Der Trampolin-Mann - Forum.lu
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6 forum 408 Politik Der Trampolin-Mann Victor Weitzel Während der ersten drei Monate der Coronakrise, im Livestream abgehalten, dem die anderen Presse- und zwar vom 11. März bis zum 15. Juni, hielt Pre- organe ihre Fragen elektronisch zukommen lassen. mierminister Xavier Bettel 13 Pressekonferenzen, In anderen Worten: Die Szenerie ist a priori denkbar trat sechs Mal vor das Plenum der Abgeordneten- statisch und auf die vortragende und in die Kamera kammer und sprach ein Mal vor seiner Partei. Es blickende Person, in dem Fall den Premier, zentriert. ging bei jedem dieser Auftritte darum, die Vorschläge Da diese Pressekonferenzen direkt und integral über- seiner Regierung zur Eindämmung der Pandemie tragen werden, wendet sich der Premier indirekt an und dann später den Exit aus diesen Maßnahmen die Presse, aber direkt ans zuschauende Volk. vorzustellen, um sich anschließend den Fragen der Parlamentarier oder der Presse zu stellen. Von Sei- Sehr schnell geraten diese Auftritte zum Ritual. Der ten seiner Parteimitglieder gab es keine Fragen. Über Premier betritt eilenden Schrittes den Raum, ist, den Internetauftritt der Regierung, YouTube, RTL nachdem er sich vorm Mikrophon platziert hat, bis und Radio 100,7 wurden die Auftritte vor der Presse zum 15. April in der Regel atemlos, öffnet groß die breit angekündigt und dann integral im Internet, Augen, die etwas mitteilen vom Ernst der Lage, dem im Fernsehen und im Radio übertragen. Die Auf- in der Luft liegenden Schrecken, der Sorge um die tritte vor der Abgeordnetenkammer wurden eben- Menschen, der Anstrengung, für sie da zu sein in falls integral direkt von ChamberTV übertragen. den Zeiten des Notstands, und in seine ersten Sätze, Die hohe Anzahl dieser Verlautbarungen in einer die sich nur langsam bilden, mischt sich noch das Zeit des extremen und nie dagewesenen Drucks auf Ringen nach Luft und Worten. Bis er schließlich in den Premier, die Regierung, den Staatsapparat und Gang kommt. die ganze Gesellschaft, stellt einen breiten Korpus dar, der sich in Wortlaut, Intonation und Gestik für Der Aufbau seines Vortrags folgt dann einem einfa- eine spezifische Analyse des politischen Habitus und chen redundanten Schema. Zuerst kommt die Fest- Weltbildes des Regierungschefs eignet, die daraus stellung, dass die Lage ernst sei, die Gefahr groß und genauer hervorscheinen. die Eindämmung des Virus nicht ohne das Zusam- menspiel der Maßnahmen und Verordnungen und Das Ritual Empfehlungen der Regierung einerseits, deren Absegnung durch ein informiertes Abgeordneten- Die Pressekonferenzen finden zu Beginn der Krise haus und deren Befolgung durch die Bevölkerung noch de visu vor den Journalisten statt. Ab dem 18. andererseits erfolgen könne. Noch sei der Kampf März und bis zum 4. Mai aber werden sie aus sanitä- nicht gewonnen, man könne die Disziplin nicht auf- ren Sicherheitsgründen nur noch vor einem Vertreter lockern, es sei denn, man wolle alles vorher Erreichte
© ME Pressebriefing von Premierminister Xavier Bettel zum Abschluss der Sitzung des Regierungsrates (18.03.2020) vernichten. Dann geht der Premier dazu über, die eines Auftritts, ist eines der bemerkenswertesten von der Regierung beschlossenen Maßnahmen vor- Momente der Verlautbarungen des Premiers. Ebenso zustellen. Kaum hat er einen Punkt erwähnt, macht die Detaillastigkeit, wie man sich in der Schlange er einen Exkurs, bedankt sich bei Pflegern, Beam- „im Cactus, Entschuldigung, in einem Supermarkt“ ten, Freiwilligen und anderen Berufsgruppen oder – diese Zurücknahme der Gratiswerbung wird mit Spitälern, die er gerade besucht hat, kommt auf dem ihm eigenen Grinsen quittiert – verhält, wie die Verhaltensempfehlungen in Sachen Abstands- man das 4G-Netz durch den Rückgriff auf WLAN