Wenn's ums Geld geht - Der trügerische Erfolg der Sparkassen Trügerische Sicherheit

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GENIOS - Wenn's ums Geld geht - Der trügerische Erfolg der Sparkass...                          http://www.genios.de/r/document/WW__0000705443

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            WirtschaftsWoche NR. 018 VOM 02.05.2011 SEITE 044 / Unternehmen & Märkte

            Wenn's ums Geld geht - Der trügerische Erfolg der Sparkassen
            Trügerische Sicherheit
            Sparkassen | Die Geldinstitute mit dem roten S-Logo verkünden Rekordergebnisse und feiern sich als
            Gewinner der Finanzkrise. Ihr Erfolg ist jedoch bedroht: Konkurrenten und Regulierer erschweren das
            Geschäft, Milliardenrisiken aus der engen Verflechtung mit maroden Landesbanken gefährden die
            Stabilität.
            Die Landsparkasse in Schenefeld, einer 18 000-Einwohner-Stadt nördlich von Hamburg, hat einen Hauptsitz, drei
            kleine Filialen und 90 Angestellte; die meisten sind mit Fotos auf der Internet-Seite vertreten. Die Nähe zum Kunden
            zahlt sich offenbar aus, denn das Kreditinstitut hat in den vergangenen Jahren stets profitabel gewirtschaftet. Und
            doch ist nach fast 160 Jahren Schluss mit der Selbstständigkeit. Die mit rund 360 Millionen Euro Bilanzsumme kleine
            Sparkasse ist schlicht überfordert mit neuen Regulierungsvorschriften, Abschreibungen auf die Beteiligung an der
            HSH Nordbank und der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. "Wir können die wachsenden regulatorischen
            Anforderungen nicht mehr aus eigener Kraft erfüllen", sagt Vorstandsmitglied Eggert Eicke. Nun soll ein stiller
            Teilhaber oder Fusionspartner her.

            Rund 600 Kilometer weiter südöstlich, in Weiden nahe der tschechischen Grenze, sucht die Sparkasse Oberpfalz
            Nord ebenfalls Anschluss. Sie hat 2010 rund 1,4 Millionen Euro verdient, die regionale Wirtschaft brummt, aber die
            Finanzaufsicht BaFin fordert "wegen der schwachen Kapitalausstattung" eine Fusion. Die mit 1,46 Milliarden Euro
            Bilanzsumme mittelgroße Sparkasse ist erst 2005 durch die Notfusion zweier Institute entstanden, war aber auch so
            zu schwach, um alte und neue Lasten tragen zu können. Eine stille Einlage des bayrischen Sparkassenverbandes in
            Höhe von 23 Millionen Euro hat sie stabilisiert. Doch die muss spätestens 2014 zurückgezahlt werden. Allein werden
            die Weidener das nicht schaffen.

            Die beiden Fälle sind nicht repräsentativ. Und doch zeigen sie, dass die Welt der Sparkassen weniger heil und
            harmonisch ist, als es die Außendarstellung nahelegt. Viele der in Schenefeld und Weiden überdeutlichen Probleme
            treffen alle 429 deutschen Sparkassen, wenn auch unterschiedlich hart. Ihr Kerngeschäft mit Privatkunden und
            Mittelständlern ist umkämpft, wirft wenig ab und steht unter Kostendruck. Die Verbindungen zu den Landesbanken
            sind riskant und zwingen zu empfindlichen Abschreibungen. Regulierer in Brüssel, Basel und Berlin belasten die
            Institute mit immer neuen Vorgaben. Der aktuelle Boom steht auf wackligen Füßen, er könnte bald zu Ende gehen.

            Zurzeit herrscht Feierstimmung. Lange von Geldjongleuren in Glastürmen als Auslaufmodell und Biedermänner mit
            Bauch, Bart und Blümchenkrawatte verspottet, haben die Sparkassen in der Finanzkrise regen Zulauf erlebt. Die
            meisten haben zuletzt sehr gute, sogar Rekordergebnisse vorgelegt. Selbst ein Dauerkriseninstitut wie die durch
            Engagements bei zahlreichen zweifelhaften kommunalen Prestigeobjekten in Mitleidenschaft gezogene Sparkasse
            Köln Bonn konnte mal wieder einen Gewinn präsentieren.

            allgemeinwohl statt gewinn Treue zum Kunden und Solidität im Geschäftsgebaren, so scheint es, zahlen sich aus.
            Die Sparkassen gelten als sicherer Hort für Kundeneinlagen, die ihnen reichlich zugeflossen sind. Zudem profitieren
            sie vom Aufschwung der Industrie, vor allem im Mittelstand, dessen mit Abstand größter Kreditgeber sie sind.

