihr Vermögen beschlag-
sich „vor der nationalen Erhebung für die                          nahmt hatten, wurde bereits am 18. Juli
KPD aktiv betätigt“ hatte. Um „unter dem                           1945 der Bayerische Landes-Sportverband
Deckmantel des Sports eine illegale Betä-                          (BLSV) gegründet. Neben vielen ehemali-
tigung“ auszuschließen, hatten beim TSV                            gen Arbeitersportlern waren auch Vertre-
1846 Nürnberg ab 1933 „Neueintretende                              ter der katholischen DJK, des ehemaligen
über 18 Jahren, die früher einem Arbei-                            Rotsport und der bürgerlichen Sportbewe-
ter-Turn- und Sportverein angehörten, eine                         gung dabei. Mit dem BLSV sollte eine neue
Eidesstattliche Erklärung zu unterschrei-                          „politisch und religiös unabhängige, sport-
ben (vgl. StadtAN C 7/V 4476, C 7/V 6072, C7/V 5574, C7/ C 666).   arten-übergreifende Organisation“ gebildet

                                                                                                                 23
werden (DSFS, S. 6). Während Heinrich Sorg,         Fußballsport, die in der Nazizeit das Schiff
     ehemaliger Sekretär im 9. Kreis, 1946 aus           nicht verließen, sondern treu ihrem Sport
     dem englischen Exil in einem Brief an den           dienten, ins Gesicht springen zu dürfen“. Mit
     SPD-Vorstand bezweifelte, „daß nach dem             der Neugründung des DFB, „ungeändert in
     Dritten Reich der Ton in der Sportbewe-             seiner Struktur, hoffentlich auch ungeändert
     gung von den verboten gewesenen Arbei-              in seinem Wesen“ könne schließlich der
     tersportlern angegeben wird. Es ist heute           Einfluss dieser „Wilden“ gebrochen werden,
     in den meisten Fällen umgekehrt“ (Ueberhorst,       „die in den letzten vier Jahren in törichter
         , fürchtete Friedrich Wildung (1872 –
     S.280)
                                                         Weise versuchten, nach zentralistischen
     1954), Vater der späteren Bundestagspräsi-          Grundsätzen den Sport auszurichten.“ („Der
     dentin Annemarie Renger, vor 1933 Leiter            Fußball-Sport“, 4. Juli 1949)

     der Zentralkommission für Arbeitersport
     und nach dem Krieg Sportreferent der SPD,           Da in Süddeutschland parallel an der Wie-
     einen Verlust an Einfluss „auf die Entwick-         dergründung des 1933 aufgelösten Süd-
     lung der allgemeinen Sportbewegung [...],           deutschen Fußball-Verbands gearbeitet
     wenn wir uns jetzt einkapseln. Es bleibt            wurde, nahm im Herbst 1945 neben den
     uns gar kein anderer Weg, als zunächst alle         vier mittelfränkischen Gruppen des BLSV,
     Anstrengungen zu machen, um den deut-               in denen ehemalige ATSB-Vereine wie
     schen Sport in eine demokratische Rich-             Altenfurt, Buchenbühl, Gostenhof, Johan-
     tung zu drängen.“ (Ueberhorst, S. 279)              nis, Katzwang, Laufamholz, FT Nürnberg,
                                                         Nürnberg-Ost, Süd und West, Rangier-
     So verzichtete die Sportkonferenz der SPD           bahnhof, Vach, Zabo und der aus einer Fu-
     am 26./27. September 1946 in Frankfurt              sion von Eibach und St. Leonhard-Schwei-
     einstimmig auf eine eigene Organisation,            nau gebildete FTSV Südwest spielten,
     gab aber den Anspruch auf die sozialistische        auch die Oberliga Süd mit den Altmeistern
     Durchdringung der Sportbewegung nicht auf           1. FC Nürnberg und SpVgg Fürth ihren Be-
     (Uerberhorst, S. 281)
                          . Sorgs Bedenken waren nicht   trieb auf. Bei der Wiedergründung des
     grundlos, denn der von ehemaligen Arbei-            DFB wurde Wildung 1950 Ehrenmitglied.
     tersportlern über die Landessportbünde in           Die im gleichen Jahr erschienene Jubi-
     Angriff genommene Neuaufbau des deut-               läumsschrift „50 Jahre Deutscher Fuß-
     schen Sports stieß bei den alten Führungs-          ball-Bund“ widmete „Fußball im einstigen
     eliten, die sich schon bald nach Kriegsende         Arbeiter-Turn- und Sportbund“ vier Seiten
     wieder an die Spitze der Fußball-Bewegung           mit einer Übersicht der ATSB-Länderspie-
     gesetzt hatte, auf taube Ohren. Dort erhoff-        le und einem Foto der Bundesauswahl
     te man sich die Wiederherstellung der Zu-           vom Spiel 1930 in Kassel „mit“ England
     stände von vor 1933. „Einige wilde Männer           (3:1). Der Beitrag von Ulrich Preussner
     glaubten, nach 1945 all den Verdienten im           endet mit der Mahnung „Möge der DFB

