Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN

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Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
Der Übersetzer
DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
Herausgegeben vom Verband deutsdlsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicherWerke e.V.

                                Nr. 2   8. Jahrgang                 Neckarrems     Februar 1971

Und dann starb der Dichter                                    Allerdings kamen dabei nicht nur interessante Fragen
                                                              zutage, manchmal wurden auch offenbar daheim vorbe—
Bericht vom ll. Kongreß der Übersetzer polnischer
                                                              reitete, offiziös anmutende Erklärungen vorgetragen, die
Literatur
                                                              den Zuhörern wenig Neues brachten. Hier zeigte sich,
            Anläßlich der Verleihung des Ehrenzeichens        daß die Teilnehmerzahl — neben den Übersetzern saßen
            ’Verdienst um die polnische Kultur’ seitens des   stets zahlreiche polnische Autoren und Kritiker im Saal
            polnischen Kulturministers an Klaus Staemmler     — für eine Diskussion spezifischer Sprach- oder Literatur-
            veröffentlichen wir ein Referat, das dieser vor   probleme zu groß war. Doeh wurden manchmal beden-
            kurzem im Hessischen Rundfunk gehalten hat.       kenswerte Anregungen vorgebracht, die die Veranstalter
            Dem Japaner Kazuo Yonekawa, dem Ostdeut-          dankbar entgegennehmen.
            schen Kurt Kelm, dem Westdeutschen Klaus          lm höchsten Grade bewegend verlief die Warschauer
            Staemmler, dem Amerikaner David J. Welsh          Schlußsitzung am 6. Oktober nachmittags. Hier trugen
          und dem Russen Swiatoslaw Swiatzi wurden die        diejenigen Übersetzer, die sich mit Lyrik befassen,
          Übersetzerpreise 1970 der Autorenvereinigung        Proben ihrer Arbeit vor. Die Leitung der Sitzung hatte
          ’Zaiks’ verliehen.                                  der fast siebzigjährige Julian Przybos übernommen, einer
Immer wieder riß es die Gastgeber zu begeisterten             der größten polnischen Lyriker unseres Jahrhunderts.
Worten hin: ein internationaler Kongreß in Warschau —         Eben hatte er noch eine geistreiche Bemerkung gemacht,
und alle sprachen polnisch. Aber eigentlich war daran         dann eine französische Übersetzerin ans Pult gerufen,
nichts Verwunderliches, denn die Teilnehmer dieses            doch während sie ein Todesgedicht seines literarischen
Kongresses mußten notwendigerweise die Sprache unse—          Gegenspielers Mieczyslaw Jastrun vortrug, brach Przybos
res östlichen Nachbarlandes kennen. Die Autoren-Agen-         plötzlich zusammen. Man trug ihn hinaus, ein Arzt eilte
tur, eine Einrichtung des Autorenverbandes ’Zaiks’,           herbei, aber gerettet werden konnte er nicht mehr. Der
hatte nämlich etwa 120 Übersetzer aus aller Welt zum          Kongreß, die Übersetzer wie die Gastgeber, verstummten
Il. Kongreß der Übersetzer polnischer Literatur vom           tief betroffen. Sie alle wußten ja, wer Przybos war. Und
1.—9. Oktober 1970 nach Warschau und Krakau                   man muß die ungeheure Verehrung kennen, die er, die
eingeladen. 96 Damen und Herren waren gekommen.               die Lyrik überhaupt in Polen genießt, um den Verlust zu
Natürlich stellten die Delegationen aus den Ostblock-         ermessen, den sein Tod für die polnische Literatur
staaten das stärkste Kontingent, doch auch England,           bedeutet.
Frankreich, Spanien, Österreich, Skandinavien, Japan,         Die anderthalb Tage in Krakau waren dann mehr der
die Mongolei und die USA waren vertreten. Aus der             Erholung und der Begegnung mit den dortigen Schrift-
DDR kamen elf, aus der Bundesrepublik vier Übersetzer:        stellern gewidmet. Die abgebrochene Gedichtlesung
Karl Dedecius, Rolf Fieguth, Karl Horst Hiller und ich.       wurde auf dem Krakauer Marktplatz am Mickiewicz-
Der Kongreß tagte in den Räumen des ’Palais’ zu den           Denkmal gewissermaßen fortgesetzt.
