Fakten zu Hummer/Hummerhandel - pro iure animalis
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Unkostenbeitrag CHF 3.– / EUR 2.– Verein fair-fish Burgstrasse 107 CH-8408 Winterthur Tel. 0041 52 301 44 35 Fax 0041 52 301 45 80 info@fair-fish · www.fair-fish.ch fish-facts 9: Hummer und Krebse: Hummer Leiden für Genuss? Abertausende von Hummern, Langusten und anderen Krebsen landen jährlich auf den Tellern von Feinschmeckern. Die we- nigsten von ihnen wissen, dass die Tiere vorher Qualen litten. Kann Genuss sein, was aus Leiden kommt? Die Praxis bei Fang, Lagerung, Transport und Zubereitung von Krebsen muss ge- ändert werden. Neuere Studien zeigen, dass Krebstiere Schmerz empfinden. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf Hummer; das meiste gilt aber für alle Wochen-, monatelang gefesselt bis zum Krebstiere. «Fest» – es ginge anders: siehe Seite 12.
250 Hummer-Weltproduktion 1950–2005 inkl. Langusten in 1‘000 Tonnen pro Jahr (Quelle: FAO, Grafik: fair-fish) 200 Welt 150 Die 9 grössten Produzenten (= 73% der Weltproduktion) Kanada USA Grossbritannien Australien 100 Bahamas Irland Frankreich Brasilien Indonesien 50 1950 1960 1970 1980 1990 2000 05 Hummer (rechts) und die entfernte Ver- wandte Spiny lobster (Languste, links). 2
Produktion und Konsum von Hummern Mit modernen Technologien wurden die vor in keinem Land begrenzt. jährlichen Fänge von Krustentieren ver- Abgesehen von Ländern, in welchen die vielfacht: von 692 000 Tonnen (1950) auf Bevölkerung auf Meeresprodukte als 10 663 000 t (2006). Die Fänge von Hum- Nahrung angewiesen ist, werden Krus- mern und Langusten stiegen in dieser tentiere vor allem in den USA und in der Zeit von 81000 auf 251 000 Tonnen. EU gegessen. Für Kanada etwa sind die- se beiden Grossräume die Hauptabneh- Weltweit wurden 2005 rund 233 300 mer, danach folgt China. Tonnen Hummer und Langusten gefan- Bekannte Arten von Hummern (eng- gen. Kanada liegt mit 43 800 t an der lisch Lobster) sind American Lobster und Spitze; Hummer ist Kanadas wichtigstes Europäischer Hummer von den Atlan- Fischereiprodukt. Ähnlich viel fangen die tikküsten sowie der Spiny Lobster (zu USA (gegen 41 900 t). Mit Abstand fol- deutsch Languste; der verfängliche eng- gen Grossbritannien (28 300 t) und Aus- lische Name stiftet immer wieder Ver- tralien (18 600 t).– 2006 stieg der Fang wirrung um Hummer und Languste). auf 251 000 t. Bei einem durchschnitt- lichen Konsumgewicht von 1 kg pro Hummer werden weltweit etwa 250 Millionen Hummer pro Jahr gefangen und verzehrt – Tendenz steigend. Hummer massiv überfischt Angesichts solch intensiver Befischung verwundert es nicht, dass die Bestände von der Ausrottung bedroht sind. Umso schlimmer, dass die meisten weiblichen Hummer gefangen werden, bevor sie geschlechtsreif sind und sich fortpflan- Krebstiere zen konnten. Die Klasse der Krebstiere (Crustacea, Die hauptproduzierenden Länder haben Krustentiere) zeichnet sich durch eine unterdessen selbst erkannt, dass Hum- grosse Formenvielfalt aus. mer und andere Krustentiere massiv Etwa ein Drittel der Arten gehören zur überfischt werden. Zum Schutz ihrer Ordnung der Zehnfusskrebse: Hum- Bestände und einer wichtigen Einkom- mer, Langusten, Fluss- und