Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
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Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN Herausgegeben vom Verband deutsdlsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicherWerke e.V. Nr. 2 8. Jahrgang Neckarrems Februar 1971 Und dann starb der Dichter Allerdings kamen dabei nicht nur interessante Fragen zutage, manchmal wurden auch offenbar daheim vorbe— Bericht vom ll. Kongreß der Übersetzer polnischer reitete, offiziös anmutende Erklärungen vorgetragen, die Literatur den Zuhörern wenig Neues brachten. Hier zeigte sich, Anläßlich der Verleihung des Ehrenzeichens daß die Teilnehmerzahl — neben den Übersetzern saßen ’Verdienst um die polnische Kultur’ seitens des stets zahlreiche polnische Autoren und Kritiker im Saal polnischen Kulturministers an Klaus Staemmler — für eine Diskussion spezifischer Sprach- oder Literatur- veröffentlichen wir ein Referat, das dieser vor probleme zu groß war. Doeh wurden manchmal beden- kurzem im Hessischen Rundfunk gehalten hat. kenswerte Anregungen vorgebracht, die die Veranstalter Dem Japaner Kazuo Yonekawa, dem Ostdeut- dankbar entgegennehmen. schen Kurt Kelm, dem Westdeutschen Klaus lm höchsten Grade bewegend verlief die Warschauer Staemmler, dem Amerikaner David J. Welsh Schlußsitzung am 6. Oktober nachmittags. Hier trugen und dem Russen Swiatoslaw Swiatzi wurden die diejenigen Übersetzer, die sich mit Lyrik befassen, Übersetzerpreise 1970 der Autorenvereinigung Proben ihrer Arbeit vor. Die Leitung der Sitzung hatte ’Zaiks’ verliehen. der fast siebzigjährige Julian Przybos übernommen, einer Immer wieder riß es die Gastgeber zu begeisterten der größten polnischen Lyriker unseres Jahrhunderts. Worten hin: ein internationaler Kongreß in Warschau — Eben hatte er noch eine geistreiche Bemerkung gemacht, und alle sprachen polnisch. Aber eigentlich war daran dann eine französische Übersetzerin ans Pult gerufen, nichts Verwunderliches, denn die Teilnehmer dieses doch während sie ein Todesgedicht seines literarischen Kongresses mußten notwendigerweise die Sprache unse— Gegenspielers Mieczyslaw Jastrun vortrug, brach Przybos res östlichen Nachbarlandes kennen. Die Autoren-Agen- plötzlich zusammen. Man trug ihn hinaus, ein Arzt eilte tur, eine Einrichtung des Autorenverbandes ’Zaiks’, herbei, aber gerettet werden konnte er nicht mehr. Der hatte nämlich etwa 120 Übersetzer aus aller Welt zum Kongreß, die Übersetzer wie die Gastgeber, verstummten Il. Kongreß der Übersetzer polnischer Literatur vom tief betroffen. Sie alle wußten ja, wer Przybos war. Und 1.—9. Oktober 1970 nach Warschau und Krakau man muß die ungeheure Verehrung kennen, die er, die eingeladen. 96 Damen und Herren waren gekommen. die Lyrik überhaupt in Polen genießt, um den Verlust zu Natürlich stellten die Delegationen aus den Ostblock- ermessen, den sein Tod für die polnische Literatur staaten das stärkste Kontingent, doch auch England, bedeutet. Frankreich, Spanien, Österreich, Skandinavien, Japan, Die anderthalb Tage in Krakau waren dann mehr der die Mongolei und die USA waren vertreten. Aus der Erholung und der Begegnung mit den dortigen Schrift- DDR kamen elf, aus der Bundesrepublik vier Übersetzer: stellern gewidmet. Die