Königen’, eines wiederaufgebauten Adelsschlosses in           Überwältigend war wie immer die große Herzlichkeit
Warschau, dessen Front mit Medaillons der polnischen          und Gastfreundschaft der Polen. Sie feierten die Über-
Könige geschmückt ist. Hier fanden die Arbeitssitzungen       setzer als Botschafter ihrer Literatur im Ausland und
statt, auf denen führende polnische Kritiker wie Wlod-        taten alles, um ihnen den Aufenthalt so angenehm und
zimierz Maciag, Michal Sprusinski, Roman Szydlowski           inhaltsreichwie möglich zu machen. Dabei war deutlich
und Waclaw Sadkowski sowie der Chef des polnischen            zu spüren, daß man sich intensiv gerade auch um die
Rundfunk und Fernsehens Wlodzimierz Sokorski über             westdeutschen Teilnehmer bemühte. Das verbesserte
die Entwicklung von Poesie und Prosa, Theater und             Klima zwischen Bonn und Warschau wirkte sich aus,
Hörspiel referierten. Die Fülle der dabei aufgeführten        Wenngleich gesagt werden muß, daß die Übersetzer aus
Namen machte den Übersetzern den Reichtum der                 der Bundesrepublik selbst in den Zeiten schärfster
polnischen Gegenwartsliteratur unüberhörbar deutlich.         Konfrontation stets als herzlich willkommene Gäste
Besonders hervorgehoben wurden die Eröffnungs- und            behandelt wurden.
die Schlußsitzung in Warschau. Am 2. Oktober Sprachen         Beim Abschiedsessen in Krakau dankten die Übersetzer
Michal Rusinek, Generaldirektor der Autoren-Agentur,          der Autoren-Agentur als dem Gastgeber, den Referenten
Generaldirektor Balicki in Vertretung des Kulturmini-         und den polnischen Schriftstellern. Man spürte, welche
sters, Jaroslaw Iwaszkiewicz, der Vorsitzende des polni-      starken Anstöße dieser Kongreß, der in der Presse ein
schen Schriftstellerverbandes, und Miroslaw Zulawski,         erstaunliches Echo fand, durch seine offiziellen Veran-
der über die polnische Kulturpolitik im Ausland berich—       staltungen wie durch die zahlreichen Begegnungen und
tete. Frau Posner aus Paris überbrachte die Grüße der         Gespräche ’am Rande’ gegeben hatte. Für die Verbrei-
FIT.                                                          tung des polnischen Schrifttums im Ausland wie für die
Auch die Übersetzer erhielten reichlich Gelegenheit, ihre     Arbeit der Übersetzer aus 21 Ländern war er von
besonderen Probleme der Versammlung darzulegen.               größtem Nutzen.                      Klaus Staemmler
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Lexikon in zwei Bänden in Vorbereitung ist), muß man
Bücher für Ubersetzer                                         sich mit dem (ziemlich großen) sexuellen und erotischen
Zwei Wörterbücher der Umgangssprache                          Teil des Küpperschen Lexikons zufriedengeben. Beson-
Der sechste Band des „Küpper“, jenes groß angelegten
                                                              ders im sechsten Band ist dieser Anteil sehr groß.
                                                              Trotzdem   wird   es   auf lange   Zeit   hin   nötig   sein,
Wörterbuchs der deutschen Umgangssprache, dessen
                                                              Wörterbücher einzelner Gebiete der sexuellen Umgangs.
fünften Band wir im Februar 1969 besprachen, ist nun
                                                              sprache herauszubringen, denn trotz der bedeutenden
erschienen: ’Jugenddeutsch von A bis Z’. Für Übersetzer
                                                              Liberalisierung sexueller Tabus bleibt es doch dabei, daß
ist dies, wie die Engländer sagen, ’a must’, ein
unersetzliches, unentbehrliches ’Muß-Buch’. 440 Seiten,       gewisse Gebiete der sexuellen Umgangssprache beim
Lexikonforrnat, Leinen, für DM 38,— das ist ein geringer      allgemeinen Leser Anstoß erregen. Zu solchen Büchern
                                    Werk. Der einzige         gehört (man muß sagen: leider!) das ’Große homophile
Preis für dieses absolut einmalige
                                                              Wörterbuch’, das im vorigen Jahre in Dänemark erschie-
Nachteil ist der, den wir bereits in unserer lebenden
Rezension des fünften Bandes erwähnten: daß das Buch,
                                                              nen ist.