Steinkreb- mensquelle haben die meisten Länder se, Krabben und die meisten Crevetten verschiedene Regulierungen angeord- (Garnelen) und zeichnen ich aus durch: net, wie: vorgeschriebene Mindestgrös- • fünf Paar Füsse, zwei lange Fühler se der Tiere, Fangverbot von Eier legen- («Antennen») den Weibchen, saisonale Schonzeiten • ein Scherenpaar (oft Greifzange und anderes mehr. Es ist allerdings frag- rechts und Schere links) lich, ob diese Massnahmen ausreichen. • Panzer dunkler Färbung (Töne von Die Fangmengen sind nämlich nach wie Blau, Grün, Braun, Violett bis Schwarz) 3
Lebensweise der Hummer Wie andere Krebse müssen sich Hum- mer periodisch häuten, um zu wach- sen. In dieser verletzlichen Phase zie- hen sie sich zurück. Hummer können bis zu hundert Jah- ren alt werden. Sie tragen ihre Jun- gen neun bis elf Monate lang. Die Ge- schlechtsreife erreichen Hummer im Alter von etwa sieben Jahren. Hummer sind nachtaktive Einzelgänger mit komplexem Sozialleben. So führen die älteren Tiere jüngere Artgenossen mit den Scheren «Hand in Hand». Hummer «riechen» mit ihren Fühlern und «tasten» mit Haaren an ihren Bei- nen. Sie können tiefe Frequenzen her- vorbringen und wahrnehmen; so «ras- seln» oder «klicken» sie bei aggressi- ven Begegnungen oder Gefahr. Das «Brummen» gefesselter Hummer ist auch für uns wahrnehmbar. Hummer bevorzugen kühlere Gewäs- ser mit felsigem Boden, in Küstennähe oder in Tiefen bis zu 50 Meter. Verschiedene Hummerfallen 4
Das lange Leiden beginnt beim Fang Die meisten Krebse werden nicht sofort zen, welche direkt über den Meeresbo- nach dem Fang getötet. Stattdessen sind den gezogen werden. Dabei sterben vie- sie grossem und lange dauerndem Lei- le andere Lebewesen, die als ungewoll- den und Stress ausgesetzt: Fang, Lage- ter «Beifang» ebenfalls in den Netzen rung, Transport und Tötung sind nicht hängen bleiben. Zudem versehren diese artgerecht. Leider wird diese Misshand- Fangnetze die Meeresböden und zerstö- lung von allen Tierschutzgesetzen im- ren rücksichtslos den Lebensraum vieler mer noch toleriert. Meeresbewohner für Jahre – falls er sich je wieder regeneriert. Gefangen werden Hummer zum einen von lizenzierten Fischern, die mit klei- neren Booten in Küstennähe auf Fang gehen. Sie setzen Fallen oder Fangkörbe mit Ködern auf dem Meeresboden ab. Nicht selten werden die Fallen – trotz Markierung der Stelle mit Boyen an der Wasseroberfläche – nicht mehr ge- funden; die in solchen Fallen sitzenden Zerstörter Hummer verhungern langsam. Lebensraum: Zum anderen sind grosse Fangschiffe Spur eines weiter ausserhalb der Küste im Einsatz, Grundschlepp- teils mit Fallen, teils mit langen Fangnet- netzes am Meeresboden Weshalb sind Krebse so begehrt? Köche wie Konsumierende loben das aromatisch-süssliche, zarte Fleisch von Krebsen. Ebenso dürften der moder- ne Drang, stets Neues auszuprobieren, sowie der Hauch des Exklusiven die- se teure Delikatesse kulinarisch so at- traktiv machen. Nicht umsonst hat der Konsum von Hummer um die Festtage herum Hochsaison. Allerdings gibt es Tendenzen, den Hummer zur Alltags- kost werden zu lassen. So boten meh- rere der grössten Supermarktketten Englands «Billig-Lobster» für jeder- Der Hummerkörper besteht aus zwei mann an und Restaurantketten – auch Teilen. Der Kopf enthält Herz, Auge, bei uns – offerier(t)en Hummer-Menüs Mund und «Hirn» (Zentralganglion) so- zu vergleichsweise erschwinglichen wie Verdauungs- und Sexualorgane, der Preisen. Schwanz die Eingeweide und den Anus. 5