abgebrochene Gedichtlesung Karl Dedecius, Rolf Fieguth, Karl Horst Hiller und ich. wurde auf dem Krakauer Marktplatz am Mickiewicz- Der Kongreß tagte in den Räumen des ’Palais’ zu den Denkmal gewissermaßen fortgesetzt. Königen’, eines wiederaufgebauten Adelsschlosses in Überwältigend war wie immer die große Herzlichkeit Warschau, dessen Front mit Medaillons der polnischen und Gastfreundschaft der Polen. Sie feierten die Über- Könige geschmückt ist. Hier fanden die Arbeitssitzungen setzer als Botschafter ihrer Literatur im Ausland und statt, auf denen führende polnische Kritiker wie Wlod- taten alles, um ihnen den Aufenthalt so angenehm und zimierz Maciag, Michal Sprusinski, Roman Szydlowski inhaltsreichwie möglich zu machen. Dabei war deutlich und Waclaw Sadkowski sowie der Chef des polnischen zu spüren, daß man sich intensiv gerade auch um die Rundfunk und Fernsehens Wlodzimierz Sokorski über westdeutschen Teilnehmer bemühte. Das verbesserte die Entwicklung von Poesie und Prosa, Theater und Klima zwischen Bonn und Warschau wirkte sich aus, Hörspiel referierten. Die Fülle der dabei aufgeführten Wenngleich gesagt werden muß, daß die Übersetzer aus Namen machte den Übersetzern den Reichtum der der Bundesrepublik selbst in den Zeiten schärfster polnischen Gegenwartsliteratur unüberhörbar deutlich. Konfrontation stets als herzlich willkommene Gäste Besonders hervorgehoben wurden die Eröffnungs- und behandelt wurden. die Schlußsitzung in Warschau. Am 2. Oktober Sprachen Beim Abschiedsessen in Krakau dankten die Übersetzer Michal Rusinek, Generaldirektor der Autoren-Agentur, der Autoren-Agentur als dem Gastgeber, den Referenten Generaldirektor Balicki in Vertretung des Kulturmini- und den polnischen Schriftstellern. Man spürte, welche sters, Jaroslaw Iwaszkiewicz, der Vorsitzende des polni- starken Anstöße dieser Kongreß, der in der Presse ein schen Schriftstellerverbandes, und Miroslaw Zulawski, erstaunliches Echo fand, durch seine offiziellen Veran- der über die polnische Kulturpolitik im Ausland berich— staltungen wie durch die zahlreichen Begegnungen und tete. Frau Posner aus Paris überbrachte die Grüße der Gespräche ’am Rande’ gegeben hatte. Für die Verbrei- FIT. tung des polnischen Schrifttums im Ausland wie für die Auch die Übersetzer erhielten reichlich Gelegenheit, ihre Arbeit der Übersetzer aus 21 Ländern war er von besonderen Probleme der Versammlung darzulegen. größtem Nutzen. Klaus Staemmler
Lexikon in zwei Bänden in Vorbereitung ist), muß man Bücher für Ubersetzer sich mit dem (ziemlich großen) sexuellen und erotischen Zwei Wörterbücher der Umgangssprache Teil des Küpperschen Lexikons zufriedengeben. Beson- Der sechste Band des „Küpper“, jenes groß angelegten ders im sechsten Band ist dieser Anteil sehr groß. Trotzdem wird es auf lange Zeit hin nötig sein, Wörterbuchs der deutschen Umgangssprache, dessen Wörterbücher einzelner Gebiete der sexuellen Umgangs. fünften Band wir im Februar 1969 besprachen, ist nun sprache herauszubringen, denn trotz der bedeutenden erschienen: ’Jugenddeutsch von A bis Z’. Für Übersetzer Liberalisierung sexueller Tabus bleibt es doch dabei, daß ist dies, wie die Engländer sagen, ’a must’, ein unersetzliches, unentbehrliches ’Muß-Buch’. 