INDIVIDUALISIERTE PREISDIFFERENZIERUNG IM DEUTSCHEN ONLINE-HANDEL - Eine Untersuchung der Verbraucherzentralen - November 2018 - Die Marktwächter
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79,99 € 72,00 € INDIVIDUALISIERTE PREISDIFFERENZIERUNG IM DEUTSCHEN ONLINE-HANDEL Eine Untersuchung der Verbraucherzentralen – November 2018
2 | Inhalt INHALT ABBILDUNGEN 3 ZUSAMMENFASSUNG: INDIVIDUALISIERTE PREISE WERDEN BEOBACHTET 4 1. RELEVANZ UND ZIELSETZUNG 6 2. METHODISCHES VORGEHEN 8 3. INDIVIDUALISIERTE PREISDIFFERENZIERUNG – STATUS QUO 10 Stand der Forschung – empirische Erkenntnisse 10 Sicht der Händler – zurückhaltende Nutzung 13 Sicht der Verbraucher - ablehnende Haltung 13 Gesamtwirtschaftliche Wirkung – differenzierte Folgen 13 Datenschutzrechtliche Sicht – notwendige Transparenz 14 4. INDIVIDUALISIERTE PREISE IM DEUTSCHEN ONLINE-HANDEL 15 Standortbasierte Preisdifferenzierung 15 Endgerätbasierte Preisdifferenzierung 21 5. FAZIT: INDIVIDUALISIERTE PREISE FINDEN PUNKTUELL ANWENDUNG 27 6. QUELLENVERZEICHNIS 29
3 | Abbildungen ABBILDUNGEN 1 Überblick aktueller empirischer Untersuchungen zu individualisierter Preisdifferenzierung 11 2 Auswertung der untersuchten Online-Händler bezüglich Auffälligkeiten individualisierter Preisdifferenzierung 16 3 Beispiel der Preisdifferenzierung nach Standorten beim Online-Händler ATU 17 4 Beispiel der Preisdarstellung des Online-Händlers ATU 18 5 Varianten der Bestell- und Lieferinformationen des Online-Händlers OBI 19 6 Häufigkeit beobachteter Preisdifferenzierung beim Online-Händler OBI 20 7 Beispiel der Preisdifferenzierung nach Standorten beim Online-Händler OBI 20 8 Anzahl der untersuchten und auffälligen Artikel und Händler 22 9 Endgerätbasierte Preisunterschiede 23 10 Beispiel der Preisdarstellung des Online-Händlers Amazon 26
4 | Zusammenfassung: Individualisierte Preise werden beobachtet ZUSAMMENFASSUNG: INDIVIDUALISIERTE PREISE WERDEN BEOBACHTET Das Team des Marktwächters Digitale Welt der ENDGERÄTE ZEIGEN UNTERSCHIEDLICHE Verbraucherzentrale Brandenburg untersuchte in zwei PREISE Erhebungswellen individualisierte Preissetzungsstrate- gien, wie die Preissetzung nach dem eingesetzten End- Auf amazon.de und dem Amazon Marktplatz wies gut gerät oder dem Standort des Kunden. Hierzu wurden jeder dritte untersuchte Artikel unterschiedliche Preise Preise bei 16 deutschen Online-Händlern sowie Amazon auf den fünf untersuchten Endgeräten auf. Untersucht und Händlern des Amazon Marktplatzes beobachtet. wurden 297 Bestseller der Bereiche Beauty, Elektronik & Foto und Spielzeug. Dabei fanden sich in der Kategorie Bei der überwiegenden Mehrheit der untersuchten Spielzeug mit 61 Prozent aller untersuchten Artikel die Händler konnte keine individualisierte Preissetzung häufigsten Preisauffälligkeiten. Die ermittelten Preisun- nachgewiesen werden. terschiede wurden nur bei sehr wenigen Händlern des Amazon Marktplatzes (5 %) beobachtet. Auch die Höhe Bei zwei Online-Händlern wurde eine Preisdifferenzie- der Preisunterschiede fiel im Durchschnitt äußerst ge- rung über den Standort festgestellt. Auf Amazon und ring aus. Bei der Suche nach Smartphones kam es in dem Amazon Marktplatz konnten Preisdifferenzen auf Einzelfällen zu Preisdifferenzen von bis zu 14 Prozent den Endgeräten beobachtet werden. Ursächlich hierfür bzw. 45,99 Euro, je nachdem ob man über Android oder zeigten sich jedoch Faktoren wie hochdynamische Preis- iOS auf den Artikel zugriff. In der Tendenz zeigten iPad setzung, unterschiedliche Darstellung auf den Geräten und iPhone mit 68 Prozent der beobachteten Preisdif- sowie die Ausweisung von Versandkosten. ferenzen über alle auffälligen Artikel am häufigsten ein günstigeres Angebot. Die These, dass iOS-Nutzer als PREISE IN MÜNCHEN ANDERS ALS IN zahlungskräftigere Kundengruppe einen höheren Preis BERLIN erhalten als beispielsweise Android-Nutzer, kann für vorliegende Untersuchung nicht bestätigt werden. Der Online-Autoteilehändler atu.de differenzierte acht Prozent der beobachteten Artikel nach dem Standort, HOHE DYNAMIK, PREISDARSTELLUNG der Online-Baumarkt obi.de etwas mehr als die Hälfte UND VERSANDKOSTEN BEWIRKEN (52 %). Die Online-Ersparnis für Kunden betrug überwie- PREISUNTERSCHIEDE gend unter zehn Prozent gemessen am höheren Artikel- preis. Im Extrem wurde ein Rabatt von 38 Prozent bzw. Vor dem Hintergrund hoch dynamischer Preisdifferen- 25 Euro gewährt. ATU-Kunden erhielten am Standort zierung im Online-Handel und damit einer Preisanpas- Marburg öfter einen günstigeren Online-Preis, bei obi.de sung in kurzer zeitlicher Abfolge kann nur schwer zwi- profitierten eher Kunden mit einer IP-Adresse aus Berlin. schen individualisierten und dynamischen Effekten Ein stabiles Muster von Rabattierungen nach Standort unterschieden werden. Zudem werden auf mobilen ließ sich jedoch nicht erkennen: Mal profitierten Kunden Geräten Informationen zum Artikel, wie Farbauswahl, in Berlin, mal in München, mal in Marburg. Hintergrund Modellvarianten oder technische Details oftmals nicht der Preissetzung bei OBI ist nach eigenen Angaben das umfassend angezeigt. Die verkürzte Darstellung führt Geschäftsmodell mit Filial- und Franchisesystem. zu unterschiedlichen Preisansichten auf den Geräten. Auch Versandkosten werden auf den untersuchten End- geräten in unterschiedlicher Höhe ausgewiesen: Dies erweckt bei Kunden den Eindruck differenzierter Preise je nach Endgerät.
5 | Zusammenfassung: Individualisierte Preise werden beobachtet FÜR VERBRAUCHER MÜNDEN PREIS- UNTERSCHIEDE IN UNZUFRIEDENHEIT Die Vielfältigkeit der Preisgestaltung im Online-Handel – von hoher Dynamik, über Standortdifferenzierung, un- terschiedlicher Darstellung auf den Endgeräten bis hin zu Versandkosten als Preisschraube – sorgt für Intrans- parenz beim Kunden. Wie Beschwerden bei den Ver- braucherzentralen und frühere Untersuchungen zeigen, führt das zu Unsicherheit, Vertrauensverlust und Unmut beim Verbraucher1 und schadet am Ende vor allem dem Online-Handel selbst. 1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in diesem Bericht auf die gleich- zeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachform verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für jedes Ge- schlecht.
