Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein
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Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein Peter Kunze Die konfessionelle Konfrontation und der Gegensatz der europäischen Mächte führten 1618 zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Er weitete sich von einem religiösen zu einem poli- tischen Kampf um die Vormacht in Europa aus. Bis auf die Eidgenossenschaft waren weite Ge- biete am Oberrhein von schweren Zerstörungen und einem dramatischen Bevölkerungsverlust betroffen. Erst nach dem Westfälischen Frieden 1648 und den Eroberungskriegen Frankreichs begann am Oberrhein eine längere Friedensperiode. Historischer Zusammenhang Berg und wurde vertrieben. Böhmen wurde nun gewaltsam rekatholisiert. Der sich verschärfende konfessionelle Ge- gensatz zwischen Katholiken und Protes- tanten und die gleichzeitigen Kämpfe um die Vormacht im Reich und in Europa wurden im Dreißigjährigen Krieg auf unterschiedli- chen Ebenen und in einem bis dahin unge- kannten Gewaltexzess ausgetragen. So stan- den sich am Oberrhein bereits seit 1608 die Protestantische Union – mit Baden-Durlach, der Kurpfalz, Württemberg sowie der Stadt Straßburg – und die Katholische Liga – mit den Hochstiften Straßburg, Konstanz und Speyer – als hochgerüstete Machtblöcke ge- genüber. Als zehn Jahre danach der König von Böh- men, der spätere Kaiser Ferdinand II., die Re- formation auf seinen Territorien rückgängig machen wollte, kam es zur Revolte protestan- tischer Adliger (Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618) und zur Neuwahl eines Gegenkö- nigs, des calvinistischen Kurfürsten Fried- rich V. von der Pfalz, auch bekannt als der Reiterbildnis des badischen Markgrafen »Winterkönig«. Doch schon 1620 unterlag Georg Friedrich (1573–1638) dieser dem Kaiser in der Schlacht am Weißen (Dreiländermuseum Lörrach, GrPG 6) 334 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 334 27.08.2020 12:05:22
Anschließend verlagerte sich der Krieg von (1635) zwischen dem Kaiser und den Reichs- Böhmen nach Südwestdeutschland (Böh- ständen einbezogen worden waren, verbün- misch-Pfälzischer Krieg). Hier stellte sich dete sich das katholische Frankreich mit dem Markgraf Georg Friedrich von Baden-Dur- protestantischen Schweden gegen den Kai- lach, ein überzeugter Lutheraner und verblie- ser. So wütete der verheerende Krieg auch am bener Bündnispartner des Pfälzers, den Trup- Oberrhein noch über zehn Jahre weiter. pen der Katholischen Liga unter General Tilly entgegen. Nach der vernichtenden Niederlage bei Wimpfen/Neckar am 6.5.1622 musste Ge- Der Krieg im Elsass org Friedrich ins Straßburger Exil fliehen. Nach seinem Tod 1638 trat sein ältester Sohn Schon ab 1580 wurde das Unterelsaß zum Friedrich V. das schwere Regierungserbe an. Zentrum der Rekatholisierung. Beginnend Inzwischen hatte die Katholische Liga un- mit der Ansiedlung von Jesuiten in Molsheim ter ihrem Feldherrn Albrecht von Wallen- (Moltzen) wollten die Habsburger ihre Macht stein weite Teile des Reiches bis hoch zur Ost- auch am Oberrhein gezielt ausbauen. Vor al- see erorbert. Als Kriegsunternehmer finan- lem Erzherzog Leopold V. von Österreich- zierte Wallenstein seine 50 000 Söldner aus Tirol – von 1607 bis 1626 selbst Bischof von Raubzügen in den besetzten Gebieten. Nun- Straßburg – ging massiv gegen die protestan- mehr selbst auf dem Höhepunkt der Macht, tischen Universitäten von Straßburg