440 Seiten, gewisse Gebiete der sexuellen Umgangssprache beim Lexikonforrnat, Leinen, für DM 38,— das ist ein geringer allgemeinen Leser Anstoß erregen. Zu solchen Büchern Werk. Der einzige gehört (man muß sagen: leider!) das ’Große homophile Preis für dieses absolut einmalige Wörterbuch’, das im vorigen Jahre in Dänemark erschie- Nachteil ist der, den wir bereits in unserer lebenden Rezension des fünften Bandes erwähnten: daß das Buch, nen ist. eben wegen seiner wissenschaftlichen Qualitäten, ein Wenn man die Bezeichnung ’groß’ im Titel liest, stellt wenig hinter der Zeit herhinkt. man sich etwas Umfangreiches vor. Der Käufer wird Dr. Heinz Küpper hat sich das Ziel gesetzt, nur solche indessen bereits einmal ganz gehörig enttäuscht, als es Wörter aufzunehmen, deren Ursprung er aus gedruckten sich bei dieser Publikation keineswegs um ein Buch, Werken belegen kann, und stets das Datum des ersten sondern um ein schlichtes Heftchen von 58 Seiten Erscheinens eines jeden Wortes anzugeben. Das gibt dem Umfang und etwa 47 Seiten reinem Text handelt. Philologen die Garantie, es hier mit einem seriösen Werk Wieviel es kostet, war bei Niederschrift noch nicht zu tun zu haben, und es erlaubt dem Sprachhistoriker, bekannt; sicher wird dieses Unikum mehr als 5,— DM, den schöpferischen Prozeß des anonymen Volksautors wahrscheinlich sogar noch mehr als 10,— DM kosten, für zumindest insofern zu verfolgen, wie es dem Sprach- eine Kuriosität freilich nicht zu teuer, wenngleich schöpfer gelingt, auf die Literatur Einfluß zu nehmen. gemessen an anderen Wörterbüchern, absolut betrachtet, Der Nachteil dabei ist natürlich der, daß die Daten nicht ganz sicherlich; doch wer homosexuelle Zeitschriften stimmen, wenn man den Titel des Werks, ’Wörterbuch kauft und liest, dem sind diese Preise nichts Neues. der deutschen Umgangssprache’, wörtlich nimmt. Denn Nun, die Idee zu einem solchen Wörterbuch —— für Leser was Küpper tatsächlich belegt, ist die Schriftsprache, die homophiler Literatur gedacht — ist gar nicht so übel. stets eine Verspätung von einigen Jahren gegenüber dem Minderheiten und Subkulturen pflegen ja einen beacht- gesprochenen Umgangsdeutsch zeigt. Fügt man zu dieser lichen Argot zu entwickeln, der bisher nur mündlich Verspätung die unvermeidlichen zwei bis drei Jahre, die tradiert und dabei (bereits) wieder variiert wurde. Der ein solches Werk erfordert, und die weiteren zwei bis Haken bei dieser Sache ist leider der, daß ein solches drei Jahre, die der Verlag und der Drucker zur Wörterbuch bereits während des Druckes teilweise Herstellung benötigen, so ergibt sich ein ’time-lag’ von veraltet ist, allerdings die Bücher, in denen der Argot mindestens fünf, vielleicht sogar zehn Jahren zwischen verwendet wurde, dann auch. Dennoch haben Leser und der Aktualität des gesprochenen Wortes und der Nutz— natürlich auch Übersetzer wie Schriftsteller — rück- barmachung in Form eines Küpperschen Wörterbuchs. blickend — einen gewissen Nutzen davon; zweckmäßiger- Der Philologe kann sich hierüber nicht beklagen. Im weise sollten solche Wörterbücher eigentlich im Lose- Gegenteil, verglichen mit vielen seiner Kollegen arbeitet Blatt-Verfahren veröffentlicht werden. Küpper ungewöhnlich schnell. Aber für den Übersetzer, Luchterhand, please note! der meist versuchen