Regionale Konvergenz und Divergenz - die Frage der Fragen - Bund.de
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Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 51 Regionale Konvergenz und Divergenz – Markus Eltges die Frage der Fragen 1 Regionale Konvergenz und Diver- cenverschwendung. Es sei denn, um mit genz: Worum geht es eigentlich? den Worten Keynes zu sprechen: „In the long run we are all dead“. Das heißt ein Seit dem sich Ökonomen mit regionalen Eingriff erfolgt, wenn ein regionaler Kon- Unterschieden und deren Ursachen be- vergenzprozess eine so lange Zeitperiode schäftigen, steht immer die Frage der Fra- in Anspruch nimmt, dass diese Zeit gesell- gen im Mittelpunkt: Bewegen sich die Volks- schaftspolitisch nicht akzeptiert wird. Wenn wirtschaften bei wichtigen ökonomischen staatlicherseits in die Konvergenzprozesse Indikatoren aufeinander zu oder entfernen beschleunigend eingegriffen wird, dann sie sich voneinander und was sind die Ursa- müssen die Ursachen „der Langsamkeit“ chen für diese Konvergenz- oder Divergenz- bekannt sein. Stochern im Nebel käme wie- bewegungen. Was für ganze Volkswirtschaf- derum einer Ressourcenverschwendung ten gilt, gilt im kleinräumigeren Maßstab gleich. Muss auf der anderen Seite Politik auch für die Regionen in einer Volkswirt- eingreifen, wenn sich regionale Divergenz- schaft. Genauer gesagt sind die regionalen prozesse dauerhaft manifestieren? Wenn Entwicklungsunterschiede innerhalb einer die unsichtbare Hand zu diesen regional Volkswirtschaft eine Ursachenkomponen- divergierenden Entwicklungen führt, kann te für die Entwicklungsunterschiede zwi- sich dann der Staat mit seinen begrenzten schen nationalen Volkswirtschaften. Denn Mitteln und in Zeiten der Schuldenbremse aus der Summe der Regionen ergibt sich dauerhaft gegen diese vom Markt gesteu- die Volkswirtschaft. Für die wissenschaft- erte Entwicklung stemmen? Zudem müs- liche Politikberatung, die dem Leitbild der sen auch hier die Ursachenanalyse und die gleichwertigen Lebensbedingungen in al- darauf aufsetzende Therapie eindeutig und len Teilräumen folgt, ist die Beantwortung wirkungsvoll sein. dieser Frage zentral. Schließlich gelten für Diese Ausführungen machen deutlich, wel- Deutschland auf Basis des Grundgesetzes1 che Fragen die wissenschaftliche Politikbe- und des Raumordnungsgesetzes2 die fol- ratung im regionalökonomischen Kontext genden Leitsätze: stellen muss: • Die Schaffung gleichwertiger Lebensver- 1. Was soll unter „Region“ verstanden hältnisse ist Ausdruck einer solidarischen werden? Gesellschaft. 2. Mit welchen Indikatoren lassen sich • Diese Solidarität war und ist eine der we- Konvergenzprozesse beschreiben? sentlichen Grundlagen und Säulen des föderativen Staatsaufbaus in Deutsch- 3. Sind die Regionen einer Volkswirtschaft durch Konvergenz gekennzeichnet? land. 4. Was sind die Ursachen für diese Konver- • Keiner Region und damit auch keinem genzprozesse? Menschen in dieser Region soll ein Nach- teil daraus entstehen, dass er – aus wel- 5. Muss Politik handeln, wenn Divergenz- chen Gründen auch immer – seinen Le- prozesse zu erwarten sind? bensmittelpunkt in dieser Region findet. Auf manche dieser Fragen wurden über Dass sich diese gleichwertigen Lebensbe- die letzten Jahrzehnte volkswirtschaftli- dingungen maßgeblich aus der wirtschaft- cher und regionalökonomischer Forschung Dr. Markus Eltges lichen Leistungsfähigkeit einer Region Antworten gegeben. Aber leider keine ein- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- speisen, dürfte unbestritten sein. Wenn deutigen und damit abschließenden. Es und Raumforschung (BBSR) sich nun Regionen von der „unsichtbaren gibt Theorien, aber keine Theorie. Und im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Hand des Marktes“ geleitet ökonomisch diese Theorien beleuchten in der Regel im- Deichmanns Aue 31–37 aufeinander zu bewegen, warum soll sich mer nur eine Facette des „Systems Region“. 53179 Bonn die Politik in diese ohnehin laufenden Wenn es um die Ursachenanalyse regiona- E-Mail: Prozesse einmischen? Dies wäre Ressour- ler Entwicklungsunterschiede geht, ist ein markus.eltges@bbr.bund.de
Markus Eltges: 52 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen holistischer Ansatz notwendig. Das System Trotz dieser Herausforderungen und Pro- „Region“ muss mit den internen Verflech- bleme müssen Antworten auf die fünf Fra- tungen personeller und institutioneller gen gefunden werden. Hierbei fordern die Natur sowie deren externen Beziehungen Ausführungen von Hayek einerseits die umfassend betrachtet werden. Denn regio Wirtschaftswissenschaften dazu auf, stets nale Entwicklungsunterschiede allein mit kritisch ihre gemessenen Ergebnisse zu hin- endogenen, regionalwirtschaftlichen Fakto- terfragen und anderseits sind diese ein Plä- ren zu begründen, bringt zwar einen Erklä- doyer für Interdisziplinarität. Was der Volks- rungsbeitrag, aber viele Entwicklungsunter- wirt nicht erklären kann, kann vielleicht der schiede bleiben auch unerklärt. Dies wird Geograf, Kulturwissenschaftler, Soziologe, in diesem Beitrag deutlich. Physiker oder Psychologe und vice versa. Die Gründe hiefür sind vielfältig. Die Volks- Im Folgenden sollen die gestellten Fragen wirtschaften und damit auch die Regional- kurz angerissen werden. Dort, wo es mög- ökonomien werden immer offener und sind lich ist, soll die Empirie sprechen. Gleich- damit immer mehr äußeren – auch unkalku- wohl werden viele Fragen offen bleiben. lierbaren – Einflüssen ausgesetzt. Die Finanz- Fragen, die die Grundlagen für ein For- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009 hat dies schungsprogramm bilden können und die eindruckvoll belegt: Eine Bank in New York sicherlich um weitere Aspekte und Fragen geht im Herbst 2008 in die Insolvenz. Über erweitert werden können und müssen. Für die transnationalen und volkswirtschaftli- die Politik sind die fünf Fragen relevanter chen Transmissionsmechanismen führt dies denn je. Was Europa betrifft, kann der eu- dazu, dass einige Monate später zahlreiche ropäische Gedanke nur dauerhaft unter Regionen in Deutschland in der Industrie