eben wegen seiner wissenschaftlichen Qualitäten, ein          Wenn man die Bezeichnung ’groß’ im Titel liest, stellt
wenig hinter der Zeit herhinkt.                               man sich etwas Umfangreiches vor. Der Käufer wird
Dr. Heinz Küpper hat sich das Ziel gesetzt, nur solche        indessen bereits einmal ganz gehörig enttäuscht, als es
Wörter aufzunehmen, deren Ursprung er aus gedruckten          sich bei dieser Publikation keineswegs um ein Buch,
Werken belegen kann, und stets das Datum des ersten           sondern um ein schlichtes Heftchen von 58 Seiten
Erscheinens eines jeden Wortes anzugeben. Das gibt dem        Umfang und etwa 47 Seiten reinem Text handelt.
Philologen die Garantie, es hier mit einem seriösen Werk      Wieviel es kostet, war bei Niederschrift noch nicht
zu tun zu haben, und es erlaubt dem Sprachhistoriker,         bekannt; sicher wird dieses Unikum mehr als 5,— DM,
den schöpferischen Prozeß des anonymen Volksautors            wahrscheinlich sogar noch mehr als 10,— DM kosten, für
zumindest insofern zu verfolgen, wie es dem Sprach-           eine Kuriosität freilich nicht zu teuer, wenngleich
schöpfer gelingt, auf die Literatur Einfluß zu nehmen.         gemessen an anderen Wörterbüchern, absolut betrachtet,
Der Nachteil dabei ist natürlich der, daß die Daten nicht     ganz sicherlich; doch wer homosexuelle Zeitschriften
stimmen, wenn man den Titel des Werks, ’Wörterbuch            kauft und liest, dem sind diese Preise nichts Neues.
der deutschen Umgangssprache’, wörtlich nimmt. Denn
                                                              Nun, die Idee zu einem solchen Wörterbuch —— für Leser
was Küpper tatsächlich belegt, ist die Schriftsprache, die
                                                              homophiler Literatur gedacht — ist gar nicht so übel.
stets eine Verspätung von einigen Jahren gegenüber dem        Minderheiten und Subkulturen pflegen ja einen beacht-
gesprochenen Umgangsdeutsch zeigt. Fügt man zu dieser
                                                              lichen Argot zu entwickeln, der bisher nur mündlich
Verspätung die unvermeidlichen zwei bis drei Jahre, die
                                                              tradiert und dabei (bereits) wieder variiert wurde. Der
ein solches Werk erfordert, und die weiteren zwei bis
                                                              Haken bei dieser Sache ist leider der, daß ein solches
drei Jahre, die der Verlag und der Drucker zur
                                                              Wörterbuch bereits während des Druckes teilweise
Herstellung benötigen, so ergibt sich ein ’time-lag’ von
                                                              veraltet ist, allerdings die Bücher, in denen der Argot
mindestens fünf, vielleicht sogar zehn Jahren zwischen
                                                              verwendet wurde, dann auch. Dennoch haben Leser und
der Aktualität des gesprochenen Wortes und der Nutz—          natürlich auch Übersetzer wie Schriftsteller — rück-
barmachung in Form eines Küpperschen Wörterbuchs.
                                                              blickend — einen gewissen Nutzen davon; zweckmäßiger-
Der Philologe kann sich hierüber nicht beklagen. Im
                                                              weise sollten solche Wörterbücher eigentlich im Lose-
Gegenteil, verglichen mit vielen seiner Kollegen arbeitet
                                                              Blatt-Verfahren veröffentlicht werden.