6 | Relevanz und Zielsetzung 1. RELEVANZ UND ZIELSETZUNG Bei jedem Kauf im Internet, aber auch bei der Suche der Verbraucher zur Preisbildung herangezogen werden nach Produkten oder Informationen hinterlassen Ver- (vgl. Grimm 2016). Die Süddeutsche Zeitung hingegen braucher persönliche Daten. Neben wissentlich beim schreibt in ihrem Online-Portal zwei Jahre später, dass Kauf übermittelter Daten, wie Name, E-Mail-Adresse, An- Firmen erst an Methoden wie der personalisierten Preis- schrift und Kontodaten, werden weitere Informationen setzung „basteln“ würden (vgl. Beenen et al. 2018). In über den Webbrowser erfasst. Dieser übermittelt Daten einem weiteren Artikel gibt sie dennoch Verbraucher- wie den Namen und die Identitätskennung des Servers, Tipps (vgl. Pöhler 2018). das sekundengenaue Datum und die IP-Adresse. Um bei wiederholtem Aufruf der Seite den Nutzer zuordnen Auch variieren die Auffassungen darüber, welche Kun- zu können, werden sogenannte „Cookies“ verwendet. dendaten Online-Händler für die Preisbildung auswer- Hiermit können beispielsweise die Verweildauer auf der ten. Am sichersten scheint ein Tracking des Endgerätes Internetseite, das Klickverhalten oder der Suchprozess zu sein. Hierüber berichten beispielsweise FOCUS online, des Kunden erhoben werden (vgl. Frohmann 2018: 155). Frankfurter Rundschau oder der BR-Radiosender Bayern Der Einsatz von Web-Tracking ermöglicht es, das Verhal- 2. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Tagesspiegel ten eines Nutzers in Echtzeit zu verfolgen (vgl. Landesbe- und die Süddeutsche Zeitung sehen das Endgerät eben- auftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit falls als entscheidenden Faktor bei der Preisausweisung, Rheinland-Pfalz 2018). schränken aber ein, dass sich hierdurch in einigen Fällen lediglich die Sortierreihenfolge der angezeigten Angebo- Die so erfassten Daten werden von Unternehmen zu- te von billig nach teuer oder umgekehrt ändern würde sammengeführt und analysiert. Eine Datenauswertung (vgl. Klemm 2017, Álvarez 2016, Pöhler 2018). Ein Smart- erlaubt Rückschlüsse auf persönliche Lebensumstände phone zeigt oft höhere Preise als der PC oder Laptop. und Präferenzen eines Verbrauchers. Es bietet damit die Weiterhin bestehe der Verdacht, dass Händler den Nut- Möglichkeit, auf ihn abgestimmt zu agieren. Das kann zern teurer iPhones eine größere Kaufkraft unterstellen2. beispielsweise über eine Individualisierung von Produk- ten und Dienstleistungen aber auch Preisen erfolgen. Als ein weiteres Kriterium für individualisierte Preise Vor diesem Hintergrund sprach sich im Januar dieses wird das Konsum- und Surfverhalten diskutiert. Was hat Jahres der Petitionsausschuss des Deutschen Bundes- der Kunde schon gekauft? Was hat er sich wie oft ange- tages dafür aus, die individualisierte Preisgestaltung sehen? Schon häufiger angeklickte Produkte scheinen im Online-Handel in den Fokus verbraucherpolitischer von großem Interesse zu sein und würden deshalb teurer Untersuchungen zu stellen (vgl. Deutscher Bundestag werden (vgl. Álvarez 2016). Laut Handelsjournal, Tages- 2018). Auch das kürzlich vorgelegte Gutachten der Mo- spiegel und Frankfurter Rundschau ist zudem entschei- nopolkommission stellt die zunehmende Relevanz und dend, ob ein Verbraucher auf direktem Weg oder über Auswirkungen von Algorithmen bei der Preisgestaltung Suchmaschinen bzw. Vergleichsportale zum Webshop heraus (vgl. Monopolkommission 2018). Besonders in gelangt ist (vgl. Álvarez 2016, Dräbing 2017). Zur Preis- der öffentlichen Wahrnehmung wird die Individualisie- setzung werden Online-Händler, laut Süddeutscher Zei- rung, auch von Preisen, zunehmend diskutiert. tung, künftig auch die Social Media-Kanäle der Kunden auswerten, denn: „Teilt der Konsument Produkte einer So greifen die Medien individualisierte Preise in jüngster Marke auf seinen Accounts, ist er wohl bereit, mehr zu Zeit regelmäßig auf und nehmen diese Form der Preis- investieren.“ (vgl. Beenen et al. 2018) Der Spiegel führt setzungsstrategie im Online-Handel als weitestgehend schließlich sogar den Akkustand des Smartphones als gegeben an. Uneinigkeit besteht jedoch über das Aus- maß: So berichtet der Stern im Februar 2016, dass On- 2 https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/notizbuch/dyna- line-Händler längst von Endgerät, Browser und Wohnort mic-pricing-wie-der-verbraucher-online-verwirrt-wird-100.html, der Kunden abhängige Preise vergeben. Der SWR hatte https://www.focus.de/digital/online-shops-kann-man-online-shops- im Herbst 2015 dazu berichtet, dass auch Parameter noch-trauen_id_7292977.html, http://www.fr.de/leben/computer_in- ternet/news/big-data-und-microtargeting-facebook-was-passiert-mit- wie das Einkaufsverhalten und die Zahlungsbereitschaft unseren-daten-im-netz-a-1471570, Stand: 19.09.2018.
7 | Relevanz und Zielsetzung denkbaren Parameter an, da auch dieser mitunter die verwendetem Endgerät: So beobachteten Verbraucher Akzeptanz höherer Preise beeinflussen könne (vgl. Jung beim Buchungsportal booking.com unterschiedliche Ho- 2017). Auffällig ist, dass im Zusammenhang mit indivi- telpreisangaben je nach Nutzung unterschiedlicher End- dualisierten Preisen immer wieder Anbieter der Reise- geräte; der Zeitpunkt der Buchung und das Hotel waren branche und der Großkonzern Amazon genannt werden. dabei identisch. Unterschiedliche Preisangaben für den identischen Artikel je nach genutztem Endgerät wur- VERBRAUCHER MELDEN ZUNEHMEND den darüber hinaus auch beim Anbieter babymarkt.de, PREISUNTERSCHIEDE ALS ÄRGERNIS ikea.de und beschlagsfachhandel.de beobachtet. Außer- dem wurden Preisdifferenzen je nach Standort gemeldet: Die Verbraucherzentralen unterhalten ein Frühwarnnetz- So ermittelten Verbraucher unterschiedliche Hotelpreise werk3, in dem sie bundesweit kontinuierlich Verbrau- im Disneyland Paris, je nachdem ob man aus Deutsch- cherbeschwerden rund um Themen der digitalen Welt land oder Frankreich buchte. Eine weitere Beobachtung auswerten. Seit dem Jahr 2018 nehmen die Meldungen bezieht sich auf spezielle Rabattlinks, die per E-Mail an zu unterschiedlichen Preisen für identische Produkte im Verbraucher direkt versendet werden und Preisnachlässe Frühwarnnetzwerk der Verbraucherzentralen zu: Hier be- versprechen. Eine allgemeine Suche nach dem identi- richten Verbraucher beim Anbieter amazon.de, mehrfach schen Produkt führte zu dem Ergebnis, dass das Produkt Preissteigerungen beobachtet zu haben, sobald sie ein ohne Rabattlinks günstiger angeboten wurde. Die Händ- Produkt in den Warenkorb gelegt haben. Aber auch das ler misterspex.de und tonerpartner.de wurden in diesem Gegenteil wurde geschildert: Artikel auf der Beobach- Zusammenhang von Verbrauchern genannt. tungsliste wurden preislich günstiger – jedoch verbun- den mit der Meldung, dass nur noch ein Produkt vorhan- Sowohl die öffentliche Debatte als auch die Verbraucher- den sei. Eine Prüfung des Verbrauchers ergab, dass trotz meldungen deuten darauf hin, dass individualisierte des Kaufs weitere gleiche Produkte angeboten wurden. Preise zunehmend beobachtet und als negativ wahrge- Zudem wurde auch berichtet, dass sich Händler des Ama- nommen werden. Die beobachteten Prinzipien, nach de- zon-Marktplatzes über die Nichtangabe von Versandkos- nen die Preise differenziert werden, sind unterschiedlich, ten im Ranking gegenüber den Mitwettbewerbern besser die theoretischen Möglichkeiten für die Unternehmen platzieren. Somit wurde für den Käufer erst am Ende eines vielfältig. Welche Strategien