Der Piz Surgonda ist der höchste Punkt der Durchquerung (von Fleißaufgaben abgesehen) - Höhepunkte gibt es noch mehr.
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Der Piz Surgonda ist der höchste Punkt der Durchquerung (von Fleißaufgaben abgesehen) – Höhepunkte gibt es noch mehr.
Albula Albula anders mal Skisafari im Parc dʼEla Die Albuladurchquerung vom Julier- zum Flüelapass ist ein Klassiker unter den Skihochrouten. Michael Pröttel (Text und Fotos) hat das reizvolle Gebirge mit vielen Idealhängen auf einer anderen Linie erkundet. M it 2653 Metern über Normal- Brotauflauf stürzen. Doch beginnen wir null ist sie die höchste Hütte von vorn. des Schweizer Alpenclubs im „Wir überqueren gleich das berühmte nicht ganz kleinen Graubün- Landwasserviadukt, welches seit Juli 2008 den. So gesehen ist der kürzeste Zustieg zur zum Unesco-Weltkulturerbe zählt“, ver- Chamanna Jenatsch mit gerade einmal kündet der Waggon-Lautsprecher. Schon achthundert Höhenmetern fast geschenkt. die Anreise mit der Rhätischen Bahn zum Umso erstaunter wirken Jill Lucas und Da- Ausgangspunkt unserer Skidurchquerung niel Sidler, als wir ihnen erzählen, dass wir ist ein Erlebnis für sich. Wenige Minuten nicht über die Fuorcla d’Agnel zu ihrer ge- nachdem der leuchtend rote Zug die 120 liebten Hütte aufgestiegen sind, sondern Jahre alten Steinbögen überquert hat, einen etwas längeren Zustieg gewählt ha- hält er schon am kleinen Bahnhof von Fi- ben. Sechsundzwanzig Kilometer Schnee lisur. Die Ski am Rucksack, wandern wir liegen hinter uns, als wir uns am Abend durch den verschlafenen Ortskern. Seine mit großem Appetit auf einen leckeren uralten Häuser sind verziert mit wunder- DAV 6/2021 73
Albula schönen „Sgraffiti“, den für Graubünden durch deutlich wird, dass wir an diesem señer“. Um diesen besonderen rätoroma- typischen Wand-Kratz-Gemälden. herrlichen Freitag die Einzigen weit und nischen Dialekt zu erhalten, berichtet die Die Frühlingssonne leistet nicht erst breit mit Tourenski sind. Zeitschrift „Pro Bravuogn" regelmäßig über seit heute ganze Arbeit. Obwohl es erst Im steilen Bergwald drücken die nicht das Dorfleben. Auf der Website „Bargun- Anfang März ist und wir uns auf ziemlich ganz leichten Rucksäcke – wir werden die señer interaktiv“ gibt es unter anderem genau 1000 Meter Meereshöhe befinden, erste Nacht auf einer Selbstversorgerhütte ein auditives Wörterbuch. Da wir auch den sind die Südhänge über dem verbringen – zunächst noch Rest des Hüttenzustiegs keiner Menschen- kleinen Ort komplett schnee- Über der etwas auf die Schultern. Dann seele begegnen, bleibt uns aber die Verle- Albula: frei. Ganz im Gegensatz zu erreichen wir das gutmütig genheit erspart, nicht genau zu wissen, wie weiße den glücklicherweise weißen geneigte Val Spadlatscha und man sich am Fuße des gewaltigen Piz d’Ug- Schattenhängen oberhalb der ziehen unsere Spur über die lix sprachlich korrekt begrüßt. Hänge Albula. Direkt an der Brücke einsamen Almen Pitschen, Die dortige Ela-Hütte haben wir sofort des bereits mit Schmelzwas- Prosot und Pradatsch in Rich- ins Herz geschlossen. Wie die meisten ser sprudelnden Flusses be- tung Chamona d’Ela. Die un- Selbstversorgerhütten des Schweizer Al- ginnt unsere Durchquerung gewohnten Ortsnamen zeigen penclubs ist die Küche der gemütlichen des Gebirges, das dem Wasser seinen Na- an, dass es in Filisur bis ins 20. Jahrhun- Stube perfekt ausgestattet. Inklusive Käse- men verdankt. Mit der klassischen Albu- dert eine ganz spezielle romanische Spra- fondue-Caquelon und Rechaud. Die Grup- la-Skiroute hat unser Weg aber nicht das che gab: Das auf der Sprachgrenze der Idi- pe vor uns hat – auch das ist in der Geringste zu tun. Was unter anderem da- ome Puter (Oberengadin) und Surmiran Schweiz üblich – einen feinen Haufen (Oberhalb s tein) gesprochene „Bargun- 74 DAV 6/2021