regeln, Mundschutz, Händewaschen, Treffen unter entlasten kann, und später, als Ende Mai neue Öff- Menschen, Ausgang usw. zu sprechen. Geht es um nungen angekündigt werden, wie man sich im Res- diese alltäglichen Verhaltensregeln, beschleunigt sich taurant, im Café und sogar bei der Messe benehmen sein Wortfluss, überschlägt sich die Stimme, und er soll. wippt dann, als wolle er die Wichtigkeit von deren Befolgung gestisch unterstreichen, mit dem Ober- Deutungsansätze körper, hält die Hände parallel und sticht mit ihrer Kante in die Luft oder ballt sie zur Faust – und beide Durchkämmt man alle seine Auftritte vor Parlament Fäuste schlagen immer wieder gegen die Brust, den und Presse, so merkt man, dass dem Premier die Zuschauern andeutend, dass all diese Empfehlungen Ankündigungen von Einschränkungen schwerfal- auch von Herzen kommen, für sie, deren Schützer er len. Die Sprache schreibt vor, ja verschreibt den Weg von Anfang an sein will. Denn schon am 11. März zur Nichtansteckung. Der Körper aber entschuldigt ist das eigene Selbstverständnis geklärt: „Ech wäert sich für die Zwänge, die dem Gegenüber zugemu- „Ech wäert et als et als Regierungschef net akzeptéieren, datt een tet werden. Der Politiker, zudem ein Liberaler, was Regierungschef net d’Bevölkerung net schützt wéinst de Suen.“ er immer wieder unterstreicht, der seine Populari- akzeptéieren, datt tät seiner auch physischen, fast fusionellen Nähe zu Diese Eindringlichkeit, Aufregung und steigende gewissen Teilen der Bevölkerung verdankt, der vor een d’Bevölkerung Lautstärke der mantrahaften Wiederholung der der Krise kein Fest scheute und seine leutselige Vita- net schützt wéinst Verhaltensregeln bei quasi jedem Auftritt vor Par- lität in tausenden Selfies mit Fans verewigt hat, ist de Suen.“ lament oder Presse, und dies mehrmals während in eine Rolle geraten, die ihm ferner kaum liegen
8 forum 408 Politik Hochpolitisch Unpolitisches © SIP / Anthony Dehez Eine Balance in der Ausübung seiner institutionellen Rolle als Premier hat Bettel in den ersten drei Mona- ten der Krise nie gefunden, wie sein stark emotiona- lisiertes, polymorphes und politisch archaisches, weil Grenzen zwischen Rollen verwischendes Auftreten zeigt. Das wird vom gefühlten Zusammenrücken aller gegenüber der Gefahr noch bestärkt. Am 17. März, als er vor der Chamber seinen Aufruf zum Zuhausebleiben vorträgt, bedankt er sich bei den Abgeordneten für „die konstruktiven, die unpoli- tischen, die Suggestionen, die gekommen sind, für den Ton, der gefunden worden ist, das beweist, dass wir die Stärke haben, in Luxemburg zusammenzu- halten.“ Am 21. März, bei der Abstimmung über das Notstandgesetz, erklärt er, dass es in der gegenwärti- gen Lage keinen Platz für Parteipolitik gebe, sondern Xavier Bettel auf dem Pressebriefing zur aktuellen COVID-19-Situation (20.03.2020) dass ein verantwortliches Zusammenhalten angesagt sei. „Es gibt keine Mehrheit, es gibt keine Oppo- sition, es gibt eine Union nationale.“ Unbewusst ganz in der Linie, die ihm seine Berater, wenn er sie um ihren Rat gebeten hätte, hätten ausreden müs- kann, aus der er aber nicht herauskommt: Er muss sen, des legendären Spruchs von Kaiser Wilhelm II. normativ tief ins Leben der Menschen eingreifen bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August in einer Sache, wo es um Leben und Tod von sehr 1914: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne vielen geht. Transparenz aber ist weder seine Stärke, nur Deutsche!