die Unternehmen in der Rea- Bestellvorganges bzw. bei der nachträglich gesendeten lität verfolgen und in welchem Ausmaß Preise im Online- Bestellübersicht der Gesamtpreis transparent angezeigt. Handel differenziert werden, ist weitgehend unbekannt. Auch wurden Preiserhöhungen nach dem „Drücken“ des Insbesondere fehlt es an empirischer Evidenz zur Exis- Bestellbuttons festgestellt. Bemängelt wurden Stornie- tenz individualisierter Preisdifferenzierung im Online- rungen, obwohl die Ware vom Händler weiterhin angebo- Handel (vgl. Jentzsch 2017: 11). ten wurde, allerdings zu einem deutlich höheren Preis. Zudem melden Verbraucher den Verbraucherzentralen Die vorliegende Untersuchung nimmt die öffentliche Auffälligkeiten bei Online-Elektronikhändlern: So wurden Aufmerksamkeit, die exemplarischen Beobachtungen Artikel, die innerhalb einer Rabattaktion bei redcoon.de und die mangelnde Evidenz bezüglich individualisierter mit Preisnachlass angeboten wurden, nicht geliefert, ob- Preisdifferenzierung zum Anlass und untersucht mittels wohl die Artikel nach der Aktion lieferbar waren. Gleiches umfassender Preisbeobachtung ausgewählte Händler in wurde von Verbrauchern bei den Händlern saturn.de und Bezug auf individualisierte Preisdifferenzierung im deut- alternate.de bemerkt. Weitere Verbrauchermeldungen schen Online-Handel. beziehen sich auf unterschiedliche Preisangaben je nach Hierzu ordnet sie bestehende Begriffe ein, gibt einen 3 Beim bundesweiten Frühwarnnetzwerk (FWN) des Marktwächters der Überblick zu empirisch nachweisbarem Vorkommen und Verbraucherzentralen handelt es sich um ein Erfassungs- und Analy- die Bewertung individualisierter Preisdifferenzierung sesystem für auffällige Sachverhalte aus der Verbraucherberatung. Grundlage stellt eine ausführliche Sachverhaltsschilderung durch Be- aus Handels- und Verbraucherperspektive. Nachfolgend ratungskräfte dar, die eine Kategorisierung sowie eine anschließende werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung qualitative Analyse ermöglicht. Eine Quantifizierung der Daten aus dem 16 ausgewählter Online-Händler sowie Händler auf dem FWN heraus bzw. ein Rückschluss auf die Häufigkeit des Vorkommens in der Verbraucherberatung oder in der Gesamtbevölkerung insgesamt Amazon Marktplatz vor dem Hintergrund gewählter Preis- ist jedoch nicht möglich. strategien dargestellt und bewertet.
8 | Methodisches Vorgehen 2. METHODISCHES VORGEHEN Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung wurden droid Phone, Android Tablet, Apple iPhone, Apple iPad7) mittels Sekundäranalyse und empirischer Datenerhe- von den Standorten Berlin, Köln und Marburg (mittels IP- bung und -auswertung erstellt. Auf Basis bestehender Adresse8) zweimal täglich abgefragt. Für die Auswertung Ergebnisse wird zunächst ein Überblick zur empirischen lagen damit pro Tag insgesamt bis zu 30 Einzelpreiser- Evidenz individualisierter Preissetzung im Online-Han- hebungen pro Artikel und Händler vor. Die Erhebung der del gegeben. Hierzu erfolgte eine systematische Auswer- Artikelpreise erfolgte in einem engen Zeitkorridor von tung bestehender Sekundärquellen. Ergänzt wurden die maximal 25 Minuten. Im zweiten Untersuchungszeit- Erkenntnisse um Expertenmeinungen4. raum wurden für zwei Online-Händler die Verkaufspreise von bis zu 70 Artikeln erhoben. Die Artikelauswahl ba- DATENERHEBUNG sierte auf einer Zufallsstichprobe. Die Preise wurden pro Artikel an den Standorten Berlin, Marburg und München Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden 16 (mittels IP-Adresse) zweimal täglich abgefragt. Für die Online-Händler und amazon.de als Marktplatz hinsicht- Auswertung lagen somit pro Tag bis zu sechs Einzelpreis- lich ihrer Preissetzung im deutschen Online-Handel un- erhebungen pro Artikel und Händler vor. tersucht. Erkenntnisse zur dynamischen Preisgestaltung der 16 Online-Händler wurden unter dem Titel „Dynami- Für den Anbieter amazon.de wurden bis zu 100 Bestsel- sche Preisdifferenzierung im deutschen Online-Handel“5 lerartikel der Kategorien Beauty, Elektronik & Foto und im August 2018 veröffentlicht (vgl. Dautzenberg et al. Spielzeug am Starttag der Untersuchung ausgewählt. 2018). Die Auswahl der Händler erfolgte auf Basis der Die Preisabfrage erfolgte zweimal täglich in einem engen Kriterien Branche und Umsatz. Ziel war es, eine mög- Zeitkorridor über fünf virtuelle Gerätekonstellationen9. lichst große Branchenvielfalt sowie umsatzstarke On- Es gingen somit täglich bis zu zehn Einzelpreiserhebun- line-Händler zu berücksichtigen (vgl. ebenda: 8). Die Un- gen pro Artikel und Händler (Amazon und Händler des tersuchung wurde in zwei Erhebungswellen im Auftrag Amazon Marktplatzes) in die Auswertung ein. Alle Preis- des Marktwächters Digitale Welt durch die tripuls media abfragen wurden mittels Screenshots und Zeitstempel innovations GmbH durchgeführt. Die erste Datenerhe- dokumentiert. bung fand im Zeitraum vom 31.01. bis zum 05.03.2018, die zweite im Zeitraum vom 27.06. bis zum 06.09.2018 statt. Der Datenerhebung lag dabei die zentrale Server- software TPO6 zugrunde. Im ersten Untersuchungszeitraum wurden bei 16 Online- Händlern jeweils die Verkaufspreise von bis zu 70 Arti- 7 Die konkreten Gerätekonstellationen waren: iPhone: Mozilla/5.0 (CPU keln erhoben. Die Preise wurden zu jedem Artikel mit iPhone OS 10_3_3 like Mac OS X) AppleWeb-Kit/603.3.8 (KHTML, like fünf virtuellen Gerätekonstellationen (Windows NT, An- Gecko) Version/10.0 Mobile/14G60 Safari/602.1, iPad: Mozilla/5.0 (CPU OS 10_2_1 like Mac OS X) AppleWebKit/602.4.6 (KHTML, like Ge- cko) Version/10.0 Mobile/14D27 Safari/602.1, Android Phone: Mozil- la/5.0 (Linux; Android 7.0; Samsung sm-g935f/g935fxxu1dqbt Build/ 4 Hierzu wurde mit Vertretern nachfolgender Institutionen gesprochen: NRD90M) AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko) SamsungBrow- Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bun- ser/5.4 Chrome/51.0.2704.106 Mobile Safari/537.36, Android Tablet: desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesverband Mozilla/5.0 (Linux; U; Android 5.0.2; en-us; Nexus 7 Build/LRX22G) E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V., Handelsverband AppleWebKit/537.16 (KHTML, like Gecko) Version/4.0 Safari/537.16, Deutschland – HDE e. V., Hochschule Düsseldorf, Ministerium für Um- Windows NT: Mozilla/5.0 (Windows NT 10.0; Win64; x64) AppleWeb- welt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nord- Kit/537.36 (KHTML, like Gecko) Chrome/60.0.3112.113 Safari/537.36. rhein-Westfalen, Stiftung Warentest. 8 In einem Datennetz benötigt jedes angeschlossene Gerät eine 5 Vgl. https://www.marktwaechter.de/sites/default/files/marktwaech- eindeutige Adresse. Im Internet beziehungsweise in Netzen, die nach ter-untersuchung-dynamische-preisdifferenzierung.pdf. dem Internet-Protokoll (IP) arbeiten, spricht man deshalb von einer IP- 6 Das Softwaresystem Tripuls Price Observer (TPO) ist eine Eigenentwick- Adresse, die zum Beispiel einem PC oder Drucker zugeordnet wird. (vgl. lung der tripuls media innovations GmbH zur massenhaften Erhebung https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/fernsehen/ von Preisen bei Online-Händlern. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, zahlrei- medienglossar-die-wichtigsten-begriffe-zu-fernsehen-computer-und- che Preisabfragen nahezu synchron durchzuführen. Vgl. hierzu auch co-15558), Stand: 17.10.2018. https://www.tripuls.de/internetloesungen/preise-beobachten.html. 9 Identisch zur ersten Erhebung (vgl. Kapitel 2).
