DER GAUCHO AUS WISMAR - Landsmann
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PORTRÄT RENÉ BLUHM-LANDSMANN, SILBERSCHMIED
Der Deutsche René Bluhm-Landsmann
stellt traditionelle argentinische Messer
her. In der Metropole Buenos Aires
betreibt er eine Werkstatt und eine
Silberschmiede-Schule. Seine Messer
sind reines Kunsthandwerk.
Text & Fotos: Camilla Landbø
DER GAUCHO
AUS WISMAR
56 MESSER MAGAZIN
PORTRÄT RENÉ BLUHM-LANDSMANN, SILBERSCHMIED
> Kunstvoll geformter Silber-
schmuck, Tango-Fotografien,
farbige Ledertaschen, antike
Uhren, Telefone und Bestecke.
All das wird sonntags auf den
Plätzen und in den Straßen von
San Telmo angeboten. Der Markt
im Bohème-Viertel von Buenos
Aires ist ein farbiges Durch-
einander von Handwerk, Tanz
und Musik. In Scharen flanieren
die Besucher – Argentinier und
Ausländer – an den aneinan-
dergereihten Ständen vorbei
und bestaunen die angepriesene
Ware.
Auch die von René Bluhm-
Landsmann. Der Silberschmied
verkauft Ledergürtel mit klas-
René hat als Deutscher
fast einen Exotenstatus
unter den argentinischen Prüfender Blick: Die Form des späteren Messergriffs muss vor dem Verlöten perfekt sein.
Kunsthandwerkern.
sischen Silberschnallen sowie frühmorgens in seiner Werkstatt det er auch schon mal aus Silber kunstvoll verzierten Griff aus
Messer mit kunstvoll verzierten zwischen den Dächern von San einen Griff für den Gehstock 925er Sterlingsilber werden, in
Griffen. Der Deutsche betreibt Telmo. Auch wenn er seit zehn eines Operngängers, ein typisch argentinischer Machart.
seit fünf Jahren in Buenos Aires Jahren in Argentinien lebt und schickes Zigarrenetui, ein tra- „Um ein solches Messer herzu-
seine eigene Schmiedewerkstatt. sich dem südamerikanischen ditionelles Mate-Trinkgefäß stellen, brauche ich etwa 40 bis
Perfektion ist sein Marken- Leben gut angepasst hat, eines oder eine Blumenvase. Aber 50 Stunden“, sagt der 36-Jährige
zeichen – und damit hat er sich hat er nicht verloren: den deut- besonders beliebt sind seine im schwarzen Arbeitskittel.
einen guten Namen gemacht. schen Arbeitseifer. Unter der Gürtelschnallen und Messer. Geduldig sägt er aus einem 0,8
Es funkt, glüht und häm- Woche steht er jeden Morgen Umgeben von unzähligen Milimeter dicken Silberblech
mert. Wenn kein Markttag ist, zeitig auf und fertigt alle mög- Sägen, Punzen und Feilen sitzt einzelne Stücke aus, die später
dann lötet und hantiert der lichen Silberstücke an, die bei René an einem neuen Auftrag: zum Messergriff verarbeitet
großgewachsene Blonde schon ihm bestellt werden. So schmie- Es soll ein Messer mit einem werden. In einem Formholz
Traditionelle Form und Ausfüh-
rung: Gravierter Silbergriff an
einer historischen Klinge, dazu
eine einfache Lederscheide mit
dem typischen runden Mund, ver-
näht mit Ziegenleder-Fäden.
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PORTRÄT RENÉ BLUHM-LANDSMANN, SILBERSCHMIED
hämmert er dann auf dem größ-
ten der ausgesägten Stücke so
lange herum, bis es eine zylin-
derähnliche Form bekommt.
„Die Enden müssen perfekt
aufeinander passen“, sagt René.
„Man darf keinen Lichtstrahl
durchfallen sehen“, erklärt er
weiter und blickt zur Kontrolle
durch den Zylinder, als ob er
ein Fernglas wäre.
René Bluhm-Landsmann
kommt aus Wismar in der ehe-
maligen DDR. Sein Leben ist
eine spannende Geschichte von
gewollten und ungewollten
Der Silberschmied hat
sein traditionelles Hand-
werk bei den Besten des Das Silberblech wird mit dem Schweißbrenner erhitzt und dann an der Nahtstelle verlötet.
Fachs gelernt.
