DER FRIEDHOF LITERATURKONZERT - Berliner Orte

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DER FRIEDHOF LITERATURKONZERT - Berliner Orte
1 – DER
FRIEDHOF

                          LITERATURKONZERT
                        24.04.2022, 16 UHR
                     KULTURQUARTIER
                  SILENT GREEN
               2 – DER HINTERHOF
            3 – DER KIEZ
        4 – DIE MAUER
DER FRIEDHOF LITERATURKONZERT - Berliner Orte
EMILIE MAYER                      – PAUSE –
FAUST OUVERTÜRE OP.46
                                  RIO REISER
»ICH WEISS NICHT, ZU              JUNIMOND
WEM ICH GEHÖRE«
GESUNGEN VON                      FELIX MENDELSSOHN
MARLENE DIETRICH                  BARTHOLDY
                                  TROMPETEN OUVERTÜRE
SIEGFRIED OCHS                    IN C-DUR OP. 101
HUMORISTISCHE VARIATIONEN
ÜBER »'S KOMMT EIN VOGEL          RIO REISER
GEFLOGEN«                         ZAUBERLAND
THEMA UND VARIATIONEN IM
STILE VON J. S. BACH, J. HAYDN,
                                  SPRECHER
W. A. MOZART, J. STRAUSS,
                                  MICHAEL SCHRODT
G. VERDI, R. WAGNER,
                                  GESANG
L. V. BEETHOVEN,                  FEMKE SOETENGA
F. MENDELSSOHN BARTHOLDY,
                                  DIRIGENT
R. SCHUMANN, J. BRAHMS,           HANSJÖRG SCHELLENBERGER
G. MEYERBEER, MARSCH
                                  TEXTE VON
                                  HANS FALLADA, BERTOLT BRECHT
»DAS LIED IST AUS, FRAG'          UND CHRISTA WOLF
NICHT, WARUM ICH GEHE«,           KÜNSTLERISCHE LEITUNG
»ICH BIN VON KOPF                 KATJA LEBELT
BIS FUSS AUF                      FILM
LIEBE EINGESTELLT«                SANTIAGO STANKOVIC
GESUNGEN VON                      MASKE
MARLENE DIETRICH                  SYBILLE NOTHELFER

                   LITERATURKONZERT

      1 – DER
    FRIEDHOF
DER FRIEDHOF LITERATURKONZERT - Berliner Orte
Friedhöfe sind nicht
nur Orte der Trauer
und des Abschieds,
sie sind genauso Stät-
ten der Begegnung,
der kulturellen Identi-
tät und der Erinnerung.
Im Berliner Stadtge-
biet gibt es 221 Fried-
und Kirchhöfe mit ei-
ner Gesamtfläche von
etwa 1147 Hektar, was
1,3% der Fläche Berlins
entspricht.

Die Liste der Prominenten, die in Ber-
lin bestattet sind, ist lang. In unse-
rem Literaturkonzert präsentieren wir
eine bunte Mischung von Persönlich-
keiten unterschiedlicher Epochen aus
Musik, Literatur und Film, die eines
verbindet, alle haben sie ihre letzte
Ruhestätte in Berlin.

Der Stummfilm zu Beginn des Konzer-
tes ist eine Reminiszenz an den Film-
regisseur Friedrich Wilhelm Murnau,
(geb. 28.12.1888 als Friedrich Wil-
helm Plumpe, gest. 11.3.1931), er ist
auf dem Südwestkirchhof bestattet.

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EMILIE LUISE
    FRIEDERIKA MAYER
    14.05.1812 in Friedland, Mecklen-
    burg bis 10.04.1883 in Berlin
    »Am nächsten Sonntag Vormittag
    wird die musikalische Welt einen
    Genuß von eigenthümlichem Inte-
    resse haben. Eine Dame wird eine
    Anzahl ihrer Compositionen zur Auf-
    führung bringen lassen… Ein solches
    Concertprogramm, ganz von weibli-
    cher Hand…, ist ein unicum in der mu-
    sikalischen Weltgeschichte.«

