Die Hütte rockt im Somma! - Es muss nicht immer Rock am Ring sein
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Bericht/Interview: Stefan Niggenkemper | Fotos: jubelschuppen.de
Die Hütte rockt im Somma!
Es muss nicht immer Rock am Ring sein
Am 17. und 18. August fand in Georgs- Rockt“ preislich eher zu den günstigen schon mal von diesem kleinen Festival
marienhütte das „Hütte Rockt“ Festival Festivals gehört, war es perfekt organi- gelesen. Sie waren trotzdem überrascht,
statt und am 31. August das „Kapelle siert. Es gab ausreichend sanitäre Anla- wie groß das „Hütte Rockt“ doch ist,
Somma“ Festival in Hamm. Beide gen, Duschen, und auch Strom konnte gleichzeitig aber sehr familiär bleibt. Sie
wurden von SubSounds promotet. Auf man in manchen Fällen bekommen. würden nächstes Jahr sehr gerne wieder
deren Einladung war ~-Mitar- Kritische Stimmen sagen über Festivals, kommen, lautete ihr Fazit.
beiter Stefan Niggenkemper bei beiden dass Menschen sehr viel Geld investieren,
Veranstaltungen vor Ort. um ein Wochenende zu feiern und dabei An beiden Tagen hatte die ~
ähnlich wie Wohnungslose zu leben. Das die Möglichkeit ein paar Interviews
Ehrenamtliche Arbeit ist ein sehr wich- ist aber falsch. Den Luxus, den selbst zu führen. Wir sprachen mit dem in
tiger Bestandteil in unserer Gesellschaft. kleine Veranstaltungen schon bieten Münster lebenden Gunnar Schröder
Auch beim „Hütte Rockt“ Festival. Dieses können, haben die meisten Wohnungs- von der Punkband Dritte Wahl, sowie
wird von einem gemeinnützigen Verein losen leider nicht. dem Sänger Henning Wehland, welcher
organisiert und alle 220 Helfer arbeiten ebenfalls lange in Münster lebte, bevor
ehrenamtlich. Zum mittlerweile 12. Mal Musikalisch öffnete sich das Festival er vor einigen Jahren nach Berlin zog. Wir
hat es der Verein geschafft, ein Festival zum ersten Mal etwas mehr, und zu interviewten den Amerikaner Evil Jared
für 4.000 Besucher auf die Beine zu den bekannten Rock- und Punkklängen Hasselhoff, Entertainer und Bassist der
stellen. Es war ihnen möglich, große gesellte sich dieses Jahr auch Hip Hop. Bloodhound Gang, welcher aus Protest
bekannte Bands wie Madsen, Betontod Insgesamt waren die Besucher begeistert gegen den damaligen Präsidenten Bush
oder Dritte Wahl auf die Bühne zu brin- und die meisten freuen sich schon auf jr. die USA verließ und mittlerweile in
gen. Die Besucher fühlten sich richtig das nächste Jahr. Eine kleine Gruppe aus Berlin lebt.
wohl und merkten, dass sehr viel Liebe Jever berichtete, dass sie normalerweise
in diesem Festival steckt. die größeren Festivals wie Rock am Ring Knapp zwei Wochen später ging es dann
besucht, in diesem Jahr aber nach klei- nach Hamm auf ein kleines Tagesfestival,
Es zelteten etwa 800 Gäste neben dem nen Veranstaltungen Ausschau gehalten organisiert von der Band Kapelle Petra.
Konzertgelände, allerdings fehlte es den hatte. Ihre Wahl fiel auf das Wochenende Für dieses Konzert luden die Jungs der
Campern an nichts. Obwohl das „Hütte in Georgsmarienhütte, hatten sie ja Band befreundete Musikerkollegen ein.
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Darunter Elfmorgen und die Killerpilze, Mainstream zu kommen. Aber jetzt? Die Und was man im Moment beobachten
welche vor über zehn Jahren die Titel- Headliner der großen Shows sind Metal- kann ist, dass es politischer wird, was
seiten der Jugendzeitschriften füllten. lica, Red Hot Chili Peppers, oder Blink 182. eine schöne und auch dringend notwen-
Das sind dieselben wie auf den Festivals dige Entwicklung ist.
Auf zwei Bühnen wechselten sich die in den 90ern. Weil keine neuen Bands
Bands ab und brachten das Publikum in groß werden können, denn die Firmen ~: Hattet ihr persönlich oder im
Ekstase. Zwischendurch nahm sich Guido wollen in kurzer Zeit so viel Geld machen Umfeld schon mal Kontakt mit Woh-
„Opa“ Scholz, Frontmann von Kapelle wie es geht. Also dann mit den alten nungslosigkeit?
Petra, Zeit, der ~ Fragen zu bekannten Bands oder mit Gewinnern
beantworten. Ebenfalls hatte die ~ von verdammten Castingshows. Aber du Gunnar: Ehrlich gesagt hatten wir das
Gelegenheit, mit Johannes Halbig und kannst auf einem Festival niemanden als nicht, wir sind zum Glück immer irgend-
Maximilian Schlichter von den Killerpil- Headliner stellen, der vor zehn Jahren wie untergekommen.
zen zu sprechen.
