"Der Bund kann auch Turbo" - 5 Thesen zum Impfzertifikat für eine Schweiz nach Corona - AWK Group AG
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«Der Bund kann auch Turbo» 5 Thesen zum Impfzertifikat für eine Schweiz nach Corona Hannes Dorfmaier Marc Raum Marco Adrian Hauk Wägli Tobias Keel 1
Als das Bundesamt für Gesundheit am 24. März 2021 informierte, bis zum Sommer werde ein international anerkanntes Impfzertifikat zur Verfügung stehen, glaubten nur wenige daran, dass die Verwaltung liefern würde. Wir erinnern uns: Am Tag zuvor machte das Datenleck bei meineimpfungen.ch die Runde, das zur Einstellung der vom Bund mitfinan- zierten Lösung führte. Seit Bundesrat Ueli Maurer am 4. Juni jedoch bekanntgab, dass das Impfzertifikat bereitstehe, ist der Tenor ganz anders. Es lohnt sich, diese Erfolgsstory zu verstehen, denn Sinnstiftung ein grosses Commitment bei den in- sie eröffnet Thesen für eine Schweiz nach Corona. volvierten Akteuren. Andererseits kann die hierar- Dieser Erfolg war nicht zuletzt den vier nachstehen- chische Organisation des Bundes im Krisenmodus den Faktoren zu verdanken: «Dinge einfach möglich machen». 1. Vorhandene Erfahrung: Der Bund verfügte in einem 4. Entschiedenes Handeln der Führung: In enger Kernteam bereits über aktuelle Erfahrungen mit mo- Abstimmung mit dem Bundesamt für Gesund- dernen Apps, darunter insbesondere mit der Covid- heit hat das Bundesamt für Informatik und Tele- Tracing-App. Entsprechend wusste er, wie eine kommunikation die Gesamtverantwortung für das Lösung finanziert, beauftragt, konzipiert, rechtlich Vorhaben übernommen und dieses eng getak- verankert, beschafft, entwickelt, öffentlich getestet, tet und fokussiert mit allen Stakeholdern geführt. bereitgestellt und mit Öffentlichkeitsarbeit in die verbreitete Nutzung gebracht werden kann. Jede Diese Rekonstruktion ist nicht vollständig und hat dieser Aktivitäten ist komplex. Erforderlich sind eine auch nicht den Anspruch, alle Facetten und Ereig- team- und oft amtsübergreifende Zusammenarbeit nisse zu beleuchten. So ist die Tracing-Lösung in sowie das gesetzlich erzwungene Durchlaufen for- gewissen Aspekten einfacher als das Impfzertifikat malisierter Prozesse, die in den Händen von rund 100 mit seinen vielen Schnittstellen und Anwendungs- höheren Verwaltungsspezialist*innen liegen, die sol- fällen, die unterstützt werden müssen. Doch darum che Vorgänge ermöglichen. geht es nicht. Tatsache ist, dass es dem Bund trotz anfänglicher Startschwierigkeiten gelungen ist, in- 2. Digitalisierungsfähigkeiten in der IT: Die Bun- nerhalb weniger Wochen eine Lösung für ein ge- des-IT ist eine lieferfähige Projektfabrik. Sie verfügt sellschaftlich komplexes Problem zu entwickeln. über Infrastrukturen, wiederverwendbare (Micro-) Services, Software-Bausteine und eingespielte Ab- Der Bund kann also Turbo. Damit die Schweiz als läufe, um solche Lösungen mit ihren IT-Expert*innen Standort weiter attraktiv bleibt und die Zusammenar- zu realisieren resp. in die Bundes-IT zu integrieren. beit in solchen Vorhaben stolz macht und motiviert, So ist das fälschungssichere Zertifikat als Lösungs- stellt sich die naheliegende Frage: Warum gestalten baustein möglich, weil der Bund bereits lange vor wir die Verwaltung der Zukunft nicht so, dass sie Tur- der E-ID Anbieter von qualifizierten elektronischen bo auch im courant normal kann? – Dies führt uns zum Signaturen war. Für die App-Entwicklung gibt es zweiten Teil dieses Beitrags, zu den fünf Thesen für Beschaffungsgrundlagen mit Anbietern aus der eine Schweiz nach Corona. Privatwirtschaft und für die Zusammenarbeit gibt es bewährte agile Vorgehensweisen. 1. Einfache Kollaboration erfordert 3. Zeit- und Erfolgsdruck: Der öffentliche Druck, die- verbindliche Regulation ses Vorhaben zum Erfolg zu bringen, erlaubte, Res- sourcen und Mittel zu mobilisieren, die im courant Eine organisatorisch und technisch einfache Kollabora- normal nicht verfügbar wären. Dazu zählen zwei tion ist für Verwaltungsorganisationen dann möglich, Aspekte: Einerseits erzeugt die Aufgabe dank ihrer wenn es pragmatische, rechtlich fundierte Rahmenbe- 2