mehr: alpenverein.de/ panorama-6-2021 ALBULA-SKIDURCHQUERUNG Beste Jahreszeit: Februar bis April Anfahrt: Mit der Bahn (bahn.de, sbb.ch) über Chur nach Filisur; zurück fährt der Postbus von Marmorera nach Chur. Mit dem Auto am besten ab und bis Tiefencastel mit Öffis. Hütten: › Chamona d’Ela (2252 m), im Winter unbewartete, aber immer offene Selbstversorgerhütte des SAC Davos. Reservierung: sac-davos.ch/DE/huetten/Elahuette.html › Chamanna Jenatsch (2653 m), von Februar bis April be- wartete Hütte des SAC Bernina, Tel.: 0041/(0)81/833 29 29, chamannajenatsch.ch Kleinholz bereitgelegt, mit dem sich der Nach der Anfahrt mit Karten: Schweizer Landeskarte 1:50.000, Blatt „258 S Ofen in Windeseile anschüren lässt. Wäh- der Rhätischen Bahn Bergün“ und „268 S Julierpass“, jeweils mit Skitouren. von Tiefencastel geht Etappen: rend es knistert und die Raumtemperatur es vorbei an der Alm 1) Filisur – Chamona d’Ela. Leicht, 4 Std., ↗ 1250 Hm, langsam aber beständig ansteigt, machen Pradatsch zur Elahütte. ↘ 80 Hm. wir es uns gemütlich. Erst gibt es heißen Die Abfahrt am zweiten Tag ins Val d‘Err bietet 2) Chamona d’Ela – Chamanna Jenatsch. Mittel, 6 ½ Std., Tee. Dann eine dampfende Gemüsesuppe perfekten Firn. ↗ 1500 Hm, ↘ 1100 Hm. Optionale Gipfel: Piz Laviner als Vorspeise und danach ein italienisches (3136 m) oder Piz Jenatsch (3249 m). Nudelgericht. 3) Chamanna Jenatsch – Marmorera. Mittel, 5 Std., ↗ 710 Hm, ↘ 1650 Hm. Nach einer für alle wirklich erholsamen Bei guten Verhältnissen bieten sich bei der Chamanna Nacht kostet das Verlassen der warmen Jenatsch weitere Gipfelziele wie Piz d’Err (3378 m), Hütte am nächsten Morgen ziemliche Piz Calderas (3397 m) oder Tschima da Flix (3316 m). Überwindung. Eiskalte Fallwinde und mit ihnen kleine Eiskristalle wehen uns vom deutet darauf hin, dass es hier in den Vor- ganzen Schlusshang zum Pass d’Ela wieder Pass d’Ela ins Gesicht. Aber es hilft nichts. tagen extrem warm gewesen sein muss. hinunterrutscht. Wir müssen möglichst früh los. Schließ- Wer auf solchen Eisrutschbahnen seine Als Entschädigung erwartet sie – und lich steht heute die längste Etappe unse- Harscheisen zu spät anlegt, muss unge- uns natürlich auch – eine großartige Ab- rer Skisafari an. Zwischen riesigen Fels- wollte Zusatz-Höhenmeter in Kauf neh- fahrt durchs weltentrückte Cotscha-Tal. flanken steigen wir zügig im schattigen men. So wie Bernadette, die bei einer Weit und breit ist keine einzige Skispur zu Talschluss bergan. Ein harter, nordseitiger Spitzkehre ausrutscht und fluchend den entdecken. Wir sind wohl seit Langem die Harschdeckel auf über knapp 2800 Metern Ersten, die ihre Schwünge in den fast per- DAV 6/2021 75
Chamanna Jenatsch. Schon lange liegt die Berghütte im Schatten des mächtigen, di- rekt über ihr thronenden Piz Picuogl und wartet wie jeden Abend gelassen darauf, dass die Sonne am nächsten Morgen wie- der neben dem Piz Ot aufgeht. Heute Abend genießen wir es sehr, nicht selber zu kochen, sondern uns von Jill, Da- niel und ihrem netten Team verwöhnen zu lassen. Zudem ist die Hütte im Corona fekten Firn legen. Ziemlich genau sieben- ner nicht leicht zu finden sein. Die selbst- winter 20/21 nur halb belegt. Ein ganzes hundert Höhenmeter tiefer liegt es dann erfüllende Prophezeiung setzt in Form von Matratzenlager haben wir für uns alleine. vor uns: das ebenfalls menschenleere und dichtem Nebel etwa 200 Höhenmeter un- Wobei … in dieser Nacht hätte uns wohl gewaltige Val dʼErr. Gut vier Kilometer terhalb des alles entscheidenden Sattels auch das lauteste Sägewerk nicht aus dem Luftlinie trennen uns von seinem bom- ein. Wenn man nicht mehr viel sieht, ist Tiefschlaf geholt. bastischen Talschluss. Über ihn müssen der direkte Weg nach oben meistens am Am dritten und letzten Tag unserer wir den Übergang zur Chamanna Jenatsch besten. Was aber auch bedeutet, dass die Durchquerung erreichen wir nach einem ersteigen. Ski auf den Rucksack kommen und Stufe erneut vollkommen einsamen Aufstieg Beim zweiten Aufziehen der Felle brennt