Konvergenzbedingungen Erfolg haben. Was Kurzarbeiterzahlen aufweisen, die in ihrer Deutschland betrifft, so läuft am 31.12.2019 Größenordnung historisch genannt werden das Solidarpaktfortführungsgesetz aus. Der können. Zwischen Ursache und Wirkung Länderfinanzausgleich und die Förderpoli- kann mitunter schon einmal ein Ozean lie- tik für die Ostländer müssen neu geordnet gen. Neben diesen äußeren Einflüssen regi- werden. Unter stabilen Konvergenzbedin- onaler Entwicklungsprozesse sind auch die gungen sind die notwendigen Entscheidun- Beziehungen innerhalb einer Region, z. B. gen leichter zu treffen. (1) In Artikel 72, Abs. 2 des Grund- über formelle und informelle Netzwerke, gesetzes heißt es: „Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 sowie regionale Mentalitäten oder Regional- hat der Bund das Gesetzge- bewusstsein von Bedeutung (Eichhorn 2006: 2 Fragen der regionalen Konvergenz- bungsrecht, wenn und soweit 18 f). Diese Faktoren regionaler Entwick- und Divergenzforschung die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundes- lungsprozesse sind jedoch schwer in öko- gebiet oder die Wahrung der nomische Erklärungsmodelle zu integrieren. 2.1 Was soll unter „Region“ verstanden Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse Friedrich August von Hayek hat anlässlich werden? eine bundesgesetzliche Rege- seiner Nobelpreisverleihung 1974 auf diese lung erforderlich macht.“ Neben den administrativen Regionen wie keineswegs zu vernachlässigende Proble- Gemeinden, Kreise, Regierungsbezirke oder (2) In § 1, Abs. 2 des Raumord- matik volkswirtschaftlicher Forschung auf- Bundesländer gibt es eine Reihe von funk- nungsgesetzes heißt es in: merksam gemacht: „Im Unterschied zu der tional abgegrenzten Regionseinheiten.3 Für „Leitvorstellung bei der Erfül- Situation der exakten Naturwissenschaften die Analyse von regionalen Konvergenzen lung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raument- ist in der Wirtschaftswissenschaft und in an- oder Divergenzen sollten grundsätzlich wicklung, die die sozialen und deren Disziplinen, die mit inhärent komple- wirtschaftlichen Ansprüche an Funktionalregionen als Analysebasis he- den Raum mit seinen ökologi- xen Phänomen zu tun haben, die Anzahl der rangezogen werden. Hier ist weitgehend schen Funktionen in Einklang Aspekte des zu erklärenden Geschehens, über bringt und zu einer dauerhaf- sichergestellt, dass die Ergebnisse nicht ten, großräumig ausgewogenen die es quantitative Angaben zu gewinnen durch unterschiedliche statistische Erfas- Ordnung mit gleichwertigen Le- gilt, notwendig begrenzt, und die wichtigsten sungssysteme nach Wohn- oder Arbeitsort bensverhältnissen in den Teil- räumen führt.“ gehören gar nicht einmal dazu…. Und wäh- verzerrt sind. Besonders deutlich wird dies rend in den exakten Naturwissenschaften der an dem Indikator „Bruttoinlandsprodukt je (3) Einen umfassenden, wenn auch Forscher das ihm auf der Grundlage seiner Einwohner“. Während das Bruttoinlands- nicht abschließenden Überblick prima facie Theorie wichtig Erscheinende als produkt am Ort seiner Entstehung, also am auf Raumabgrenzungen gibt die Publikation Milbert, A. et messbar ansieht, wird in den Sozialwissen- Arbeitsort der Beschäftigten erfasst wird, al.: Raumabgrenzungen und schaften oft das als wichtig behandelt, was werden die Einwohner an ihrem Wohnort Raumtypen des BBSR. Rei- he Analysen Bau.Stadt.Raum, gerade der Messung zugänglich ist.“ (Hayek gezählt. Folglich muss es zu erheblichen Band 6, Bonn 2012 1975: 13) statistischen Verzerrungen kommen, wenn
Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 53 diese beiden Größen räumlich stark diffe- torwert. So stehen 258 Arbeitsmarktregio- rieren. Dies ist z. B. bei den Stadtstaaten in nen 96 Raumordnungsregionen gegenüber. Deutschland der Fall oder bei Arbeitsmarkt- Schließlich ist bei der Interpretation der In- zentren mit großen Einpendlerüberschüs- dikatoren zu beachten, dass diese auch nur sen. Durchschnittswerte für die Region darstel- Grundsätzlich wäre es erstrebenswert, len. Dies bedeutet, dass die Aussage für das wenn solche Analysen möglichst nahe an Gebiet oder die darin lebenden Menschen den Lebensräumen der Menschen erfolgen als Gesamtheit gilt, jedoch nicht, dass sie würden. Mit den Stadt-Land-Regionen des für alle Teilgebiete oder Menschen in die- BBSR ist 2012 eine räumliche Gliederung sem Gebiet zutreffend ist. vorgestellt worden, die aus analytischer Wenn das Kriterium „nahe bei den Men- Sicht für die Fragen der Konvergenzfor- schen“ als wichtiges Kriterium einer Kon- schung am besten geeignet erscheint. Diese vergenzforschung gilt, so muss den Ar- funktionsräumliche Abgrenzung erfolgt ge- beitsmarktregionen im Vergleich zu den meindescharf, basiert im Kern auf Pendler- Raumordnungsregionen der Vorzug gege- verflechtungen und bildet die alltäglichen ben werden, auch wenn durch die Gebiets- Aktionsräume von Leben und Arbeiten ab. reformen in Deutschland, insbesondere in 266 dieser Räume wurden für Deutschland Ostdeutschland, diese Arbeitsmarktregio- abgegrenzt (Milbert et al. 2012: 52 ff ). Dem Vorteil einer bestmöglichen Annäherung nen flächenmäßig immer größer werden an die Lebenswelten der Einwohner in und es auch hinsichtlich der Abgrenzungs- Deutschland steht der Nachteil einer einge- kriterien unterschiedliche Gebiete gibt schränkten Datenverfügbarkeit gegenüber. (Eckey/ Schwengler/Türck 2007). Somit kann man dies als eine weitere Facet- Trotz der Vor- oder Nachteile eines be- te des Hayekschen Fingerzeigs bezeichnen. stimmten räumlichen Analyserasters steht Die theoretisch beste Lösung scheitert in eines fest: Die Wahl des Rasters darf das der Praxis an der Datenverfügbarkeit. empirische Ergebnis in die eine oder ande- Daher muss nach weiteren Lösungen ge- re Richtung nicht bestimmen. Dies gilt es sucht werden. Mit den funktional abgegrenz- grundsätzlich zu prüfen. ten Arbeitsmarkt- oder Raumordnungsregio- nen stehen weitere geeignete Analyseräume 2.2 Mit welchen Indikatoren lassen zur Verfügung. Beide sind kreisscharf und sich Konvergenzprozesse basieren auf einer besseren