            Weil bei ihnen nach dem Gesetz nicht der Gewinn, sondern das Allgemeinwohl im Vordergrund steht - daher auch die
            Mitfinanzierung sozialer und kultureller Aufgaben in den Kommunen -, bieten Sparkassen ihren Privatkunden zwar
            keine günstigeren Konditionen an, versprechen aber bessere Beratung. Aus der Gewissheit, auf der guten Seite zu
            stehen, solides Geldhandwerk und keine Zockerei zu betreiben, fordern Funktionäre wie der hessische

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            Sparkassenchef Gerhard Grandke dann schon mal selbstbewusst die Zerschlagung der Deutschen Bank.

            Dabei wird die Welt mit einem Zuckerguss versehen, an Lebenslügen festgehalten, an die hinter vorgehaltener Hand
            auch viele in der Sparkassenorganisation nicht mehr glauben. Eine Auswahl: n Die Sparkassen waren von der Krise
            nicht betroffen?Es waren ihre Vertreter in den Verwaltungsräten der Landesbanken, die riskante Geschäfte
            abnickten. Nun müssen sie die Institute mit Milliarden stützen.

            n Die Sparkassen sind besonders sicher?Noch nie hat ein Kunde wegen der Schieflage einer Sparkasse Geld
            verloren, aber die Pleite einer Landesbank würde wohl die gesamte Gruppe in den Abgrund reißen.

            n Die Sparkassen sind im Kundengeschäft erfolgreich?Sie haben in der Krise in einigen Segmenten Kunden
            dazugewonnen, große Teile ihres Kerngeschäfts laufen aber schleppend. Ihre Rekordgewinne, mit denen sie auch
            ihre Kapitalbasis stärken, verdanken sie vor allem der aktuellen Zinssituation.

            n Die Sparkassen beraten besser als andere im Interesse des Kunden?Bei den meisten Tests zur Beratungsqualität
            schneiden sie überdurchschnittlich ab. Aber auch sie müssen sich mit Klagen enttäuschter Zertifikate-Anleger
            herumschlagen. Betriebsräte klagen über den gestiegenen Verkaufsdruck auf die Mitarbeiter.

            Heinrich Haasis steht seit 2006 an der Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Er ist ein
            mächtiger Mann mit großem Einfluss auf die Berliner Politik, aber ein Lautsprecher ist er nicht. Sein Stolz kommt
            denn auch leise daher, als er Mitte März im 44. Stockwerk der Frankfurter Dekabank auf 2010 zurückblickt. Er spricht
            von Marktanteilsgewinnen, mehr Effizienz, mehr Kundenkonten, besserer Beratungsqualität, gesunkenen Risiken bei
            den Landesbanken. Und davon, dass die Sparkassen den Unternehmen in der Krise mehr Kredit gegeben haben,
            während andere den Hahn zudrehten.

            Ohne Zweifel sind das beachtliche Erfolge. Und zumindest bei einem Thema hat Haasis kürzlich den Durchbruch
            geschafft: Die Sparkassen übernehmen nach zähen Verhandlungen die auf Fonds spezialisierte Dekabank komplett,
            die bisher zur Hälfte den Landesbanken gehörte. Sie können deren Geschäft nun nach ihren Wünschen - das heißt
            möglichst konservativ - ausrichten. Für andere Risiken fehlen bisher Lösungen.

            Risiko Geschäftsmodell Die Deutsche Bank geht gemeinsam mit der Postbank auf Kundenfang, die mit der Dresdner
            Bank fusionierte Commerzbank lockt mit Kampfkonditionen. Hinzu kommen starke Konkurrenten aus dem Ausland
            wie die über Zukäufe in Deutschland gewachsene spanische Santander (SEB-Bank, heute Santander Consumer
            Bank) und der französische Crédit Mutuel (Citibank, heute Targobank). Da die Refinanzierung des Geschäfts über
            den Kapitalmarkt wegen steigender Regulierungsanforderungen für alle Banken schwieriger und teurer wird, nimmt
            der ohnehin schon ruinöse Wettbewerb um Kundeneinlagen nochmals an Schärfe zu. "Auf dem deutschen
            Privatkundenmarkt werden die Wettbewerber künftig mit klareren Profilen agieren", sagt Oliver Mihm, Vorstandschef
            der Frankfurter Beratung Investors Marketing. "Sie sind entweder günstig oder nehmen für sich in Anspruch, Kunden
            besonders gut zu beraten."