muß, den gegenwärtigen Wortschatz aufzufangen, beinhaltet ein solcher Zeitverlust die Ein anonymes ’Redaktionskollektiv’ unter Leitung des Möglichkeit, veraltete Wörter zu übernehmen. Hier gilt dänischen Verlegers und Redakteurs Kim Kent hat das die alte Erfahrung, daß selbst das beste Wörterbuch Wörterbuch ’in manchmal mühsamer Arbeit’ (Vorwort) allenfalls nur ein aide mämoire sein kann, daß der zusammengestellt. Was ist dabei herausgekommen? Ein Übersetzer eben selber genug von der Materie verstehen guter Anfang. Man ist sich des fragmentarischen Charak- muß, um zwischen zwei oder drei Synonymen das ters der Arbeit durchaus bewußt, denn der Leser und richtige zu wählen, und daß man, wenn man kein Benutzer wird aufgefordert, mittels eigens eingefügter Teen—Ager mehr ist, eben einen Teen—Ager hinzuziehen Vordrucke seine Ergänzungen und Änderungsvorschläge muß, um die Verläßlichkeit des Vokabulars zu überprü- dem Verlag bekanntzugeben. Man denkt also bereits an fen. weitere Neuauflagen, und das ist auch notwendig. Der große Vorteil des sechsten Küpper—Bandes (nicht alle Aufschlußreich für die Beurteilbarkeit dieses Wortschat- Vorgänger waren so organisiert), ist, daß das Buch in zes ist das auffallend unterschiedliche Gewicht, das die ZWei Teilen erscheint — der erste Teil Umgangsdeutsch- Herausgeber den einzelnen Sprachräumen zugeteilt Hachdeutsch, der zweite Hochdeuweh-Umgangsdeutsch. haben. Umfangmäßig die meisten Seiten besitzt der In einem einzigen Band erhält man also sowohl ein österreichische Teil nämlich 22, Deutsch umfaßt 10,5 Wörterbuch wie einen Thesaurus. Da der Anteil der Seiten, Amerikanisch 9 und Französisch 6. Demnach Jugend und ihrer Umgangssprache an der Thematik der kann es nur so sein, daß in dem ’Team’ ein Österreicher Unterhaltungsliteratur, vor allem der Belletristik, jedes das große Wort geführt oder zumindest den Hauptanteil Jahr größer wird, werden vor allem diejenigen Überset- an Arbeit geleistet hat. Bisher war dem Übersetzer dieser zer, die sich auf Romane und Theaterstücke spezialisiert Literatur, — und der Rezensent hat hier einige praktische haben, dieses Wörterbuch der Jugendsprache erwerben Erfahrungen, — aus seiner Tätigkeit bekannt, daß der wollen. Nicht nur existiert kein besseres Werk: es amerikanische Homosexuelle wohl den reichsten Wort- existiert überhaupt kein vergleichbares. schatz besitzt; im Deutschen finden sich z. B. kaum umgangssprachliche Synonyme für das Wort ’homo- Heinz Küpper: WÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN sexuell’ — übrigens ein Nachteil solcher alphabetischer UMGANGSSPRACHE, Band VI, ’Jugenddeutsch von A Lexika: sie fassen nicht enzyklopädisch zusammen, was bis Z ’‚ 440 Seiten, Stuttgart, Claassen Verlag, DM 38, —. mitunter nötig und zweckmäßig wäre. Das dänische E. B. Produkt ist also zum Österreichischen hin eindeutig So lange es noch kein Lexikon der sexuellen Umgangs— kopflastig und bedarf ganz sicher eines Ausgleichs in sprache gibt (man hört, daß bei Rowohlt ein solches amerikanischer und auch deutscher Richtung; es dürfte