und Ba- rief Ferdinand II. zum »Kreuzzug« gegen die sel vor. Protestanten auf. Mit dem sog. Restitutions- Dieser gegenreformatorischen Politik edikt machte er 1629 deren Anerkennung stellte sich seit 1608 die Protestantische Union durch den Passauer Vertrag von 1552 rück- entgegen. Im Zuge des Jülich-Klevischen Er- gängig, eine massive Bedrohung auch für folgestreites zwischen Kaiser Rudolf II. und die erst 1556 in Baden-Durlach eingeführte den sog. »possedierenden« Fürsten Wolf- Reformation. Doch nach seiner Landung in gang Wilhelm von Pfalz-Neuburg und Jo- Vorpommern begann dann Schwedens König hann Sigismund von Brandenburg, kam es Gustav Adolf als »Erlöser der Protestanten« dabei zur militärischen Auseinandersetzung einen Eroberungszug durch das Reich. Unter auf dem Territorium des Bistums Straßburg. den schweren Kriegsgräueln, die von beiden So rückten im März 1610 Truppen des Her- Seiten begangen wurden, grub sich vor allem zogs Johann Friedrich von Württemberg, die Zerstörung der mit Schweden verbünde- des Markgrafen Georg Friedrich von Baden- ten Stadt Magdeburg durch Truppen der Liga Durlach und Pfalzgrafen Philipp Ludwig von (»Magdeburger Hochzeit« 1631) tief ins kol- Pfalz-Neuburg-Zweibrücken unter dem Kom- lektive Gedächtnis der Menschen ein. Nach mando von Markgraf Joachim Ernst zu Bran- dem unerwartet frühen Tod Gustav Adolfs in denburg-Ansbach ins Elsass ein. der Schlacht bei Lützen am 16.11.1632 wollte Die Belagerung und Eroberung der mit ca. Wallenstein einen Frieden mit Schweden aus- 300 kaiserlichen Soldaten besetzten Festung handeln, wurde aber vom Kaiser geächtet und Dachstein am 4. Juni 1610, die zwei Tage da- 1634 von kaisertreuen Offizieren in Eger er- nach erfolgende Eroberung Mutzigs sowie mordet. Nachdem ausländische Mächte nicht die Belagerung und Eroberung der Garnison in die Verhandlungen zum sog. Prager Frieden Molsheim am 8.7.1610 zählten zu den siegrei- Badische Heimat 2 / 3, 2020 Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein 335 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 335 27.08.2020 12:05:25
Belagerung und Einnahme der Stadt Molsheim durch die Truppen des Markgrafen Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach am 8.7.1610 (Dreiländermuseum Lörrach, GrGeXII 6) chen Aktionen der protestantischen Unions- ein, verwüstete das Hochstift Speyer und be- truppen. setzte Hagenau. Nachdem es ihm aber nicht Im »Vergleich von Willstädt« am 24.8.1610 gelang, im Elsass ein eigenes Fürstentum zu konnte Erzherzog Leopold das Territorium begründen, legten die Truppen des Mans- des Hochstifts Straßburg im Elsass wieder- felders weite Teile des Landes in Schutt und erlangen. Allerdings mussten sowohl die Asche, bevor sie 1622 über Lothringen in die erzherzoglichen als auch die unierten Trup- Niederlande abzogen. Diese Verlagerung des pen das Elsass wieder räumen. Dagegen keh- Krieges nach Norden entlastete das Elsass je- ren die zunächst vertriebenen Jesuiten nach doch nur für kurze Zeit vom unmittelbaren Molsheim zurück und begründeten dort 1617 Kriegsgeschehen. eine Jesuitenakademie mit eigenem Promoti- Nachdem Straßburg schon 1621 aus der onsrecht. Protestantischen Union austrat, erhielt die Nach der Niederlage am Weißen Berg schon 1566 gegründete Akademie die Eigen- (1620) fiel Graf Ernst von Mansfeld, der Par- schaft einer Volluniversität mit allen Privile- teigänger des geschlagenen »Winterkönigs« gien. Entgegen dem kaiserlichen Restitutions- Friedrich V. von der Pfalz, erneut ins Elsass edikt von 1629 verhinderte danach die starke 336 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 336 27.08.2020 12:05:25