Lebend gelagert und transportiert Einmal gefangen, werden die Hummer nach dem Fang lebend in engste Einzel- behälter gezwängt, die sich in einem mit Meerwasser gefüllten Tank befinden. Die Lagerung ist alles andere als artge- recht: Erstens werden die Einzelgänger auf engstem Raum zu Zehntausenden gehalten. Zweitens werden ihnen die Scheren zusammengebunden. In diesem Zustand müssen sie bewegungslos und ohne Futter oft für Monate ausharren, von der Fangsaison im Spätsommer bis zur Hauptkonsumsaison im Winter. Im- mer noch lebend werden die Tiere für den Transport apathisch-benommen ge- macht, indem man sie auf Eis gelagert herunterkühlt. Aufeinandergestapelt und eng zusammengepfercht kommen sie dann an ihre Destination. Und auch hier lässt die Lagerung zu wünschen üb- rig: In Aquarien müssen Hummer weiter ausharren, bis sie jemand begehrt. Nur selten getötet und gefrostet Wenig leiden müssten Hummer, die Verkauf lebender Hummer unnötig nach dem Fang getötet und tiefge- Es gibt heute keine stichhaltigen Gründe kühlt werden. Nur ein kleiner Teil der mehr, Krebse am «Leben» zu lassen, bis Hummer gelangt auf diese Weise in sie endlich gekocht werden. Kühlketten den Verkauf, etwa die Western Aus- garantieren für frische Qualität. tralian Rock Lobsters unter MSC-Label. Hingegen gibt es lauter triftige Gründe, Allerdings sind auch diese Hummer Krebse gleich nach dem Fang zu töten. keine echte Alternative. Sie werden Zum Beispiel auch wegen der Hygiene. nämlich nach dem Fang in kaltem Krustentiere sind nämlich ein Herd für Wasser heruntergekühlt, dann in Süss- Bakterien, die sich im dahinvegetieren- wasser gesetzt, wo sie einen lang- den Tier rasch vermehren können. Die samen Ertrinkungstod sterben. Der Industrie versucht dem Problem mit Produzent Western Australian Rocks Chemie oder gar mit Bestrahlung beizu- rechtfertigt sich mit der gängigen, aber kommen. Werden die Krebse jedoch so- falschen Behauptung, die Tiere fielen fort getötet und anschliessend gekocht dank der Kühlung in einen «Schlaf» und/oder eingefroren, haben die Bakte- und spürten danach nichts mehr. rien keine Chance, sich zu vermehren. 6
Qualvolles Ende im Kochtopf Krepieren auf qualvolle Weise steht am ren Tieren wie Reptilien, Fischen oder Ende der Leidenszeit eines Hummers. Amphibien zeigten, dass Abkühlung Sie werden überall auf der Welt auf viel- das Schmerzempfinden nicht reduziert. fältige Weise umgebracht. Wenn ein Tier sich kaum wehrt, liegt das eher daran, dass es vom langen Am verbreitetsten ist das Sieden des Transport und der Kühlung benommen Hummers bei lebendigem Leib. Oft wird und erschöpft ist. Immobilität wird da- behauptet, dabei sei der Hummer sofort bewusstlos und tot – dabei dauert sein Todeskampf unter Schmerzen zwischen 15 Sekunden und 7 Minuten. Genauso inakzeptabel ist das langsa- me Aufkochen des Hummers in kal- tem Wasser. Auch hier hält sich hart- näckig ein Mythos: dass das