sich empfehlen, für diese Bereiche eigene Fachleute ins Übersetzungsfehler erspäht und zu Recht mit Fingern Team mitaufzunehmen. darauf weist. Der Fachmann nimmt jede falsche Bezeich- Man darf deshalb auf die erste Neuauflage des ’Großen nung übel und verzeiht sie nicht. Kann man es ihm Wörterbuches’ gespannt sein. Trotz aller berechtigten verdenken? Ist es nicht verständlich, wenn der Kritik ist das Büchelchen schon jetzt ein nützliches Mediziner entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen- Werkzeug in der Hand des Übersetzers. Jedenfalls dient schlägt, wenn ich in aller Einfalt eine Spritze ins es auf seine Weise dem Verständnis einer unterdrückten Rückenmark geben lasse statt ans Rückenmark? Man Minderheit und fördert die sachliche Information und braucht ja nur zu wissen, daß diese Spritze tödlich wäre, dadurch letzten Endes die Toleranz. Johannes Werres und schon begreift man das Entsetzen. Aber eben wissen muß man so etwas. Kim Kent (Hrsg): GROSSES HOMOPHILES WÖR TER- Immerhin, bei den meisten Fachleuten folgt dem BUCH, Kopenhagen, eos-verlag, 1969 (Postfach 949, Entsetzen ein nachsichtiges Kopfschütteln, das ungefähr DK—2400, Kopenhagen N V). Keine Preisangabe. den ergebenen Gedanken ’Die Ärmste hat eben halt keine Ahnung von diesen Dingen’ ausdrückt. Einen Kurt Schlüter: ’Kuriose Welt im modernen englischen Fachmann aber gibt es, der keine Nachsicht kennt. Und Roman’, dargestellt an ausgewählten Werken von Evelyn das ist der Jäger. Waugh und Angus Wilson. Erich Schmidt Verlag, Berlin, Der Jäger spricht drei Sprachen: Die normale Sprache, 247 Seiten, kartoniert, DM 34,—. Kurt Schlüter analy- die er im Umgang mit gewöhnlichen Sterblichen verwen- siert in seinem Buch, wie sich die Lust am Kuriosen in det, wenn er über Politik redet, mit seiner Frau schimpft, der Moderne in immer vielfältigeren Formen darstellt ihr etwas Nettes sagt oder am Postschalter Briefmarken und wie sie immer neue Ausdrucksmöglichkeiten findet. kauft; das Jägerlatein, das immer nur der andere spricht Eine interessante Studie, die uns einen ganz bestimmten und die Weidmannssprache. Aspekt zeitgenössischer englischer Literatur an zwei Kürzlich hatte ich ein Buch zu übersetzen, das die Schriftstellerbeispielen nahebringt. Lebensgeschichte eines Fuchses schildert. Ein sehr fesselndes Buch, dem ich mich mit Liebe widmete. Der Mainzer Amerikanistische Beiträge (Bd. 11): Amerikanis- Autor hat einen wunderschönen Stil; aber er hatte es men im Wortschatz der deutschen Tagespresse von auch leichter als ich; denn abgesehen davon, daß der Hermann Fink. Max Hueber, München. Die drei über- Fuchs im Englischen nur eine ’Maske’ statt eines regionalen Zeitungen, welche Hermann Fink für seine ’Gesichts’ hat, weicht er in nichts sonst von allen umfassende Studie ausgewählt hat, sind die Süddeutsche bekannten Dingen ab. Im Deutschen ist die Sache Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die anders, wie ich sogleich feststellte, als ich den ’Brehm’ Welt. Von den 15 Rubriken der im beschreibenden Teil zur Hand nahm. In der Sprache der Jäger hat der Fuchs untersuchten Zeitungen konnten _leider nur zwei (Große keine Augen sondern Seher, keine Ohren sondern Politik und Kulturelles) wiedergegeben werden. An Lauscher; seine Beine sind Läufe, seine Zehen Branten, ihnen lassen sich jedoch exemplariSch die Amerikanis- sein Schwanz nennt sich Standarte, Lunte oder Rute, die men im Wortschatz der deutschen TageSpresse