    So kündigte die Vossische Zeitung am
    20. April 1850 ein Konzert im Kon-
    zertsaal des königlichen Schauspiel-
    hauses mit Werken von Emilie Mayer
    an. Emilie Mayer schuf Klavierwerke,
    ein Singspiel, Lieder, Chormusik, 15
    Konzertouvertüren, Kammermusik
    und 8 Sinfonien. Einige ihrer Kompo-
    sitionen sind auch heute noch nicht
    veröffentlicht.
    –––– Sie blieb lebenslang unverhei-
    ratet, sie wusste, dass ein Leben mit
    Familie das Ende ihrer beruflichen
    Laufbahn bedeuten würde.                   Eduard Meyer: Lithographie von Emilie
    –––– Ihr Berliner Konzert von 1850 war     Mayer nach einer Zeichnung von Pauline
    so erfolgreich, dass Emilie Mayer in den   Suhrlandt.
    darauffolgenden Jahren regelmäßig
    eigene Konzertprogramme im könig-          Werke aus den Konzertsälen und er-
    lichen Schauspielhaus organisierte.        leben erst im 21. Jahrhundert eine
    1879 entstand ihre »Faust-Ouvertüre«       Renaissance. Emilie Mayer wurde auf
    (op. 46), die im Februar 1881 in Berlin    dem Dreifaltigkeitsfriedhof I beigesetzt.
    uraufgeführt und in zahlreichen euro-      Ihre Ruhestätte ist seit August 2021 ein
    päischen Städten gespielt wurde.           Ehrengrab des Landes Berlin.
    Nach ihrem Tod verschwanden ihre

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SIEGFRIED OCHS                              mordet. Siegfried Ochs Einäscherung
19.04.1858 in Frankfurtam Main bis          fand 1929 im Krematorium in der Ge-
05.02.1929 in Berlin                        richtsstraße statt, sein Ehrengrab be-
                                            findet sich auf dem angrenzenden
»Ihr Sohn eignet sich seiner Veran-         Urnenfriedhof.
lagung nach nicht für eine nach rein
künstlerischen Grundsätzen gelei-           Humoristische Variationen über »'s
tete Anstalt. Seine Anschauungen            kommt ein Vogel geflogen«: Das Or-
über Musik sind derartig verworren,         chesterwerk von Siegfried Ochs be-
daß es nie zu einem guten Ende füh-         steht aus mehreren Variationen über
ren kann.«                                  die Melodie des Liedes »Kommt ein
                                            Vogel geflogen«. Jede Variation ist
So begründete die Leitung der Ber-          eine Parodie auf einen bekannten
liner Musikhochschule in einem Brief        Komponisten.
an den Vater den Schulverweis von
Siegfried Ochs und prophezeite ihm
ein Ende in der Gosse.                      FELIX MENDELS-
–––– Nach seinem Hinauswurf gründe-         SOHN BARTHOLDY
te er 1882 »seinen« Chor, den späte-        03.02.1809 in Hamburg bis
ren »Philharmonischen Chor«, mit wel-       04.11.1847 in Leipzig
chem er über sechzig Ur- und Erstauf-
führungen auf die Bühne brachte. Be-        Felix Mendelssohn Bartholdy gehörte
reits 1887 begann die Kooperation mit       zu den herausragenden Musikern, Diri-
dem Philharmonischen Orchester un-          genten und Komponisten des 19. Jahr-
ter der Leitung von Hans von Bülow.         hunderts. In Hamburg geboren, lebte
–––– Siegfried Ochs entstammte einer        er in Berlin, Düsseldorf und Leipzig und
jüdischen Frankfurter Kaufmannsfa-          trat in ganz Europas auf. Bis zu seinem
milie, er studierte zunächst Chemie in      frühen Tod mit nur 38 Jahren entstand
Heidelberg und spielte dort im städ-        ein Œuvre von über 750 Werken und
tischen Orchester die Pauke. 1877/78        umfasst Symphonien, Konzerte, Orato-
ging er nach Berlin. In Berlin wohnte er    rien, Klavierwerke und Kammermusik.
zunächst in der Dorotheenstr. 36, 1885
in der Köthener Str. 2, 1890 in der Pots-   Die Musik Mendelssohn Bartholdys
damer Str. 122 A, 1893 in Nr. 118 C und     war immer wieder wegen dessen jü-
von 1909 bis 1929 in der Bendlerstr. 8      discher Herkunft Angriffen ausgesetzt.
(in der heutigen Stauffenbergstr.).         Während des Nationalsozialismus war
–––– Seine Frau Charlotte Ochs wur-         sie verboten.
de 1943 in Theresienstadt, die Tochter      –––– Felix Mendelssohn Bartholdy
Gertrud Ende 1944 in Auschwitz er-          und seiner Schwester Fanny Hensel