Die Gespräche über das Musikgeschäft,
Wohnungslosigkeit und die weiteren
Pläne aller Künstler haben wir im Fol-
genden zusammengefügt. Heraus kam
eine schöne Mischung aus ernsten, aber
auch ironischen Antworten.
Das nächste „Hütte Rockt“ findet übri-
gens am 16. und 17. August.2019 statt und
wir sind gerne wieder dabei! Es muss
nicht immer Rock am Ring oder Wacken
sein, meistens lohnt es sich auch die Dritte Wahl
kleineren Veranstaltungen in der Region Maximilian und Johannes von den Killerpilzen
zu besuchen. mal DSDS gewonnen hat.
Support your local scene! Guido: Also das Musikgeschäft selber Henning: Ja, zum einen kümmert sich
hat sich natürlich enorm verändert. Als meine Frau um einen guten Freund von
~: Wie hat sich für euch das Musik- wir angefangen haben, gab es noch uns, der als Akademiker durch verschie-
geschäft im Laufe der Zeit verändert? Demo- Kassetten. Wir haben uns dann dene Umstände wohnungslos geworden
gegründet, haben eine Platte aufgenom- ist. Da bekommen wir sehr stark mit, mit
Gunnar: Es ist größer geworden, aber men. Mittlerweile ist es durch Streaming welchen Problematiken das Ganze ver-
eher so peu a peu, so dass man es fast gar so: es kauft keiner mehr Platten, Aber bunden ist. Dann habe ich in anderem
nicht mitbekommen hat. Vom damaligen du hast dadurch die Möglichkeit, dich Kontext eine junge Frau kennengelernt,
Standpunkt aus gesehen ist es natürlich weltweit bekannt zu machen. Es ist Fluch die seit acht Jahren wohnungslos ist,
bombastisch. Wir sind wohl auch an den und Segen zugleich. Das ist wie sich die was man niemals erwartet hätte, denn
Instrumenten besser geworden, aber im Industrie geändert hat. Wir haben immer wenn man sich mit ihr unterhält, könnte
Grunde ist es immer noch: einer spielt das Gleiche gemacht, sind musikalisch es auch eine Politikerin oder Managerin
Schlagzeug, einer Bass und einer Gitarre. ein bisschen besser geworden, was uns sein.
Und dann haben wir noch einen dazu manche Fans etwas übel nehmen Wir sind
gekauft, der gut aussieht. drei Freunde, die einfach Bock haben, Jared: Ja, ich musste in einem Zelt leben.
zusammen Musik zu machen. Deswegen Als ich 17 war, hat mein Vater mich zu
Henning: Also großartig verändert hat hat sich für uns nichts verändert, außer Hause raus geschmissen. In der Stadt
sich relativ wenig, außer der Tatsache, dass immer mehr Leute zu den Konzerten wäre das bestimmt noch okay gewesen,
dass das live erleben viel wichtiger kommen. Vom Prinzip her ist es immer da hätte ich Geld machen können. Aber
geworden ist, da jetzt mit einem Pre- noch 1, 2, 3 - Rock´n´Roll, Spaß dabei! in Amerika war ich eine Art Hinterwäldler
mium-Abo von 9,99 Euro alles an Musik und musste im Wald leben. Im Wald
verfügbar ist, was man sich so wünschen Johannes: Streaming killed the Videostar! kommen auch nicht viele Leute vorbei.
kann. Früher war die Medien-landschaft ganz Dort habe ich dann vier bis fünf Monate
anders, also wie man die Leute erreicht gelebt.
Jared: Wenn man sich die großen Fes- hat. Jetzt ist deutlich mehr Musik für alle
tivals anschaut sieht man, dass keine vorhanden, und es ist schwieriger sich Guido: Nicht wirklich. Es war nie so rich-
neuen großen Bands dazu kommen. Die den Leuten zu präsentieren. tig Thema. Wir haben da, glaub‘ ich, sehr
Musik hat sich geändert. Letztes Jahr so viel Glück gehabt.
Bullshit wie Taylor Swift oder Lady Gaga, Maximilian: Auf der anderen Seite, gibt
da ist es schwierig dazwischen zu kom- es viel mehr Möglichkeiten für jeden, was Maximilian: Ich habe es am Rande
men. Als wir angefangen haben, war es cool ist. Das macht den Erfolgsprozess mitbekommen, wie schwierig es ist eine
einfach, Konzerte zu spielen und in den demokratischer, wer sich halt durchsetzt. Wohnung zu finden. Ich wohne zurzeit,
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über einen Freund, auch nur zur Zwi- verwenden? Also ernsthaft, du willst ein dazu bei zu tragen wieder Haltung in den
schenmiete. Haus? Dann lass das Rauchen sein! deutschen Pop zu bringen.