“ noch die seiner Regierung. Von der Vorsitzenden des Presserates, Ines Kurschat, muss er sich in einem Am 17. April, als das Parlament über die Strategie Beitrag zur Juninummer dieser Zeitschrift den Vor- der Lockerungsmaßnahmen debattiert, will Bettel wurf gefallen lassen, er und seine Leute hätten „ein immer noch die Politik außen vor lassen und von zutiefst paternalistisches Politikverständnis, das die allen getragen werden. Es lohnt sich, hier den Ori- Mündigkeit der BürgerInnen untergräbt“. ginaltext zu zitieren, weil er, wie schon oben, auch hier illustriert, dass dann, wenn er sich auf glattes Eis Nachdem die Maßnahmen und Empfehlungen der begibt, dem Premier, wenn schon nicht der Sinn sei- Regierung gegriffen haben, und die Zahl der Toten ner Aussage, dann doch deren Grammatik, gerne aus und der Infizierungen sich in Grenzen gehalten hat, dem Ruder gerät. „Anticipéiere kënne mer nëmme, wird Bettel Mitte April wieder selbstsicherer. Den- wa mer zesummenhalen. Mir hunn et fäerdeg noch, als er am 17. April vor der Chamber die ers- bruecht bis haut, datt hei an der Chamber een dës ten Lockerungsmaßnahmen ankündigt, tut er das Kris net als Opportunité politique gesinn huet, mee in einem Ton, als ob er sich für alles entschuldigen als Chance, all zesummen ze beweisen, datt wann et müsste, was war und sein wird, und mahnt wieder in ëm d’Sécherheet vun eise Bierger geet, ëm d’Zukunft beschleunigtem Redefluss zu jeder denkbaren Vor- vun onsem Land geet, wann et drëm geet, Muer ze sicht, damit die vorgeschlagenen Maßnahmen auch schreiwen, net op politescher Art a Weis, mais op nicht fehlschlagen. Sein ganzes Auftreten an diesem mënschlecher Art a Weis, wéi mer kënnen zesumme Tag ist ein einziges Drama ohne Höhen und Tiefen, schaffen hei zu Lëtzebuerg, an dat ass eng Chance, ein gestisch verstärktes eindringliches Reden, das déi mer hunn, an eis Stäerkt.“ sich zeitweise nicht an die Abgeordneten, sondern wieder direkt an die Bürger richtet, auch hier mit Als Bettel dann im Mai merkt, dass nicht mehr alles langen Erklärungen, wie der Mundschutz zu tragen so unpolitisch abläuft und die Opposition nicht „Es gibt keine ist, wie schwer dies sei, als säße die ganze Bevölke- mehr alles so hinnimmt, wie es serviert wird, erklärt rung an des Hirten Tisch. Schon am 23. März hatte er in seiner Pressekonferenz vom 20. Mai, wo er Mehrheit, es gibt Christoph Bumb in einer Analyse bei reporter.lu mit Bart und einem kragenlosen Hemd ohne Kra- keine Opposition, geschrieben: „Luxemburgs Premier tritt in diesen watte ziemlich geschafft auftritt: „Es ist wichtig, den es gibt eine Union Tagen (...) wie ein Regierungschef, Pressesprecher, Zusammenhalt, den wir hatten, wenn auch nicht nationale.“ Oberlehrer, Chefarzt und Seelsorger in einer Person mehr diesen Konsens, aufrecht zu erhalten. Es ist auf.“ Er hat bis jetzt Recht behalten. hier nicht so, dass die Regierung sagt, hier ist ein
Politik Juli/August 2020 9 Text, und wir haben 31 Stimmen, und es ist egal, verfassungstechnisch heiklen Sache doch recht des- was die Opposition sagt. Das ist nicht unsere Hal- interessierte Öffentlichkeit, dass das Staatsministe- Xavier Bettel ist tung. Ich werde darauf achten, dass wir einen Text rium für die katholische Kirche, die gerade virtu- die ganze Krise haben qui aura le plus grand support possible (auf ell die Oktave „feiert“, in Sachen Lockerungs- und lang derselbe Frz. wie im Original) in der Chamber.“ Das wird Sicherheitsmaßnahmen nicht erreichbar sei, um geblieben, und ihm einen Monat später nicht gelingen. über ihre vor allem an den deutschen Bistümern sich seine Agenda auch. anlehnenden Vorschläge zu diskutieren. Man warte Demütigung des katholischen Gegners eben auch auf die Vorschläge der anderen Gemein- schaften, heißt es, die, kleiner und organisatorisch Xavier Bettel ist nämlich die ganze Krise lang der- ziemlich überfordert, nicht so schnell liefern könn- selbe geblieben, und seine Agenda auch. In vielen ten. Aber dieses Antichambrieren-lassen hat auch Fragen ist er trotz Flehen, Gefühlsduselei, Tremolos etwas Demütigendes, das Bettel, nicht nur im Über- und dem Beschwören des Unpolitischen noch härter rumpeln der Katholiken schon sehr geübt, voll aus- in der Sache