und damit Schwanzspitze Blume, das Fell Balg, das Grannenhaar der Einfluß des amerikanischen Englisch erkennen. Haar, das Wollhaar Wolle —- kurz der Fuchs, der als Männchen Rüde und als Weibchen Fähe geheißen wird, F. und I. Neske: Wörterbuch englischer und amerikani- entpuppt sich bei näherer Betrachtung als etwas ganz scher Ausdrücke in der deutscher? Sprache. Deutscher Neues. Man glaube ja nicht, daß er geht, wenn er geht, Taschenbuch Verlag Bd. 3033. Nach dem Zweiten nein, dann schleicht er; und wenn er trabt, schnürt er. Weltkrieg hat der Einfluß des Englischen und Amerikani- Der Ahnungslose nimmt natürlich an, daß Reineke schen auf unsere Sprache stark zugenommen. Man mag zubeißt, wenn er die Zähne in seine Beute oder in einen das begrüßen oder nicht, Tatsache bleibt, daß man sich angreifenden Hund gräbt weit gefehlt: Dann schlägt einer Fülle von Fremdwörtern ausgesetzt sieht. Diesen er. Warum und wieso, das wissen nur die Jäger. Vielleicht neuen Wortschatz haben die Autoren in einer umfang- können die Jäger auch erklären, warum die Jungen des reichen Bestandsaufnahme zusammengestellt und erläu- Fuchses Gewölfe heißen (keineswegs Gefüchse, was man tert. Neben einem Vorwort, einer Einführung und noch begreifen würde). bibliographischen Hinweisen bieten Fritz und Ingeborg Über all dies unterrichtete ich mich fleißig, und dann Neske rund 3000 Stichwörter aus über siebzig Fach- und war ich sehr stolz, als sowohl der Rüde wie auch die Sachbereichen. Fähe in meinem Fuchsbuch sich genau so benehmen, wie es die Jäger verlangen. Lauscher oder Ohr? Doch dann kamen die Zweifel. Die Menschheit setzt sich ja nicht nur aus Fachleuten, sondern auch aus Laien Stoßseufzer einer Übersetzerin zusammen. Wie reagiert der Laie, wenn er mit Fachaus— Als Übersetzerin müßte ich über ein Wissen verfügen, das drücken bombardiert wird, die er nicht kennt? ich mir nicht einmal aneignen könnte, wenn ich Abend Ich erkundigte mich in meinem Bekanntenkreis. Zu für Abend eine Seite des Konversations—cikons aus- meiner großen Erleichterung vernahm ich die einmütige wendig lernte. In fast jedem Bueh kommt ein Fachgebiet Antwort, daß ich von der Weidmannssprache Gebrauch vor. Das eine Mal ist es Architektur, das andere Mal machen müsse, wenn das Thema eines Buches es Geologie, dann wieder Medizin, Mineralogie, Genetik, erfordert. Das mache dann den Reiz der AtmOSphäre Psychoanalyse, Straßenbau, Pferdezucht, Gastronomie, aus; außerdem sei es immer schön und auch richtig, aus Kosmetik, Philosophie, Musikwissenschaft, Etymologie, Büchern etwas Neues zu lernen. Ich war beruhigt und Archäologie, Astronomie, Astrologie, Technik, Atom- ließ also meinen Fuchs nach Herzenslust schnüren, physik, Religionsgeschichte, Okkultismus oder Futu- schlagen, ranzen und aus dem Bau fahren, die Lauscher rologie — was es an Sachgebieten und Bezeichnungen, spitzen, sich die Branten lecken und den Balg kratzen. die mit ’ie’, ’ik’ oder ’ismus’ enden, nur gibt —‚in Manchmal bekam er aber doch Ohren und Zehen, wenn irgendeiner Form kommen sie in den literarischen ich fand, daß auch ein Wort aus der Nicht-Jäger—Sprache Werken vor, und jeder Begriff, jedes Wort muß sachlich vorkommen sollte, und ich gestattete ihm, etwas zu richtig verdeutscht werden. Denn irgendwo sitzt immer beobachten, anstatt es zu eräugen. Aber nun habe ich ein Fachmann, der kraft seiner Kenntnisse einen große Angst vor den Jägern.