politische und wirtschaft liche Stellung Straß- weitreichende territoriale und strategische burgs, dass die Stadt zum katholischen Got- Folgen. tesdienst im Münster zurückkehren und die So besetzte der jetzt im Dienst Ludwigs Kirchengüter zurückgeben musste. XIV. stehende lutherische Feldherr Bernhard Nach dem Sieg der Schweden über die Trup- von Sachsen-Weimar 1635 weite Teile des pen Tillys am 7.9.1631 bei Breitenfeld schlos- Elsass. Er hatte bereits 1622 in Wimpfen gegen sen sich weitere Reichsfürsten den Schweden die Katholische Liga und den Kaiser gekämpft an, auch Frankreich sicherte Schweden Un- und war in Nördlingen vernichtend geschla- terstützung zu. Erneut kam es zu kaiserlichen gen worden. 1638 eroberte er u. a. Rheinfel- Truppenbewegungen im Elsass, gegen die sich den, Rötteln, Freiburg i. Br. und schließlich Straßburg 1632 unter schwedischen Schutz Breisach. Nach Bernhards ungeklärtem Tod stellte. Die anschließende Besetzung des ge- in Neuenburg fielen die ihm eroberten Fes- samten Elsass durch schwedische Truppen tungen 1639 an Frankreich. führte dann zum Zusammenbruch und zur Im Westfälischen Frieden 1648 musste Flucht der vorderösterreichischen Regierung Habsburg schließlich alle Rechte und Besit- in Ensisheim. Jetzt waren es die Schweden, die zungen im Elsass an Frankreich abtreten, ein- die linksrheinischen Gebiete ausplünderten. schließlich der unterhalb der Landeshoheit Der unerwartete Tod des schwedischen liegenden Vogteirechte über die Dekapolis Königs Gustav Adolf in der Schlacht bei Lüt- und andere Orte. Dabei handelte es sich um zen im November 1632 leitete dann das Ende letztlich unbestimmte landesherrliche Rechte, der schwedischen Vormachtstellung auch was in der Folge zu einer unklaren Rechts- am Oberrhein ein. Schon 1633 marschierte lage und fortwährenden Konflikten zwischen die Armee des Herzogs von Feria ins Ober- Frankreich und den ehemaligen Reichsstäd- elsass ein, um den spanischen Habsburgern ten im Elsass führte. wieder einen ungehinderten Landweg für ihre Truppen und Gelder von Norditalien aus entlang des Rheins in die Niederlande Das Elsass nach 1648 zu eröff nen. All dies rief Frankreichs König Ludwig XIV. Nach dem Westfälischen Frieden kam es auf den Plan, der sich nun auf den Rat seines ab 1680 zu weiteren Eroberungen im Rah- Kardinals Richelieu hin zum »Schutzherr« der men der französischen Reunionspolitik. Es protestantischen und katholischen Gebiete wurden Reunionskammern eingerichtet, die im Elsass erklärte und gleichzeitig den Aus- die «Wiedervereinigung» der elsässischen bau der französischen Positionen bis an den und anderer nicht-französischer Gebiete un- Rhein heran forcierte. ter dem Dach Frankreichs legitimieren soll- Die Niederlage der Schweden gegen die kai- ten. Protestantische Gebiete im Elsass kamen serlichen Truppen in der Schlacht bei Nörd- nun erneut unter den Einfluss der katholi- lingen (1634) beendete dann die schwedi- schen Kirche. Im Rahmen der Reunionspoli- sche Herrschaft im Elsass, allerdings hatte tik wurde auch Straßburg 1681 durch Frank- der nachfolgende Prager Frieden (1635) und reich besetzt. Ludwig XIV. kam dabei die mi- der aktive Eintritt Frankreichs in den Krieg litärische Schwäche Kaiser Leopolds I. zugute, an der Seite der geschwächten Schweden dort der in Wien durch den Abwehrkampf gegen Badische Heimat 2 / 3, 2020 Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein 337 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 337 27.08.2020 12:05:25