geworden und ebenso noch härter mit nutzt, um dem früheren historischen Erzfeind seines seinen bockigen, aber meist peilungslosen Gegnern politischen Lagers, der längst am Boden liegt, noch umgegangen, als dies vor der Krise der Fall war. einmal seinen Status der offenbar gewordenen gesell- schaftlichen Irrelevanz spüren zu lassen. Die Klage Die Plenarsitzung der Kammer am 7. Mai dürfte des Kardinals, die Kirche sei der Regierung „egal“, der Moment sein, an dem der politische Waffen- und seine Brandpredigt zum Abschluss der Oktave stillstand ausläuft. In dieser Sitzung werden die ers- verhallen, einige Medien ausgenommen, in einem ten Auflockerungen in den Bereichen Gesellschaft, Meer von Gleichgültigkeit. Sport und Kultur angekündigt. In der darauffol- genden Diskussion reagiert Bettel zuerst gereizt auf Am 20. Mai sind die Kultusgemeinschaften dann die Vorwürfe der Opposition, es gäbe nicht genug wieder der „letzte Punkt“, den Bettel bei einer Pres- Dialog über das Pandemiegesetz, das nach dem Aus- sekonferenz behandelt. Er wehrt sich gegen den Vor- laufen des Notstands in Kraft treten soll. Er versucht wurf, der Regierung seien die Cultes egal. „Wenn sie auszuweichen und spricht mit viel Pathos von dem (die Cultes, d. Verf.) ihr egal gewesen wären, dann Engagement und der Empathie der Belegschaft des hätte sie (die Regierung, d. Verf.) nichts gesagt, und gemeindeeigenen Escher Klinikums CHEM, die er macht alles ruhig weiter“, erklärt er fahrig, ein wenig gerade erst gesehen hat. Als die Fraktionschefin der kindisch, als ob eine Regierung überhaupt solch CSV, Martine Hansen, u. a. von ihm erfahren will, rechtsfreie Räume nach eigenem Gutdünken dulden wann die Kirchen aufgehen, weil davon in seinem könnte. Inzwischen sind alle Vorschläge der Kultus- Vortrag nicht die Rede gewesen sei, ruft er von sei- gemeinschaften in Sachen Lockerungsmaßnahmen nem Platz: „Wie konnte ich das nur vergessen?!“ Der eingetroffen, informiert er, und räumt ein, die Regie- schnippische Unterton ist nicht zu verkennen. Er rung wisse, „wéi schwéier et ass, wann een am Fong antwortet dann, dass er sich schon „mit einer Kul- d’liberté religieuse an d’liberté d’exercer sa religion tusgemeinschaft“ getroffen habe und auf die Vor- limitéiert.“ Diese Aussage wird aber sofort vom Pre- schläge der anderen warte. Zum Schluss lässt er es mier relativiert: „Awer ech wëll drun erënneren, datt sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass es eine mer d’liberté de manifestation och limitéiert hunn. Kultusgemeinschaft in Mulhouse gewesen sei, die Am Fong ee vun deene Rechter, di et am schwéiers- zu einem Infektionsbeschleuniger für ganz Frank- ten ass ze akzeptéieren, am Fong limitéieren, näm- reich geworden sei. Marc Spautz von der CSV ruft lech deen ween een dierf gesinn.“ Und schon hat sarkastisch dazwischen, dass er nicht gewusst habe, er sich mit dieser empathisch klingenden Tartüfferie dass Ischgl eine Religionsgemeinschaft sei. Bettel aufs Glatteis begeben, und wieder entgleitet ihm die ruft postwendend dem Ex-Minister zurück, er habe Grammatik, und er erfindet – er ist immerhin der mehr Respekt für die Kultusgemeinschaften als die- Regierungschef und müsste sich hier umsichtig und ser. „Sie haben Sie abgeschafft!“, hallt es polemisch juristisch verbindlich ausdrücken – flugs ein neues zurück. Und dann fällt Bettels Definition der Kul- Menschenrecht, nämlich die Menschen zu sehen, tusgemeinschaften: „Dat sinn Etablissementer, déi die man sehen will. Public empfänken!“. Atmosphère, atmosphère ! Erst anlässlich der Pressekonferenz vom 25. Mai Das ist, was an nicht nur monatelang unterdrück- steigt der „weiße Rauch“ auf, den Bettel am 20. Mai, tem Groll bei einer aus den Entscheidungen aus- ironisch und klar auf die Katholiken bezogen, in geschlossenen, zudem kraft- und konzeptlosen, Aussicht gestellt hatte. Er gibt nun die kultusbezo- schlecht aufgestellten und daher in belanglose Schar- genen Lockerungen bekannt, aber wickelt sie so ein, mützel verwickelten CSV-Opposition bis an die dass das Ganze „unter ferner liefen“ erwähnt wird, Oberfläche gestiegen ist. Bald erfährt die an dieser wenn auch unter der an sich durchaus vernünftigen