Tier dabei sanft bewusstlos werde und dadurch nichts mehr spüre. Versuche bei ande- Auch nichts für Hartgesottene Ein Hamburger Amtstierarzt berichtet von einem Kollegen, einem deutschen Grenztierarzt: Den habe es nach jahre- langer Tätigkeit wunder genommen, was eigentlich in den Kisten sei, aus denen man Kratzen höre. Ein Ange- stellter habe eine Kiste geöffnet: Hum- mer, darauf den Deckel wieder zuge- schlagen und dabei ohne jede Regung Lebend kochen: tot erst nach Minuten. einen Fühler abgeklemmt. Das gesche- he oft, habe er dazu schulterzuckend bei mit Betäubung verwechselt. Tiere, bemerkt. Überstehende Fühler würden die nicht zuerst gekühlt oder transpor- auch mal abgeschnitten. Sein keines- tiert wurden, reagieren nämlich heftig wegs zartbesaiteter Kollege sei derart mit Zittern, Widerstand, Fluchtversuch schockiert gewesen vom Leid, an wel- und lautem Pfeifen. chem er so lange achtlos vorbeigegan- Ebenso fragwürdig ist das Tiefgefrieren gen sei, dass er seinen Job nicht länger der lebenden Hummer vor dem Kochen ausgehalten habe. Er liess sich verset- bei mindestens –20 ºC. Einmal gefroren zen, da sein Bemühen, anders mit den sind die Tiere wohl betäubt, doch was Hummern umzugehen, nirgends auf für Qualen empfinden sie bis dahin? Interesse, geschweige denn auf frucht- Und wie lange dauert das? Ausserdem baren Boden stiess. müssen die Krustentiere direkt nach der 7
Vom Fang an wochen-, ja gar monatelang gefesselt bis zum bitteren Ende: Selbst «humane» Tö- tung vor dem Kochen macht dieses Leid nicht ungeschehen. Entnahme aus dem Gefrierer getötet rung und Sorgfalt, um durch den Panzer werden, damit sie nicht wieder aus ihrer hindurch die richtigen Stellen zu tref- Betäubung erwachen. fen. In der Praxis wird diese Methode Eine weitere Art des Tötens ist das Zer- – wegen Stress, mangelnder Kompetenz schneiden der Krustentiere. Da dies die usw. – oft unsachgemäss ausgeführt Nervenzentren sofort zertrennt, wäre und ist für den Hummer mit grossen das effizient. Aber es braucht viel Erfah- Qualen verbunden. Erkenntnisse aus der Wissenschaft Stress. Taschenkrebsen (Cancer pagurus, Ordnung Zehnfusskrebse) zeigte bei Rei- Ordnung Zehnfusskrebse) werden nach zung eines Fühlers länger dauernde Ver- dem Fang oft beide Scheren abgetrennt. haltensreaktionen, die auf Schmerzemp- In einer Studie zeigten Krebse nach Ent- finden schliessen lassen. fernen der Scheren eine deutlich höhere S Barr, P R Laming, J T A Dick, R W Elwood, physiologische Stressreaktion als unver- Animal Behavior (2007) stümmelte Krebse. Besonders lang hält Viele Wirbellose lernen aus schädlichen der Stress an, wenn Artgenossen in der Reizen ähnlich höhere wie Wirbeltiere. Nähe sind. (Fazit: Hummer mit verbun- D H F Robb (2007) denen Scheren und steter Nähe von Art- genossen leiden Dauerstress.) Betäubung. Kochen oder Tiefkühlen be- L Patterson, J T A Dick, R W Elwood, täuben nicht sofort; das Zerschneiden Mar Biol (2007) 152:265–272 der Nervenzentren ist kompliziert und dauert in der Praxis ebenfalls zu lange. Schmerz. Nociception ist die auch bei Unter Strom gesetzt, sind Krebse dage- Wirbellosen vorhandene Fähigkeit, gen sofort betäubt. Schmerz physiologisch wahrzunehmen D H F Robb (2007) und darauf zu reagieren. Das bewusste Schmerzempfinden dagegen wird Wir- Links. www.shellfishnetwork.org.uk; bellosen meist abgesprochen. Eine Stu- www.advocatesforanimals.org, dort die an Crevetten (Palaemon elegans, Suche «Crustacean». 8