                                                                                       5
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verband u.a. die gemeinsame große         Leipziger Paulinerkirche wurde er am
    musikalische Begabung. Während der        8. November auf dem Dreifaltigkeits-
    Vater dem Sohn eine Musiker-Karrie-       friedhof I in Berlin-Kreuzberg neben
    re zubilligte, verwies er seine Tochter   seiner Schwester Fanny Hensel beige-
    auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter,   setzt. Die Grabstätte ist ein Ehrengrab
    die ihr musikalisches Können in den       des Landes Berlin.
    Dienst der Familie zu stellen hatte.
    Der Tod seiner Schwester Fanny Hen-       Trompeten Ouvertüre in C-Dur, op.
    sel am 14.5.1847 war ein Schock für       101: Die »Trompeten Ouvertüre«
    Felix, er zog sich aus dem öffentlichen   C-Dur mit ihrer Blechfanfare wurde
    Leben zurück und folgte ihr nach meh-     1826 komponiert und erst 1867, nach
    reren Schlaganfällen am 04.11.1847 in     Mendelssohns Tod, gelangte die Ou-
    den Tod. Nach der Trauerfeier in der      vertüre in Druck.

    MARLENE DIETRICH
    27.12.1901 in Schöneberg bis
    06.05.1992 in Paris
    Marlene Dietrich war eine der schil-
    lerndsten Schauspielerinnen des 20.
    Jahrhunderts.
    –––– Nach Abbruch des Violinstudi-
    ums erhielt sie Schauspielunterricht
    und erzielte Ihren Durchbruch mit
    dem Film »Der blaue Engel«. Es war
    der Beginn ihres steilen Aufstiegs
    zum Welt-Star, der sie 1930 nach Hol-
    lywood führte und der sie zur Stil-Iko-
    ne mit Frack und Zylinder, Hosenan-
    zug und geheimnisvollem Charme
    werden ließ. Sie äußerte sich als
    scharfe Gegnerin des Naziregimes –
    bejubelt von amerikanischen Soldaten,
    verhasst von zahlreichen deutschen
    Kritikern und Teilen der deutschen Be-
    völkerung, die in ihr eine Vaterlands-
    verräterin sahen.
    –––– Mit 74 Jahren beendete sie ihre
    Karriere, sie starb am 6. Mai 1992 in

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Paris. Sie wurde auf dem Friedhof          1932 von der Schauspielerin Anna Sten
Schöneberg III in einem schlichten         in dem Filmdrama Stürme der Leiden-
Grab nahe der Grabstätte ihrer Mutter      schaft erstmals gesungen wurde. Ab
beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu       1947 wurde es von Marlene Dietrich
den Ehrengräbern des Landes Berlin.        gesungen.

»Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe        »Das Lied ist aus: Frag' nicht, warum
eingestellt«, Text und Musik von Fried-    ich gehe«, Musik von Robert Stolz, Text
rich Hollaender, der das Lied für den      von Walter Reisch, ist ein Lied aus dem
Film »Der blaue Engel« verfasste und       deutschen Operettenfilm »Das Lied ist
das seither untrennbar mit Marlene         aus« von 1930, eines der großen Meis-
Dietrich verbunden ist.                    terwerke des frühen deutschen Kinos.
                                           Der Film ist ungewöhnlich für seinen
»Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre«,       stark melancholischen Unterton und
Musik von Friedrich Hollaender, Text       sein unglückliches Ende.
von Robert Liebmann, ist ein Lied, das

RIO REISER
09.01.1950 als Ralph Christian Mö-
bius in Berlin bis 20.08.1996 in Fre-
senhagen, Nordfriesland

»Als ich 1967 nach Berlin kam war ich
siebzehn Jahre alt, hatte vier Jahre hu-
manistische Bildung in Nürnberg, ein
Jahr Fotografenlehre und ein Jahr Cel-
lostudium in Offenbach hinter mir.«

Die Kindheit und Jugend Rio Reisers
waren von vielen Ortswechseln ge-
prägt. Seinen bürgerlichen Namen
änderte er in Anlehnung an die Haupt-
figur des psychologischen Romans
Anton Reiser in Rio Reiser.

1970 – Rio hatte in diesem Jahr auch
sein Coming-Out – gründete er zu-

                                                                                     7
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sammen mit Freunden die Band »Ton         Rio Reiser starb am 20. August 1996
    Steine Scherben«. Die Band erlangte       im Alter von 46 Jahren. Reiser wur-
    schnell Kultstatus und lieferte den       de auf dem Grundstück Fresenhagen
    Soundtrack zu Hausbesetzungen.            11 beigesetzt. Das Grab wurde zur
    Songs wie »Macht kaputt, was euch         Pilgerstätte und sein Haus wurde als
    kaputt macht« spiegelten das Lebens-      Rio-Reiser-Haus bekannt. Als der Hof
    gefühl der linken Szene West-Berlins      zum Verkauf stand, wurde der Leich-
    wider. Ab Mitte der 70er Jahre wurde      nam Reisers am 11. Februar 2011 auf
    Fresenhagen der Lebens- und Schaf-        den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in
    fensmittelpunkt der Band.                 Berlin umgebettet.