Küpper ungewöhnlich schnell. Aber für den Übersetzer,         Luchterhand, please note!
der meist versuchen muß, den gegenwärtigen Wortschatz
aufzufangen, beinhaltet ein solcher Zeitverlust die           Ein anonymes ’Redaktionskollektiv’ unter Leitung des
Möglichkeit, veraltete Wörter zu übernehmen. Hier gilt        dänischen Verlegers und Redakteurs Kim Kent hat das
die alte Erfahrung, daß selbst das beste Wörterbuch           Wörterbuch ’in manchmal mühsamer Arbeit’ (Vorwort)
allenfalls  nur ein aide mämoire sein kann, daß der           zusammengestellt. Was ist dabei herausgekommen? Ein
Übersetzer eben selber genug von der Materie verstehen        guter Anfang. Man ist sich des fragmentarischen Charak-
muß, um zwischen zwei oder drei Synonymen das                 ters der Arbeit durchaus bewußt, denn der Leser und
richtige zu wählen, und daß man, wenn man kein                Benutzer wird aufgefordert, mittels eigens eingefügter
Teen—Ager mehr ist, eben einen Teen—Ager hinzuziehen          Vordrucke seine Ergänzungen und Änderungsvorschläge
muß, um die Verläßlichkeit des Vokabulars zu überprü-         dem Verlag bekanntzugeben. Man denkt also bereits an
fen.                                                          weitere Neuauflagen, und das ist auch notwendig.
Der große Vorteil des sechsten Küpper—Bandes (nicht alle      Aufschlußreich für die Beurteilbarkeit dieses Wortschat-
Vorgänger waren so organisiert), ist, daß das Buch in         zes ist das auffallend unterschiedliche Gewicht, das die
ZWei Teilen erscheint — der erste Teil Umgangsdeutsch-        Herausgeber den einzelnen Sprachräumen zugeteilt
Hachdeutsch, der zweite Hochdeuweh-Umgangsdeutsch.            haben. Umfangmäßig die meisten Seiten besitzt der
In einem einzigen Band erhält man also sowohl ein             österreichische Teil nämlich 22, Deutsch umfaßt 10,5
Wörterbuch wie einen Thesaurus. Da der Anteil der             Seiten, Amerikanisch 9 und Französisch 6. Demnach
Jugend und ihrer Umgangssprache an der Thematik der           kann es nur so sein, daß in dem ’Team’ ein Österreicher
Unterhaltungsliteratur, vor allem der Belletristik, jedes     das große Wort geführt oder zumindest den Hauptanteil
Jahr größer wird, werden vor allem diejenigen Überset-        an Arbeit geleistet hat. Bisher war dem Übersetzer dieser
zer, die sich auf Romane und Theaterstücke spezialisiert      Literatur, — und der Rezensent hat hier einige praktische
haben, dieses Wörterbuch der Jugendsprache erwerben           Erfahrungen, — aus seiner Tätigkeit bekannt, daß der
wollen. Nicht nur existiert kein besseres Werk: es            amerikanische Homosexuelle wohl den reichsten Wort-
existiert überhaupt kein vergleichbares.                      schatz besitzt; im Deutschen finden sich z. B. kaum
                                                              umgangssprachliche Synonyme für das Wort ’homo-
Heinz Küpper: WÖRTERBUCH DER DEUTSCHEN                        sexuell’ — übrigens ein Nachteil solcher alphabetischer
UMGANGSSPRACHE, Band VI, ’Jugenddeutsch von A                 Lexika: sie fassen nicht enzyklopädisch zusammen, was
bis Z ’‚ 440 Seiten, Stuttgart, Claassen Verlag, DM 38, —.    mitunter nötig und zweckmäßig wäre. Das dänische
                                                      E. B.   Produkt ist also zum Österreichischen hin eindeutig
So lange es noch kein Lexikon der sexuellen Umgangs—          kopflastig und bedarf ganz sicher eines Ausgleichs in
sprache gibt (man hört, daß bei Rowohlt ein solches           amerikanischer und auch deutscher Richtung; es dürfte
Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
sich empfehlen, für diese Bereiche eigene Fachleute ins    Übersetzungsfehler erspäht und zu Recht mit Fingern
Team mitaufzunehmen.                                       darauf weist. Der Fachmann nimmt jede falsche Bezeich-
Man darf deshalb auf die erste Neuauflage des ’Großen       nung übel und verzeiht sie nicht. Kann man es ihm
Wörterbuches’ gespannt sein. Trotz aller berechtigten      verdenken?    Ist es nicht verständlich, wenn der
Kritik ist das Büchelchen schon jetzt ein nützliches       Mediziner entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen-
Werkzeug in der Hand des Übersetzers. Jedenfalls dient     schlägt, wenn ich in aller Einfalt eine Spritze ins
es auf seine Weise dem Verständnis einer unterdrückten     Rückenmark geben lasse statt ans Rückenmark?         Man
Minderheit und fördert die sachliche Information und       braucht ja nur zu wissen, daß diese Spritze tödlich wäre,
dadurch letzten Endes die Toleranz.   Johannes Werres      und schon begreift man das Entsetzen. Aber eben
                                                           wissen muß man so etwas.