            Günstig sind die Sparkassen nicht. Das kostenlose Girokonto, bei vielen Konkurrenten Standard, lehnen sie ab, auch
            wenn etwa die Sparkasse Karlsruhe zum Missfallen des DSGV ausgeschert ist und die Grundleistung ohne Gebühr
            anbietet. Einige Sparkassen haben zumindest kostenlose Online-Konten im Angebot. Nachdem sie über Jahre
            Kunden verloren haben, sind sie diesen bei den Konditionen etwas entgegengekommen. Kampfpreise können sie
            jedoch nicht bieten, dafür ist ihre Kostenbasis zu hoch.

            Die können sie auch nicht weiter schrumpfen lassen, ohne ihren wichtigsten Wettbewerbsvorteil zu gefährden: die
            räumliche Nähe zu ihren Kunden. Die Sparkassen haben das mit Abstand dichteste Filialnetz und die meisten
            Geldautomaten. Das ist teuer.

            Um die Kosten zu drücken, ohne Kunden zu vergraulen, müssen innovative Konzepte her. So gibt es vermehrt
            Selbstbedienungsfilialen oder Agenturen. "Wir haben zwar ein außerordentlich dichtes Netz an Geschäftsstellen",
            sagt zum Beispiel Manfred Preiß, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Mittleres Erzgebirge. Doch das sei in Zukunft
            nicht aufrechtzuerhalten. Nachdem die Sparkasse kürzlich elf Filialen dichtgemacht hat, können sich die Kunden jetzt
            bei einem Bäcker, einer Lotto-Annahmestelle und einem Geschäft für Holzspielzeug mit Bargeld eindecken und den

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            Schriftverkehr mit der Sparkasse abwickeln. Im rheinischen Neuss, wo drei bisher mit Beratern besetzte Filialen zu
            Selbstbedienungsstandorten umgebaut werden, könnte künftig ein "Geldtaxi" Teile der Bargeldversorgung für
            Senioren übernehmen. In Freiburg gibt es sogar eine gemeinsame Filiale der Sparkasse mit der örtlichen Volksbank.

            Hinzu kommt: "Die überwiegende Zahl der Sparkassen steht vor massiven demografischen Herausforderungen", sagt
            Markus Thiesmeyer, Sparkassenexperte bei der Münsteraner Beratung Zeb Rolfes Schierenbeck. "Die klassische
            Kundschaft, die das bestehende Vertriebsmodell schätzt und weniger preisempfindlich ist, schrumpft."Dabei sind die
            Sparkassen bei Jugendlichen mit einem Anteil von fast 60 Prozent noch mit Abstand Marktführer. Allerdings ist das
            Konto für diese noch kostenlos. Sind Schule und Ausbildung beendet, folgt oft auch der Wechsel der
            Bankverbindung.

            Umso fataler ist es, dass die Sparkassen beim Online-Banking hinterherhinken. "Den rechtzeitigen Ausbau haben sie
            in der Breite zunächst versäumt", sagt Berater Mihm. Vor fünf Jahren hätten nur wenige Sparkassen ein
            überzeugendes Angebot gehabt, inzwischen seien zumindest Institute wie Köln und Hannover stets unter den besten
            fünf im Gesamtmarkt.

            Im Tagesgeschäft stecken die Sparkassen in einem Dilemma: Eine stärkere Orientierung an Verkaufszielen kollidiert
            leicht mit ihrem Anspruch, Kunden fair zu beraten und weniger auf den Gewinn zu schauen als die private
            Konkurrenz. Schon jetzt klagen Betriebsräte über den gestiegenen Verkaufsdruck. Letztlich fehlt der Mut zum großen
            Wurf. "Die Sparkassen wären als Marktführer prädestiniert, über neue Preismodelle - etwa Flatrates - nachzudenken,
            mit denen sie auch Themen wie Abschlussdruck oder Verbraucherschutz begegnen und neues Vertrauen gewinnen
            könnten", sagt Zeb-Experte Thiesmeyer. Auch beim Ausbau der Beratung von Vermögenden und der Altersvorsorge
            sehen Experten Nachholbedarf.