    BERTOLT BRECHT
    10.02.1898 als Eugen Berthold
    Friedrich Brecht in Augsburg bis
    14.08.1956 in Ost-Berlin

    »Ich benötige keinen Grabstein,
    aber Wenn ihr einen für mich be-
    nötigt Wünschte ich, es stünde da-
    rauf: Er hat Vorschläge gemacht.
    Wir Haben sie angenommen. Durch
    eine solche Inschrift wären Wir alle
    geehrt.«

    Brechts Wunsch zur Gestaltung seines
    Grabstein wurde nicht erfüllt. Zusam-
    men mit seiner 1971 verstorbenen
    Frau Helene Weigel liegt er auf dem
    Dorotheenstädtischen Friedhof in Ber-
    lin begraben.
    –––– Nach anfänglichen Theaterer-
    folgen in München ging Brecht nach
    Berlin. 1933 verließ er – von den Na-     Kreis deutscher Emigrierter traf. Nach
    tionalsozialisten verfolgt – Deutsch-     Vorladung vor dem Ausschuss für una-
    land. Über Prag, Wien, Zürich, Däne-      merikanische Tätigkeit 1947 kehrte
    mark, Schweden und Finnland, floh er      Brecht zurück nach Europa und grün-
    1941 in die USA. Dort lebte er in L. A.   dete mit seiner Frau Helene Weigel im
    und New York, wo er auf einen aktiven     Ostteil Berlins das Berliner Ensemble.

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DER FRIEDHOF LITERATURKONZERT - Berliner Orte
REIMUND HEINER                           einen zeitweiligen Ausschluss aus dem
                                         Schriftstellerverband der DDR zur Fol-
MÜLLER                                   ge, was einem Berufsverbot gleich-
09.01.1929 in Eppendorf, Amts-           kam; seine Stücke wurden zeitweise
hauptmannschaft Flöha, Sach-             nur in der BRD aufgeführt. Sein Sta-
sen bis 30.12.1995 in Berlin             tus als weltweit anerkannter Thea-
                                         termacher und Autor hatten ihm zahl-
Heiner Müller arbeitete zunächst als     reichen Privilegien ermöglicht – etwa
Journalist, 1957 wurde an der Berliner   einem Dauervisum, mit dem er ab
Volksbühne sein erstes Stück aufge-      1983 Reisen in den Westen unterneh-
führt. Es war der Beginn einer von       men konnte.
Skandalen und Kontroversen gepräg-       –––– Heiner Müller starb am 30. De-
ten Theater- und Autoren-Karriere.       zember 1995 mit 66 Jahren an Krebs.
Seine Konflikte mit den SED-Autoritä-    Sein Grab befindet sich auf dem Do-
ten in den 60er und 70er Jahren hatten   rotheenstädtischen Friedhof in Berlin.

                                         CHRISTA WOLF
                                         Geb. Ihlenfeld, 18.03.1929 in Lands-
                                         berg an der Warthe bis 01.12.2011
                                         in Berlin

                                         »Dass die Zeit uns verkennen muss,
                                         ist ein Gesetz«

                                         Der Satz aus Christa Wolfs »Kein
                                         Ort. Nirgends.« kennzeichnet auch
                                         ihre eigene Karriere als Schriftstel-
                                         lerin. Wurde sie in den 80er Jahren
                                         in Westdeutschland als gesamtdeut-
                                         sche Schriftstellerin gefeiert, reduzier-
                                         te man Christa Wolf nach der Wende
                                         oft auf ihre Nähe zum DDR-Regime.
                                         Sie galt als »loyale Dissidentin«, die
                                         das Regime kritisierte, aber den Sozia-
                                         lismus als besserer Alternative zum
                                         Westen hielt, »eine Sozialistin, die
                                         im Sozialismus aneckte.« Nach ihrem
                                         Protest gegen die Ausbürgerung Wolf

                                                                                     9
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Biermanns wurde ihre Überwachung         von 1983 sind Emanzipation, Identität
     durch die »Stasi« verstärkt. Nach der    und Gesellschaftskritik die zentralen
     Wende gab Christa Wolf bekannt,          Themen ihres vielfältigen Werkes.
     dass sie von 1959-62 als IM tätig war.   –––– Christa Wolf starb am 1. Dezem-
     Die »Stasi« beendete jedoch wegen        ber 2011 im Alter von 82 Jahren und
     Wolfs »Zurückhaltung« die Zusam-         wurde auf dem Dorotheenstädtischen
     menarbeit. Wie in ihrem bekann-          Friedhof in Berlin-Mitte beerdigt.
     testen Buch »Kassandra. Erzählung«