Kim Kent (Hrsg): GROSSES HOMOPHILES WÖR TER-
                                                           Immerhin, bei den meisten Fachleuten folgt dem
BUCH, Kopenhagen, eos-verlag, 1969 (Postfach 949,
                                                           Entsetzen ein nachsichtiges Kopfschütteln, das ungefähr
DK—2400, Kopenhagen N V). Keine Preisangabe.
                                                           den ergebenen Gedanken ’Die Ärmste hat eben halt
                                                           keine Ahnung von diesen Dingen’ ausdrückt. Einen
Kurt Schlüter: ’Kuriose Welt im modernen englischen        Fachmann aber gibt es, der keine Nachsicht kennt. Und
Roman’, dargestellt an ausgewählten Werken von Evelyn      das ist der Jäger.
Waugh und Angus Wilson. Erich Schmidt Verlag, Berlin,      Der Jäger spricht drei Sprachen: Die normale Sprache,
247 Seiten, kartoniert, DM 34,—. Kurt Schlüter analy-      die er im Umgang mit gewöhnlichen Sterblichen verwen-
siert in seinem Buch, wie sich die Lust am Kuriosen in     det, wenn er über Politik redet, mit seiner Frau schimpft,
der Moderne in immer vielfältigeren Formen darstellt       ihr etwas Nettes sagt oder am Postschalter Briefmarken
und wie sie immer neue Ausdrucksmöglichkeiten findet.      kauft; das Jägerlatein, das immer nur der andere spricht
Eine interessante Studie, die uns einen ganz bestimmten    und die Weidmannssprache.
Aspekt zeitgenössischer englischer Literatur an zwei       Kürzlich hatte ich ein Buch zu übersetzen, das die
Schriftstellerbeispielen nahebringt.                       Lebensgeschichte   eines Fuchses schildert. Ein sehr
                                                           fesselndes Buch, dem ich mich mit Liebe widmete. Der
Mainzer Amerikanistische Beiträge (Bd. 11): Amerikanis-    Autor hat einen wunderschönen Stil; aber er hatte es
men im Wortschatz der deutschen Tagespresse von            auch leichter als ich; denn abgesehen davon, daß der
Hermann Fink. Max Hueber, München. Die drei über-          Fuchs im Englischen nur eine ’Maske’ statt eines
regionalen Zeitungen, welche Hermann Fink für seine        ’Gesichts’ hat, weicht er in nichts sonst von allen
umfassende Studie ausgewählt hat, sind die Süddeutsche     bekannten Dingen ab. Im Deutschen ist die Sache
Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die        anders, wie ich sogleich feststellte, als ich den ’Brehm’
Welt. Von den 15 Rubriken der im beschreibenden Teil       zur Hand nahm. In der Sprache der Jäger hat der Fuchs
untersuchten Zeitungen konnten _leider nur zwei (Große     keine Augen sondern Seher, keine Ohren sondern
Politik und Kulturelles) wiedergegeben werden. An          Lauscher; seine Beine sind Läufe, seine Zehen Branten,
ihnen lassen sich jedoch exemplariSch die Amerikanis-      sein Schwanz nennt sich Standarte, Lunte oder Rute, die
men im Wortschatz der deutschen TageSpresse und damit      Schwanzspitze Blume, das Fell Balg, das Grannenhaar
der Einfluß des amerikanischen Englisch erkennen.          Haar, das Wollhaar Wolle —- kurz der Fuchs, der als
                                                           Männchen Rüde und als Weibchen Fähe geheißen wird,
F. und I. Neske: Wörterbuch englischer und amerikani-      entpuppt sich bei näherer Betrachtung als etwas ganz
scher Ausdrücke in der deutscher? Sprache. Deutscher       Neues. Man glaube ja nicht, daß er geht, wenn er geht,
Taschenbuch Verlag Bd. 3033. Nach dem Zweiten              nein, dann schleicht er; und wenn er trabt, schnürt er.