Friedrich Kaiser: Einzug Ludwigs IX. in Straßburg nach der Annektierung im Jahre 1681 (Dreiländermuseum Lörrach, BKKa 18) die Türken gebunden war. Angesichts der weiterhin herrschte in Straßburg Religions- Bedrohung durch französische Truppen be- freiheit, doch wurde das bis dahin protestan- mühte sich daher der Straßburger Stettmeis- tische Münster jetzt wieder zur Kathedrale ter Johann Georg von Zedlitz vergeblich um des Straßburger Bischofs. Ebenso förderte Hilfe aus dem Reich. Um unnötiges Leid zu man den Bau neuer Klöster und unterstützte vermeiden übergab er am 30. September 1681 auch aktiv die Mission der Jesuiten in Straß- die Stadt Straßburg an den französischen burg. Dagegen durfte die lutherisch geprägte Generalleutnant und Militärgouverneur des Universität Straßburgs weiterbestehen. Auch Elsass, Joseph de Montclar. Straßburg wurde der Widerruf des Edikts von Nantes (1585) besetzt, die Bürgerschaft entwaff net, das durch das Edikt von Fontainebleau (1685) – Zeughaus übernommen und eine Zitadelle und damit das Verbot des Protestantismus in zur Sicherung der französischen Herrschaft Frankreich – fand im Elsass und in Straßburg in der Stadt angelegt. keine Anwendung. Aufgrund dieser Freihei- Trotz dieser Annexion sicherten besondere ten wurde Straßburg – wie schon einmal im Kapitulationsbedingungen Straßburg eine 16. Jahrhundert – zu einem Zufluchtsort für weitgehende Eigenständigkeit zu. So garan- Glaubensflüchtlinge. tierte Ludwig XIV. den Fortbestand der kirch- Im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrie- lichen und bürgerlichen Institutionen und ges (1688–97) kam es dann unter General Freiheiten, etwa der Abgabenfreiheit. Auch de Montclar, dem Eroberer Straßburgs, auch 338 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 338 27.08.2020 12:05:25
Karte des Oberrheins von Basel bis Mannheim mit neun Befestigungsanlagen, (Dreiländermuseum Lörrach, K 18–27) zum Einmarsch Frankreichs in die Pfalz und sche Herrschaft über das Elsass, das bis 1789 zu schweren Verwüstungen am Oberrhein faktisch eine ausländische Provinz war (pro- (u. a. Zerstörung Heidelbergs 1693). Der Frie- vince à l’instar de l’étranger effectif), die vom den von Rijswijk 1697 bestätigte die französi- übrigen Frankreich durch eine entlang des Badische Heimat 2 / 3, 2020 Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein 339 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 339 27.08.2020 12:05:26
Vogesenkamms verlaufende Zollgrenze ge- Allerdings verwüsteten in den nächsten Jah- trennt blieb. Dagegen gab es keine Zollgrenze ren abwechselnd schwedische und kaiserli- gegenüber dem Reich. Auch Stadt und Um- che Truppen die obere Markgrafschaft . Da- land von Straßburg blieben deutschsprachig bei fiel auch der Verwaltungssitz der Burg und kulturell deutsch geprägt. Rötteln 1632 in die Hand kaiserlicher Trup- Mit dem Frieden von Rijswijk musste pen, die von Breisach aus ins Wiesental vor- Frankreich die besetzten Orte rechts des gedrungen waren. Mit der Niederlage der Rheins (u. a. Breisach, Freiburg im Breisgau) Schweden bei Nördlingen 1634 brach die räumen. Dagegen wurden am linken Rheinu- Herrschaft Friedrichs V. endgültig zusam- fer unter dem Festungsbaumeister Vauban men. Baden-Durlach