                                              er sich in Anlehnung an zwei Charak-
                                              tere der Märchen Hans im Glück und
                                              Die Gänsemagd zu.
                                              –––– Schon als junger Mann war er
                                              drogenabhängig. Er wurde immer
                                              wieder straffällig und hatte regelmä-
                                              ßig Gefängnisaufenthalte u.a. in Neu-
                                              münster, Greifswald und Neustrelitz.

                                              Während des Nationalsozialismus
                                              avancierte Fallada zu einem der
                                              meistverkauften Autoren. Seine Wer-
                                              ke wurde von staatlicher Seite sehr
                                              unterschiedlich beurteilt – von Lob
                                              bis zu Verbot.
                                              –––– Nach dem Krieg ging Fallada
     HANS FALLADA                             nach Berlin und arbeitete als Jour-
     21.07.1893 in Greifswald bis             nalist. Sein Morphin-Konsum stieg
     05.02.1947 in Berlin                     beträchtlich und Ende 1946 brach
                                              er zusammen. In die Berliner Charité
     Bevor Rudolf Wilhelm Friedrich Dit-      schrieb er in nur vier Wochen den
     zen als Schriftsteller lebte, hatte er   Roman »Jeder stirbt für sich allein«.
     als Buchhalter, Adressenschreiber,       Er starb am 05.02.47, am 13.02.1947
     Annoncensammler und Verlagsan-           erfolgte die Einäscherung im Kremat-
     gestellter gearbeitet.                   orium Wedding (heute: silent green).
     –––– Sein 1932 erschienener Roman        Bis 1981 war er auf dem Friedhof Pan-
     »Kleiner Mann – was nun?« verhalf        kow III beigesetzt. Auf Betreiben von
     ihm zu internationaler Anerkennung.      Anna Ditzen erfolgte die Umbettung
     Sein Pseudonym »Hans Fallada« legte      auf den alten Friedhof von Carwitz.

10
JOHANNES KONRAD                           1939 war er als deutscher Soldat am
BERNHARD                                  Überfall auf Polen beteiligt. Nach Ent-
                                          lassung aus sowjetischer Kriegsge-
BOBROWSKI                                 fangenschaft (1945-49) lebte er in
09.04.1917 in Tilsit bis                  Ost-Berlin als Lektor.
02.09.1965 in Ost-Berlin                  –––– Am 02.09.1965 starb Bobrow-
                                          ski an den Folgen eines Blinddarm-
Im ehemaligen Ostpreußen aufge-           durchbruchs. Seine letzte Ruhestätte
wachsen, blieb Johannes Bobrowski         liegt auf dem Evangelischen Friedhof
in seinen Werken der osteuropäischen      Friedrichshagen in Berlin.
Landschaft und Kultur verbunden.

THOMAS BRASCH                             exmatrikuliert und 1968 wegen
19.02.1945 in Westow, North York-         »staatsfeindlicher Hetze« inhaftiert.
shire bis 03.11.2001 in Berlin            1976 verließ er die DDR.
                                          –––– Thomas Brasch ließ sich von kei-
»Ich glaube, jeder Schriftsteller fühlt   ner Seite vereinnahmen. Er war Lyriker,
sich immer im Niemandsland.«              Theaterautor, Prosaschriftsteller und
                                          Filmemacher.
Seine Eltern waren jüdische Emigran-      –––– Brasch starb am 3. November
ten, er wuchs in der DDR auf, sein        2001 in der Berliner Charité. Sein Grab
Vater war der SED-Funktionär Horst        befindet sich auf dem Dorotheenstäd-
Brasch. Als Student wurde Thomas          tischen Friedhof in Berlin-Mitte.
Brasch »aus politischen Gründen«
GEORGE TABORI
                                              24.05.1914 in Budapest, Öster-
                                              reich-Ungarn bis 23.07.2007 in
                                              Berlin

                                              George Tabori, geboren als György
                                              Tábori, war Autor und Theaterma-
                                              cher, aufgewachsen in Budapest floh
                                              er vor den Nazis über Wien und Prag
                                              nach London. Nach dem Krieg ging er
                                              in die USA und arbeitete in New York
                                              und Los Angeles.
                                              –––– Nach seiner Übersiedlung nach
                                              Deutschland 1971 lebte er als briti-
                                              scher Staatsbürger in Berlin.
                                              –––– Er starb am 23. Juli 2007 und
                                              wurde am 21. August auf dem Doro-
                                              theenstädtischen Friedhof in Berlin
                                              beigesetzt.