Reisen. Als 15-Jähriger flüchte- Von dort aus hätte es eine den sehr populär ist. „Mir gefiel Das Schmieden von Messern
te er im Auto über Tschechien, lange Fahrt durch Mittel- und es, dass hier noch größere Sil- ist in Argentinien ein altes
Ungarn und Österreich mit Südamerika bis nach Feuerland berstücke wie Messergriffe an- Kunsthandwerk. Seine Anfänge
seinen Eltern in die Bundesre- werden sollen. Aber bereits in gefertigt werden“, sagt er, gehen weit in die Geschichte
publik Deutschland – nur we- Mexiko verliebte sich René in während er den zylinderähn- zurück. Nachdem die spa-
nige Wochen vor dem Mauerfall. eine Argentinierin. Und so lichen Hohlkörper auf die nischen Eroberer im heutigen
Nach dem Schulabschluss stu- landete er kurze Zeit später im Schmiedekohle legt. So erlernte Argentinien Fuß gefasst hatten,
dierte er in Leipzig Betriebs- Land der Gauchos. „Ja, ich bin René über die Jahre bei verschie- folgten ihnen bei der fortschrei-
wirtschaft. Seine Reiselust wegen einer Frau hierhergekom- denen Meistern in Argentinien tenden Kolonialisierung im 17.
führte ihn allerdings immer men“, sagt der Auswanderer sein Handwerk – das Schmie- Jahrhundert viele ausgebildete
wieder in entfernte Länder wie lachend. In Argentinien wollte den, Gravieren und Ziselieren. Fachkräfte – unter ihnen Silber-
Australien, Guatemala und im er eigentlich das Goldschmie- Einer seiner Lehrer war der schmiede. Mit der zuneh-
Jahr 2001 schließlich nach den erlernen. Dann stellte er berühmte Silberschmied Ar- menden Vertreibung der Urein-
Mexiko. aber fest, dass das Silberschmie- mando Ferreira. wohner im 19. Jahrhundert kam
Edle Metalle: Der Silbergriff mit partiellen Vergoldungen zeigt ein
Motiv aus der griechischen Mythologie.
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PORTRÄT RENÉ BLUHM-LANDSMANN, SILBERSCHMIED
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es in den weiten Ebenen Argen- und bedeutet „Waise“ oder erholz und Tabak und vertei-
tiniens zu einer extensiven „Vagabund“. Denn die Gauchos digte sich bei Bedarf.
Rinderzucht. Für die Arbeit waren frei wie ein Vogel, durch- Mit einem Lötbrenner er-
draußen auf den Weideflächen streiften das Land und boten je hitzt René ein paar Minuten
wurden harte Kerle gebraucht, nach Lust und Laune ihre Dien- lang den werdenden Messer-
die sich in den sogenannten ste den Viehzüchtern an. Zu griff, legt dann Lötmittel auf
Gauchos fanden. Die südame- ihrer Ausrüstung gehörten nicht dessen Naht. Sind beide Enden
rikanischen Cowboys waren die nur das Pferd, der Hut oder die verbunden, kühlt er das heiße
Nachkommen der Spanier und Baskenmütze und das Halstuch, Silber im Wasser ab und taucht
Ureinwohner. sondern ebenso ein Messer im es gleich darauf in Schwefel-
Nach einer der vielen Erklä- Gürtel. Für die Arbeit des Gau- säure. „Die Schwefelsäure löst
rungen wurde das Wort „Gau- chos war das Messer unentbehr- die Oxidation auf, sonst würden
cho“ aus der Sprache der lich. Damit zerlegte er das Rind, sichtbare Spuren vom Löten
Quechua-Indianer abgeleitet bearbeitete Leder, hackte Feu- bleiben“, erklärt er. Jetzt kommt
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René Bluhm-Landsmann
verwendet auch Damast-Klingen.
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eine langwierige Feinarbeit, sagt
der Silberschmied und dreht Mehr als Messer: René macht
das Radio auf. unter anderem auch wunderbare
René setzt sich hin und Griffe für Spazierstöcke.
hämmert auf einem Schmiede-
eisen erst das gelötete Silber mit
einem großen Holzhammer,
dann mit dem Ziselierhammer
in seine endgültige Form. „Man
muss die Beulen herausschla-
gen.“ Er schleift und poliert es
mit verschiedenen Feilen und
Papieren – und das alles von
Hand, damit möglichst wenig
Silber verloren geht. Schließlich
wird an beiden Enden ein rund
ausgesägtes Silberblech angelö-
tet. Jetzt sieht das elf Zentimeter
Die aufwändige Hand-
arbeit des Gravierens
wäre in Deutschland
kaum noch zu bezahlen.
lange Stück schon wie ein Mes- Horn, Bronze, Silber oder Gold Die Herstellung eines Mes- später – glänzt auf der drehbaren
sergriff aus. wurden die Griffe verziert. sers, wie es René Bluhm-Lands- Ziselierkugel bereits ein ver-
Das Messer war für den Ebenso mit Gravuren und feiner mann macht, ist sehr zeitauf- zierter Messergriff. Rund 20
Gaucho ein sehr persönlicher Ziselierarbeit. Es entstanden wändig. Diese Arbeit wäre in Stunden lang hat René in den
Gegenstand, weshalb er ihm verschiedene Messertypen wie Deutschland kaum noch bezahl- vergangenen Tagen kleine Blu-
mit Verzierungen am Griff eine Puñal, Facon und Daga. Für die bar. Das erklärt auch, weshalb men und Blätter mit zahllosen
eigene Note geben wollte. Und Herstellung der ersten Messer die Berufsgattung des Ziseleurs Schlägen ins Silber getrieben.