9 | Methodisches Vorgehen DATENAUSWERTUNG Für Preisauffälligkeiten innerhalb des Zeitkorridors von maximal 20 Minuten erfolgte eine quantitative und qua- Vor Beginn der Datenauswertung erfolgten eine Prüfung litative Analyse. Mittels quantitativer Analyse wurden der Erhebungszeitpunkte sowie eine Prüfung der Prei- die Anzahl auffälliger Artikel und Händler untersucht. se auf Plausibilität. Kam es in wenigen Fällen aufgrund Zur Einordnung der Ergebnisse wurden die Häufigkeit technischer Probleme, wie der Wartung der Internetprä- und das preisliche Ausmaß der Preisauffälligkeiten senz der Online-Händler oder Amazons oder bestimm- betrachtet. Die Berechnung der Häufigkeit erfolgte auf ter Sicherungsmechanismen gegen automatisierte An- Basis der Anzahl beobachteter Preisauffälligkeiten pro fragen (sog. Bot Protection), zu Datenlücken, wurden Artikel. Das preisliche Ausmaß wurde als Differenz des nur erfasste Werte in die Auswertung einbezogen. Ein minimal sowie maximal beobachteten Preises inner- Auffüllen fehlender Messwerte erfolgte nicht, um die halb einer Preisauffälligkeit (zu einem Messzeitpunkt) Vermischung individualisierter und dynamischer Effekte berechnet. zu vermeiden. Mittels qualitativer Analyse wurden die jeweils Die Datenauswertung individualisierter Preisdifferen- erhobenen Screenshots pro Preiserhebung ausgewertet. zierung hinsichtlich Standort und Endgerät erfolgte für Diese berücksichtigte neben einer Qualifikation der die Datenerhebung im ersten und zweiten Untersu- Zeitunterschiede innerhalb der 20 Minuten auch chungszeitraum separat. Im ersten Untersuchungszeit- Faktoren der Preisdarstellung auf den Webseiten der raum gingen insgesamt 1.133 Artikel mit den jeweiligen Anbieter. Preiserhebungen in die Analyse ein. Im zweiten Untersu- chungszeitraum waren es insgesamt 421 Artikel. Mittels Berechnung der Spannweite aller erfassten Prei- se pro Messzeitpunkt unter den genannten Bedingungen wurde jeder Artikel auf Preisunterschiede hin geprüft (im Folgenden „Preisauffälligkeiten“). Preisauffälligkei- ten, die eine zeitlich versetzte Abfrage der Standorte bzw. Endgeräte von mehr als 20 Minuten aufwiesen, wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Eine Preisauffälligkeit liegt damit immer dann vor, wenn ein Artikelpreis zu einem Erhebungszeitpunkt zwischen den erhobenen Endgeräte- oder Standortkonstellationen Un- terschiede aufweist.
10 | Individualisierte Preisdifferenzierung – Status Quo 3. INDIVIDUALISIERTE PREISDIFFERENZIERUNG – STATUS QUO Individualisierte Preisdifferenzierung erfolgt immer Herausforderungen an das Untersuchungsdesign stellt auf der Grundlage kundenindividueller Entscheidungs- und somit nur schwer zu erbringen ist (vgl. Mikians et al. parameter. Die Möglichkeiten der Differenzierung von 2012: 2). Neben der Notwendigkeit der Erhebung großer Preisen sind in diesem Fall vielfältig. Unterteilt werden Datenmengen müssen insbesondere mögliche Einfluss- kann unter anderem in mengenabhängige, leistungsab- faktoren wie die eingesetzte Hard- und Software, das hängige, gruppenabhängige oder personalisierte Preis- Surfverhalten, der Standort oder auch soziodemografi- setzung – abhängig von der Art der kundenindividuellen sche Daten voneinander isoliert betrachtet werden, um Parameter (vgl. Dautzenberg et al 2018: 11). Bei letzter eine genaue Ursache-Wirkungsbeziehung darstellen zu Form erhält jeder Kunde aufgrund seiner individuellen können. Nachfolgend wird ein aktueller Überblick über Zahlungsbereitschaft unterschiedliche Preise für das die empirische Evidenz individualisierter Preisdifferen- gleiche Produkt zur selben Zeit auf der gleichen Websei- zierung gegeben. Abbildung 1 (Seite 11) führt die Auto- te (vgl. Mikians et al. 2012: 2; Zander-Hayat et al. 2016: ren, untersuchte Faktoren und den Umfang der Daten- 3-4). Um die Zahlungsbereitschaft der Kunden einschät- basis auf. zen zu können, benötigt der Händler persönliche Daten des Verbrauchers. Dazu können beispielsweise dessen Shiller (2016) zeigt, dass die Nutzung des Wissens um verwendete Hard- und Software, soziodemografische die individuelle Zahlungsbereitschaft als Kombination Daten wie Alter, Geschlecht oder das bisherige Kauf- und demografischer Daten und kundenspezifischer webba- Surfverhalten gehören (vgl. Zander-Hayat et al. 2016: 2). sierter Verhaltensdaten (wie Browserhistorie, Kaufver- Im Gegensatz dazu ändern sich bei einer dynamischen halten u. a.) für ein Unternehmen hoch profitabel sein Preisdifferenzierung die Preise im Zeitverlauf, d. h. man kann. Das Ergebnis seines Schätzmodells belegt am findet auf der Webseite zu verschiedenen Uhrzeiten oder Beispiel des Anbieters Netflix, dass er seinen Gewinn an verschieden Tagen unterschiedliche Preise (vgl. Daut- durch die Implementierung personalisierter Preise mit- zenberg et al. 2018: 11). hilfe von beobachtetem Onlineverhalten der Nutzer um 14,55 Prozent steigern könnte. Die reine Nutzung demo- Im Zusammenhang mit individualisierter Preisdifferen- grafischer Kundendaten als Grundlage individualisierter zierung spielen digitale Technologien eine besondere Preisbildung würde dahingegen nur eine Gewinnsteige- Rolle. Erst sie machen es möglich, umfängliche indivi- rung von 0,3 Prozent ermöglichen (vgl. Shiller 2016: 17). duelle Daten zu erfassen, zu verarbeiten und zu kombi- Auch Dubé & Misra (2017) zeigen am Beispiel der Stel- nieren: Die Verfügbarkeit großer Datenmengen in Verbin- lensuchmaschine ziprecruiter.com, dass die Ausrichtung dung mit digitalen Technologien und einer exponentiell der Preise auf Merkmale des Kunden, welche in der Re- steigenden Rechenleistung von Computern erlaubt Un- gistrierungsphase erfasst werden, langfristig die Ren- ternehmen die Nutzung von Kundeninformationen in tabilität enorm steigern kann (vgl. Dubé & Misra 2017: Echtzeit – unter anderem für den Preisbildungsprozess. 23). Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass Mit Hilfe entsprechender Analysealgorithmen kön- sich die Ergebnisse jeweils nur auf die Betrachtung eines nen Preise dabei individualisiert gebildet werden (vgl. Unternehmens beziehen und die Aussagen zur Profita- Schwaiger/Hufnagel 2018: 7). bilität somit nur ohne Wettbewerbersituation am Markt gültig sind. Nichtsdestotrotz belegen beide Arbeiten, STAND DER FORSCHUNG – EMPIRISCHE dass es durchaus ein Interesse der Unternehmen geben ERKENNTNISSE könnte, individualisierte Preisdifferenzierung zu etablie- ren (vgl. Shiller 2016: 18, vgl. Dubé & Misra 2017: 26). Über das reale Vorkommen individualisierter Preisdiffe- renzierung im Online-Handel mittels empirischem Nach- weis ist bis dato wenig bekannt (vgl. Jentzsch 2017: 11). Grund hierfür ist, dass ein empirischer Nachweis große