um Stufe in den zum Glück recht günsti- über den spaltenarmen Vadret Traunter die Märzsonne schon kräftig herunter. gen Trittschnee getreten wird. Dennoch Ovas den beliebten Piz Surgonda. Am ge- Zum Glück haben wir viel „Marsch- nauso aussichtsreichen wie unschwieri- Das Val d’Err: tee“, wie es auf Schweizerisch hei- gen Westgrat kommen die Ski ein zweites menschenleer ßen würde, mit dabei. Nach den Mal auf den Rucksack und wir betreten ersten zwei Tal-Kilometern hätten auch ein zweites Mal das Schutzgebiet des und gewaltig wir allerdings gegen Käseplättli, „Parc Ela“. Warum wir es gestern und heu- Salsiz, Huusbrot oder die berühm- te zwischenzeitlich verlassen haben, hat ten Meringues von der Alp d’Err mit direkter Demokratie zu tun. Bei der als Stärkung nichts einzuwenden. Gründung des mit mehr als 600 Quadrat- Aber die altehrwürdige Alm liegt unter ei- brennen oben die Oberschenkel gewaltig. kilometer größten Naturparks der Schweiz ner dicken Schneedecke noch im tiefen Zusammen mit der schlechten Sicht und war es im „Mutterland der Volksbeteili- Winterschlaf. starkem Wind ist das ein guter Grund, den gung“ eine Selbstverständlichkeit, die dort Je näher wir dem Talschluss kommen, nur wenig höheren Piz Laviner auszulassen lebenden Menschen mit ins Boot zu holen. desto höher baut er sich vor uns auf. Beein- und gleich zur Hütte abzufahren. Im Herbst 2010 stimmte die Bevölkerung druckt sind wir uns einig: Bei schlechter Neun Stunden nach unserem Start an aller Parkgemeinden über die Zukunft des Sicht dürfte der Aufstieg zur Fuorcla Lavi- der Chamona d’Ela erreichen wir ziemlich Parc Ela ab. 19 von 21 entschieden sich, stolz die auf einer Karschwelle stehende 76 DAV 6/2021
Albula An der Fuorcla digl Leget spendiert deren Zeiger im Sinne von Slowmotion die Natur ungewöhnlichen Durch- langsamer tickt, je näher man ihm kommt. blick. Danach wartet die Abfahrt Viel Zeit brauchten auch die Kräfte der durchs Val Natons - noch besser als die vom Piz Surgonda (r.). Erosion, aus dem unterschiedlich kompak- ten Dolomitgestein einen Landschaftsbo- gen auf 2640 Metern Höhe zu schaffen, von dem wir alle ziemlich beeindruckt sind. durch einen schmalen Korridor mitein- Noch einprägsamer – und das im eben- ander verbunden. falls sehr positiven Sinn – als der uralte Zum Schluss unserer Drei-Tage-Tour ge- Steinbogen gestaltet sich zum Schluss un- hen wir noch einmal eigene Wege. Vom Piz serer Albula-Durchquerung die exakt 1000 Surgonda fahren wir nicht wie meist üb- Höhenmeter lange Abfahrt von der Fuorc- lich zum Julierpass hinab (wo sich auch la digl Leget (2709 m) nach Marmorera eine Bushaltestelle für uns befände), son- (1709 m). Die schier unendlichen Firnhän- dern wenden uns nach Westen in Richtung ge des Val da Natons enden fast direkt an Teil des Naturparks werden zu wollen. Nur Bivio. Das hat außer der erhofften Ideal- der dortigen Bushaltestelle. zwei Gemeinden entschieden sich dage- Abfahrt auch kulturelle Gründe: Mein Dass uns der Postbus keine Viertelstun- gen, weil sie Einschränkungen fürchteten (Künstler-)Freund Wolfgang wird beim de später zurück nach Tiefencastel bringt, – unter ihnen Tinizong-Rona, zu der das Aufstieg zur Fuorcla digl Leget mit jedem war natürlich geplant. lange Val d’Err gehört. Daher sieht die Kar- Meter aufgeregter. Schließlich kom- te des Naturparks etwas seltsam aus: Der men wir kurz vor dem Übergang an ei- Michael Pröttel, Vorsitzender von große Nordteil um Tiefencastel und der nem spektakulären Felsentor vorbei. Mountain Wilderness Deutschland, freut sich, wenn er bei seinen kleinere Südteil rund um Bivio sind nur Dort möchte er im nachfolgenden Touren „Öffis“ nutzen kann – in der Sommer eine große Uhr installieren, Schweiz funktioniert das bestens. H ä w la t r m d i c h nd u ns e r e u Wwinetiße.r Skitourenjacke mit nachhaltiger Isolation Men’s Monviso Insulation Jacket
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