wurde von kaiserlichen zahlreiche Festungswerke angelegt, so unter Truppen besetzt, der Markgraf musste – wie anderem die Zitadelle bei Straßburg, die Fes- zuvor schon sein Vater – ins Straßburger Exil tung Neuf-Brisach (1699–1703) und die Fes- fl iehen. tung Hüningen bei Basel. Durch das »jämmerliche Hausen der Krie- Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14) ger« (Grimmelshausen, Simplicissimus) kam wollte Österreich nicht nur die Übernahme es auch in der Markgrafschaft Baden zum des spanischen Throns durch einen Anjou völligen wirtschaft lichen und gesellschaft li- verhindern, sondern auch das Elsass für das chen Zusammenbruch. Zahllose Orte wur- Reich zurückerobern. Doch der Frieden von den niedergebrannt, die Felder blieben un- Rastatt 1714 bestätigte den Status quo im El- bestellt, fast die Hälfte der Bevölkerung kam sass, so dass die zuvor eroberten Gebiete nun ums Leben. Überall bettelte man um Brot; auch rechtlich an Frankreich fielen. manche schlossen sich zu Banden zusammen, die die Überlebenden ausraubten. Tausende Markgräfler versteckten sich in den Wäldern Die Markgrafschaft oder flohen nach Basel, wo ihnen die Stadt Baden-Durlach im Krieg Zuflucht und Schutz gewährte, darunter al- lein 32 Pfarrer des Oberlandes mit ihren Fa- Nach der Schlacht bei Wimpffen (1620) milien – und eine Zeit lang auch Markgraf wurde die Markgrafschaft Baden-Durlach Friedrich V. von kaiserlichen Truppen be- setzt und wieder dem katho- lischen Glauben unterwor- fen. Die evangelischen Pfar- rer verloren ihre Stellen oder mussten das Land verlassen. Erst nach dem Eingreifen der Schweden und dem Sieg über den obersten Heerführer der Liga, Johann Graf von Tilly, bei Breitenfeld wandte sich Ansicht der Burg Rötteln aus dem Band »Topographia Alsatiae« das Blatt 1631 wieder zuguns- von Matthias Merian (dem Älteren), nach 1643 ten von Markgraf Friedrich V. (Dreiländermuseum Lörrach, GrLLö 259) 340 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 340 27.08.2020 12:05:27
Historisierende Grisaillemalerei von 1843 zum Thema »Milchsuppe im Kappeler-Krieg 1529«. Malerei von Albert Kaufmann, Lörrach Ansicht von Basel in der ersten Hälfte (Dreiländermuseum Lörrach, BKVer 197) des 17. Jahrhunderts (Dreiländermuseum Lörrach, GrLBa 117) Neben Not, Verfolgung und Exil wurde die Der Krieg und die Schweiz Bevölkerung zwischen 1628 und 1632 aber auch von schweren Pestwellen heimgesucht: Schon im Jahre 1531 beendete der 2. Kappe- allein das Schopfheimer Kirchenbuch ver- ler Krieg, bei dem der Zürcher Reformator zeichnet für 1629 fast 500 Opfer des »Sterbet«. Ulrich Zwingli den Tod fand, die Zerreiß- Die allgemeine Verrohung und die erzwun- probe zwischen altgläubigen und refor- genen Konfessionswechsel brachten schließ- mierten Orten der Schweiz im Sinne einer lich auch das kirchliche Leben weitgehend pragmatischen Entscheidung. Beide Seiten zum Erliegen. Man lebte und starb »ohne verzichteten für die Zukunft darauf, ihre un- Trost und Sakrament«. Es war vor allem diese terschiedlichen Glaubensüberzeugungen mit große geistliche Not der Menschen, die den militärischen Mitteln auszutragen und da- schlesischen Dichter Andreas Gryphius kla- durch die Einheit der Eidgenossenschaft aufs gen ließ: »Doch schweig ich noch von dem, Spiel zu setzen. Eine neue »bikonfessionelle« was ärger als der Tod / Was grimmer denn die Ordnung stellte fortan jedem der eidgenössi- Pest, und Glut und Hungersnot / Dass auch schen Orte die Wahl der Konfession frei. In- der Seelen Schatz so vielen abgezwungen« dem man damit die Einheit des Bundes über (Tränen des Vaterlandes, 1636). die konfessionellen Gegensätze stellte, ent- Badische Heimat 2 / 3, 2020 Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein 341 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 341 27.08.2020 12:05:27