Datenverfügbar- beschreiben? keit. Sie beruhen auf Pendlerverflechtungen und bringen damit Wohn- und Arbeitsort Die Wahl der Indikatoren, die gesellschafts- einer Person weitgehend zur räumlichen und regionalpolitisch anerkannt sind, um Deckung. Während die Arbeitsmarktregio- Konvergenzprozesse zu untersuchen, hängt nen mehr auf die räumliche Geschlossenheit entscheidend von der Fragestellung ab. Da des Arbeitsmarktes abstellen – zwischen den in diesem Beitrag auf die wirtschaftliche Arbeitsmarktregionen sollen die Pendler- Konvergenz abgestellt wird, stehen folg- verflechtungen minimal sein –, können die lich wirtschaftliche Indikatoren im Mittel- Raumordnungsregionen basierend auf dem punkt. Üblicherweise findet der Indikator Zentrale-Orte-System eher als hierarchisch „Bruttoinlandsprodukt je Einwohner“ als geschachtelte Arbeitsmärkte interpretiert Wohlstandsindikator oder „Bruttoinlands- werden. Ausgehend von einem Unterzent- produkt je Erwerbstätige“ als Produktivi- rum mit eingeschränktem Arbeitsplatzange- täts- und damit Wettbewerbsindikator Ver- bot erweitert sich dieses über die Mittel- bis wendung. Dieser Indikator hat den Vorteil, hin zu den Oberzentren. Entsprechend ver- in ein theoretisches Modell eingebunden hält es sich mit dem Infrastrukturangebot. zu sein, wenn es um die Erklärung regio- Zudem ist bei der begründeten Auswahl der naler Kon- oder Divergenzprozesse geht. räumlichen Bezugsbasis zu beachten, dass Gemeint ist die neoklassische Wachstums- kleine Regionen Analyseergebnisse profilie- theorie. Danach wachsen Regionen mit un- ren, große dagegen nivellieren. Die unter- terschiedlichen Einkommensniveaus räum- schiedlichen geografischen Ausdehnungen lich differenziert: Regionen mit geringeren von Arbeitsmarkt- oder Raumordnungsre- Werten wachsen schneller als Regionen mit gionen beeinflussen demnach den Indika- höheren Werten.4
Markus Eltges: 54 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen An dieser Stelle sei kurz auf die Kritik am In- – materieller Lebensstandard, dikator „Bruttoinlandsprodukt“ und mögli- – Zugang zu und Qualität von Arbeit, che Weiterentwicklungen von Konvergenz indikatoren eingegangen. Hauptsächlich – gesellschaftliche Verteilung von Wohl- wird beim Indikator Bruttoinlandsprodukt stand, die soziale Inklusion und Kohäsion, kritisiert, dass seine zahlenmäßige Ausdeh- – intakte Umwelt und Verfügbarkeit be- nung auch aus der zerstörerischen Kraft grenzter natürlicher Ressourcen, von beispielsweise Naturkatastrophen be- gründet sein kann. Der Neubau von Infra- – Bildungschancen und Bildungsniveaus, struktur oder neuem Anlagevermögen nach – Gesundheit und Lebenserwartung, einer Katastrophe hat sicherlich positive Ef- fekte auf die Region. Dennoch speisen sich – Qualität öffentlicher Daseinsvorsorge, so- die Wachstumseffekte eben durch diese zialer Sicherung und politischer Teilhabe, Katastrophen und nicht aus der endogenen – subjektiv von den Menschen erfahrene Regionalökonomie heraus. Darüber hinaus Lebensqualität und die Zufriedenheit wird zunehmend das einseitige Wachstums- denken einer Gesellschaft hinterfragt, das eine besondere Beachtung finden. Hieraus sich am Bruttoinlandsprodukt festmacht soll ein neuer Indikator entwickelt werden, (u. a. Stiglitz/Sen/Fitoussi: 2009). „Die Un- der objektiv mess- und vergleichbar ist und sicherheiten über die weitere Entwicklung das Bruttoinlandsprodukt ergänzt. (Deut- der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, der Fi- scher Bundestag, Drucksache 17/3853: 2). nanzmärkte sowie der demographische Bis Mitte des Jahres 2013 werden alle Vor- Wandel und die steigende Staatsverschul- schläge auf dem Tisch liegen. dung beunruhigen die Menschen ebenso So wertvoll diese Erkenntnisse und Vor- wie die Gefahren des Klimawandels, der schläge sein mögen, so notwendig wird es Verlust von biologischer Vielfalt, die man- sein, die Erkenntnisse in ein theoretisches gelnde Generationengerechtigkeit und die Ursache-Wirkungsmodell zu integrieren, soziale Ungleichheit auf globaler wie auf damit hieraus eine gezielte (Konvergenz-) nationaler Ebene. All dies hat eine grund- Politik erwachsen kann. Unter einer rein legende Diskussion über gesellschaftlichen regionalökonomischen Betrachtung bleibt Wohlstand, individuelles Wohlergehen und das Bruttoinlandsprodukt jedoch der zen- nachhaltige Entwicklung angestoßen. Nicht trale Analyseindikator, nicht zuletzt auch, nur in Deutschland, auch in anderen In- weil dieser seitens der amtlichen Statistik in dustriestaaten gibt es eine Debatte darü- regelmäßigen Abständen auch für die Kreis (4) ber, ob die Orientierung auf das Wachstum Mit der Verwendung des Indi- ebene in Deutschland angeboten wird.5 kators Bruttoinlandsprodukt je des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausreicht, Einwohner oder Erwerbstätige um Wohlstand, Lebensqualität und gesell- sind aber keine Aussagen zur 2.3 Sind die Regionen einer schaftlichen Fortschritt angemessen abzu- Einkommensverteilung oder Volkswirtschaft durch Konvergenz zur Verteilung des Vermögens bilden.“ (Deutscher Bundestag, Drucksache möglich. Eine wichtige Kom- gekennzeichnet? 17/3853: 1) ponente der nachhaltigen Ent- wicklung, nämlich des sozialen Wenn im Folgenden von Regionen einer Vor dem Hintergrund dieser Diskussion Ausgleichs, muss somit unbe- Volkswirtschaft gesprochen wird, so sind rücksichtigt bleiben. hat der Deutsche Bundestag 2011 eine die Arbeitsmarktregionen der Bund-Län- (5) Enquete-Kommission eingesetzt, die eine der-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung Grundsätzlich wäre es zu be- geeignete Grundlage zur Bewertung poli- grüßen, wenn die Bruttolohn- der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ge- tischer Entscheidungen anhand ökonomi- und Gehaltssumme aller Er- meint. Um die Frage der Konvergenz oder werbstätigen je Erwerbstätige scher, ökologischer und sozialer Kriterien als Vollzeitäquivalent angebo- Divergenz zu beantworten, findet zunächst schaffen soll. Hierbei soll auch geprüft wer- ten würde. Hierdurch würden eine unbedingte Konvergenzregression An- regionale Verzerrungen durch den, wie ein gemeinsamer Indikator gebil- wendung (Barro/Sala-i-Martin 1998: 443 ff). die unterschiedlichen Formen det werden kann, der Lebensqualität und der Erwerbstätigkeit vermieden Mit dieser unbedingten Konvergenzregres- und die Bruttolohn- und Ge- gesellschaftlichen Fortschritt angemessen sion kann die Frage untersucht werden, haltssumme hat im Vergleich berücksichtigt. Bei der Bildung dieses Indi- zum Bruttoinlandsprodukt ei- ob Regionen, die von einem unterdurch- kators sollen die Aspekte nen unmittelbaren Bezug zu schnittlichen Ausgangsniveau starten stär- den Erwerbstätigen und damit zu den Menschen in der Re ker wachsen als Regionen mit einem hohen gion. Ausgangsniveau. Nach der neoklassischen
Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 55 Wachstumstheorie müsste dies festgestellt werden. Formal wird diese These überprüft mit folgendem Modell (Alecke/Mitze/Un- tiedt 2010: 10 ff ): (1/T) [ln(yi,T) – ln(yi,0)] = a + b (ln(yi,0)) + ui mit i = 1,2,3, …., 258 Arbeitsmarktregionen und ui normalverteilter Störterm Abbildung 1 Die zu erklärende Variable ist die durch- Ost-West-Differenz in der Arbeitsproduktivität zwischen 1991 und 2011 in € je Erwerbstätigen schnittliche Wachstumsdifferenz der regio nalen Arbeitsproduktivität Y – gemessen 0 als Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen in laufenden Preisen – in einem Beobach- -2 500 tungszeitraum T. Diese Wachstumsdifferenz -5 000 wird hierbei nur erklärt durch das Niveau -7 500 der Arbeitsproduktivität zum Ausgangzeit- -10 000 punkt. Dies bedeutet, dass das unterschied- -12 500 liche Wachstum der Regionen nur durch -15 000 die unterschiedliche Kapitalausstattung zu -17 500 Beginn einer Periode erklärt wird, d. h. wei- tere Erklärungsbedingungen oder -faktoren -20 000 gehen nicht in das Modell ein. Durch die -22 500 Logarithmierung werden die Zusammen- -25 000 hänge linearisiert und die Logarithmierung -27 500 erlaubt es, den Schätzer als prozentuale 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Elastizität zu interpretieren. Quelle: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, Ost mit Hier wird der Zeitraum 1995 bis 2008 unter- Berlin, ab 2008 Werte nach WZ 2008, eigene Berechnungen sucht. Der Startpunkt begründet sich aus der nachlassenden Angleichungsdynamik zwischen West und Ost. Nach der deut- Abbildung 2 Ausgangsniveau und durchschnittliche Wachstumsdifferenz der schen Einheit haben vor allem im Zeitraum Arbeitsproduktivität in den Arbeitsmarktregionen Deutschland 1995–2008 1991 bis 1994 die Investitionen im Baube- reich diese Angleichungsdynamik getragen. 0,025 Mit dem Jahre 1995 hat die Konvergenz zwi- y = -0,031x + 0,152 schen West und Ost deutlich an Geschwin- digkeit eingebüßt (vgl. Abb. 1). Seitdem 0,020 herrschen eher finanzwirtschaftliche „Nor- In durchschnittliche Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität 1995 bis 2008 malbedingungen“ bei überproportionaler Förderung der neuen Länder mit dem Start des Solidarpaktes I im Jahr 1995. Aufgrund 0,015 der Finanz- und Wirtschaftkrise im Jahre 2009 und den damit verbundenen regio- nalen Verwerfungen endet der Analysezeit- 0,010 raum 2008. Neuere Daten liegen aufgrund der Revision der Volkswirtschaftlichen Ge- samtrechnung durch die Umstellung auf 0,005 die Wirtschaftszweigsystematik 2008 für die Kreisebene nicht vor. 0,000 Werden nun in einem ersten Schritt die bei- 4,400 4,600 4,800 5,000 den Indikatoren in einem Streudiagramm In Arbeitsproduktivität 1995 dargestellt, so bestätigt sich der in der Neo- West Linear (In durchschnittliche klassik entwickelte Zusammenhang: Regio- Wachstumsrate der Arbeits- nen mit einem niedrigen Ausgangsniveau Ost produktivität 1995 bis 2008) in der Arbeitsproduktivität im Jahre 1995 sind stärker gewachsen als Regionen mit ei- Quelle: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, eigene nem hohen Niveau (vgl. Abb. 1). Berechnungen
Markus Eltges: 56 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen Dies trifft auf nahezu alle Regionen der rem langfristigen Gleichgewichtseinkom- neuen Länder zu. Die Punktwolke lässt die men (= steady state) geschlossen hätten. Unterschiede zwischen den Regionen der Wird der Beobachtungszeitraum auf die neuen und alten Länder deutlich erken- Jahre zwischen 2000 und 2008 verkürzt, so nen. Wird die unbedingte Konvergenzglei- müssten fast 23 Jahre vergehen, bis die Re- chung geschätzt, so hat der Koeffizient b gionen die Hälfte der Lücke zu ihrem lang- erwartungsgemäß ein negatives Vorzeichen fristigen Gleichgewichtseinkommen ge- – niedriges Ausgangsniveau und hohes schlossen hätten (ß = 2,7). Dies belegt, dass Wachstum. Dies bedeutet Konvergenz zwi- die Konvergenzgeschwindigkeit zwischen schen den Regionen (Bode 1998: 93f). Der den Arbeitsmarktregionen in der jüngeren Koeffizient b (-0,031) wird statistisch signi- Vergangenheit abgenommen hat. fikant geschätzt (T-Wert = 15,5). Damit ist Kann mit dem Modell der unbedingten indes noch nicht die Frage beantwortet, in Konvergenz die Frage beantwortet werden, welcher Geschwindigkeit diese Konvergenz ob Regionen mit geringerem Ausgangsni- verläuft. Eine für die Politik zentrale Frage. veau in der Arbeitsproduktivität höhere Über die Funktion Wachstumsraten erzielen als Regionen mit b = -(1-e –ßT)/T einem höheren Ausgangsniveau, so kann mit dem Konzept der σ-Konvergenz festge- kann diese Konvergenzgeschwindigkeit ß stellt werden, ob die Streuung der Arbeits- näherungsweise ermittelt werden (Alecke/ produktivität über die Regionen im Zeit- Mitze/Untiedt 2010: 11). In diesem Falle verlauf zu- oder abnimmt. Hierzu werden beträgt sie 3,9 %. Dieser Wert liegt damit zunächst die Arbeitsproduktivitäten loga- über dem, was als „goldene Regel“ der Kon- rithmiert und die Varianzen über die Regio- vergenzgeschwindigkeit bezeichnet wird (Sala-i-Martin 1995: 22; Scheufele/Ludwig nen und Jahre ermittelt (vgl. Abb. 3). 