Tierschutzgesetze: Quälen wird toleriert Wo die Praxis tierfeindlich ist, wären sein, das hat die Lobby der Importeure griffige Tierschutzgesetze nötig. Doch und Gastronomen verhindert. Eine zeitli- kein Land verbietet es bis jetzt, Krebse che Begrenzung dieser «Feuchthaltung» lebend zu lagern, zu transportieren und ist nicht vorgeschrieben… zu verkaufen. Doch solange Krebse nicht Dafür verlangt die neue Schweizer Tier- sofort nach dem Fang betäubt und getö- schutzverordnung, dass Krebse vor dem tet werden müssen, werden sie gequält. Kochen zu betäuben sind: durch elektri- schen Strom oder mechanische Zerstö- Hoffnung schien berechtigt, als 2008 rung des Gehirns. Freilich scheinen sich die Schweiz ihr Tierschutzrecht erneu- die Vollzugsbehörden andere Prioritäten erte. Endlich gibt es Bestimmungen für zu setzen und in Kauf zu nehmen, dass den Umgang mit Fischen und Kreb- viele Gastrotempel weiterhin Hummer sen: Grundsätzlich sind auch diese Tiere zutode kochen. vor dem Schlachten zu betäuben. Doch Etwas Gegengewicht wird eine Ausbil- Ausnahmen und Probleme des Vollzugs dung bringen, die für alle Personen obli- werden die Lage vor allem für impor- gatorisch ist, welche beruflich mit leben- tierte Krebse auch in der Schweiz noch den Krebsen zu tun haben – allerdings nicht wesentlich verbessern. erst ab 2013. So ist der Lebendtransport von Krebsen Kurz: Selbst das neue Schweizer Tier- weiterhin erlaubt, solange sie «ausrei- schutzrecht bringt Krebsen noch zu we- chend feucht» gehalten werden – von nig. Ohne Druck auf Branche und Be- Wasser bedeckt müssen sie aber nicht hörden wird sich nichts ändern. Hummer empfinden Schmerz Obwohl oft das Gegenteil behauptet ber hinaus legt auch das Verhalten der wird, zeigt eine Reihe neuer, seriöser Krustentiere nahe, dass sie Schmerzen Studien, dass Krustentiere schmerz- fühlen. Ihre Reaktionen auf schmerz- empfindlich sind. Nicht nur, dass die- volle Handlungen entsprechen dem se faszinierenden Tiere einen gut ent- anderer Lebewesen: sie versuchen wickelten Seh-, Tast-, Geruchs-, Ge- heftig zu entkommen. Schmerz und schmacks-, Orientierungs- und Tastsinn Leiden ist jedoch grundsätzlich eine haben. individuelle Erfahrung. Selbst bei Men- Beim aktuellen Forschungsstand ist schen lässt sich nicht abschliessend überdies klar, dass Krustentiere ein bestimmen, ob jemand Schmerz emp- hoch entwickeltes Nervensystem be- findet. Mit letzter Sicherheit beweisen sitzen. Dabei sind physische Voraus- lässt es sich also nie. Im Zweifel sollte setzungen (freie Nervenendigungen man jedoch für den Angeklagten plä- und Nervenendorgane) vorhanden, um dieren, vor allem wenn die Faktenlage Schmerz empfinden zu können. Darü- so dicht ist. 9