            Nach wie vor hat jede Sparkasse bei ihrem Angebot im Wesentlichen freie Hand. Der Preis der Unabhängigkeit:
            Kostenvorteile aus der zentralen Entwicklung von Produkten bleiben ungenutzt.

            Präsident Haasis stellte zwar kürzlich zwei zentral entwickelte Produkte vor: eine EC-Karte, mit der sich im
            Einzelhandel auch per Ratenkredit einkaufen lässt, sowie ein standardisiertes Angebot zur Auto- und
            Konsumentenfinanzierung. Allerdings ist die Nutzung für die Sparkassen unverbindlich. "Einzelne Institute verhalten
            sich egoistisch und pochen auf Selbstständigkeit, ohne Synergien zu nutzen", kritisiert Martin Faust, Professor an der
            Frankfurt School of Finance and Management.

            risiko zinsen Diesen Luxus leisten sich die Sparkassen aus einer Position trügerischer Sicherheit. Sie sind zwar
            insgesamt stabil durch die Krise gekommen, aber so beeindruckend, wie er auf den ersten Blick scheint, ist ihr Boom
            nicht. So haben sie zwar im Kreditgeschäft Kunden gewonnen. Im Einlagengeschäft stagniert ihr Marktanteil jedoch
            bei etwa 40 Prozent, womit sie immer noch mit Abstand Marktführer sind. Das Provisionsergebnis, das etwa die
            Erfolge bei der Vermittlung von Wertpapieren und Versicherungen misst, ist in der Krise nicht deutlich gestiegen. Der
            Absatz von Wertpapieren brach zuletzt sogar teilweise dramatisch ein. Insgesamt ging der Umsatz in diesem
            Geschäftsfeld 2010 um sieben Milliarden Euro zurück. Der Nettoabsatz war sogar negativ, das heißt,
            Sparkassenkunden verkauften für eine Milliarde Euro mehr Wertpapiere, als sie kauften.

            Zugelegt hat vor allem der Zinsüberschuss. 2009 wuchs er um zehn Prozent, 2010 um knapp vier Prozent auf nun
            23,5 Milliarden Euro. Ein erheblicher Teil davon kommt durch die sogenannte Fristentransformation zustande. Viele
            Kunden legen ihr Geld kurzfristig und zu niedrigen Zinsen an, etwa als Tagesgeld. Die Sparkasse verleiht es
            langfristig für eine Baufinanzierung oder einen Unternehmenskredit zu höheren Zinsen weiter.

            Fristentransformation ist eine Grundaufgabe jeder Bank, aber deshalb nicht frei von Risiken. Steigen die Leitzinsen,
            fallen die Gewinne oder werden zu Verlusten. Denn die Geldinstitute müssen ihren Kunden für die Einlagen höhere
            Zinsen zahlen, bekommen von ihren Kreditkunden aber weiter den festgelegten Satz überwiesen. Wenn zu viele
            Kunden ihre Einlagen abziehen, trocknet die Bank aus. Die einlagenstarken Sparkassen und Volksbanken gelten als
            besonders gefährdet. Bei den hessisch-thüringischen Sparkassen waren zuletzt rund 50 Prozent der Einlagen
            Tagesgeld - mehr als je zuvor.

            Die Bundesbank hat bereits vor den Gefahren des Phänomens gewarnt. "Wir schauen uns das genau an", heißt es in

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            hochrangigen Aufsichtskreisen, die beobachten, dass manche Institute in allen Sektoren einen "heißen Reifen"
            fahren. Die Sparkassenverbände teilen mit, dass sie ihre Mitglieder daraufhin kontrollieren und die Lage im Griff
            haben. Laut DSGV beruhten zuletzt 13 Prozent des Zinsüberschusses auf der Transformation von Fristen - das
            wären rund 2,5 Milliarden Euro. Einige Branchenkenner halten den Wert für zu niedrig angesetzt.

            Für zusätzliche Unsicherheit sorgen Bilanzierungsfragen. Die Sparkassen halten, anders als Großbanken, nur einen
            geringen Teil ihrer Wertpapiere im Handelsbuch, wo sie nach aktuellen Marktpreisen zu bewerten sind. Den Großteil
            der Anleihen behalten sie bis zur Endfälligkeit, sodass zunächst keine Wertminderungen auszuweisen sind, etwa bei
            Kursverlusten von Papieren hoch verschuldeter EU-Staaten. "Mögliche Verluste sind deshalb weniger transparent
            und zeigen sich oft erst nach Jahren", warnt ein Wirtschaftsprüfer aus Frankfurt. Immerhin: In sogenannte Subprime-
            Papiere, die 2007 am Anfang der Finanzkrise standen, hatten Sparkassen nur sehr begrenzt - im zweistelligen
            Millionenbereich - investiert.