Weltkrieg hat der Einfluß des Englischen und Amerikani-    Der Ahnungslose nimmt natürlich an, daß Reineke
schen auf unsere Sprache stark zugenommen. Man mag         zubeißt, wenn er die Zähne in seine Beute oder in einen
das begrüßen oder nicht, Tatsache bleibt, daß man sich     angreifenden Hund gräbt     weit gefehlt: Dann schlägt
einer Fülle von Fremdwörtern ausgesetzt sieht. Diesen      er. Warum und wieso, das wissen nur die Jäger. Vielleicht
neuen Wortschatz haben die Autoren in einer umfang-        können die Jäger auch erklären, warum die Jungen des
reichen Bestandsaufnahme zusammengestellt und erläu-       Fuchses Gewölfe heißen (keineswegs Gefüchse, was man
tert. Neben einem Vorwort, einer Einführung und            noch begreifen würde).
bibliographischen Hinweisen bieten Fritz und Ingeborg      Über all dies unterrichtete ich mich fleißig, und dann
Neske rund 3000 Stichwörter aus über siebzig Fach- und     war ich sehr stolz, als sowohl der Rüde wie auch die
Sachbereichen.                                             Fähe in meinem Fuchsbuch sich genau so benehmen, wie
                                                           es die Jäger verlangen.
Lauscher oder Ohr?                                          Doch dann kamen die Zweifel. Die Menschheit setzt sich
                                                           ja nicht nur aus Fachleuten, sondern auch aus Laien
Stoßseufzer einer Übersetzerin
                                                           zusammen. Wie reagiert der Laie, wenn er mit Fachaus—
Als Übersetzerin müßte ich über ein Wissen verfügen, das    drücken bombardiert wird, die er nicht kennt?
ich mir nicht einmal aneignen könnte, wenn ich Abend       Ich erkundigte mich in meinem Bekanntenkreis. Zu
für Abend eine Seite des Konversations—cikons aus-         meiner großen Erleichterung vernahm ich die einmütige
wendig lernte. In fast jedem Bueh kommt ein Fachgebiet     Antwort, daß ich von der Weidmannssprache Gebrauch
vor. Das eine Mal ist es Architektur, das andere Mal       machen müsse, wenn das Thema eines Buches es
Geologie, dann wieder Medizin, Mineralogie, Genetik,       erfordert. Das mache dann den Reiz der AtmOSphäre
Psychoanalyse, Straßenbau, Pferdezucht, Gastronomie,       aus; außerdem sei es immer schön und auch richtig, aus
Kosmetik, Philosophie, Musikwissenschaft, Etymologie,      Büchern etwas Neues zu lernen. Ich war beruhigt und
Archäologie, Astronomie, Astrologie, Technik, Atom-        ließ also meinen Fuchs nach Herzenslust schnüren,
physik, Religionsgeschichte, Okkultismus oder Futu-        schlagen, ranzen und aus dem Bau fahren, die Lauscher
rologie — was es an Sachgebieten und Bezeichnungen,        spitzen, sich die Branten lecken und den Balg kratzen.
die mit ’ie’, ’ik’ oder ’ismus’ enden, nur gibt —‚in       Manchmal bekam er aber doch Ohren und Zehen, wenn
irgendeiner Form kommen sie in den literarischen           ich fand, daß auch ein Wort aus der Nicht-Jäger—Sprache
Werken vor, und jeder Begriff, jedes Wort muß sachlich     vorkommen sollte, und ich gestattete ihm, etwas zu
richtig verdeutscht werden. Denn irgendwo sitzt immer      beobachten, anstatt es zu eräugen. Aber nun habe ich
ein Fachmann, der kraft seiner Kenntnisse einen            große Angst vor den Jägern.