2009: 403). Diese liegt bei 2 % pro Jahr. Vor Anschließend werden diese Varianzen über dem Hintergrund der überproportionalen die Zeit mit nachstehendem Modell regres- Förderung der neuen Länder durch die Re- siert (Lüschow 1997: 105): gelungen des Solidarpaktes I und II kann σ 2t = e -2ß σ 2t–1 + u2 dieser erhöhte Wert der Konvergenz durch- aus nachvollzogen werden. Bei dieser Ge- Damit hängt die Varianz der Arbeitspro- schwindigkeit müssten nach der Funktion duktivität von deren Vorjahreswert und einem Störterm ab. Nimmt der Schätzer t = ln(2) / ln (1+ß/100) 6 ß einen positiven Wert an, sinkt die Vari- (6) Näherungsweise spricht man rund 18 Jahre vergehen, bis die Arbeits- anz im Zeitablauf, sofern Zufallseinflüs- auch von der 72er Regel. marktregionen die Hälfte der Lücke zu ih- se über den Störterm die Varianz über die Zeit nicht stärker überlagern. Somit bleibt in diesem Zusammenhang festzustellen, dass ß-Konvergenz eine notwendige, aber Abbildung 3 keine hinreichende Bedingung für eine Varianz der logarithmierten Arbeitsproduktivitäten über alle 258 Arbeits- marktregionen σ-Konvergenz ist (Lüschow 1997: 105). Wird ß mit Hilfe eines nichtlinearen Kleinste- 0,006 Quadrate-Verfahren für den Zeitraum 1995 bis 2008 geschätzt, so erhält man den Wert 0,005 von 0,033 (korrigiertes R-Quadrat: 0,87). Dieser Schätzwert von 3,3 % liegt unter dem 0,004 Wert der Geschwindigkeit der unbeding- 0,003 ten ß-Konvergenz, aber über der goldenen 2-Prozent-Regel. Danach würden 21 Jahre 0,002 vergehen müssen, bis sich die Varianz in der Arbeitsproduktivität über die 258 Arbeits- 0,001 marktregionen halbiert hätte. 0 Wird auch hier der Beobachtungszeitraum 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 auf die Jahre 2000 bis 2008 verkürzt, so re- duziert sich ß auf 2,5 % (korrigiertes R-Qua- Quelle: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“, eigene drat: 0,68) und um die Varianz zu halbieren, Berechnungen müssten nun 28 Jahre verstreichen. Auch
Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 57 das Konzept der σ-Konvergenz belegt somit Auswirkungen der Finanzkrise wird zudem die Verringerung der regionalen Konvergenz- der Versorgung der regionalen Wirtschaft geschwindigkeit in Deutschland. mit Krediten unter dem Stichwort „Kredit- klemme“ eine besondere Aufmerksamkeit 2.4 Was sind die Ursachen für diese geschenkt. Die Unternehmensbefragung Konvergenzprozesse? der Kreditanstalt für Wiederaufbau kommt hinsichtlich dieser Thematik 2012 zu fol- So eingängig die Modelle der ß- und gendem Ergebnis: „Die besonderen struktu- σ-Konvergenz für die Zwecke der „schnel- rellen Probleme kleiner bzw. junger Unter- len“ Politikberatung auch sein mögen, nehmen bei der Kreditaufnahme spiegeln wenn es um die Ermittlung von Konver- sich auch darin wider, dass bei kleinen Un- genzgeschwindigkeiten geht, so können die ternehmen (Jahresumsatz bis 1 Mio. EUR) dahinter stehenden Ursachen nicht abgele- der grundsätzliche Kreditzugang mit 54 % sen werden und das Modell der ß-Konver- beinahe 3-mal so häufig infrage steht wie genz kann nur 48 % der Varianz erklären.7 bei Unternehmen mit mehr als 10 Mio. EUR Das heißt, nur rund die Hälfte der Streuung Jahresumsatz. Junge Unternehmen, die von in den Unterschieden der Wachstumsdiffe- Erschwernissen bei der Kreditaufnahme renz zwischen den Arbeitsmarktregionen berichten, melden sogar zu 62% diesen Er- können mit dem regionalen Ausgangsni- schwernisgrund.“ (Kreditanstalt für Wie- veau der Arbeitsproduktivität begründet deraufbau 2012, Unternehmensbefragung: werden. Eindeutige Ursachen sehen anders 2) Sind kleine und junge Unternehmen re- aus. Die zweite Einschränkung folgt aus gional unterschiedlich verteilt, können aus dem Modell selbst. Es impliziert, dass alle diesen Schwierigkeiten heraus unterschied- Regionen zum gleichen Gleichgewichts- liche Impulse auf regionale Entwicklungs- einkommen streben. Vor dem Hintergrund prozesse ausgehen. der räumlich-funktionalen Arbeitsteilung in Deutschland ist diese Annahme wenig Um diesen Unzulänglichkeiten in der unbe- wahrscheinlich, denn die Uckermark in dingten Konvergenzregression zu begegnen, Brandenburg wird sicherlich ein anderes wird auf das Modell der „bedingten Konver- Gleichgewichtseinkommen anstreben als genz“ zurückgegriffen. Hierbei sollen neben die Region München. Schließlich ist es für dem Ausgangsniveau der Arbeitsproduk- die Politikberatung wenig hilfreich, wenn tivität weitere Indikatoren im Sinne einer das regionale Wachstum nur aus dem re- Ursache-Wirkungskette das Wachstum er- gionalen Ausgangsniveau heraus erklärt klären (Alecke/Mitze/Untiedt 2010: 13 ff): werden kann. Dieses ist abhängig von zahl- Formal lautet die bedingte Konvergenzglei- reichen Faktoren der Regionalstruktur. Zu chung dann wie folgt: nennen sind hier die Sektor-, Funktional- oder Berufs-, die Betriebsgrößen- sowie (1/T) [ln(yi,T) – ln(yi,0)] = a + b (ln(yi,0)) + c1 x1i + cj xji + ….. + ck xk + i ui die betriebliche Abhängigkeitsstruktur. Das mit i = 1,2,3, …., 258 Arbeitsmarktregionen Stichwort räumlich-funktionale Arbeitstei- und j = 1, …., k Indikatoren lung fiel bereits in diesem Kontext. Auch und ui Störterm die Infrastrukturausstattung einer Region, ihre großräumige Erreichbarkeit und der Im Grundsatz geht es um nichts anderes, staatliche Einfluss dürften eine nicht uner- als regionale Wachstumsfaktoren theore- hebliche Rolle bei regionalen Wachstums tisch abzuleiten. Abbildung 4 stellt die mög- prozessen spielen. Eine gesamtdeutsche lichen Einflussfaktoren schematisch dar, Staatsquote von über 45 % spricht für den wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit er- Einfluss des Staates. Immerhin fließen von hoben wird. Zudem spricht viel dafür, dass jedem erwirtschafteten Euro 45 Cent durch zwischen allen Erklärungsfaktoren mehr öffentliche Kassen und kommen räumlich oder minder starke Beziehungen stehen. In differenziert zum Einsatz. Schließlich kann dieser Abbildung werden auch Faktoren be- der technische Fortschritt durch all diese nannt, die sich augenblicklich einer quan- Maßnahmen und Rahmenbedingungen titativen Erfassung entziehen, sofern eine (7) Für den Zeitraum 2000 bis regional unterschiedliche Geschwindig- solche überhaupt möglich ist, aber im „Sys- 2008 beträgt das R-Quadrat keiten aufweisen. Nicht zuletzt durch die tem Region“ mitgedacht werden müssen. nur noch 0,26.