            Risiko Regulierung Die Nachwehen der Finanzkrise machen auch vor den Sparkassen nicht halt, die sich zu Recht
            zugute halten, den Milli- ardencrash 2008 nicht verursacht zu haben. Die meisten neuen Vorschriften gelten auch für
            sie.

            Dabei sind die verschärften Kapitalanforderungen nach Basel III verkraftbar: "Wenn sich an den
            Rahmenbedingungen nichts Grundlegendes ändert, ist das ohne allzu viel Aufwand zu schaffen", sagt der bayrische
            Sparkassenpräsident Theo Zellner. Mit einer Kapitalquote von im Durchschnitt knapp zehn Prozent erfüllen die
            meisten Sparkassen die Basel-Regeln bereits. Um sich für die neue Regulierungswelt zu wappnen, haben sie im
            vergangenen Jahr zudem den Rekordwert von 3,8 Milliarden Euro in ihre Vorsorgereserve eingezahlt.

            Einige Detailregelungen haben es für die Sparkassen umso mehr in sich. So wird die Vergabe langlaufender Kredite
            teurer, einer Domäne der Sparkassen: Knapp 84 Prozent ihrer vergebenen Kredite sind bisher mittel- bis langfristig.
            Grund sind neue Liquiditätsregeln, die sicherstellen sollen, dass Banken künftig stets genügend flüssige Mittel
            haben, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

            DSGV-Chef Haasis fürchtet, dass sich angesichts teurerer Kredite angloamerikanisch geprägte Modelle stärker
            durchsetzen und Unternehmenskunden öfter am Kapitalmarkt orientierte Finanzierungen nutzen wie die Ausgabe von
            Anleihen nutzen. Dabei können ihnen die Sparkassen mangels Kompetenz kaum helfen.

            Mehr als die Basel-Regeln treffen die Sparkassen die Vorgaben zum Verbraucherschutz. So müssen sie etwa von
            Juli an zu jedem von ihnen vertriebenen Produkt ein Informationsblatt liefern. Ausführliche Beratungsprotokolle sind
            bereits vorgeschrieben. Einzelne Sparkassen haben die Beratung am Telefon aus Angst vor drohenden
            Haftungsklagen eingestellt. Zudem müssen sich künftig alle Berater bei der BaFin registrieren lassen. Bei
            Falschberatungen drohen Bußgelder oder sogar ein Berufsverbot.

            Bei all dem leiden die Sparkassen unter ihrer dezentralen Struktur. Jedes selbstständige Institut muss diese Themen
            ebenso umsetzen wie eine Großbank. Für kleinere Institute sind Aufwand und Kosten jedoch proportional deutlich
            größer.

            Insider erwarten wegen des Kostendrucks zwar keine Fusionswelle unter den Sparkassen, schätzen aber, dass
            bereits jetzt zwischen 10 und 15 Prozent der Sparkassen so schwach sind, dass sie unter verschärfter Beobachtung
            ihrer Verbände stehen. Sie könnten wegen der steigenden Anforderungen gezwungen sein, ihre Selbstständigkeit
            aufzugeben.

            Risiko Landesbanken Zig Anläufen zum Trotz ist eine Lösung des dringendsten Problems nicht in Sicht. Die
            Landesbanken sind die Achillesferse des gesamten öffentlich-rechtlichen Bankensektors. Obwohl auch Haasis seit
            Jahren auf Fusionslösungen drängt, ist der große Wurf nicht in Sicht. Nun wird die WestLB zerschlagen. Bei den
            übrigen staatlich gestützten Instituten LBBW, BayernLB und HSH Nordbank ist - anders als bei der ebenfalls
            geretteten Commerzbank - trotz verbesserter Ergebnisse keine Rückzahlung der Hilfen in Sicht.