     DAS KULTUR-                              straße und zur ersten Einäscherung
     QUARTIER                                 wurde am 28.11.1912 »die Leiche der
                                              58 jährigen Frau Arendt den Flammen
     SILENT GREEN                             übergeben.«
     Am 21.3.1874 gründete sich der Verein    –––– Das Krematorium beanspruchte,
     für Feuerbestattung und 1891 erlaub-     konfessionell neutral zu sein. Geist-
     te Preußen die Urnenbestattung, aber     liche aller Glaubensrichtungen so-
     noch nicht die Einäscherung.             wie Laien konnten dort Trauerfeiern
     –––– Auf dem Gelände des Friedhofs       abhalten.
     in der Gerichtstraße genehmigte Ber-     –––– Zwischen 1933 und 1945 musste
     lin 1909 den Bau einer Urnenhalle (der   das Krematorium auch »Sonderaufga-
     dritten in Berlin), die am 25. Septem-   ben« erfüllen. Opfer der Nazis wurden
     ber 1910 feierlich eingeweiht wurde.     im Krematorium »spurlos« beseitigt
     –––– 1911 wurde das Gesetz zur Feu-      wie 1938 die Leiche von Carl von Os-
     erbestattung verabschiedet und Preu-     sietzky; auch Hinrichtungsopfer aus
     ßen gestattete die Feuerbestattung.      Plötzensee wurden im Krematorium
     Am 24.11.1912 war die Einweihung         verbrannt.
     des Krematoriums in der Gerichts-        Nachdem das Krematorium zwischen

12
1993 und 1996 noch um die unterir-       green Kulturquartiers erhielt den Zu-
dische Leichenhalle vergrößert wur-      schlag. Im Jahr 2013 begannen die Um-
de – die Betonhalle ist die ehemalige    bau- und Renovierungsarbeiten, 2014
Leichenhalle mit Platz für 800 Särge -   zogen die ersten Mieter im sanierten
ließ die Stadt es Ende 2002 schließen.   Gebäude ein, und noch im gleichen
Vom Urnenfriedhof getrennt, wurde        Jahr fanden die ersten Veranstaltun-
das Krematorium zum Verkauf aus-         gen im silent green statt.
geschrieben. Das Konzept des silent

                                                                                 13
KURZE KULTUR-                             gestattet war, fand ein Wandel der
     GESCHICHTE DER                            Beurteilung der Feuerbestattung im
                                               Zeitalter der französischen Revoluti-
     FEUERBESTATTUNG                           on und Aufklärung statt.
     Die Feuerbestattung gilt als älteste      –––– Das liberale und moderne Bür-
     Bestattungsform, sie ist in vielen Kul-   gertum zeigte sich offen für die Idee
     turen bekannt und seit Jahrtausenden      der Feuerbestattung.
     gebräuchlich und religiös und kultisch    –––– »Krematisten« gründeten im
     motiviert. Mit der Christianisierung      letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
     Europas wurde die Feuerbestattung         Vereine für Feuerbestattung und war-
     schrittweise verdrängt. Der Glaube an     ben für gesellschaftliche Akzeptanz.
     die leibliche Auferstehung am Tag des     –––– Der größte Widerstand gegen
     jüngsten Gerichts verbot im Christen-     die Feuerbestattung kam von kirchli-
     tum die Feuerbestattung.                  cher Seite, die Kirche sah in der Ver-
     –––– Im 8. Jahrhundert wurde die          brennung einen pietätlosen Akt heid-
     Feuerbestattung im christlichen Eu-       nischen Ursprungs.
     ropa sogar unter Todesstrafe gestellt.    –––– Erst seit 1964 ist es katholischen
     Nachdem das Verbrennen von Leichen        Kirchenmitgliedern nach Kirchenrecht
     etwa eintausend Jahren nur aus hygi-      erlaubt, sich einäschern zu lassen.
     enischen Gründen (aufgrund von Seu-
     chen, Naturkatastrophen und Krieg)