Markus Eltges: 58 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen Abbildung 4 Süd-Nord-Gefälle. Hier zeigen auch die Ver- Erklärungsfaktoren für Wachstum im System Region änderungsraten im Bruttoinlandsprodukt deutliche Unterschiede im Süd-Nord-Ver- gleich. Als erstes Fazit kann an dieser Stelle mit Blick auf die Erklärung des regionalen Wachstums festgestellt werden, dass den historischen Ausgangsbedingungen Rech- nung zu tragen ist. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt: das wirtschaftliche Aus- gangsniveau einer Region fällt auch nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis his- torischer Entwicklungen. Darüber hinaus können auf der Basis theo- retischer Überlegungen folgende Faktoren für das regionale Wachstum von Bedeutung sein: • Lohnniveau Die regionale Wettbewerbsfähigkeit kann bestimmt werden durch das regionale Lohnniveau. Mit Blick auf das regionale Quelle: eigene Darstellung Wachstum wird vermutet, dass niedrigere regionale Arbeitskosten zu einer Verlage- Theoretische Hintergründe: rung von Produktion und damit Arbeit in Die Arbeitsproduktivität steigt, wenn der diese Regionen führen. Dieser Kostenfaktor Zähler – hier das Bruttoinlandsprodukt – lässt sich durch den Indikator Arbeitneh- schneller wächst als der Nenner – hier Er- merentgelt in Euro je Arbeitnehmer berech- werbstätige – oder wenn der Zähler wächst nen. Dieses Entgelt umfasst die Bruttolöhne und der Nenner schrumpft. Ein Blick auf und -gehälter sowie die tatsächlichen und die einzelnen Komponenten zeigt einen unterstellten Sozialbeiträge der Arbeitgeber. deutlichen Unterschied zwischen West und • Industrialisierungsgrad Ost. Während der Zuwachs der Arbeitspro- duktivität im Westen auf einem Wachstum Nach der These der Parallelität sektoraler des Bruttoinlandsprodukts (in laufenden Entwicklungen haben jene Regionen hö- Preisen) und der Erwerbstätigenzahlen be- here Wachstumsraten, die mehr Beschäf- ruht, sind im Osten die Steigerungen auf tigte in der Industrie aufweisen. Denn im eine Reduzierung der Erwerbstätigenzahl Wesentlichen schafft nur die Industrie eine bei wachsendem Bruttoinlandsprodukt originäre Wertschöpfung, die über die Ein- zurückzuführen. Die wesentliche Determi- kommensketten ihren Niederschlag in der nante hierfür ist die Historie. Mit der deut- Nachfrage nach produktions- und haus- schen Einheit fand im Osten Deutschlands haltsnahen Dienstleistungen findet und ein enormer Modernisierungsprozess der somit den Dienstleistungssektor in seiner Wirtschaft statt, vor allem in der Industrie. Entwicklung mitbestimmt. Der regionale Dieser ging mit erheblichen Rationalisie- Wachstumseffekt des Industrialisierungs- rungen einher, um die Wettbewerbsfähig- grades ist auch mit der Einbindung in die keit der ostdeutschen Wirtschaft zu erhö- nationale und internationale Arbeitsteilung hen. In die Konvergenzgleichung kann die verbunden. Denn nur zusätzliches Einkom- Historie durch einen Ost-West-Dummy men kann nach der Export-Basis-Theorie berücksichtigt werden. Hierdurch steigt die Wachstumsprozesse generieren. Operatio- Erklärungskraft des Modells jedoch sehr ge- nalisiert wird dieser Faktor über den Indika- ring an (von 48 % auf 49 %). Dieser geringe tor „Anteil der sozialversicherungspflichtig Anstieg zeigt, dass die Historie bereits sehr Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe gut durch das Ausgangsniveau in der Ar- an allen sozialversicherungspflichtig Be- beitsproduktivität abgebildet wird. Was für schäftigten in Prozent“. Da keine verläss- die Ost-West-Historie gilt, kann auch für lichen Informationen über die regionale den Westen isoliert betrachtet von Bedeu- Exportintensität vorliegen, wird an dieser tung sein. Gemeint ist das wirtschaftliche Stelle auf eine weitere Qualifizierung der In-
Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 59 dustrie verzichtet. Selbst wenn eine Region noch kein hinreichender Indikator für die hohe Exportumsätze aufweist, können auch genannten Zusammenhänge. Denn über andere Regionen mit sehr niedrigen Werten die betrieblichen Verflechtungen kann ein über Vorleistungs- und Zulieferverflech- kleiner Betrieb Teil eines größeren Unter- tungen zu ähnlich hohen Exportumsätzen nehmens sein und durch die Ausnutzung beitragen, ohne dass dies in der amtlichen von regionalen Standortvorteilen fest in die Statistik deutlich wird. unternehmensinterne Arbeitsteilung ein- gebunden und abhängig sein. Leider liegen • Faktor Qualität der Arbeit jedoch keine flächendeckenden Informa- Um die Produktion von Gütern zu quali- tionen über das Ausmaß der sogenannten fizieren, soll der Faktor Arbeit qualifiziert externen Kontrolle von Betrieben vor. Die werden. Von der Theorie her kann das letzte empirische Untersuchung in diesem Wachstum durch eine Veränderung von Ar- Kontext stammt für die alten Bundesländer beit, Kapital und technischem Fortschritt aus dem Jahre 1987 (Gräber 1987). erklärt werden. So sehr sich diese Größen • Arbeitsmarkt in der Theorie isolieren lassen, so eng hän- gen sie in der Realität zusammen. Maschi- Haben die bislang angeführten möglichen nen kaufen keine Maschinen, Maschinen Wachstumsfaktoren einen betrieblichen mit einer höheren Produktivität entwickeln Charakter (Arbeit, Kapital, technischer Fort- sich nicht selbst und suchen sich auch schritt), soll mit dem Indikator „Arbeitslo- nicht ihren Standort selbst. Produkte müs- senquote“ die regionale Wettbewerbsfähig- sen erdacht, entwickelt und produziert wer- keit der Region beschrieben werden. Denn den. Um diese Produkte gewinnbringend haben die Betriebe einer Region in der zu veräußern, müssen Märkte erschlossen, Summe wirtschaftlichen Erfolg, führen die gepflegt und ausgebaut werden. Damit ist damit verbundenen Wachstumsprozesse auch der Faktor Arbeit ein höchst ausdiffe- zu Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und die renzierter, wenn es um die Tätigkeiten und Arbeitslosigkeit sinkt, die Kaufkraft steigt, Qualifikationen mit Einfluss auf die Kapi- was sich wiederum günstig auf den Dienst- talintensität oder -produktivität geht. Von leistungssektor auswirkt. Bedingt durch die besonderer Bedeutung dürfte in diesem Arbeitsmarktreformen 2005 wird diese Quo- Kontext der Faktor Arbeit sein, der sich mit te für den Zeit 2005 bis 2007 berechnet, wo- Forschung und Entwicklung als Grundlage bei statistische Berechnungen zeigen, dass von Wettbewerbsfähigkeit und Weiterent- Regionen mit hohen Arbeitslosenquoten wicklung beschäftigt. Operationalisiert wird 2005 bis 2007 auch hohe Arbeitslosenquo- dieser Faktor über den Indikator „Anteil der ten in den Jahren 1995 bis 2004 hatten und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vice