            Selbst solide durch die Krise gekommene Banken wie die Frankfurter Helaba und die Nord/LB in Hannover sind nun
            auf die Unterstützung ihrer Eigner angewiesen. Bundesländer und Sparkassenverbände haben bei beiden Instituten

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            erklärt, ihr in Form stiller Einlagen gehaltenes Kapital demnächst in hartes Kernkapital umzuwandeln. Die
            Europäische Bankenaufsicht wollte die bisherige Form der Beteiligung im aktuellen Stresstest nicht anerkennen,
            Helaba und Nord/LB würden folglich durchfallen. Für die Eigentümer heißt das aber: Verluste treffen sie künftig direkt
            und zwingen sie zu Abwertungen ihrer Beteiligung.

            Auch wenn die Sparkassen öffentlich gern auf Distanz zu den Landesbanken gehen, ist die Verbindung so eng, dass
            sie unmittelbar unter den dortigen Problemen leiden. So kann schon jetzt jede Sparkasse ausrechnen, wie viel sie
            zum Kapital der geplanten regionalen Sparkassen-Zentralbank zuschießen muss, die auf Druck aus Brüssel aus der
            maroden Düsseldorfer WestLB ausgegliedert werden soll. Insgesamt sind dafür aus Nordrhein-Westfalen wohl 600
            Millionen Euro erforderlich, für die Sparkasse in Düsseldorf wären das 25 Millionen Euro, in Krefeld 20, in Duisburg
            11.

            Hinzu kommen die Rückstellungen, die die Sparkassen in den kommenden 25 Jahren für Verluste der in eine Bad
            Bank ausgelagerten WestLB-Vermögenswerte treffen müssen. Hierfür werden schon jetzt jährlich Millionen fällig,
            insgesamt müssen die Sparkassen Verluste von 7,5 Milliarden Euro absichern. "Wenn sämtliche Garantien
            tatsächlich verloren wären, hätte das erhebliche Folgen für die Stadt", sagt Hans-Jürgen Petrauschke,
            Verwaltungsratsvorsitzender der Sparkasse Neuss.

            Die Pleite einer Landesbank wäre für die Sparkassen wegen der vielfachen Verflechtungen noch weit dramatischer.
            Sie sind Miteigentümer der Landesbanken, wenn sie auch im Zuge der Krise ihre Beteiligung etwa in Bayern deutlich
            reduziert haben. Nach Schätzungen der Ratingagentur Fitch waren sie 2009 noch mit einem Buchwert von insgesamt
            20 Milliarden Euro an den Landesbanken beteiligt. Hier könnten bei Verlusten weitere Abschreibungen erforderlich
            sein.

            Das Risiko geht über die Beteiligungen hinaus. Sparkassen sind traditionell passivlastig, haben also deutlich mehr
            Einlagen in ihrer Bilanz, als sie Kredite vergeben. Aktuell liegt die Differenz bei mehr als 100 Milliarden Euro. Dieses
            Geld legen sie traditionell vor allem bei den Landesbanken an und investieren es in Wertpapiere. Ende 2010 hatten
            die Sparkassen knapp 57 Milliarden Euro an Kreditinstitute verliehen und rund 270 Milliarden Euro Wertpapiere in
            ihrer Bilanz - wie Fitch schreibt, "vor allem inländische Bankanleihen".

            Zusätzlich riskant: Rutschen Landesbanken in die roten Zahlen, müssen die Eigentümer sogenannter
            Nachranganleihen Verluste hinnehmen, weil die Landesbanken die vorgesehenen Kuponzahlungen aussetzen und
            den Nominalwert der Anleihen herabsetzen können - so geschehen bei der kriselnden HSH Nordbank, wo der
            Nominalwert auf 79 Prozent sank. Machen die Landesbanken wieder Gewinne, füllen sie den Wert der Anleihen auf
            und holen Zinszahlungen nach. Das kann aber dauern.

            risiko haftung Sparkassen müssen Forderungen innerhalb eines Verbundes anders als sonst üblich nicht mit
            Eigenkapital unterlegen. Dahinter steht die Überlegung, dass sich dessen Mitglieder im Bedarfsfall gegenseitig
            stützen. Anders als private Banken zahlen die Sparkassen kaum in einen Fonds ein, sondern garantieren, wenn
            auch nicht rechtlich verbindlich, dass sie in Not geratenen Instituten beispringen. Zur Rettung einer Landesbank
            wären die Sparkassen jedoch nicht in der Lage. Selbst Präsident Haasis hat erklärt, dass die Hilfseinrichtungen nicht
            für derart große Schadensfälle geschaffen seien.