Ich ging der Sache nämlich nach. Die Zahl der Verleihung der Alex-Wedding—Medaille: Die Arbeits— weidmännischen Fachausdrücke soll 6000 betragen. Das gemeinschaft für das Kinder- und Jugendbuch verlieh in ist um so erstaunlicher, als die Weidmannssprache gar Ost-Berlin dem sowjetischen Übersetzer Wsjewolod nicht so alt ist, sondern nur ungefähr bis ins Mittelalter Michailowitsch Rosanow die Alex-Wedding—Medaille. zurückreicht. Sie bildete sich, als die Jägerei zur Kunst Rosanow hat sich insbesondere um die Übersetzung der wurde und zunftartig erlernt werden mußte. Verstöße DDR-Kinderliteratur verdient gemacht und unter gegen Weidmannssprache und Weidmannsbrauch wurden anderem Bücher von Erwin Strittmatter, Benno Pludra, damals streng geahndet; der Delinquent wurde über den Alfred Wellm, Götz R. Richter, Horst Bastian, Gerhard erlegten Hirsch gestreckt und erhielt vor der versammel- Holtz-Baumert, IISe und Vilmos Korn übersetzt. ten Jagdgesellschaft drei Schläge — pardon, drei Pfunde *** — mit dem Weidmesser. Auch das hatte seine Bezeich- nung; es hieß Weidmessergeben. Beim ersten Schlag wurde gerufen: ’Ho ho, das ist für meine gnädige Der Jahresbeitrag für 197l ist fällig. Mindestbeitrag Herrschaft!’, beim zweiten: ’Ho ho, das ist für Ritter und DM 40.—. Knechtl’, beim dritten: ’Ho ho, das ist für das edle Einige Mitglieder überweisen immer noch den alten Jägerrecht!’ Die Jagdgesellschaft lüftete dabei die Hirsch- Betrag: deshalb bitte Daueraufträge überprüfen lassen! fänger, und der Schuldige mußte sich für die Strafe noch Der Beitrag soll nicht monatlich, sondern entWeder bedanken. jährlich oder halbjährlich überwiesen werden. ln meinen schlimmsten Träumen habe ich Geschichten Neue Anschriften bekanntgeben! von Rotwild, Schwarzwild, Damwild, Gam5wi1d‚ Muffe]- wild, Rehwild, Auerwild, Birkwild, Schnepfen, Fasanen und Bekassinen zu übersetzen. Dann weiß ich plötzlich Wir begrüßen als neue Mitglieder: nicht mehr, daß ein Infanterist ein laufender Fasan ist, Herrn Dr. K.-Richard Bausch, 66 Saarbrücken, St. daß der Auerhahn in die Balz tritt, daß Schnepfen auf-, Ingberter Str. 77; Herrn Walter Boehlich, 6 Frank- ab., fort- und zustreichen, und bringe all dies durch- furt/Main, Freiherr-vom-Stein-Str. 2]; Herrn Werner einander; dann gebe ich dem Reh ein Geweih und dem Gebühr, 7 Stuttgart-Möhringen, Rosenwies Str. 7; Frau Hirsch ein Gehöm, statt umgekehrt; dann vergesse ich, Ruth Groh, 69 Heidelberg-Schlierbach, Obere Rom- welches Schalenwild einen Trupp, ein Rudel oder einen bach l3; Frau Gerda Kurz, 85 Nürnberg, Berckhauser Sprung bildet, spreche vom Fell statt von der Decke, von Str. 42; Frau Christa Laufs, 7 Stuttgart l, Sonnenberg- der Nase statt vom Windfang oder Winder, von der str. 116; Frau Gerlinde Quenzer, 703l Steinenbronn, Zunge statt vom Lecker, Graser, Schmecker oder Hohewartstr. 46; Frau Irma Reblitz, S Köln l, Busch' Weidlöffel, von Augen statt von Lichtern und zum gasse 20; Herrn Heinz Riedt, 8101 Ettal; Herrn Wolfgang Schluß werde ich zur Strafe über einen erlegten Hirsch Rittmeister, 2 Hamburg 55, Kösterbergstraße 58; Herrn gestreckt, Weidmesser erheben sich drohend, und kernige Dr. Wolfram Schäfer, 5450 Neuwied, Weinbergstr. 