10 forum 408 Politik Regel, dass Ereignisse in Binnenräumen mit mehr steuerlicher Rückführungen im Raum, optimal im Klein(lich), gierig, als 20 Teilnehmern nur dann stattfinden werden, Rahmen einer grenzübergreifenden regionalen Ent- unersättlich, so wenn dies mit zwei Metern Abstand gewährleistet wicklungspolitik. Neue Akteure wie der Präsident gestaltet sich unter werden könnte. Und dann spricht er einen Satz aus, des Département Meurthe-et-Moselle, seit dem Bettels Regie der das Konzentrat seines Weltbildes ist: „Dat kënne 28. Juni frisch gewählter Bürgermeister von Nancy, Manifestatioune sinn am Kader vun der Kultur, dat Mathieu Klein, der Ende Mai im Le Quotidien das Image des kënne Kongresser sinn, dat kënnen och d’Culte sinn, von der Notwendigkeit einer „relation adulte“ mit Landes in einer de Sport sinn, dat kann de Kino sinn.“ Luxemburg im Rahmen eines „territoire commun“ Großregion, auf sprach, versuchen die Problematik auf ein angemes- die es angewiesen Alles ist gleich gültig senes Niveau zu hissen und ihr eine wahre Dauerhaf- ist. tigkeit zu verleihen. „Tout se vaut“ in Bettels ultraliberalem Bild einer Gesellschaft, in der zivilstandneutrale und eigen- Aber als am 20. März schon die Wochenzeitung woxx schaftslose Individuen sich, wenn sie nur wieder wissen will, ob die Luxemburger Regierung Frank- dürfen, auf Handlungen einlassen sollen, die dem reich oder Deutschland angeboten hätte, ihnen in Staat in ihrer Wertigkeit vollkommen gleich gültig Sachen grenzübergreifender Fiskalität entgegenzu- sind, und Verbindungen eingehen sollen, die nur kommen, um zu garantieren, dass das medizinische noch in der Aussicht auf ihre Lösbarkeit konzipiert Personal weiter nach Luxemburg kommen könne, sind. Bettels ideale Welt vor und nach Corona ist war die Antwort Bettels unmissverständlich negativ, eine, in der auf sich gestellte Individuen, also nicht wenn auch nicht ganz klar in der Ausführung: „Es ist Bürger, in der Scheinfreiheit des Unverbindlichen jetzt nicht der Moment zu sagen, dass wenn wir euch auf den schwachen Wellen immer neu sich bietender mit einer gewissen Flexibilität entgegenkommen, Gelegenheiten putzmunter und lächelnd durch ihre wir erwarten, dass alles in puncto Fiskalität über den Lebenszeit surfen. Diese Welt unterliegt nur einer Haufen geschmissen werden sollte. Wir sind noch Art von Verbindlichkeiten: den gesetzlich abgesi- immer bereit, mit ihnen verschiedene Projekte in cherten wirtschaftlichen, deren Zwänge soweit wie der Großregion durchzuziehen. Das wissen sie auch, möglich kein explizites Thema sein sollen. und das ist, was wichtig ist, dass wir das weiter als Linie haben, und das haben wir mit den verant- Die vom Premier immer wieder hochgepriesene wortlichen Politikern, unseren Gesprächspartnern, Solidarität war aus dieser zeitlichen Perspektive her festgehalten.“ Es bleibt also bei den Almosen, die gesehen ein Zwischenspiel. Eine Überlegung, von 2018 beim Staatsbesuch in Frankreich festgehalten wo sie historisch kommt, wie sich dieses zivile Kapi- wurden, wenn es 2020 darum geht, die Loyalität der tal in Einrichtungen und Verbänden über einen Grenzgänger und das Verständnis der Nachbarlän- sehr langen Zeitraum aufbauen konnte, wurde nie der in bare gemeinsame Regionalentwicklung umzu- angestellt, und wenn, dann so, als ob sie der Luxem- setzen. Klein(lich), gierig, unersättlich, so gestaltet burger Gesellschaft und ihren kleinen Verhältnissen sich unter Bettels Regie das Image des Landes in quasi