so kam das Kunsthandwerk des wurden ausgediente Schwerter, in Europa beinahe ausgestorben Vor dem Ziselieren füllt er den
argentinischen Messerschmieds Säbel und Feilen verwendet. ist. Griff mit einer heißen Masse
auf. Mit verschiedensten Mate- Später importierte man Klingen Beim zweiten Besuch in aus Baumharz, Farbpulver und
rialien wie Holz, Knochen, aus Europa. seiner Werkstatt – eine Woche Rinderfett, damit sich bei einem
Fantasiewelten: Der deutsche Silberschmied lässt sich jede gestalterische Freiheit.
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Schlag nur die Stelle senkt, wo mit Figuren wie dem Faunus
die Punze angesetzt wird. – ein Mischwesen, das halb
„Ich brauche für diese Ver- Mensch, halb Ziege ist.
zierungen etwa 50 verschiedene „Dass ein Deutscher tradi-
Werkzeuge, alles Ziselierpun- tionelles argentinisches Silber-
zen, die ich selber herstelle“, handwerk betreibt – nun, die
sagt René. „Vor rund 200 Jahren Argentinier waren erst kritisch“,
hat man genauso gearbeitet“, sagt René. Da man ihn ohnehin
fügt er an, während er einen als Ausnahmefall betrachtete,
weiteren Punzenschlag ins entschied er sich erst recht, die
Silber treibt. René ist an der Messer so zu schmieden, wie
Abschlussarbeit, er schlägt an sie ihm am besten gefallen.
der reliefartigen Verzierung nur Seither benutzt er statt antiker
noch die letzten Details ein – Klingen oder neuen von Böker/
ändert an einer Blüte noch eine Arbolito auch solche aus Da-
Kleinigkeit oder verleiht einem maststahl. „Ein weiterer Stil-
Blumenstengel eine dekorative bruch“, so René.
Kerbe. Der Griff ist fertig ziseliert.
Zwar ist die Zeit der herum- Nachdem René die Füllmasse
sträunenden Gauchos längst aus dem Hohlraum entfernt hat,
vorbei, aber in der Pampa Ar- Geduldsfrage: Für das Gravieren schwärzt er ihn mit Säure ein.
gentiniens wird deren Kultur und Ziselieren sind Dutzende von Er poliert die Oberfläche, was
und Traditionen heute noch Stunden notwendig. zu einer optischen Verstärkung
gelebt. Die Landbesitzer und der Reliefzeichnungen führt.
Viehzüchter kleiden sich nach Schließlich füllt er den Griff
dem Vorbild der Gauchos, sin- Barockelemente, die sich mit mit Kunstharz auf und steckt
gen ihre romantischen Lieder, Motiven der heimischen Pflan- die Angel der Damastklinge
tanzen bei Festen die Gaucho- zen- und Tierwelt vermischen. hinein. 20 Minuten später ist
Tänze Zamba und Chacarera. Manchmal bringen die argenti- das Harz hart, und Bluhm ver-
In Pluderhosen reiten sie bei nischen Silberschmiede auch nietet die Angel nur noch am
Wettkämpfen meisterhaft auf Figuren aus dem Leben an, etwa Griffende. „Man poliert ein
ihren Pferden. Und jeder mo- das Gesicht eines Gauchos. letztes Mal, und fertig ist das
derne Gaucho besitzt eines Nicht selten jedoch bedient sich Messer“, sagt er zufrieden. Das
bestimmt: ein Messer. René Bluhm-Landsmann in der kunstvolle Messer glänzt und
Die Verziehrungen auf den griechischen und römischen blitzt auf dem Werktisch – bereit
Griffen sind meist klassische Mythologie. So spielt er gerne für seinen Besitzer. <
KURZPORTRÄT
René Bluhm-Landsmann stammt aus
Wismar und blieb 2001 bei einer Reise
in Südamerika hängen. In Argentinien
lernte er das Handwerk des Silber-
schmieds. Er fertigt neben Schmuck-
Feine
stücken und Accessoires vor allem Gür- handgefertigte
telschnallen und Messer mit aufwän- Jagd- und
digen Silbergriffen im traditionellen Sammler-
Stil. In seiner Silberschmiede-Schule,
die er seit 2008 in Buenos Aires be-
messer
treibt, gibt er sein Wissen an Nach-
wuchs-Handwerker weiter.
Kontakt: Messer
René Bluhm-Landsmann Schmidbauer
Carlos Calvo 640, San Telmo Mariabrunnweg 50 a
Buenos Aires 83671 Benediktbeuern
Argentina Telefon 08857-697440
Tel. +54-11-43004853 Fax 08857-697445
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