versa. Dieser Indikator kann somit als mit technischen Berufen mit einem FH- Indiz für dauerhafte Strukturstärke oder oder Uni-Abschluss an allen sozialversiche- -schwäche gelten, auch wenn diese Quote rungspflichtig Beschäftigten in Prozent“. durch Historie, persönliche Entscheidun- gen und familiäre Hintergründe hinsicht- • Betriebsgröße lich der Erwerbsneigung beeinflusst wird. In der Tendenz verfügen vor allem größe- • Demografie und Siedlungsstruktur re Unternehmen über die notwendigen produktions- und forschungsorientierten Mit den Indikatoren zur Demografie, Sied- Kapazitäten, um sich am Markt zu behaup- lungsstruktur und der großräumigen Lage ten. Auch der Zugang zu Kapital könnte für sollen Potenzialfaktoren für regionales größere und damit meist auch etablierte Wirtschaftswachstum abgebildet werden. Unternehmen einfacher und preiswerter Die Bevölkerungsveränderung bestimmt sein. Andererseits wird kleinen Unterneh- die quantitative Seite auf dem Arbeitsmarkt, men aufgrund kurzer und klarer Entschei- beeinflusst dadurch die Konsumnachfra- dungswege mehr Marktflexibilität zuge- ge in der Region und somit auch die Ent- sprochen, was sich wiederum günstig auf wicklung des Dienstleistungssektors. Mit regionale Wachstumsprozesse auswirken der Einwohnerdichte wird der Einfluss von kann. Operationalisiert wird dieser Fak- Ballungsvorteilen beschrieben. Geringere tor über den Indikator „Beschäftigte je Transaktionskosten durch höhere Wahr- Betrieb im Bergbau u. verarbeitenden Ge- scheinlichkeiten von wirtschaftlichen Vor- werbe“. Die Betriebsgröße allein ist jedoch teilen von face-to-face-Beziehungen oder
Markus Eltges: 60 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen informellen Kontrakten und ein höheres kann sie diese zur Verbesserung der lokalen qualitatives Angebot von Arbeitskräften harten und weichen Stand- und Wohnort- können sich in diesem Indikator widerspie- bedingungen einsetzen und sich hierüber geln. Schließlich kann gute großräumige Er- Standortvorteile im regionalen Vergleich reichbarkeit eine bedeutende Rolle bei der verschaffen. Ökonomisch sind insbeson- Erschließung und Pflege von Absatzmärk- dere die Bauinvestitionen von Bedeutung. ten spielen. Über die durchschnittliche Schließlich werden zwei von drei Euro an Pkw-Fahrzeit zu den nächsten fünf Agglo- öffentlichen Bauinvestitionen durch die merationszentren in Minuten soll großräu- kommunale Ebene veranlasst, die durch mige Lage zum Ausdruck kommen, wobei wirtschaftliche Anstoßeffekte die Dynamik geringe Fahrzeiten wirtschaftliche Vorteile in der Region erhöhen können. Erfasst wird und hohe Fahrzeiten wirtschaftliche Nach- die kommunale finanzielle Leistungsfähig teile mit sich bringen können. durch den Indikator „kommunale Verschul- dung einschließlich Kassenkredite je Ein- • Staatlicher Einfluss wohner“. In diesem Indikator sind auch die Schließlich soll dem staatlichen Einfluss auf Verschuldungen der kommunalen rechtlich regionale Wachstumsprozesse Rechnung unselbstständigen Einrichtungen enthalten. getragen werden. Dieser wird hier über die Eine hohe Verschuldung dürfte negative Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe zur Einflüsse auf das regionale Wachstum ha- Verbesserung der regionalen Wirtschafts- ben. struktur in Gestalt der einzelbetrieblichen Förderung, durch die Förderung der wirt- Theoretische und damit statistische schaftsnahen Infrastruktur sowie durch Abhängigkeiten beachten: das Instrument der Städtebauförderung Viel spricht dafür, dass diese Wachstums- abgebildet. Diese Instrumente zielen be- faktoren durch gegenseitige Abhängigkei- wusst auf den Ausgleich regionaler Wachs- ten gekennzeichnet sind: tumsprozesse ab. Während die Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe gezielt durch • Dauerhafte Ungleichgewichte auf dem Investitionsanreize die betrieblichen Kos- lokalen Arbeitsmarkt führen zu einem ten im Vergleich zu Nicht-Fördergebieten Mangel freier Arbeitsplätze und zur Ab- reduzieren sollen, strebt die Städtebauför- wanderung von meist jungen und qualifi- derung eine Verbesserung der städtischen zierten Arbeitskräften. Lebens- und wirtschaftlichen Standort- • Der dadurch verursachte Rückgang der qualitäten an. In der Präambel der Ver- Bevölkerungszahl wird in der Regel durch waltungsvereinbarung zur Umsetzung der Defizite beim natürlichen Saldo verstärkt. Städtebauförderung heißt es daher: „Bund • Geringeres wirtschaftliches Wachstum und Länder stimmen darin überein, dass strahlt negativ auf die kommunale Steu- (8) die Städtebauförderung ihren Beitrag zu Die Veränderungsrate des no- erkraft aus.8 Eine Region, die dauerhaft Wachstum und damit Beschäftigung leis- minalen Bruttoinlandsproduk- geringe Wachstumsraten erzielt, ist weni- tes zwischen 1995 und 2009 ten muss. Hierzu sind diese auf städtische ger in der Lage, geänderten wirtschaftli- und die Veränderungsrate und ländliche Räume mit erhöhten struk- der nominalen gemeindlichen chen Rahmenbedingungen zu begegnen. Steuerkraft zwischen 1995 und turellen Schwierigkeiten zu konzentrie- 2009 korrelieren in den alten ren. Auf diese Weise wird die Attraktivität • Gleichzeitig bedeutet der Rückgang der Ländern (ohne Stadtstaaten) der Städte und Gemeinden als Wohn- und Bevölkerungszahlen für die Kommunen mit +0,70 und den neuen Län- dern mit +0,47 (Spearman). Wirtschaftsstandort gestärkt, die Schaffung weniger Geld, da zentrale Zahlungsströ- Die Korrelationen sind auf dem und Erhaltung neuer Arbeitsplätze geför- me im kommunalen Finanzausgleich an 0,01 Niveau signifikant (zwei- seitig). dert und ihre Zukunftsfähigkeit nachhaltig die Einwohnerzahlen gekoppelt sind. Fer- (9) unterstützt.“ (Verwaltungsvereinbarung ner führt ein Rückgang der Bevölkerungs- Ökonometrische Schätzungen Städtebauförderung 2012: 2) Der staatliche zahlen zu Ausgabenremanenzen auf der für die neuen Länder haben ge- Einfluss auf regionale Wachstumsprozesse Infrastrukturseite.9 Technische Unteilbar- zeigt, dass auf der Kommunal- ebene bereits das Wirken von vollzieht sich aber nicht nur über Anreiz- keiten verhindern eine schnelle und be- Ausgabenremanenzen nach- programme und Verbesserung von Stand- triebswirtschaftlich sinnvolle Anpassung. weisbar ist. „Ausgabenrema- nenzen liegen dann vor, wenn ortbedingungen, sondern auch über die Schnelle Personalanpassungen in der infolge eines Rückgangs der finanzielle Leistungsfähigkeit der kommu- kommunalen Verwaltung sind ebenfalls Bevölkerung die Pro-Kopf-Kos- ten bzw. Pro-Kopf-Ausgaben nalen Gebietskörperschaften selbst. Hat nicht möglich. Dies erhöht die Ausgaben ansteigen.“ eine Gemeinde freie finanzielle Mittel, so pro Einwohner.