74; Jägerstimmen rufen: ’Ho ho, das ist für das edle Frau Friederika Schag, 7032 Sindelfingen, Watzmann- Jägerrecht!’ str.l3; Frau Dr. Susanne Schaup, 8München 23, An all dem ist das Buch von dem Fuchs schuld. Solange Dietlindenstraße l4; Frau Leonore Schmidt, 5 Köln 51, ich nicht grübeln mußte: ’Lauscher oder Ohr, das ist hier Goethestraße 51; Frau Siglinde Smnmerer, 85 Nürnberg, die Frage ...’, hatte ich diese Träume nicht. Es bleibt mir Berckhauser Str.42; Frau Julia Tarcly-Marcus, Massy/ nur eines übrig: Die Nichtjäger zu bitten, sie mögen mir Frankreich‚2‚ sq. de l’Alliance; Frau Hildegard Weller, die Lauscher nicht übelnehrnen; die Jäger anzuflehen, sie 6230 Frankfurt 80, Gotenstr. 83; Frau Rosemarie Win— mögen mir die Ohren verzeihen. Ursula von Wiese terberg, CH—8053, Zürich, Carl-Spitteler-Str. 32. Spenden zwischen DM 10,— und DM 100,—- erhielt der Der VDU teilt mit: Verband von Herrn Dr. Hans Th. Asbeck, Frau Rosita Garcia-Reichel, Frau Ruth Groh, Herrn Ernst Jaffe, Klaus Staemmler ist während eines Kongresses in Herrn Boris Klemencic, Frau Lore Kornell, Frau Anna Warschau mit dem Übersetzerpreis des polnischen Liese Kornitzky, Herrn Dr. Edwin Maria Landau, Frau Autorenverbandes ausgezeichnet worden. Er hat Werke Christa Laufs, Herrn Dr. Paul Lynton, Frau Elisabeth von J aroslav Iwaszkiewiez, Kornel Filipowicz und J erzy Mahler, Herrn Wolfgang Rittmeister, Frau Leonore Putrament und anderen polnischen Autoren ins Deut- Schmidt, Frau Julia Tardy-Marcus, Herrn Willy Thaler, sche übertragen. Frau Rosemarie Winterberg, Frau Inge Wiskott und Ungenannt. Literaturpreis flir Günter w. Lorenz: Die Deutsche Ibero—Amerika Stiftung hat ihren Literaturpreis 1970 in Es erschienen übertragen von Höhe von 5000 Mark dem Autor, Kritiker und Über- setzer Günter W. Lorenz zuerkannt. Dieser Preis wird seit Margaret Auer: Lois Grisler: ’Meine Wölfin’, Robert 1966 alljährlich für eine Veröffentlichung verliehen, die Franklin Leslie: ’Meine Bären und ich’, Brockhaus, in besonderem Maße geeignet erscheint, das gegenseitige Wiesbaden. Beide aus dem Englischen. deutsch—lateinamerikanische Verständnis zu fördern. Otto Bayer: Cameron Hawley: ’Sturmjahre’, Roman; Lorenz erhält den Preis für sein im Horst Erdmann Alfred Coppel: ’Die Pforten der Hölle’. Roman, beides Verlag, Tübingen, erschienenes Buch Dialog mit Latein- bei Krüger, Stuttgart. Beides aus dem Amerikanischen. amerika — Panorama einerLiteratur der Zukunft. (wird fortgesetzt) DER ÜBERSETZER erscheint monatlich. Einzelpreis 75 Pf zuzüglich Versandkosten. Herausgeber: Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VDÜ), Präsident Helmut M. Bracm, 714l Neckarrem s, Schloß Remseck. — Redaktion Eva Bornernann, A 4612 Scharten, Vitta Oberösterreich, Tel.: (00 43) 72 75 l 35 oder (O 72 75) l 35. Postscheckkonto für die Zeitschrift DER UBERSETZER: Stuttgart Nr. 932 68. Konten des VDÜ: Postscheckkonto Hamburg Nr. 6447, Dresdner Bank, Stuttgart, Nr. 480 660. —— Für nnverlangte Manuskripte keine Haftung. Nachdruck mit Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe gestattet. — Druck: Belser Verlag, 7000 Stuttgart.
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