Der Übersetzer DISKUSSIONSBEITRÄGE UND INFORMATIONEN
Ich ging der Sache        nämlich nach. Die Zahl der              Verleihung der Alex-Wedding—Medaille:           Die Arbeits—
weidmännischen Fachausdrücke soll 6000 betragen. Das              gemeinschaft für das Kinder- und Jugendbuch verlieh in
ist um so erstaunlicher, als die Weidmannssprache gar             Ost-Berlin dem sowjetischen Übersetzer Wsjewolod
nicht so alt ist, sondern nur ungefähr bis ins Mittelalter        Michailowitsch Rosanow die Alex-Wedding—Medaille.
zurückreicht. Sie bildete sich, als die Jägerei zur Kunst         Rosanow hat sich insbesondere um die Übersetzung der
wurde und zunftartig erlernt werden mußte. Verstöße               DDR-Kinderliteratur verdient gemacht und unter
gegen Weidmannssprache und Weidmannsbrauch wurden                 anderem Bücher von Erwin Strittmatter, Benno Pludra,
damals streng geahndet; der Delinquent wurde über den             Alfred Wellm, Götz R. Richter, Horst Bastian, Gerhard
erlegten Hirsch gestreckt und erhielt vor der versammel-          Holtz-Baumert, IISe und Vilmos Korn übersetzt.
ten Jagdgesellschaft drei Schläge — pardon, drei Pfunde                                       ***
— mit dem Weidmesser. Auch das hatte seine Bezeich-
nung; es hieß Weidmessergeben. Beim ersten Schlag
wurde gerufen: ’Ho ho, das ist für meine gnädige                  Der Jahresbeitrag für 197l ist fällig. Mindestbeitrag
Herrschaft!’, beim zweiten: ’Ho ho, das ist für Ritter und        DM 40.—.
Knechtl’, beim dritten: ’Ho ho, das ist für das edle              Einige Mitglieder überweisen immer noch den alten
Jägerrecht!’ Die Jagdgesellschaft lüftete dabei die Hirsch-       Betrag: deshalb bitte Daueraufträge überprüfen lassen!
fänger, und der Schuldige mußte sich für die Strafe noch          Der Beitrag soll nicht monatlich, sondern entWeder
bedanken.                                                         jährlich oder halbjährlich überwiesen werden.
ln meinen schlimmsten Träumen habe ich Geschichten                Neue Anschriften bekanntgeben!
von Rotwild, Schwarzwild, Damwild, Gam5wi1d‚ Muffe]-
wild, Rehwild, Auerwild, Birkwild, Schnepfen, Fasanen
und Bekassinen zu übersetzen. Dann weiß ich plötzlich             Wir begrüßen als neue Mitglieder:
nicht mehr, daß ein Infanterist ein laufender Fasan ist,          Herrn Dr. K.-Richard Bausch, 66 Saarbrücken, St.
daß der Auerhahn in die Balz tritt, daß Schnepfen auf-,           Ingberter    Str. 77;   Herrn   Walter   Boehlich,   6 Frank-
ab., fort- und zustreichen, und bringe all dies durch-            furt/Main,    Freiherr-vom-Stein-Str. 2];     Herrn Werner
einander; dann gebe ich dem Reh ein Geweih und dem                Gebühr, 7 Stuttgart-Möhringen, Rosenwies Str. 7; Frau
Hirsch ein Gehöm, statt umgekehrt; dann vergesse ich,             Ruth Groh, 69 Heidelberg-Schlierbach, Obere Rom-
welches Schalenwild einen Trupp, ein Rudel oder einen             bach l3; Frau Gerda Kurz, 85 Nürnberg, Berckhauser
Sprung bildet, spreche vom Fell statt von der Decke, von          Str. 42; Frau Christa Laufs, 7 Stuttgart l, Sonnenberg-
der Nase statt vom Windfang oder Winder, von der                  str. 116; Frau Gerlinde Quenzer, 703l Steinenbronn,
Zunge statt vom Lecker, Graser, Schmecker oder                    Hohewartstr. 46; Frau Irma Reblitz, S Köln l, Busch'
Weidlöffel, von Augen statt von Lichtern            und zum       gasse 20; Herrn Heinz Riedt, 8101 Ettal; Herrn Wolfgang
Schluß werde ich zur Strafe über einen erlegten Hirsch            Rittmeister, 2 Hamburg 55, Kösterbergstraße 58; Herrn
gestreckt, Weidmesser erheben sich drohend, und kernige           Dr. Wolfram Schäfer, 5450 Neuwied, Weinbergstr. 74;
Jägerstimmen rufen:       ’Ho ho, das ist für das edle            Frau Friederika Schag, 7032 Sindelfingen, Watzmann-
Jägerrecht!’                                                      str.l3;   Frau Dr. Susanne Schaup, 8München 23,
An all dem ist das Buch von dem Fuchs schuld. Solange             Dietlindenstraße l4; Frau Leonore Schmidt, 5 Köln 51,
ich nicht grübeln mußte: ’Lauscher oder Ohr, das ist hier         Goethestraße 51; Frau Siglinde Smnmerer, 85 Nürnberg,
die Frage ...’, hatte ich diese Träume nicht. Es bleibt mir       Berckhauser Str.42; Frau Julia Tarcly-Marcus, Massy/
nur eines übrig: Die Nichtjäger zu bitten, sie mögen mir          Frankreich‚2‚ sq. de l’Alliance; Frau Hildegard Weller,
die Lauscher nicht übelnehrnen; die Jäger anzuflehen, sie         6230 Frankfurt 80, Gotenstr. 83; Frau Rosemarie Win—
mögen mir die Ohren verzeihen.              Ursula von Wiese      terberg, CH—8053, Zürich, Carl-Spitteler-Str. 32.