24
stets des Opfers bewußt bleiben, das der            sport nachgewiesen werden. Zwar sind eini-
einstige Arbeiter-Turn- und Sportbund zur           ge Traditionsnamen wie Süd, Ost und West
Überwindung der früheren Zersplitterung             durch Fusionen verschwunden, doch 13 der
gebracht hat.“ („50 Jahre DFB“, S. 224) Zehn Jah-   15 Vereine weisen auf ihrer Homepage auf
re später referierte Carl Koppehel über die         ihr Schicksal zwischen 1933 und 1945 hin. §
Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und            2.1. der Satzung des 1946 durch Zusammen-
bezeichnete Dr. Josef Klein ungeniert als           schluss von TG 1888 und FT 1893 entstan-
„politisch sehr rührigen Mann“ („60 Jahre DFB“,     denen Tuspo Nürnberg nennt noch heute
S. 36)
      . Erst im Jubiläumsbuch „100 Jahre            „die Förderung des Sports [...] auf nichtmi-
DFB“ wurde 2000 darauf verwiesen, dass              litärischer Grundlage unter entschiedener
Klein „eine bedeutsame Rolle durch Ver-             Anwendung demokratischer Grundsätze“
breitung nationalsozialistischen Gedan-             als Vereinszweck. Auf dem Sportplatz des
kenguts in der Jugendarbeit [des West-              TSV Johannis 1883 erinnert ein Gedenk-
deutschen Spielverbandes, Anm. d. Verf.]            stein mit ATSB-Logo an die gefallenen
spielte“ und „von 1932 bis 1936 [...] für           „Sport-Genossen“ des 1. Weltkriegs. Die Zei-
die NSDAP im Reichs-
tag“ saß. Nach 50 Jah-
ren wurde erstmals auch
wieder der ATSB er-
wähnt. Allerdings sucht
man ihn im Register ver-
geblich („100 Jahre DFB“, S. 285 ff.
und 291 ff.)
             .

Die Zusammenarbeit ehe-
maliger ATSB-Mitglieder
mit der DJK, dem bür-
gerlichen Sport und dem
Rotsport wurde auch von
den amerikanischen Besatzungsbehörden               ten höherklassigen Fußballs sind allerdings
akzeptiert, die dem BLSV am 21. Juni 1946           inzwischen vorbei. Lediglich der TSV Buch
die erforderliche Lizenz erteilten (Kozu, S. 93).   spielt 2021/22 überregional in der sechst-
Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Ver-             klassigen Landesliga Nordost. Eine Stufe
eine des SFV dem BLSV beigetreten, so               tiefer ist die SpVgg Mögeldorf 2000 unter-
dass ab Sommer 1946 ein gemeinsames                 wegs, in der ehemalige ATSB-Vereine wie
Ligasystem existierte. In Nürnberg können           TB 1879/VfR Mögeldorf, TSV Ost und TSV
heute bei 15 Vereinen Wurzeln im Arbeiter-          Südost aufgegangen sind. Die achtklassige

                                                                                                   25
SG Viktoria Nürnberg-Fürth 1883 verweist       Die deutschen Fußballmeister in der Weimarer Republik
     auf die Tradition des TSV West 1891 und TV     Jahr      DFB                  ATSB
     1884 Gostenhof. Das Gros der Klubs ist in      1920      1. FC Nürnberg       TSV 1895 Fürth
     der neuntklassigen Kreisklasse Nürnberg/       1921      1. FC Nürnberg       TB 1892 Leipzig-Stötteritz
     Frankenhöhe zu finden: SSV Elektra Hellas      1922      kein Meister         TB 1892 Leipzig-Stötteritz
     (der ehemalige TSV der Nürnberg-Fürther        1923      Hamburger SV         VfL 1892 Leipzig-Stötteritz
     Straßenbahn), SV Laufamholz, Tuspo Nürn-       1924      1. FC Nürnberg       Dresdner SV 1910
     berg, TSV Johannis 1883, TV Glaishammer,       1925      1. FC Nürnberg       Dresdner SV 1910
     ESV Rangierbahnhof und ATV 1973 Franko-        1926      SpVgg Fürth          Dresdner SV 1910
     nia (u. a. ASV Nürnberg-Süd) sowie der TSV     1927      1. FC Nürnberg       Dresdner SV 1910
     Katzwang in der Kreisklasse Neumarkt/Jura      1928      Hamburger SV         Pankower SC Adler 08
     Nord. Der TSV Altenfurt und TSV Azzurri        1929      SpVgg Fürth          SC Lorbeer 06 Hamburg
     Südwest spielen in der A-Klasse, der ASV       1930      Hertha BSC           TSV Nürnberg-Ost 1897
     Buchenbühl und die SpVgg Zabo Eintracht        1931      Hertha BSC           SC Lorbeer 06 Hamburg
     in der elftklassigen B-Klasse. Allen gemein-   1932      Bayern München       TSV Nürnberg-Ost 1897
     sam ist jedoch das alte ATSB-Motto „Frisch,    1933      Fortuna Düsseldorf   nicht mehr ausgetragen
     frei, stark und treu“.
                                                    den) kam zweimal zu höchsten Ehren und