wesenhaft sei. Bettels ultraliberales Weltbild einer Großregion, auf die es angewiesen ist. erklärt zum Teil auch die viszerale Ablehnung einer Corona-Warn-App durch den Premier, der, Stand Am 20. Juni lässt Xavier Bettel bei RTL auch die Anfang Juli bestenfalls bereit ist, einem möglichen Katze aus dem Sack in Sachen Steuerreform, die europäischen Druck nachzugeben, wenn das Fehlen die jetzige Regierung unter dem Motto der Steue- einer solchen App die Bewohner Luxemburgs am rerleichterungen, der Individualisierung und des Reisen jenseits der Grenzen behindern würde oder Kampfes gegen Steuermissbrauch („Abus“ im Text) das analoge Tracing materiell nicht mehr zu leisten durchziehen will. Trotz der Krise sei diese Reform wäre, weil die Neuinfizierungen zu rasch gestiegen „nicht abgesagt“. Aber sie werde ein wenig anders wären. verlaufen als vorgesehen. „Bei Erleichterungen wird’s schwer werden“, meint der Premier, denn „nach Nichts Neues unter Xaviers Sonne der Staatsanleihe geht diese Rechnung nicht auf“. Sie würden „geringer ausfallen als ohne die Krise“. Hart ist Bettel auch geblieben in Sachen Steuerpoli- Es werde keine Steuererhöhungen geben, aber die tik. Die Nichtbesteuerung der für einen Luxembur- Individualisierung treibe man voran. Was im Klar- ger Arbeitgeber geleisteten Telearbeit durch Grenz- text heißt, dass die Alleinerziehenden und -lebenden gänger vom Territorium ihres Wohnsitzlandes aus, kaum was merken werden, wo doch ihre Situation und dies inzwischen bis Ende August 2020, ist eine zu verbessern der erste Vorwand und ein Zweck der bedeutsame Konzession von Luxemburgs Nachbarn, Übung sein sollte. Die Verheirateten aber und die die darin unter den Umständen der Pandemie eine eingetragenen Partnerschaften, also die Leute, die Win-Win-Lösung sehen. Dennoch steht die Frage einen höheren Grad an gegenseitigen rechtlichen
© SIP/ Jean-Christophe Verhaegen Pressebriefing von Paulette Lenert und Xavier Bettel zur aktuellen COVID-19-Situation (20.05.20) Verbindlichkeiten für sich und ihre Ab- und Nach- voluntaristischer, vor allem aber metaphorisch kommenschaft eingegangen sind, und hier beson- durchaus elaborierter, grammatikalisch sauber auf- ders die, deren Kinder schon aus dem Haus sind, gebauter Spruch beim Digitalkongress seiner Partei müssen mit massiven Steuererhöhungen rechnen. am 15. Juni, den Radio 100,7 am nächsten Mor- Irgendeiner muss ja die Rechnung bezahlen, solange gen übertrug: „Ech wëll net de Premierminister si es nicht der Finanzplatz ist, der schon das Monopol vun engem Land, wou mer de Leit eng Matt ginn der Staatsanleihe bekommen hat und sich auch auf a hinne soen: hei leet iech drop a pennt. Ech wëll dem Privatwohnungsmarkt des Landes wegen der de Premierminister si vun engem Land, wou mer konkurrenzlosen Steuervorteile auf Kosten der woh- de Leit soen: hei ass en Trampolin, an elo spréngs nungssuchenden Bürger mehr denn je bedient, oder de nees, an elo spréngs de méi héich!“ In die redun- die durch die Krise zweifellos schwer angeschlagenen dante Welt vom Trampolin-Mann passen am besten anderen Betriebe, die niemand schwächen will. jene, die nach seiner Pfeife springen und dabei gut gelaunt sind. Nur wird es so nicht gesagt. Es sollen, so der Premier väterlich wohlmeinend, die Partner, wenn einer weg- fällt, „nicht bestraft“ werden. Das sei „moderner“. Ganz im Sinne seines Bildes einer Welt der Unver- bindlichkeiten oder der auf ihre Auflösung ausge- richteten Verbindlichkeiten, in der alles gleich gültig ist, ein wenig so wie die Dramatik ohne Höhen und Tiefen in seinem langen, inflationären Redefluss, der jedes Wort abwertet, das in seinen Sog gerät, nur nicht die zu erbringende Leistung. Wie fordernd bis autoritär aber sein ureigenes Welt- bild sein kann, zeigt Bettels sehr ichbezogener,
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