                                                                  Spenden zwischen DM 10,— und DM 100,—- erhielt der
Der VDU teilt mit:                                                Verband von Herrn Dr. Hans Th. Asbeck, Frau Rosita
                                                                  Garcia-Reichel, Frau Ruth Groh, Herrn Ernst Jaffe,
Klaus Staemmler ist während eines Kongresses in                   Herrn Boris Klemencic, Frau Lore Kornell, Frau Anna
Warschau mit dem Übersetzerpreis des polnischen                   Liese Kornitzky, Herrn Dr. Edwin Maria Landau, Frau
Autorenverbandes ausgezeichnet worden. Er hat Werke               Christa Laufs, Herrn Dr. Paul Lynton, Frau Elisabeth
von J aroslav Iwaszkiewiez, Kornel Filipowicz und J erzy          Mahler, Herrn Wolfgang Rittmeister, Frau Leonore
Putrament und anderen polnischen Autoren ins Deut-                Schmidt, Frau Julia Tardy-Marcus, Herrn Willy Thaler,
sche übertragen.                                                  Frau Rosemarie Winterberg, Frau Inge Wiskott und
                                                                  Ungenannt.
Literaturpreis flir Günter w. Lorenz: Die Deutsche
Ibero—Amerika Stiftung hat ihren Literaturpreis 1970 in
                                                                  Es erschienen übertragen von
Höhe von 5000 Mark dem Autor, Kritiker und Über-
setzer Günter W. Lorenz zuerkannt. Dieser Preis wird seit         Margaret Auer: Lois Grisler: ’Meine Wölfin’, Robert
1966 alljährlich für eine Veröffentlichung verliehen, die         Franklin Leslie: ’Meine Bären und ich’, Brockhaus,
in besonderem Maße geeignet erscheint, das gegenseitige           Wiesbaden. Beide aus dem Englischen.
deutsch—lateinamerikanische Verständnis zu fördern.               Otto Bayer: Cameron Hawley: ’Sturmjahre’, Roman;
Lorenz erhält den Preis für sein im Horst Erdmann                 Alfred Coppel: ’Die Pforten der Hölle’. Roman, beides
Verlag, Tübingen, erschienenes Buch Dialog mit Latein-            bei Krüger, Stuttgart. Beides aus dem Amerikanischen.
amerika — Panorama einerLiteratur der Zukunft.                                                         (wird fortgesetzt)

DER ÜBERSETZER erscheint monatlich. Einzelpreis 75 Pf zuzüglich Versandkosten. Herausgeber: Verband deutschsprachiger
Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VDÜ), Präsident Helmut M. Bracm, 714l Neckarrem s, Schloß Remseck. —
Redaktion Eva Bornernann, A 4612 Scharten, Vitta Oberösterreich, Tel.: (00 43) 72 75 l 35 oder (O 72 75) l 35. Postscheckkonto für
die Zeitschrift DER UBERSETZER: Stuttgart Nr. 932 68. Konten des VDÜ: Postscheckkonto Hamburg Nr. 6447, Dresdner Bank,
Stuttgart, Nr. 480 660. —— Für nnverlangte Manuskripte keine Haftung. Nachdruck mit Genehmigung der Redaktion und mit
Quellenangabe gestattet. — Druck: Belser Verlag, 7000 Stuttgart.
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