                G,                                  der MTV Fürth 1892 gewann die ersten
     ZERSCHLAGUN                                    beiden von der DT organisierten Wettbe-
                 UND
     AUSGRENZUNG                                    werbe. Lediglich im Rotsport ging Mittel-

     VERFOLGUNG
                                                    franken leer aus.

                                                    Nach Zerschlagung der beiden Arbeiter-
     Ein Dreivierteljahrhundert nach Kriegs-        sportverbände 1933 hatten auch die an-
     ende dürfte den wenigsten bekannt sein,        deren Sportverbände keine große Zukunft.
     dass Mittelfranken mit dem 1. FC Nürnberg      Zwar hatte sich die Deutsche Turnerschaft
     und der SpVgg Fürth nicht nur beim DFB         wegen ihrer deutschnationalen Einstellung
     Deutsche Meisterschaften errang. Der TSV       Hoffnungen auf eine stärkere Einflussnah-
     1895 Fürth (Nachfolger Tuspo ist 2003 in       me beim Aufbau des Sports im NS-Staat
     der SpVgg Greuther Fürth aufgegangen)          gemacht, wurde jedoch im Juli 1934 zum
     war 1920 der erste, der TSV Nürnberg-Ost       Fachamt I im Deutschen Reichsbund für
     1932 der letzte ATSB-Bundesmeister. Aber       Leibesübungen degradiert und 1936 auf-
     auch die katholische DJK und zeitweise         gelöst. Nach dem 2. Weltkrieg wurde mit
     die Deutsche Turnerschaft (DT) ermittelten     der Gründung des Deutschen Turnerbunds
     „ihren“ Fußballmeister. DJK Sparta Nürn-       (DTB) 1950 ein Schlussstrich unter die
     berg (seit 1956 mit der DJK Noris verbun-      Vergangenheit gezogen.

26
Durch das am 25. Juli
DJK                         DT                        Rotsport                 1934 zwischen Reichs-
                                                                               jugendführer Baldur von
DJK Essen-Katernberg 1919                                                      Schirach und Reichs-
                            während der „Reinlichen
                            Scheidung“ von 1925 bis                            sportführer Hans von
                            1930 ausgetragen.                                  Tschammer und Osten
DJK Essen-Katernberg 1919                                                      abgeschlossene Abkom-
                                                      1930 nach Abspaltung
                            MTV Fürth 1892            bzw. Ausschluss aus      men über die Einglie-
                            MTV Fürth 1892            dem ATSB gebildet.       derung der Turn- und
DJK Sparta Nürnberg 1918    TV 1851 Forst                                      Sportjugend in die Hit-
                            Harburger TB 1865                                  lerjugend (HJ) und den
                            TV 1846 Mannheim                                   Bund Deutscher Mädel
                            Kruppsche TG Essen 1910                            (BDM) wurde den Ver-
                                                      Dresdner SV 1910         einen die Jugendarbeit
DJK Sparta Nürnberg 1918                              FT Jeßnitz               entzogen.      „Jugendli-
                                                      nicht mehr ausgetragen   che, welche ihren Ein-
                                                                               tritt in HJ bezw. BDM
                                                                               nicht durchführen wol-
                                                                               len, werden von den
                                                                               Vereinen ausgeschlos-
                                                                               sen.“ Während „bürger-
                                                                               liche“ Vereine für die
                                                                               Nutzung ihrer „Übungs-
                                                                               plätze, Hallen und Ge-
                                                                               räte [...] ein örtlich zu
                                                                               vereinbarendes Entgelt“
                                                                               bekamen (Bekanntmachung 1934,
                                                                                        , bedeutete das
                                                                               Punkte 2 und 5)

                                                                               Abkommen für gläubige
                                                                               Christen schlicht emo-
                                                                               tionale Erpressung. Ab
                                                                               dem 23. Juli 1935 fielen
                                                                               sowohl die katholische
                                                                               DJK als auch das evan-
                                                                               gelische    Eichenkreuz
                                                                               „unter das sportliche
                                                                               Betätigungsverbot kon-

                                                                                                               27
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