14
MICHAEL SCHRODT
     SPRECHER
     Michael Schrodt, Jahrgang 1972,
     stammt aus Hanau/Main. Er studier-
     te zunächst Theaterwissenschaft und
     Lateinamerikanistik und wechselte         und nimmt Hörspiele und Radio-Fea-
     1997 an die Hochschule für Schau-         tures für MDR-Kultur und Deutsch-
     spielkunst »Ernst Busch« in Berlin.       landfunk auf. Und auch in freien und
     Von 2009-2018 war er Ensemblemit-         genreübergreifenden Theaterproduk-
     glied des Hans Otto Theaters Pots-        tionen hat Schrodt mitgewirkt, so bei-
     dam. Weitere Engagements führten          spielsweise bei ENGLISCH STRINGS-
     ihn u.a. nach Bielefeld und Augsburg.     Shakespeare’s Sonette und Musik der
     Darüber hinaus ist Schrodt in zahlrei-    Renaissance mit dem Kammerorches-
     chen Fernsehproduktionen zu sehen,        ter Potsdam, bei den Musikfestspie-
     unter anderem in Soko L.E. und Po-        len Potsdam und dem Theater unterm
     lizeiruf 110. Er ist ebenfalls Sprecher   Dach Berlin.
     bei zahlreichen Hörbuchaufnahmen

     FEMKE SOETENGA                            Mina Murray in DRACULA den Da-
     GESANG                                    Capo Award 2014 für die beste weib-
                                               liche Hauptrolle. Parallel dazu ist sie
     Femke Soetenga wurde in Steinheim         in Deutschland und in den Niederlan-
     geboren und wuchs in den Nieder-          den als Dozentin für Gesang, Schau-
     landen auf. Sie studierte zunächst in     spiel und Musical tätig. Seit 2015 ist
     Nijmegen Kommunikationswissen-            sie Schirmherrin von Hope Integrated
     schaften, bevor sie an der Musikhoch-     e.V., einem Verein, der sich für eine
     schule Rotterdam ihre Ausbildung          Grundschule in Kilifi in Kenia einsetzt.
     in Musik und Tanz mit Schwerpunkt
     Musiktheater absolvierte. Seither
     steht sie regelmäßig für große Pro-
     duktionen auf den europäischen
     Bühnen. Für ihre Rollen erhielt sie
     zahlreiche Auszeichnungen, so als
     Milady de Winter in 3 MUSKETIERE
     den DaCapo Musicalaward 2010, den
     DaCapo Award für die schönste weib-
     liche Musicalstimme 2013 und als

16
17
HANSJÖRG                                 2018 wurde Prof. Hansjörg Schellen-
                                              berger das Verdienstkreuz am Ban-
     SCHELLENBERGER                           de der Bundesrepublik Deutschland
     DIRIGENT                                 überreicht. Die bayerische Staatsmi-
                                              nisterin Prof. Dr. med. Marion Kiechle
     Hansjörg Schellenberger hat sich im      würdigte Schellenberger als leiden-
     Laufe seiner langjährigen internati-     schaftlichen Kulturbotschafter Bay-
     onalen Tätigkeit auf vielen musikali-    erns und Deutschlands in der Welt für
     schen Gebieten einen wohlklingen-        seinen großen Beitrag zum wechsel-
     den Namen gemacht: als exzellenter       seitigen Verständnis zwischen den
     Solo-Oboist der Berliner Philharmo-      Nationen. Auf mehr als fünfzig CDs
     niker, als Ensemblegründer und Diri-     hat der Künstler seine musikalische
     gent mit großer Orchestererfahrung       Tätigkeit bei allen großen Tonträger-
     sowie als überaus engagierter Päd-       firmen demonstriert. Mit den Berliner
     agoge. Der legendäre Jan Koetsier        Symphonikern sind bereits aktuelle
     gab ihm Unterweisungen mit dem           Aufnahmen entstanden, die in Kür-
     Taktstock, indessen Schellenberger       ze erscheinen werden: eine CD mit
     sein späteres Hauptfach bei Man-         Aufnahmen von Schubert-Ouvertü-
     fred Clement lernte. Und so kam es,      ren sowie eine DVD des »OverTie-
     dass er kein ausschließlicher Oboist     re«-Konzerts aus dem Berliner Zoo.
     wurde: Jahrzehntelange Beobachtun-
     gen, Partiturstudien und Interpretati-   Seit Saisonbeginn 2021/2022 ist
     onsvergleiche schufen ihm die Basis      Hansjörg Schellenberger neuer Chef-
     für eine zweite Karriere, die schon      dirigent der Berliner Symphoniker.
     längst internationale Kreise zieht.

18
BERLINER
                       ORTE
               Eine Förderung der Lot to -
               stiftung ermöglicht es uns, un-
              sere beliebten Literaturkonzerte
          zunächst bis zum Ende der Saison
     2022/2023 fortzusetzen.