11 | Individualisierte Preisdifferenzierung – Status Quo 1 ÜBERBLICK AKTUELLER EMPIRISCHER UNTERSUCHUNGEN ZU INDIVIDUALISIERTER PREISDIFFERENZIERUNG Autor, Jahr untersuchte Faktoren Datenbasis/ Details Mikians et al. 2012 •g eografische Faktoren (IP-Adresse) •N utzerprofile (simuliert) •n utzerbasierte Faktoren (Nutzerprofil, • 200 Online-Anbieter Surfhistorie) • 35 Produktkategorien • t echnische Faktoren (Betriebssystem/ •3 Produkte je Kategorie, insgesamt Browser) 600 Produkte •U ntersuchungszeitraum: 20 Tage Mikians et al. 2013 •g eografische Faktoren (IP-Adresse) •3 40 Nutzerprofile (real) •n utzerbasierte Faktoren (Nutzerprofil, • 18 Länder Surfhistorie) • 600 Online-Anbieter • 100 Produkte pro Anbieter Hannak et al. 2014 • nutzerbasierte Faktoren (Nutzerprofil, •3 00 Nutzerprofile (real) Surfhistorie) •N utzerprofile (simuliert) • technische Faktoren (Endgerät/ Browser • 1 6 Online-Anbieter (Firefox/Safari)) •d iverse Produkte/Dienstleistungen (keine genaue Angabe) Vissers et al. 2014 •g eografische Faktoren (IP-Adresse) •6 6 Nutzerprofile (simuliert) •n utzerbasierte Faktoren (Nutzerprofil, •2 5 Anbieter von Flügen Surfhistorie) •U ntersuchungszeitraum: 21 Tage • t echnische Faktoren (Betriebssystem/ Browser) Schleusener & Hosell •g eografische Faktoren (IP-Adresse) •3 Nutzerprofile (simuliert) 2016 •n utzerbasierte Faktoren (Browserverlauf, •2 0 Online-Anbieter in 10 Branchen Cookies, AdBlocker) •U ntersuchungszeitraum: 4 Tage • t echnische Faktoren (Betriebssystem/ vier Endgeräte) Shiller 2016 •n utzerbasierte Faktoren (demografische •6 1.312 Nutzerprofile (real) Daten, beobachtetes Onlineverhalten der • 1 Anbieter (Netflix) Nutzer) Dubé & Misra 2017 •P hase 1: zufällige Zuordnung potentieller • Phase 1: 7.867 potenzielle Kunden auf Kunden zu einer von 10 unterschiedlichen ziprecruiter.com, Untersuchungszeit- Preisgruppen raum: 33 Tage •P hase 2: zufällig Zuordnung potentieller • Phase 2: 12.381 potenzielle Kunden Kunden zu 3 verschiedenen Gruppen: auf ziprecruiter.com, Untersuchungszeit- 1. Gruppe: vorheriger Preis, raum: 22 Tage 2. Gruppe: neuer Preis, 3. Gruppe: zielgruppenspezifischer Preis Hupperich et al. 2018 •g eografische Faktoren (IP-Adresse) • Nutzerprofile (simuliert) •n utzerbasierte Faktoren (wie Cookies, • 4 Anbieter von Hotelbuchungsplatt Farbton, Sprache, Browsereinstellung, formen und 1 Autovermietung Plugins, Pixel) • 6 Standorte (länderübergreifend)
12 | Individualisierte Preisdifferenzierung – Status Quo Dahingegen lassen die Ergebnisse der weiteren Unter- ter ab-in-den-urlaub.de unterschiedliche Preise je nach suchungen aus Abbildung 1 nur punktuell auf die Ver- simulierten Nutzertypen „Luxus-Nutzer“ versus „Clean- breitung individualisierter Preissetzung schließen. Als Nutzer“ (Schleusener/ Hosell 2016: 20). Zudem fanden ursächliche Faktoren, auf deren Grundlage individuali- Hupperich et al. (2018) kleine Preisunterschiede bis zu sierte Preisdifferenzierung vorgenommen werden kann, maximal einem Euro. Ursächlich für die Unterschiede wurden die Bereiche Standort, nutzerbasierte Kunden- waren insbesondere die Sprach- und Browserhistorie daten sowie technische Geräteausstattung untersucht. der simulierten Nutzerprofile. Von einer systematischen Preisdifferenzierung kann jedoch nicht ausgegangen Ein Nachweis der Preissetzung mittels Standort wurde werden (vgl. Hupperich et al. 2018: 5ff.). Vissers et al. in drei der fünf Untersuchungen erbracht. So fanden (2014) fanden in ihrer Untersuchung bei 25 Fluganbie- Mikians et al. (2012) erstmals diese Form der Preisdiffe- tern keinen Hinweis auf Preisdifferenzierung in Bezug renzierung bei amazon.com und steampowerd.com für auf die kundenindividuelle Nutzerprofile (vgl. Vissers et E-Books und Videospiele sowie bei staples.com für Bü- al. 2014: 8). roartikel (vgl. Mikians et al. 2012: 4). In einer Folgeunter- suchung aus dem Jahr 2013 ließen sich ebenfalls sowohl Technische Gerätekonstellationen wie das verwendete innerhalb der USA als auch zwischen Ländern Preisun- Betriebssystem, das Endgerät oder der Browser können terschiede nachweisen. So fielen die Preise in den USA ebenfalls einen Hinweis auf kundenindividuelle und Brasilien niedriger aus als in Europa (vgl. Mikians et Aspekte liefern und wurden in vier der in Abbildung 1 al. 2013: 5). Hupperich et al. (2018) identifizierten eben- aufgeführten Untersuchungen als ursächlich für mögliche falls Preisunterschiede auf Buchungsplattformen für Preisdifferenzierung untersucht. Zwei Untersuchungen Hotels und Mietwagen je nach Standort. Hier waren es fanden punktuell Hinweise auf einen Zusammenhang. die Anbieter booking.com, hotels.com und hrs.com, die Hannak et al. (2014) ermittelten beim Online-Händler über die verschiedenen untersuchten Länder Deutsch- homedepot.com geringe Preisunterschiede für land, Frankreich, Niederlande, Pakistan, Russland und Android-Nutzer gegenüber iOS-Nutzern. Die absoluten USA hinweg systematisch ihre Preise je nach Standort Preiserhöhungen für Android-Nutzer fielen allerdings differenzierten. Einzig beim Anbieter orbitz.com zeig- sehr gering aus. Im Fall des Anbieters travelocity.com ten sich keine Preisunterschiede (Hupperich et al. 2018: bekamen die Nutzer mobiler Endgeräte von Apple 12ff). Die Untersuchungen von Vissers et al. (2014) sowie günstigere Preise angeboten (vgl. Hannak et al. Schleusener & Hosell (2016) fanden keinen empirischen 2014: 6). Schleusener & Hosell (2016) stellten fest, Beleg für eine Preissetzung nach Standort. dass bei Pauschalreisen konstant günstigere Preise für das Windows-Betriebssystem ausgespielt werden Nutzerbasierte Faktoren wie persönliche Kundendaten, als für das Betriebssystem von Apple (Schleusener/ Browserhistorie, Surf- und Suchverhalten, aber auch Hosell 2016: 21). Mikians et al. (2012) und Visser et Cookies oder Spracheinstellungen können ursächlich al. (2014) konnten in ihren Untersuchungen keine zur Bestimmung individualisierter Preissetzung genutzt Preisdifferenzierung in Abhängigkeit technischer werden. Deren Einfluss wurde in vier der sechs empi- Gerätekonstellationen nachweisen. risch angelegten Untersuchungen nachgewiesen. Erst- malig konnte bei amazon.com eine geringe Korrelation Zusammenfassend kommen die Untersuchungen somit zwischen dem angezeigten Preis von Kindle-E-Books bei zu keinem einheitlichen Bild und weisen vorwiegend angemeldeten bzw. nicht angemeldeten Kunden gefun- punktuelle und keine systematische Evidenz indivi- den werden (vgl. Mikians et al. 2013: 5). Die Vorgänge- dualisierter Preisdifferenzierung nach. Dies lässt den runtersuchung aus dem Jahr 2012 fand dahingegen kei- Schluss zu, dass individualisierte Preissetzung bislang ne Zusammenhang zwischen Preis und den simulierten noch kein etabliertes Instrument im Online-Handel ist. Nutzerprofilen und der Surfhistorie (vgl. Mikians et al. 2012: 5). Hannak et al. (2014) konnten ebenfalls für an- gemeldete Nutzer einen günstigeren Preis bei den Ho- telbuchungsportalen orbitz.com und cheaptickets.com nachweisen (vgl. Hannak et al. 2014: 9ff.). Auch Schleu- sener & Hosell (2016) fanden bei dem deutschen Anbie-