Gleich nach dem Fang betäuben und töten Die einzige akzeptable Lösung, welche se signalisiert «krebsrot» für Artgenos- Hummern und andern Krebsen Qualen sen eine gefährliche Situation. erspart, liegt auf der Hand: Betäubung und Tötung gleich nach dem Fang. Die Human töten nach langer Qual? Technik hierfür ist bereits marktreif ent- Zunächst wurde der Crustastun für Re- wickelt – jetzt muss sie endlich ange- staurants und andere Anbieter entwi- wandt werden. ckelt. Das Gerät ähnelt einer Vaccumier- maschine Das Gerät heisst «Crustastun» und und reicht stammt aus England. Der Name setzt zur Betäu- sich zusammen aus dem lateinischen bung und «Crustacea» für Krustentiere und Tötung ei- dem englischen «stun» für betäuben. nes Tiers. Es Der Crustastun basiert auf einem For- ist bereits in schungsprogramm der Universität Bristol mehreren und des Silsoe Research Institute. Entwi- Restaurants ckelt wurde er von Studham Technolo- und Super- gies. Nun ist das Gerät auf dem Markt marktfilialen erhältlich, vorerst in Grossbritannien im Einsatz. und den USA. Die Firma ist interessiert Es ist verständlich, dass ein Pionierpro- daran, auch in weitere Länder zu liefern. jekt zuerst im Kleinmassstab den Durch- bruch sucht. Und es ist sicher besser, Mit Strom nach Sekunden tot – und rot! Krustentiere wenigstens anständig zu Die Grundidee ist einfach: Die Krusten- töten, als sie weiterhin auf abscheuliche tiere werden mit elektrischem Strom in Art ums Leben zu bringen. Doch eine weniger als einer Sekunde betäubt. Un- echte Lösung ist das nicht; denn am lan- ter dieser Betäubung tötet der Strom die gen Leiden zwischen Fang und Verzehr Tiere innerhalb von wenigen Sekunden, ändert es nichts. indem er ihr zentrales Nervensystem vollständig zerstört. Anschliessend wer- Grossanlage für Fischfabriken den die Krebse gekocht und erhalten fair-fish hat daher den Crustastun-Ent- die beliebte rote Farbe. wicklern schon früh empfohlen, Anla- gen für den Einsatz gleich nach dem Brutale Legende widerlegt Fang zu entwickeln. Glücklicherweise Es stimmt also nicht, dass Krebse lebend gingen sie darauf ein. gekocht werden müssten, um rot zu Die grosse Ausgabe des Crustastun un- werden. Die rote Farbe ist im Krebspan- terscheidet sich von der kleinen vor al- zer angelegt. Sie wird aber unter nor- lem durch ein Fliessband, welches belie- malen Lebensbedingungen zurückge- big viele Tiere nacheinander zur Betäu- drängt: Krebse tarnen sich durch dunkle bungs-/Tötungsstation und danach zur Farbtöne. Erst durch Kochen werden die Kochstation führt. Bereits sind drei die- roten Moleküle aktiviert. Möglicherwei- ser Anlagen in Betrieb, zwei in England 10
Crustastun- Anlage in einer englischen Fischfabrik werden und da- und eine in Irland. Weitere sind be- her trockener stellt, von Fischfabriken in England, sind, tritt der Tod Norwegen und den USA. nach 11 Sekun- den ein.) Die to- Rasch und sicher ten Tiere fallen Simon Buckhaven, Anwalt und Initiant auf ein zweites Band, welches sie zur des Crustastun, schildert den Ablauf wie Kochstation befördert. folgt: Die gefangenen Tiere werden in Tanks zur Anlage geführt, einzeln ent- Tatsächlich bewusstlos und tot? nommen und aufs Band gelegt. Nach Laut Buckhaven gibt es «sehr starke Be- 5-6 Sekunden erreicht jedes Tier die Be- weise dafür, dass Crustastun die Tiere täubungsstation. Strom von 4-8 Am- tötet». Dave Robb, ein Experte für die père (bei 110 Volt) macht den Hummer Betäubung von Fischen, bestätigt, dass