     Berlin, hier trafen und treffen Ide-      beleuchten ihren Hintergrund in sei-
     en, Kulturen, Menschen und Biogra-        ner Vielfalt, Widersprüchlichkeit und
     fien aufeinander, aber auch unter-        zeitlichen Veränderung.
     schiedliche reale gesellschaftliche und
     politische Konzepte und Systeme –
     alles auf engstem Raum.                   PREISE
     –––– Spuren dieses Aufeinander-           Einzelkarte regulär 30 €
     treffens werden in der Literaturkon-      ermäßigt 20 €
     zert-Reihe »Berliner Orte« aufgegrif-     Schüler, Studenten und
     fen. In den Konzerten wird der Atmo-      Inhaber des BerlinPass
     sphäre bestimmter Orte und dem
     Lebensgefühl der Berlinerinnen und
     Berliner nachgespürt. Musik, Litera-      KARTEN 030 . 325 55 62
     tur, Bilder und Zeitzeugenberichte        karten@berliner-symphoniker.de
     lassen diese wiederentstehen und          www.berliner-symphoniker.de

20
2 – DER HINTERHOF                    3 – DER KIEZ
So 08.05.22 | 16.00 Uhr              So 05.06.22 | 16.00 Uhr
Kultursaal Nalepastraße              Kulturbrauerei, Kesselhaus
Sprecher: Michael Schroth            Sprecher: Cornelia Heyse
und Rufus Beck                       und Matthias Brenner
Dirigent: Justus Thorau              Dirigent: Hansjörg Schellenberger
Ernst Erich Noth: die Mietskaserne   Werke von Hanns Eisler, Kurt Weill,
Werke von Paul Lincke, Kurt Weill    Christoph Schambach u.a.
und Paul Hindemith

                                     4 – DIE MAUER
                                     So 28.08.22 | 16.00 Uhr
                                     Estrel, Saal Europa
                                     Sprecher: Christian Brückner
                                     Dirigent: Matthias Foremny
                                     Werke von Arnold Schönberg,
                                     Arvo Pärt, Peteris Vasks,
                                     Frank Michael Beyer und
                                     Hanns Eisler

                                                                           21
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INFORMATIONEN
030 . 325 55 62
partner-berliner-symphoniker@web.de

ABBILDUNGEN Titel, S. 15, 19: Gestaltung Skarlett Röhner. S. 3, 13, 20, 21: Fotos von
Boris Bocheinski. S. 4, 6, 10: Sammlung Berliner Symphoniker. S. 7: Foto von Gert Möbius,
Rio Reiser mit seiner Band 1995 (Ausschnitt). S. 8: Bertolt Brecht (1954), Bundesarchiv,
Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA 3.0. S. 9: Christa Wolf (1963), Bundesarchiv,
Bild 183-B0509-0010-006 / Eckleben, Irene / CC-BY-SA 3.0. S. 11: Thomas Brasch, 1993,
Marion Brasch – Eigenes Werk. S. 12: George Tabori (um 1985), Werner Bethsold – CC-BY-
SA-4.0. S. 16, 18: Künstlerfotos privat. S. 17: Foto von Travis Blessing auf Unsplash. S. 22:
Foto von Antonia Richter.

TEXTBEITRÄGE S. 3-14: Die Werkeinführung ist ein Originalbeitrag für dieses Programm-
heft von Philippe Perotto.

IMPRESSUM Herausgeber: Berolina-Orchester e.V. Berliner Symphoniker®, Hohenzollern-
damm 184, 10713 Berlin, www.berliner-symphoniker.de, Änderungen vorbehalten.
Der Berolina Orchester e.V. – Berliner Symphoniker® ist als gemeinnützig anerkannt.
Spenden sind voll absetzbar.

Bankverbindungen für Spenden              IBAN: DE77 1009 0000 2676 4210 01
für Eintrittskarten                       IBAN: DE27 1009 0000 2676 4210 28
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                   LEBENSFREUDE
                   OUVERTÜREN
                   VON SCHUBERT
                   Rosamunde, Der häusliche Krieg,
                   Der Teufel als Hydraulicus u.a.
                   Dirigent: Hansjörg
                   Schellenberger
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                    SYMPHONIKER
                    & OMAR MASSA
                    Werke für Bandoneon und
                    Orchester von Astor Piazzolla
                    und Omar Massa.
                    Dirigent: Mark Laycock
                    PREIS 12,90 €

                   DIE CD ZUM KONZERT
                   »FRÜHLINGSZAUBER«
                   AM 22.5.22
                   LUDWIG
                   VAN BEETHOVEN
                   SINFONIE NR. 7
                   Dirigent: Eduardo Marturet
                   PREIS 9,90 €

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