13 | Individualisierte Preisdifferenzierung – Status Quo SICHT DER HÄNDLER – Grund einen höheren Preis zu zahlen (vgl. Reinartz et ZURÜCKHALTENDE NUTZUNG al. 2017: 14). Niedrigere Preise für „treue“ Kunden bzw. Kunden mit Kundenkarte kann zumindest einer von vier Laut eigener Aussagen nutzen Online-Händler kaum in- Befragten (24 %) akzeptieren (vgl. ebenda: 14). Preisli- dividualisierte Preisangebote für ihre Kunden (vgl. Rein- che Unterschiede bedingt durch den Einstiegskanal – artz et al. 2017: 7). Priorität für den Handel hat heute direktes Aufrufen der Händlerseite oder über den Link die Umsetzung einer allgemeinen Preissetzungsstrate- einer Preissuchmaschine – oder einen anderen Preis am gie inklusive der Koordination stationärer und digitaler nächsten Tag empfindet dagegen nur jeder Achte (12 %) Preise. In Experteninterviews geben Online-Händler an, als fair. Die Wahrnehmung der Preisdifferenzierung als dynamische Preissetzung zu nutzen, individualisier- unfair stellt sich dabei auch ein, wenn die Käufer einen te Preise jedoch nicht (vgl. Schwaiger/Hufnagel 2018: niedrigeren Preis gezahlt hätten (vgl. ebenda: 13). Grund 43ff.). Eine Händlerbefragung aus dem Jahr 2017 unter hierfür ist laut Autoren die fehlende Kontrolle darüber, 63 Unternehmen des Online- und Versandhandels be- auf welcher Seite des Preisunterschiedes man sich als stätigt dies: Während 36 Prozent der Händler, die Preis- Kunde wiederfindet (vgl. ebenda 2017: 13) sowie die In- differenzierung betreiben, ihre Preise dem Verhalten der transparenz des Prozesses (vgl. Thorun/Diels 2016: 9). Wettbewerber anpassen, variieren nur fünf Prozent ihre Preise auf Basis des Kundenprofils (vgl. Wenk-Fischer/ GESAMTWIRTSCHAFTLICHE WIRKUNG – Zirbes 2017: 39). Das genutzte Endgerät des Kunden DIFFERENZIERTE FOLGEN wird laut eigener Aussage ebenfalls kaum zur Preisset- zung herangezogen (vgl. ebenda). Die Händler geben Wohlfahrts- und Verteilungseffekte sind immer vor an, dass individualisierte Preise von Kunden und Öffent- der jeweiligen Marktkonstellation zu bewerten (vgl. lichkeit nicht akzeptiert und daher dem Geschäft eher Jentzsch 2017: 16 ff.). Im Falle eines Monopols steigt die schaden würden (vgl. Schwaiger/Hufnagel 2018: 43ff.). gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, die Konsumentenrente „Preisdifferenzierung in Abhängigkeit zum genutzten allerdings verschiebt sich zu Ungunsten der Verbraucher Endgerät sei möglich, jedoch nicht unbedingt ratsam“ vollständig in Richtung Unternehmen (vgl. Belleflamme/ erklärt zum Beispiel Boris Schuler, Principal Advisor Peitz 2009: 8-11). Unter Wettbewerbsbedingungen Pricing der prudsys GmbH, in einem Interview (vgl. CAS verursacht personalisierte Preisdifferenzierung AG). Er meint weiter, individualisierte Preissetzung kön- ambivalente Wohlfahrtseffekte. Zentrales Ergebnis ist, ne „leicht als Abzocke verstanden werden und ein nega- dass es für das einzelne Unternehmen profitabel ist, eine tives Preisimage des Händlers erzeugen“. personalisierte Preisdifferenzierung umzusetzen. Wenn dies aber alle weiteren Unternehmen im Markt machen, SICHT DER VERBRAUCHER – können sich unter verschiedenen Konstellationen die ABLEHNENDE HALTUNG Unternehmen gemeinsam auch schlechter stellen. Beispielsweise können personalisierte Preise zu Ein Szenario-Experiment bestätigt dies. Von Kunden einem intensiveren Wettbewerb um die Kunden führen wahrgenommene Preisunterschiede schaden Händlern und somit zu einer Reduzierung der Gewinne der nachhaltig: So würde nur weniger als jeder dritte Käu- Unternehmen. Die Konsumentenrente erhöht sich fer (31 %) den betroffenen Händler erneut für einen Kauf entsprechend (vgl. Jentzsch 2017: 24, Locher 2018: 295). in Erwägung ziehen, wenn er dort variierende Preise bemerkt (vgl. Reinartz et al. 2017: 14). Zudem sinkt die Personalisierte Preise können jedoch die Komplexität Reputation des Händlers: Fast ein Drittel der Kunden der Auswahlentscheidung für die Verbraucher erhöhen: empfindet den Händler nach Erleben einer Preisdiffe- Da sie sich nicht darauf verlassen können, dass der von renzierung als weniger zuverlässig (29 %); weniger als ihnen bevorzugte Händler stets den attraktivsten Preis die Hälfte (43 %) würden ihm weiterhin vertrauen (vgl. bietet, steigen in der Folge ihre Suchkosten. Je mehr ebenda: 16). Die Vorstellung, ein Händler bietet ein iden- Angebote Verbraucher in ihrer Auswahlentscheidung tisches Produkt zum gleichen Zeitpunkt einem anderen berücksichtigen müssen, desto eher besteht die Ge- Kunden zu einem geringeren Preis an, wird von Verbrau- fahr, dass sie gar keine Entscheidung treffen und gänz- chern als im höchsten Maß unfair empfunden: Nur ei- lich von einem Kauf absehen (vgl. Schwaiger/ Hufnagel ner von zehn (10 %) fände es fair, ohne ersichtlichen 2018: 21).
14 | Individualisierte Preisdifferenzierung – Status Quo Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass per- sonalisierte Preise der Gesamtwohlfahrt nicht schaden müssen (vgl. Zuiderveen Borgesius/ Poort 2017: 353 ff., Schwaiger/ Hufnagel 2018: 22). Sie erhöhen den Wett- bewerb, wobei mittelfristig das Preisniveau sinkt und die Konsumentenrente steigt. Einher geht damit jedoch eine Verschiebung der Konsumentenrente: Einige Ver- braucher werden über einen höheren Preis benachtei- ligt, andere profitieren, da sie Zugang zu einem Produkt erhalten, welches sie aufgrund ihrer niedrigeren Zah- lungsbereitschaft ansonsten nicht erwerben würden. Unter bestimmten Umständen haben personalisierte Preise allerdings das Potential, der gesamtwirtschaftli- chen Wohlfahrt zu schaden. Das ist dann der Fall, wenn Verbraucher mit kostenpflichtigen technischen Maßnah- men (z. B. Avataren) oder neuen Marktakteuren gegen personalisierte Preise vorgehen. Damit würde es Ver- brauchern gelingen, ihre individuelle Zahlungsbereit- schaft zu verschleiern bzw. zu maskieren. Gesamtgesell- schaftlich könnten damit höhere Kosten entstehen (vgl. ebenda). DATENSCHUTZRECHTLICHE SICHT – NOTWENDIGE TRANSPARENZ Personalisierte Preisdifferenzierung muss – neben öko- nomischen Gesichtspunkten – auch vor dem Hinter- grund bestehenden Datenschutzrechtes betrachtet wer- den. Nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) muss sicherstellt sein, dass die Verarbeitung personen- bezogener Daten rechtmäßig, nach Treu und Glauben sowie transparent, erfolgt (vgl. Art. 5 (1) DSGVO). Zuider- veen Borgesius und Poort argumentieren (2017), dass das Datenschutzrecht für personalisierte Preise generell Anwendung finden muss (vgl. Zuiderveen Borgesius/ Poort 2017: 356). Insofern ist von den Unternehmen, die personalisierte Preisdifferenzierung nutzen, Trans- parenz und eine Einwilligungserklärung zu dem Zweck der personalisierten Preisgestaltung durch den entspre- chenden Nutzer notwendig (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband 2016: 6).