innert 0.5 Sekunden bewusstlos. Nach der Strom das zentrale Nervensystem weitern 5 Sekunden unter dem selben der Krebse vollständig zerstört. Strom ist der Hummer tot. (Bei Krabben, Die gekochten Hummer werden gefros- die meist in Körben zur Anlage gebracht tet und dadurch konserviert. (Aber Ach- tung: Wenn Sie tiefgekühlten Hummer kaufen, heisst das noch lange nicht, Bessere Qualität und Hygiene dass er nach dem Fang betäubt und ge- Der Crustastun tötet nicht nur den tötet worden sei.) Hummer, sondern auch die Bakte- rien. Zudem sind Geschmack und Tex- Und sogar kostensparend tur des Fleischs von Krebsen, welche Die sofortige Tötung senkt die üblichen mit dem Crustastun getötet wurden, Verarbeitungskosten, denn die Fabrik deutlich besser. Dies befanden Kü- kann auf Tanks und grosse Frischwas- chenchefs in einer englischen TV-Koch- sermengen verzichten. Und der automa- sendung 2007. Das ist nicht erstaun- tisiert Vorgang benötigt weniger spezi- lich: Rücksichtslose Schlachtung min- ell ausgebildetes Personal als die Betäu- dert zum Beispiel auch die Qualität von bung durch Zerschneiden des Panzers. Kalbfleisch. www.crustastun.com 11
Nur ein sofort getöteter Hummer wäre okay Solange Hummer und andere Krusten- tiere nicht direkt nach dem Fang betäubt und getötet werden – verzichten! ‹ Seiten 4-9: Der Leidensweg der meis- ten Hummer ist lang und qualvoll. ‹ Seiten 9-10: Eine Alternative existiert, aber sie wird erst selten angewandt. ‹ Seiten 2-3: Viele Bestände von Hum- mern und andern Krebsen sind stark be- fischt oder überfischt. In der Schweiz, in Deutschland, in Öster- reich und in vielen weiteren Ländern ist niemand auf diese «Delikatessen» ange- wiesen. Was kann ich tun? Gibt‘s faire Hummer? • Auf Hummer und Krebse verzichten. • fish-facts 9 weitergeben (Bestell- Das Label fair-fish für die artisanale Fi- adresse unten, CHF 3.–/EUR 2.–/Ex.) scherei hat bisher keine Richtlinien für • fish-facts 9 als Co-Sponsor unterstüt- Krebstiere entwickelt. Die Betäubung zen. Verlangen Sie eine Offerte. und Tötung in der Art des «Crustastun» • mehr Ideen: (Seite 10) dürfte den Richtlinien von www.fair-fish.ch/etwas-tun fair-fish entsprechen. Zwei weitere Kri- terien sind von Hummerfischern wohl Co-Sponsor: schwieriger zu erfüllen: kurze Dauer der Gefangenschaft und sofortige Tötung nach dem Fang. Zudem wäre die Nach- Kommunikation & mehr haltigkeit der Befischung zu belegen. www.communicum.ch Herausgeber: Verein fair-fish, Burgstrasse 107, CH-8408 Winterthur Tel: 052 301 44 35, Fax: 052 301 45 80, www.fair-fish.ch, info@fair-fish.ch Recherchen, Text, Grafiken, Gestaltung: Heinzpeter Studer · Dank für Mitarbeit an Franziska Lombardi, Zürich sowie für kritische Lektüre an Isabella Busch, Berlin und Maria Ghadarkhah, Berlin Dank für Unterstützung an: Neue Tierhilfe Zürich, Elisabeth-Rentschler-Stiftung und Co-Sponsoren © 12/2008, 2000 Ex., Druck: Baldinger Winterthur, klimaneutral, 100% Recyclingpapier · ISSN 1662-7903 Der Verein fair-fish wird getragen von Mitgliedern und Spenden. Postkonto Schweiz: 87-531 032-6 · Deutschland: 143 019 706, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70 12
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