dingungen gibt, wie die Zusammenarbeit erfolgen darf von Organisationen und ihren Fähigkeiten. Das braucht und muss. Heute gibt es offene Fragen für die Entwick- die Schweiz, um als Standort attraktiv zu bleiben. lung und Nutzung gemeinsamer IT-Lösungen, u.a. wenn es um die schweizweite Beschaffung, den Betrieb und Hierzu braucht es weiterhin anspruchsvolle Digitalisie- die Finanzierung geht. Hierzu entstanden in den letzten rungsvorhaben, die den Bund als Organisation trans- Jahren neben Verwaltungsorganisationen ad hoc ver- formieren. Ein gemeinsam geführtes Portfolio von Vor- einsrechtliche Strukturen mit freiwilliger Mitgliedschaft, um jeweils einen organisatorischen Rahmen zu schaffen. Diese fehlende Klarheit in der Zusammenarbeit führt dazu, dass das föderale Schweizer Verwaltungssystem viele Chancen der Digitalisierung zu spät ergreift. Entsprechend braucht es einen einfachen, verbindlichen formaljuristischen Rahmen mit wenigen verantwortli- chen Instanzen über alle föderalen Stufen hinweg, der eine einfache Kollaboration mit Vereinbarungen, Stan- dards und Lösungen ermöglicht und mit dem nötigen Pragmatismus umsetzt. Das am 11. Dezember 2020 in die Vernehmlassung ge- gebene Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBaG) schafft hierzu die wesentlichen Grundlagen und ist (mit gewissen Modifikationen) rasch in Kraft zu setzen. 2. Zusammen sind wir stärker: Ökosysteme stiften Mehrwert Da die Verwaltung für ihre Tätigkeit gesetzliche Grund- lagen braucht, liegt es nahe, Verwaltungsarbeiten ein- zelnen zuständigen Stellen zuzuweisen, die diese dann in ihrem Zuständigkeitsbereich vollziehen. In einer Welt von Netzwerkorganisationen stösst dieses Gestal- tungsprinzip allerdings an seine Grenzen, weil es eine informelle Zusammenarbeit über Silo-Grenzen hinweg erschwert anstatt fördert. Gefragt sind neue Gestaltungsprinzipien und Organisa- tionsformen für die Verwaltung, welche die Zusammen- arbeit in Ökosystemen fördern. 3. Mut für «unmögliche Projekte» Menschen und Organisationen lernen durch gemeinsa- me Erfahrungen. Ambitionierte Vorhaben sind exzellente Lerngelegenheiten und Wegbereiter für die Entwicklung 3
haben, dessen Nutzen an verschiedenen Horizonten arbeiten, dass sie eine einfache Kollaboration, rasche wirkt, ist zwingend, um den Anschluss auch «in der Entscheidungen und zeitnahe Realisierungen flexibel nächsten Geländekammer» nicht zu verpassen. Das ermöglichen. Damit dies gelingt, muss sich die Führung heisst, es braucht strategische Innovation in Form von in die Verantwortung nehmen. Investitionen in die Zukunft. 5. Die digitale Schweiz braucht 4. Agilität als Gestaltungsprinzip E-Government-Basisleistungen IT-Vorhaben sind organisatorisch und technisch kom- Die Kund*innen, sprich die Bürger*innen und Unterneh- plex, wodurch klassische wasserfallartige Planungs- men, stehen im Zentrum des behördlichen Handelns. und Steuerungsansätze an ihre Grenzen gelangen. Die Serviceorientierung über alle föderalen Stufen steht Ihre Anwendung kann den Projekterfolg gefährden. damit im Zentrum für eine kundenzentrierte öffentliche In der Software-Entwicklung sind deshalb in den letz- Hand. Dies impliziert unter anderem, dass Bürger*innen ten 25 Jahren alternative, agile Vorgehensweisen ent- und Unternehmen ihre Daten den verschiedenen Ver- standen, die sich aufgrund ihres Erfolgs durchgesetzt waltungsstellen nur einmal mitteilen müssen («Once- haben. In der Verwaltung führen die Entscheidungs-, Only»-Prinzip der von der Schweiz unterzeichneten Tal- Planungs- und Steuerungsprozesse aber häufig zu linn Declaration on E-Government). klassisch geführten IT-Vorhaben. Für viele der bislang sequenziell und langsam ausgeführten administrativen Amts- und verwaltungsübergreifende Lösungen kön- Verwaltungsabläufe gibt es hierzu allerdings keine trif- nen eine kosteneffiziente Antwort für ein gutes Benut- tigen Gründe. Warum verstehen sich Vorgabestellen zererlebnis sein. Hierzu braucht die Schweiz durchgän- primär kontrollierend und werden erst spät involviert? gige, interoperable E-Government-Basisleistungen, Weshalb werden Schriftstücke zwischen Verwaltungs- die Once-Only unterstützen. Dies sind Lösungen, die einheiten ausgetauscht und Lösungen nicht gemeinsam gut zusammen funktionieren und einen sinnvollen und in kurzen Gesprächen iterativ skizziert? rechtskonformen Datenaustausch ermöglichen. Eine durchgängige elektronische Identität, ein gemeinsa- Aus dieser Perspektive lohnt es sich, künftige Verwal- mes Portal oder eine geteilte Dokumentenplattform tungsabläufe systematisch und kontinuierlich so zu über- sind Beispiele hierfür. 4
Ihre Kontakte Marc Raum Adrian Wägli Senior Manager, Smart Government Partner AWK Group AG AWK Group AG marc.raum@awk.ch adrian.wägli@awk.ch Über AWK AWK Group AG AWK Group ist eine internationale, unabhängi- Leutschenbachstrasse 45 ge Management- und Technologieberatung mit CH-8050 Zürich Standorten in Zürich, Bern, Basel, Lausanne und T +41 58 411 95 00 Luxemburg. Mit über 400 Mitarbeiter*innen www.awk.ch begleitet AWK die digitale Transformation von Zürich • Bern • Basel • Lausanne • Luxemburg Organisationen aus unterschiedlichsten Bran- chen von der Strategie bis zur Umsetzung und © Copyright 2021 – AWK Group AG ist mit den Technologien der Zukunft vertraut. Ihre Dienstleistungen erstrecken sich von der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle über Data Analytics, Cyber Security und IT Advisory bis hin zum Management komplexer Transfor- mationsprojekte. 5
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