15 | Individualisierte Preise im deutschen Online-Handel 4. INDIVIDUALISIERTE PREISE IM DEUTSCHEN ONLINE-HANDEL Nachfolgend werden die wesentlichsten Ergebnisse zum Im Ergebnis des ersten Untersuchungszeitraumes wur- Vorkommen und der Häufigkeit individualisierter Preis- den beim Online-Händler atu.de bei neun von 64 be- differenzierung der im Rahmen der Untersuchung be- obachteten Artikeln systematische Preisunterschiede trachteten Online-Händler dargestellt. Individualisierte in Bezug auf den Standort gefunden. Hierbei handelte Preisdifferenzierung wurde ausschließlich mittels der es sich um acht Reifen und ein Motorenöl. Im Rahmen beiden Kriterien Standort und Endgerät gemessen (vgl. der zweiten Untersuchungswelle zeigten fünf von 61 be- Kapitel 2). obachteten Artikeln Preisunterschiede je nachdem, von welchem Standort aus auf den Online-Shop zugegriffen Im Ergebnis zeigt sich (vgl. Abbildung 2, Seite 16), dass wurde. Auffälligkeiten zeigten vier Reifen und ein Moto- keiner der untersuchten Online-Händler Auffälligkeiten renöl. Vier dieser Artikel waren auch im ersten Untersu- hinsichtlich einer Preisdifferenzierung nach dem ver- chungszeitraum auffällig. Die Artikelpreise variierten im wendeten Endgerät aufweist. Zehn der insgesamt 16 Untersuchungszeitraum zum Teil mehrfach an den unter- Online-Händler zeigen zudem keine Preisdifferenzierung suchten Standorten. nach dem Standort der Preisanfrage. Am Beispiel des Winterreifens Semperit Master-Grip 2 Die Elektronik-Händler alternate.de, conrad.de und SUV 215/65 R16 98 H M+S wurden an insgesamt neun mediamarkt.de weisen bei einem bis maximal acht Arti- von 36 Tagen unterschiedliche Preise je nach Standort keln Preisunterschiede an drei Standorten aus. Eine Sys- beobachtet. Der Preisunterschied betrug pro Reifen 18 tematik hinsichtlich einer Differenzierung des Standor- bzw. neun Prozent. Wie Abbildung 3 (Seite 17) zeigt, tes war hier nicht erkennbar. Gleiches gilt für jeweils vier konnten Käufer aus Marburg den Winterreifen am 27. Artikel des Sportartikel-Händlers sportscheck.de und Juni sowie am 03., 05., 11., 24., 25. und am 30. Juli 2018 der Online-Parfümerie douglas.de. Die Online-Händler um 14,58 Euro günstiger online erwerben als Käufer in atu.de und obi.de lassen systematisch mehrmalige München oder Berlin. Am 01. August 2018 bekamen Preisdifferenzen hinsichtlich der untersuchten Standor- Käufer aus Marburg und München einen Rabatt von te erkennen. Die Ergebnisse hierzu werden nachfolgend neun Prozent – im Gegensatz zu Berliner Kunden. Der detailliert dargestellt. Reifen war an allen Standorten zu allen Tagen online be- stell- und innerhalb von ein bis zwei Werktagen lieferbar. STANDORTBASIERTE PREISDIFFERENZIERUNG Ähnlich verhielt es sich mit einem Sommerreifen der Marke Continental Premium Contact 5 225/55 R17 97Y. Das Unternehmen A.T.U. wurde 1985 gegründet und bie- Hier konnten Käufer aus Marburg und München an den tet Produkte rund um das Auto an. Kerngeschäft sind die Tagen 29. Juni sowie dem 14., 15., 16., 17. und 27. Juli Werkstätten mit angeschlossenem stationären Handel10. den Reifen für 114,99 Euro und damit um 14 Prozent re- Insgesamt gehören heute 600 Filialen zum Unterneh- duziert gegenüber Berliner Kunden erhalten. Hier betrug men. Zudem können Verbraucher auch online Autozu- der Preis 132,99. Am 30. Juni und 07. Juli betrug die Re- behör wie Reifen, Öle, Batterien und Ersatzteile kaufen. duzierung sogar 23 Prozent – allerdings nur für Kunden Laut eigenen Angaben umfasst das Sortiment insgesamt mit Online-Zugriff aus München. (vgl. Abbildung 3). Käu- 140.000 Artikel11. fer am Standort Berlin profitierten im Beobachtungszeit- raum am seltensten von Preisnachlässen. 10 Vgl. hierzu https://www.atu.de/pages/unternehmen/das-atu-konzept. html, Stand: 17.10.2018. 11 Vgl. hierzu https://www.atu.de/pages/unternehmen/das-atu-konzept/ fachmarkt.html, Stand: 17.10.2018.
16 | Individualisierte Preise im deutschen Online-Handel 2 AUSWERTUNG DER UNTERSUCHTEN ONLINE-HÄNDLER BEZÜGLICH AUFFÄLLIGKEITEN INDIVIDUALISIERTER PREISDIFFERENZIERUNG Auffälligkeiten individualisierter Preis- Branche Shop Anzahl Artikel differenzierung (Endgerät, Standort) docmoris.de 70 keine Apotheken sanicare.de 70 keine shop-apotheke.de 70 keine 9 Artikel mit mehrmaligen Preisunterschieden atu.de 64 hinsichtlich Standort Autoteile tirendo.de 51 keine hornbach.de 70 keine Baumarkt 37 Artikel mit mehrmaligen Preisunterschieden obi.de 70 hinsichtlich Standort 1 Artikel mit einmaligem unsystematischen alternate.de 68 Preisunterschied hinsichtlich Standort comtech.de 63 keine 7 Artikel mit einmaligem, Elektronik conrad.de 69 1 Artikel mit sechsmaligem unsystematischen Preisunterschied hinsichtlich Standort 4 Artikel mit einmaligem, mediamarkt.de 66 2 Artikel mit zweimaligem unsystematischen Preisunterschied hinsichtlich Standort otto.de 70 keine 1 Artikel mit einmaligem, Freizeit & Hobby 1 Artikel mit zweimaligem, sportscheck.de 67 1 Artikel mit sechsmaligen, 1A rtikel mit siebenmaligen unsystematischen Preisunterschied hinsichtlich Standort otto.de 70 keine Mode zalando.de 70 keine 1 Artikel mit zweimaligem, 1 Artikel mit dreimaligen, douglas.de 65 2 Artikel mit viermaligen unsystematischen Luxus & Schmuck Preisunterschied hinsichtlich Standort valmano.de 60 keine
17 | Individualisierte Preise im deutschen Online-Handel 3 BEISPIEL DER PREISDIFFERENZIERUNG NACH STANDORTEN BEIM ONLINE-HÄNDLER ATU Euro 140,00 132,99 132,99 132,99 132,99 130,00 Continental Premium Contact 5 25/55 R17 97Y Sommerreifen 120,00 114,99 114,99 114,99 114,99 110,00 108,22 100,00 102,34 102,34 90,00 Semperit Master-Grip 2 SUV 215/65 R16 98H M+S Winterreifen 80,99 80,99 80,99 80,99 80,99 80,00 70,00 66,41 66,41 66,41 66,41 66,41 66,41 66,41 60,00 … 0 Datum 27.06. 28.06. 29.06. 30.06. 01.07. 02.07. 03.07. 04.07. 05.07. 06.07. 07.07. 08.07. 09.07. 10.07. 11.07. 12.07. 13.07. 14.07. 15.07. 16.07. 18.07. 19.07. 20.07. 21.07. 22.07. 23.07. 24.07. 25.07. 26.07. 27.07. 28.07. 29.07. 30.07. 31.07. 01.08. Berlin Marburg München Legende: Die unterbrochene Linie stellt fehlende Werte der Preisbeobachtung dar. Die Ausweisung der Preise auf dem Online-Auftritt von wurde der Artikel am 30. Juni 2018 für 39,99 Euro an- atu.de erfolgte für die Kunden sichtbar als Rabattierung, geboten, anstelle des sonst im Beobachtungszeitraum jedoch nur für Kunden die online aus Marburg auf die üblich angebotenen Preises von 64,99 Euro. Der Stand- Webseite zugriffen (vgl. Abbildung 4, Seite 18). ort Berlin erhielt bei fünf auffälligen Artikelpreisen ins- gesamt zweimal, der Standort Marburg 15-mal und der Im Ergebnis des zweiten Untersuchungszeitraumes Standort München neunmal eine Reduzierung. Unsere konnte bei atu.de somit bei acht Prozent der beobach- Bitte um Stellungnahme hinsichtlich der beobachteten teten Artikel eine Preisdifferenzierung nach dem Stand- Auffälligkeiten bei der Online-Preissetzung blieb bisher ort der Preisabfrage beobachtet werden. Im Extrem unbeantwortet12. erhielten Kunden bei einem Artikel jeden vierten Tag einen ortsabhängigen Preisvorteil. Die Ersparnis an den Standorten variierte: Die maximale Preisersparnis lag bei Motorenöl am Standort Marburg bei 38 Prozent. Hier 12 Am 31.08. sowie am 18.09.2018 wurde die Geschäftsführung von A.T.U. per E-Mail schriftlich um Stellungnahme gebeten.