Johannes: In München ist es natürlich Guido: Die Mietpreise in Münster finde Jared: Musik ist für mich ein Spiel für
auch krass, da die Mietpreise quasi ich unglaublich, mitunter deswegen habe junge Leute. Als ich jung war, war es
unbezahlbar werden. Das Thema ist ich damals als Student nicht in Münster normal und cool ein paar Wochen und
selbstverständlich immer da. Wir sind gewohnt sondern bin aus Hamm zur FH Monate auf Tour zu gehen. Wenn ich
jetzt aber auch Typen die in WGs und so gefahren. Und mein Studium ist 20 Jahre jetzt raus gehe, kann ich feiern am Don-
leben, da lässt sich das noch irgendwie her. Wohnraum muss einfach bezahlbar nerstag, Freitag und Samstag. Aber dann
machen. Aber das Thema betrifft wirklich sein, das hat jeder verdient und ich finde bin ich gefühlt tot bis Mittwoch. Und
viele Leute es nicht fair, wie damit umgegangen ich habe jetzt ein Kind, deshalb wäre
wird. eine Tour auch nicht mehr möglich. Ich
~: Was sollte eurer Meinung nach meine, wenn die großen Festivals fragen,
in der Wohnungslosenhilfe verbessert Johannes: Ich finde grundsätzlich, dass und sehr viel Geld bieten, dann würden
werden? man keine Spekulanten ans Werk lassen wir mit der Bloodhound Gang vielleicht
sollte, das wird irgendwann zum ‘nem noch mal was machen.
Gunnar: Ein besseres Angebot für die Kollaps führen. Vielleicht muss man auch
Leute auf der Straße natürlich, wie rea- einfach wieder mehr Häuser besetzen. Guido: Wir haben heute unser erstes
listisch das ist, weiß ich nicht. Wir wissen Auf jeden Fall muss man politisch aktiver Festival gemacht, das ist besonders
ja alle, was hier gerade so los ist, gerade werden, vielleicht ist das bedingungslose spannend. Wir haben jetzt ein Album
in Münster. Ich wünsche aber allen, dass Grundein-kommen eine Möglichkeit, aufgenommen und werden nächstes
sie in Zukunft irgendwo unterkommen. dass Leute sich Wohnen wieder leisten Jahr releasen, wahrscheinlich auch wie-
können. der in Münster. Dann werden wir ganz
Henning: Zum einen muss man schauen fett durchstarten und ganz viel Kohle
ob es Möglichkeiten gibt, mehr finan- ~: Wie geht es mit euch weiter? machen, damit wir uns Häuser kaufen
zielle Mittel frei zu stellen, überhaupt können und die dann günstig vermieten.
Menschen und Beratungsstellen noch Gunnar: Wir haben dieses Jahr Bergfest,
mehr zu unterstützen. Es wird schon wollen also 2048 aufhören. Wir wollen Maximilian: Wir spielen Ende des Jahres
viel gemacht, aber es kann nie genug uns dann unseren Soloprojekten widmen unser Jahresabschluss-konzert in Mün-
Hilfe geben. Wichtig wäre auch dass es und Familien gründen. Bis dahin machen chen und noch an vier Daten Konzerte
viel Aufklärung gibt, wie leicht man in wir weiter, das kann man durchaus als mit Massendefekt. Und dann werden wir
Kapelle Petra
Evil Jared Henning Wehland
uns auf eine Hütte in Österreich verzie-
Wohnungslosigkeit geraten kann. Drohung verstehen. hen, kreativ sein und an neuen Songs
arbeiten. Da ist nächstes Jahr auf jeden
Jared: Was ich denke ist ein wenig selt- Henning: Ich habe in meinem Leben Fall was zu erwarten.
sam. Ich habe damals geraucht. Und ich immer versucht zu sehen, was an der
kaufte immer wieder Zigaretten im Duty nächsten Straßenecke passiert. Diese Johannes: Wir haben dieses Jahr etwas
Free. Aber die werden immer teurer. Neugier habe ich immer noch, aber ruhiger gemacht da wir ja einen Kino-
Sieben Euro für eine Schachtel Zigaret- gemerkt dass ich mich immer auf eine film raus gebracht haben, der Zeit und
ten. Ich verdiene gut, aber habe es dann Sache konzentrieren möchte. Und das Energie intensiv war. Es war auch mal
gelassen, weil ich es mir nicht wirklich sind für mich die Musik und die Bühne. wichtig um wieder Bock auf die Sache zu
leisten konnte oder wollte. Aber immer Das möchte ich bis an mein Lebensende bekommen. #
wenn ich Wohnungslose sehe, rauchen machen, dazu gehört genauso eventuell
die fast alle. Wenn du wohnungslos bist, noch mal mit den H-Blockx auf Tour zu
warum zahlst du 70 Euro für eine Stange gehen oder zwei, drei neue Songs zu
Zigaretten, anstatt es für die Miete zu schreiben. Mir ist es wichtig einen Teil
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