            Wie schnell die Sicherungsnetze strapaziert sein können, zeigte sich 2010: Als die Nord-Ostsee Sparkasse in
            Flensburg, das größte Institut in Schleswig-Holstein, wegen fauler Kredite von mehr als 100 Millionen Euro in Not
            geriet, reichte der Stützungsfonds im Land nicht aus. Er war bereits 2009 durch die Sparkasse Südholstein stark in
            Anspruch genommen worden. Die war wegen Engagements bei Lehman Brothers, einer isländischen Bank und der
            HSH Nordbank in der Krise. In Flensburg musste nun der DSGV mit einspringen.

            Die EU wollte mit dieser Institutssicherung eigentlich Schluss machen und die Sparkassen verpflichten, künftig Geld
            in einen Notfonds einzuzahlen. Elf Milliarden Euro hätte das nach Berechnungen des DSGV in den kommenden
            Jahren gekostet. Die Position des einzelnen Bankkunden hätte sich verschlechtert, weil sein
            Entschädigungsanspruch begrenzt würde. Nun hat Brüssel Entgegenkommen signalisiert, allerdings wohl nur
            aufgrund der Erkenntnis, dass hinter den Sparkassen letztlich die Bundesrepublik steht.

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GENIOS - Wenn's ums Geld geht - Der trügerische Erfolg der Sparkass...                          http://www.genios.de/r/document/WW__0000705443

            Was fehlt, ist eine grundsätzliche Lösung der vielfältigen Probleme. Für Aufsehen und Ärger hat eine "Streitschrift"
            aus dem House of Finance der Universität Frankfurt gesorgt - an der neben den Professoren Jan Pieter Krahnen und
            Helmut Siekmann auch die Ex-Landesbankchefs Günther Merl (Helaba) und Heinz Hilgert (WestLB) mitgeschrieben
            haben. Nicht nur weil es gleich in der Einleitung heißt, dass "Landesbanken und Sparkassen ein erhebliches Risiko
            für die öffentlichen Haushalte bergen", hat der DSGV das Papier als "ehrenrührig" zurückgewiesen.

            Nach Ansicht der Uni-Experten und Bankpraktiker sollten Sparkassen mit dem Kundengeschäft der Landesbanken zu
            Regionalinstituten fusionieren. Dienstleistungen der Landesbanken wie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs
            würden in einer einzigen Sparkassenzentralbank angesiedelt, die übrigen Aktivitäten der Landesbanken abgewickelt.
            "Die Regionalinstitute wären kundenfokussiert, hätten eine klare Eigentümerschaft und eine ausgewogene Aktiv-
            Passiv-Struktur in den Bilanzen", erläutert Hochschullehrer Siekmann das Konzept.

            Viele Banker halten zumindest Zusammenschlüsse zwischen Landesbanken und Sparkassen für letztlich
            unvermeidbar, weil sich Landesbanken allein über den Kapitalmarkt wohl kaum genug Mittel für ihr Geschäft sichern
            könnten. "Es besteht in vielfacher Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaft zwischen Landesbanken und Sparkassen",
            sagt der ehemalige WestLB-Lenker Hilgert. "Und es ist sicher keine Lösung für die Zukunft der Landesbanken, wenn
            es das vorrangige Ziel ihrer Eigentümer ist, sich möglichst rasch aus ihnen zu verabschieden."

            Politisch sind solche Zusammenschlüsse momentan kaum mehrheitsfähig. Doch selbst Gerhard Schick,
            Finanzexperte der Grünen und kein Sparkassengegner, beklagt, dass "die damalige Regierung während der Krise
            2008 die Chance zu Fusionen von Sparkassen und Landesbanken verpasst hat". n

            Sparkassen

            271 Milliarden Euro.

            Wertpapiere haben die Sparkassen derzeit in ihren Büchern, zum größten Teil Bankanleihen - ein Risikofaktor Bis zu
            7,5 Milliarden Euro.

            müssen die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen für die Absicherung möglicher Verluste der WestLB aufbringen Um 7
            Milliarden Euro.

            sank der Umsatz der Sparkassen mit Wertpapieren im Kundengeschäft des vergangenen Jahres

            Welp, Cornelius

              Quelle:                     WirtschaftsWoche NR. 018 VOM 02.05.2011 SEITE 044
              Ressort:                    Unternehmen & Märkte
              Dokumentnummer:             0000705443

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