Informationen zur Raumentwicklung Heft 1.2013 61 • Die Effekte aus höheren Ausgaben für und „Region“ aus und führen zu sinken- transferabhängige Personen und gerin- den Investitionen in privaten Betrieben geren Einnahmen führen zu einer Lücke und einer Reduktion von Arbeitsplätzen. zwischen laufenden Einnahmen und Folge sind weitere Ungleichgewichte auf laufenden Ausgaben. Dies erhöht die dem lokalen Arbeitsmarkt mit negativen kommunale Verschuldung insbesonde- Konsequenzen für das regionale Wachs- re bei Kassenkrediten. Ist dieser Prozess tum. dauerhaft, werden zunächst freiwillige Ausgaben gestreckt oder ganz gestrichen. Statistisch gesprochen drücken sich diese Hiervon betroffen sind vor allem die Abhängigkeiten in einer bedingten Konver- kommunalen Investitionen. Abnehmen- genzgleichung in der Multikolliniarität der de kommunale Mittel für Investitionen Wachstumsfaktoren aus, wodurch die Zu- wirken sich wiederum negativ auf den verlässigkeit der Schätzung der Parameter Lebens- und Wirtschaftsstandort „Stadt“ stark beeinträchtigt wird. Tabelle 1 Mögliche Erklärungsfaktoren regionaler Wachstumsprozesse Korrelationskoeffizient West Ost Gesamt West Ost nach Spearman Variablen in durch ln Arbeits Gesamt = 100 der Faktoren schnittliche produktivität analyse Wachstums- 1995 jeweils in LN differenz der (West N = transformiert Arbeitspro 204 / duktivität Ost N = 54) 2008–1995 (West N = 204/ Ost N = 54) Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätige in € 1995 48 217 34 059 45 254 107 75 Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätige in € 2008 59 980 49 867 57 863 104 86 absolute Differenz 11 762 15 808 12 609 Veränderungsrate in % 24,4 46,4 27,9 nachrichtlich Veränderungen der Einzelkomponenten Veränderungsgsrate Bruttoinlandsprodukt 35,3 39,1 36,1 2008–1995 in % Veränderungsgsrate Erwerbstätige 8,6 -5,4 5,7 2008–1995 in % Wettbewerbsfähigkeit/Industrie/Forschung und Entwicklung: Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in € 1996 x 0,783 -0,313 (0,206/) 29 453 23 214 28 147 105 82 (0,599/0,352) Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in € 2008 33 403 27 340 32 134 104 85 absolute Differenz x 0,465 3 950,3 4 125,6 3 987,0 (0,542/0,366) Veränderungsrate in % 13,4 17,8 14,2 nachrichtlich: Verfügbares Einkommen je Einwohner in € 1995 14 682 11 241 13 962 105 81 Verfügbares Einkommen je Einwohner in € 2008 19 353 15 410 18 528 104 83 absolute Differenz 4 671 4 169 4 566 Veränderungsrate in % 31,8 37,1 32,7 Arbeitslosenquote im Durchschnitt der Jahre 95–04 9,1 19,0 11,1 81 170 Arbeitslosenquote im Durchschnitt der Jahre 05–08 x 0,238 (-0,328/) 8,7 17,7 10,6 82 168 Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäf x -0,149 tigten im verarbeitenden Gewerbe an allen so 0,371 (/-0,567) 33,6 17,5 30,2 111 58 (0,335/0,471) zialversicherungspflichtig Beschäftigten in % 1998 Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäf tigten im verarbeitenden Gewerbe an allen so 30,6 21,6 28,7 107 75 zialversicherungspflichtig Beschäftigten in % 2008 absolute Differenz x 0,556 -2,9 4,0 –1,5 (0,243/0,383) Veränderungsrate in % -8,7 22,9 -4,8 durchschnittliche Betriebsgröße im Bergbau u. x 0,653 verarb. Gewerbe im Jahrsdurchschnitt im Mittel -0,259 (0,118/) 145 91 134 108 68 (0,466/0,260) der Jahre 1995 und 2008 Fortsetzung >
Markus Eltges: 62 Regionale Konvergenz und Divergenz – die Frage der Fragen Korrelationskoeffizient West Ost Gesamt West Ost nach Spearman Variablen in durch ln Arbeits der Faktoren schnittliche produktivität analyse Wachstums- 1995 jeweils in LN differenz der (West N = transformiert Arbeitspro 204 / duktivität Ost N = 54) 2008–1995 (West N = 204/ Ost N = 54) Gesamt = 100 Anteil der sozialversicherungspflichtig x Beschäftigten mit technischen Berufen und 0,290 1,67 2,03 1,74 95,63 116,51 FH- oder Uni-Abschluss an allen sozial (0,687/0,313) versicherungspflichtig Beschäftigten in % 1995 Anteil der sozialversicherungspflichti Beschäf tigten mit technischen Berufen und FH- oder 2,14 1,97 2,10 101,64 93,81 Uni-Abschluss an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in % 2008 absolute Differenz x (0,282/0,247) 0,47 -0,06 0,36 Veränderungsrate in % 28,19 -2,88 20,61 Demografie/Siedlungsstruktur/großräumige Lage: Bevölkerungsveränderung 2008 bis 1995 in % x -0,373 (/0,244) 1,5 -9,2 -0,8 Einwohner je m (Einwohnerdichte) 1995 2 x -0,339 (-0,274/) 0,544 (0,635/) 314 244 299 105 81 Durchschnittliche Pkw-Fahrzeit zu den nächsten x -0,584 0,508 (0,343/) 126 160 133 95 120 5 Agglomerationszentren in Minuten1994 (-0,457/) Durchschnittliche Pkw-Fahrzeit zu den nächsten 122 140 126 97 111 5 Agglomerationszentren in Minuten 2012 absolute Differenz x -0,477 ( / ) -3,5 -20,0 -6,9 Veränderungsrate in % -2,8 –12,5 -5,2 Staatlicher Einfluss: kommunale Verschuldung einschl. Kassenkredite X -0,313 (-0,300/) 1 655 1 298 1 581 105 82 je Einwohner im Mittel der Jahre 1998 und 2008 GRW – einzelbetriebliche Förderung in der Summe der Jahre 1995 bis 2007 je Einwohner im Mittel X 0,433 ( /0,475) 66 1 658 399 16 416 der Jahre 1995 bis 2007 (bewillige Mittel) GRW – wirtschaftsnahe Infrastruktur in der Summe der Jahre 1995 bis 2007 je Einwohner im X 0,425 (/0,264) 21 655 154 14 426 Mittel der Jahre 1995 bis 2007 (bewilligte Mittel) Städtebauförderung in der Summe der Jahre 1995 bis 2007 je Einwohner im Mittel der Jahre X 0,525 (0,186/ ) 23 263 74 32 358 1995 bis 2007 (Verpflichtungsermächtigungen) Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR, eigene Berechnungen. Ost mit Berlin, ungewichtige Mittelwerte, kursive Werte: Die Korrelation ist auf dem 0,05 Niveau signifikant (zweiseitig), sonst 0,01. Indikatoren ohne Korrelationskoeffizient nicht signifikant. Empirische Ergebnisse: rungskraft einer bedingten Konvergenzglei- chung auf 70 % zu erhöhen (Aleke/Mitze/ Die 16 erklärenden Variablen (s. Tab. 1; Ni- Untiedt 2010: 20). Regionale Grundlage wa- veau- und Veränderungsraten) können vor ren auch hier die deutschen Arbeitsmarkt- der Einbindung in die Analyse mit Hilfe ei- regionen für den Zeitraum 1994 bis 2006. ner Faktorenanalyse mit orthogonaler Ro- Auch wenn hier über die Wachstumsfakto- tation zu fünf Faktoren verdichtet werden. ren regionale Innovationskraft, internatio- Trotzdem kann die Erklärungskraft der be- nale Verflechtung, Bestand an Humanka- dingten Konvergenzgleichung nur auf 63 % pital, das Marktpotenzial, Standort- und erhöht werden.10 Für die wissenschaftliche Urbanisierungseffekte sowie staatliche Politikberatung ergibt sich der Nachteil, Förderintensitäten im Rahmen der Bund- dass die einzelnen Ursachen nicht isoliert (10) Länder Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- für sich stehen, sondern Bestandteil eines Da das Ausgangsniveau der rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ Arbeitsproduktivität modellbe- statistischen Konstrukts sind. Hierunter lei- nach Artikel 91a GG berücksichtigt wurden, dingt als erklärende Größe in det die Ableitung politikrelevanter Instru- der Gleichung bleibt und nicht spricht viel dafür, dass das Ausgangsniveau mit in die Faktorenanalyse ein- mente. der Arbeitsproduktivität im Jahre 1994 im- geht, kann die Multikolliniarität nicht gänzlich ausgeschaltet Mit einem sehr ausdifferenzierten Ansatz mer noch die größte Erklärungskraft be- werden, da auch zwischen den gelingt es beispielsweise Alecke, Mitze und inhaltet. Das heißt, gemessen an der Zahl Faktoren und dem Ausgangs- Untiedt in einer Studie über die Wachs- theoretisch fundierter Indikatoren sollte niveau der Arbeitsproduktivität Korrelationen bestehen. tumseffekte der GRW-Förderung die Erklä- der zusätzliche Erklärungsbeitrag in der
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