18 | Individualisierte Preise im deutschen Online-Handel 4 BEISPIEL DER PREISDARSTELLUNG DES ONLINE-HÄNDLERS ATU A.T.U Online-Shop A.T.U Online-Shop A.T.U Online-Shop Semperit Master-Grip Semperit Master-Grip Semperit Master-Grip 2 SUV 215/65 R16 2 SUV 215/65 R16 2 SUV 215/65 R16 98H M+S Winterreifen 98H M+S Winterreifen 98H M+S Winterreifen 18% sparen 80,99 € 66,41 € 80,99 € Berlin Marburg München (14.07.2018, 16:33:45 Uhr) (14.07.2018, 16:32:10 Uhr) (14.07.2018, 16:22:53 Uhr) Legende: Zugriff von den Standorten (IP-Adresse) Berlin, Marburg und München am 14.07.2018 OBI ist das führende Unternehmen in der deutschen Auf obi.de werden Online-Kunden fünf unterschiedli- Bau- und Heimwerkerbranche. Seine erste Filiale wurde che Darstellungen von Bestell- und Lieferinformationen 1970 eröffnet. In Filialen und im Online-Shop werden angeboten (vgl. Abbildung 5, Seite 19). Bei drei der fünf Produkte für Haus und Garten angeboten (vgl. Vogel et Angebote ist es dem Kunden möglich, die Bestellung al. 2014: 109). Nicht alle Filialen werden von OBI selbst online aufzugeben und sich diese an die gewählte betrieben, zum Teil gehören sie Franchisenehmern (vgl. Adresse liefern zu lassen. In zwei Fällen ist eine Online- ebenda). OBI gehört nach eigenen Angaben zu den 50 Bestellung nicht möglich, sondern ausschließlich eine führenden Einzelhändlern in Deutschland und erzielte Reservierung und/ oder Abholung im Markt verfügbar. 2016 einen Netto-Umsatz von 3.340 Mio. €13. Davon ent- Vier der Darstellungsweisen beinhalten eine Informati- fielen 75,3 Mio. € auf den Online-Shop14. Online-Shop on an den Kunden zur aktuellen Anzahl noch vorrätiger und stationärer Handel sind eng miteinander verzahnt Artikel im voreingestellten Markt bzw. der Möglichkeit, (vgl. Hielscher 2010): So ist beispielsweise im Online- die Verfügbarkeit in weiteren Märkten zu prüfen. Shop der nächstgelegene OBI-Markt voreingestellt. Im Ergebnis des ersten Untersuchungszeitraumes wur- den auf obi.de bei 37 der insgesamt 70 beobachteten Ar- tikel systematische Preisunterschiede in Bezug auf den Standort gefunden. Im zweiten Untersuchungszeitraum erhöhte sich die Anzahl an auffälligen Artikeln auf 43 der insgesamt 63 beobachteten Artikel. 13 Vgl. hierzu https://www.handelsdaten.de/deutschsprachiger-einzel- handel/umsatz-vertriebslinien-stationaeren-einzelhandel-internet- deutschland, Stand: 17.10.2018. 14 Vgl. hierzu https://www.handelsdaten.de/e-commerce/diy-e-commer- ce-ranking-umsatz-online-shops-bau-und-heimerkerbedarf-garten-diy, Stand: 17.10.2018.
19 | Individualisierte Preise im deutschen Online-Handel 5 VARIANTEN DER BESTELL- UND LIEFERINFORMATIONEN DES ONLINE-HÄNDLERS OBI Online bestellen & Online bestellen & liefern lassen liefern lassen ca. 2–3 Werktage aktuell nicht möglich Reservieren & im Reservieren & im Markt selbst abholen Markt selbst abholen Abholbereit ab Abholbereit ab nächstem Öffnungtag nächstem Öffnungs- 9 Uhr im OBI Markt tag 12 Uhr im OBI Markt Berlin-Lichtenberg Nürnberg Leyher Str. Im OBI Markt Berlin-Lichtenberg Im OBI Markt 6 Artikel vorrätig Nürnberg Leyher Str. Den Artikel finden Sie hier: nur noch 3 Artikel vorrätig Toilettensitze, Gang 44 > Verfügbarkeit in einem anderen > Verfügbarkeit in einem anderen Markt prüfen Markt prüfen Online bestellen & Online bestellen & Online bestellen & liefern lassen liefern lassen liefern lassen ca. 4–6 Werktage aktuell nicht möglich ca. 2–3 Werktage Im OBI Markt Berlin-Wedding Im OBI Markt Kassel 5 Artikel vorrätig bestellbar im Markt > Verfügbarkeit in einem anderen > Verfügbarkeit in einem anderen Markt prüfen Markt prüfen Nachfolgende Auswertung differenzierter Preise in Be- schiedlichen Preisen an den drei untersuchten Stand- zug auf den Standort der Preisabfrage berücksichtigt orten angeboten. Bekamen beispielsweise Kunden mit ausschließlich diejenigen Artikelpreise, die für den Zugriff aus Berlin und München am 3. Juli 2018 einen Kunden online bestell- und lieferbar waren. Preisredu- reduzierten Preis von 334,99 Euro, zahlten Kunden aus zierungen die nur in einzelnen Märkten verfügbar wa- dem Raum Marburg 349,99 Euro. Am 17. Juli 2018 waren ren, wurden nicht berücksichtigt. es Kunden mit Zugriff aus München und Berlin, denen der reduzierte Preis von 334,99 Euro online angeboten Insgesamt fanden sich bei 33 beobachteten Artikeln wurde. Die jeweilige Ersparnis lag bei vier Prozent bzw. variierende Preise an den untersuchten Standorten im 15 Euro an den Standorten mit reduziertem Angebot (vgl. Online-Angebot. Die Häufigkeit der beobachteten diffe- Abbildung 7, Seite 20). renzierten Preise pro Artikel im zweiten Untersuchungs- zeitraum (36 Tage) variierte hierbei. Im Maximum fan- Auch im Falle eines Raumentfeuchters wurden Online- den sich bis zu neunmal pro Artikel Preisunterschiede Kunden unterschiedliche Preise je nach Standort an- je nach Standort (vgl. Abbildung 6, Seite 20). geboten. Insgesamt konnte an neun Tagen im zweiten Beobachtungszeitraum eine Differenzierung beobach- Am Beispiel von zwei Artikeln wird die Online-Preis- tet werden (vgl. Abbildung 7). Am Standort München differenzierung nach Standort bei obi.de genauer dar- bot man Online-Kunden an sieben Tagen einen Preis gestellt: So wurde ein Sicherheitsschrank der Firma von 10,99 Euro an. An den Standorten Berlin und Mar- Burg Wächter an insgesamt fünf Tagen online zu unter- burg wurde das Produkt für 9,99 Euro ausgewiesen. An
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