päischen Konflikte und einen erneuten in- nerschweizerischen Konfessionskrieg. Denn ein Beitritt der reformierten Orte zur Union hätte wohl mit Sicherheit den Beitritt der kat- holischen Orte zur katholischen Liga ausge- löst – mit unabsehbaren Folgen. Daher be- mühte sich auch der schwedische König Gus- tav Adolf 1632 vergeblich um ein Bündnis mit den Eidgenossen. Die neutrale Haltung der Eidgenossen- schaft brachte dieser aber auch große ökono- mische Vorteile, kam es doch durch Lieferun- gen in die Kriegsgebiete zu einer regelrechten Kriegskonjunktur. Umgekehrt profitierten ausländische Mächte von dem eidgenössi- schen Reservoir an Söldnern, Lebensmitteln, Pferden u. a. mehr. Zugleich hielten die Po- litik der strikten Nichteinmischung und die abschreckende Verteidigungsbereitschaft der Eidgenossen die anderen Kriegsparteien von einer militärischen Intervention ab. Aller- dings wurden Basel und seine angrenzenden Gebiete während des Dreißigjährigen Kriegs Johann Rudolf von Wettstein (1594–1666), mehrfach durch kaiserliche, schwedische und Bürgermeister von Basel seit 1645 (Dreiländermuseum Lörrach, GrPW 38) französische Truppenaufmärsche am Ober- rhein bedroht. Auch die Grenzräume zum Fricktal und zum fürstbischöfl ichen Territo- ging man letztlich den zerstörerischen Reli- rium waren mehrmals von Plünderungen be- gionskriegen, wie sie kurz darauf weite Teile troffen. Zudem sah man sich immer wieder Europas erfassten. mit Flüchtlingen aus dem Elsass und der Frei- Aber durch die Bildung konfessioneller grafschaft Burgund konfrontiert. Nach dem Bündnisse – 1586 des »Goldenen Bundes« der Krieg ließen sich dann viele Schweizer in den katholischen Orte und 1612 des Bündnisses entvölkerten Gebieten Süddeutschlands und Zürichs und Berns mit Markgraf Georg Fried- am Oberrhein nieder. rich von Baden-Durlach (allerdings ohne Bei- 1648 führte das politische und wirtschaft- tritt zur protestantischen Union) – hing der liche Schutzbedürfnis der reformierten Orte Friede für die Schweiz vor Ausbruch des Drei- zur Entsendung des Basler Bürgermeisters ßigjährigen Krieges noch einmal am seidenen Johann Rudolf Wettstein nach Münster. Der Faden. Westfälische Frieden bedeutete für Basel dann Letztlich verhinderte nur die erfolgreiche die endgültige Anerkennung seiner staats- Diplomatie des Sich-Abseits-Haltens die Ver- rechtlichen Zugehörigkeit zur Eidgenossen- wicklung der Eidgenossenschaft in die euro- schaft. Allerdings geriet die Stadt am Rhein- 342 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 342 27.08.2020 12:05:27
knie nun in direkte Nachbarschaft zur auf- steigenden Großmacht Frankreich, die mit dem Vorrücken ins Elsass und dem Bau der Festung Hüningen nach 1681 immer wieder eine militärische Bedrohung darstellte. Die Neuordnung der Region nach dem Westfälischen Frieden Der Dreißigjährige Krieg endete ohne einen klaren Sieg der protestantischen oder katho- lischen Parteien. Daher verhandelten ab 1645 Abgesandte aller Kriegsparteien in Münster und Osnabrück über eine Friedensordnung, mit dem Ziel, einen weiteren Religionskrieg Evangelische Kirchenordnung von Baden- unmöglich zu machen. Schließlich einigte Durlach, hg. von Friedrich V., Markgraf von Baden-Durlach, Straßburg 1649 man sich darauf, religiöse Ziele und Werte (Dreiländermuseum Lörrach, Brel 176) künftig dem Primat der Politik zu unterwer- fen. Dies bedeutete jedoch auch den Verzicht auf die Klärung der Kriegsschuld und die Die Reichsstände erhielten nun alle wesentli- Bestrafung einzelner Verantwortlicher. Ge- chen Hoheitsrechte in geistlichen und weltli- gen den heft igen Widerstand von Papst In- chen Angelegenheiten. Da man erstmals auch nozenz X. bestätigte dann der Westfälische den Calvinismus anerkannte, durften die Frieden von 1648 den Religionsfrieden von Kurpfalz und die evangelischen Kantone der 1555 und fi xierte dabei die Konfessionsgren- Schweiz reformiert bleiben. Katholisch waren zen rückwirkend auf dem Stand von 1624. weiterhin Baden-Baden, Solothurn und die verbliebenen Gebiete Vorder- österreichs. Das Ausscheiden der Schweiz und der Nieder- lande aus dem Reichsverband wurde bestätigt und führte zur internationalen Aufwer- tung beider Länder. Vor allem in den Beschlüssen zum Elsass zeigte sich jetzt die Anerken- nung machtpolitischer Inte- ressen als einzig realistischer Weg zur Beendigung des Re- ligionskrieges. So musste das Wasserschloss Ötlikon, 1638, seit 1650 »Friedlingen« katholische Österreich den (Dreiländermuseum Lörrach, GrLF 43 oder 44) Sundgau an den katholischen Badische Heimat 2 / 3, 2020 Der Dreißigjährige Krieg am Oberrhein 343 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 343 27.08.2020 12:05:27
französischen König abtreten. Umgekehrt er- durch die Franzosen im Holländischen Krieg möglichte dies Frankreich, bis an den Rhein (1678) lokaler Verwaltungssitz des Oberlan- vorzurücken und in den folgenden Jahrzehn- des. Schloss Friedlingen aber ging 1702 im ten seine Vormacht am Rhein mit weiteren Spanischen Erbfolgekrieg unter. Kriegen auszubauen. Dank des Beistands Schwedens wurde auch Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des Dreiländermuseums Lörrach. die Markgrafschaft Baden-Durlach restituiert. Der wiedereingesetzte Markgraf Friedrich V. führte 1649 die leicht modifizierte lutherische Literaturauswahl Kirchenordnung von 1556 erneut ein und be- gann sofort mit dem Wiederaufbau des zer- Michel Erbe, (Hrsg.): Das Elsass: Historische Land- schaft im Wandel der Zeiten, Stuttgart 2002. störten Landes. Als Zeichen seiner Dankbar- Armin Kohnle: Kleine Geschichte der Markgraf- keit gab er 1650 seinem Weiherschlösschen schaft Baden, Karlsruhe, 2009 Ötlikon bei Weil den neuen Namen »Fried- Thomas Maissen: Geschichte der Schweiz, Baden, lingen«. 2010. Im selben Jahr erneuerte der Markgraf auch die im Krieg untergegangene Röttler Land- schule, aus der dann 1715 das markgräfliche Pädagogium in Lörrach hervorging (heute Hebel-Gymnasium Lörrach). Die Folgen des Krieges lasteten noch für Jahrzehnte auf dem völlig verarmten Land. So schätzt man den Gesamtschaden der Kriegs- jahre allein für die Herrschaften Rötteln und Anschrift des Autors: Sausenberg auf fast 750 000 Gulden – nicht Dr. Peter Kunze eingerechnet die an Basel zurückzuzahlenden Läublinstraße 13 Schulden für Beherbung von Flüchtlingen. 79576 Weil am Rhein pkweil@t-online.de Burg Rötteln blieb noch bis zur Zerstörung 344 Peter Kunze Badische Heimat 2 / 3, 2020 334_Kunze_Der Dreissigjaehrige Krieg.indd 344 27.08.2020 12:05:28
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