Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik zwischen Anspruch und Realität

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Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik zwischen Anspruch und Realität
SIRIUS 2021; 5(3): 261–265

Kurzanalysen und Berichte

Michael Paul/Göran Swistek*

Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik
­zwischen Anspruch und Realität
https://doi.org/10.1515/sirius-2021-3005
                                                                  2 D
                                                                     er sicherheitspolitische
                                                                    Anspruch der deutschen Leit­
1 E
   inleitung                                                       linien für den Indo-Pazifik
Die Bundesregierung hat mit den im August 2020 veröf-             Die Veröffentlichung der Leitlinien für den Indo-Pazifik
fentlichten Leitlinien für den Indo-Pazifik eine deutliche        durch die deutsche Bundesregierung im August 2020 hat
Positionierung für einen geografischen Raum bezogen,              bei vielen Partnern im asiatischen und süd-ostasiatischen
der durch den mehrdimensionalen Wettstreit des Westens,           Raum große Aufmerksamkeit erzeugt. Für manche verbin-
angeführt durch die USA, mit China geprägt ist. Der indopa-       det sich damit der Eindruck und die Hoffnung, Deutsch-
zifische Raum gilt als handels- und wirtschaftspolitischer        land würde nun entsprechend seiner wirtschaftlichen
Motor eines global vernetzten Marktes mit gegenseitigen           Bedeutung als global player mehr Präsenz zeigen und
Abhängigkeiten. Insbesondere die in den Leitlinien dar-           stärker zur Stabilisierung der Region beitragen.1 Der Indo-
gestellten sicherheitspolitischen Aspekte, die Interessen         Pazifik als Raum geostrategischer, -politischer und -öko-
Deutschlands in der Region und die in Aussicht gestellten         nomischer Interessen ist insbesondere im letzten Jahr-
Handlungswege haben bei vielen Partnern und Anrainern             zehnt in den Fokus öffentlicher Debatten und politischer
der Region große Erwartungen nach einem sichtbaren                Strategiepapiere gerückt. Denn hier findet ein mehrdimen-
und starken Engagement der Bundesregierung geweckt.               sionaler Wettstreit zwischen China auf der einen Seite und
Mit der Entsendung der Fregatte BAYERN im zweiten                 der Staatenwelt des Westens auf der anderen Seite statt.
Halbjahr 2021 verband man, auch aus den Veröffentli-              Dieser Wettstreit hat in erster Linie eine wirtschaftliche,
chungen einzelner deutscher Regierungsvertreter, eine             technologische und systemische Dimension. Aber es darf
erste Nagelprobe der deutschen Positionierung. Nachdem            nicht übersehen werden, dass er auch eine sicherheitspo-
die Planung für die Fahrt der Fregatte immer konkretere           litische Dimension besitzt. Gerade hinsichtlich der zahl-
Gestalt annimmt, zeigt sich, wie vorsichtig die Bundesre-         reichen sicherheitspolitischen Herausforderungen der
gierung bei der Umsetzung und Praktizierung der Leitli-           Region hat Deutschland in den letzten Jahren eher zurück-
nien vorgeht. Die Bundesregierung versucht offenkundig,           haltend und kaum wahrnehmbar agiert. Einzelne Maß-
im sicherheitspolitischen Wettstreit mit China eine deutli-       nahmen haben sich vor allem auf die Unterstützung und
che Positionierung zu vermeiden. Unabhängig von dem in            Ausbildung von lokalen Polizeikräften und anderer Blau-
den Leitlinien formulierten Anspruch, scheint Berlin auch         lichtorganisationen gerichtet. Oder es wurden Beiträge
im Indo-Pazifik eher seine außenpolitische Wohlfühlrolle          zum Wiederaufbau nach humanitären- und Umweltkatas-
als Mediator und Ausgleicher verschiedener Pole einzu-            trophen geleistet. Die deutschen Streitkräfte waren in den
nehmen als für eine regelbasierte internationale Ordnung          letzten zwei Jahrzehnten in der Region nicht präsent. Aus-
eintreten zu wollen. Hier klafft die Lücke, die insbeson-         nahmen bildeten die humanitären Hilfeleistungen nach
dere deutsche Partner in der Region vermehrt kritisch
wahrnehmen.
                                                                  1 Der japanische Verteidigungsminister Nobuo Kishi brachte u. a.
                                                                  während der virtuellen Asien-Rundreise der Bundesverteidigungs-
*Kontakt: Dr. Michael Paul ist Senior Fellow in der Forschungs-   ministerin im Herbst und Winter 2020 in einer Gesprächsrunde am
gruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik   17. Dezember 2020, ausgerichtet durch die Konrad-Adenauer-Stiftung,
(SWP); E-Mail: Michael.Paul@swp-berlin.org                        seine Erwartungshaltung zum Ausdruck. Siehe dazu u. a. Ryall, Ju-
Fregattenkapitän Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in         lian: Japan calls on Germany to send warship to East Asia, Deutsche
derselben Forschungsgruppe der SWP;                               Welle, 18. Dezember 2020, im Internet unter: https://www.dw.com/
E-Mail: goeran.swistek@swp-berlin.org                             en/japan-germany-china-defense-challenges/a-55985940.
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dem Tsunami in Banda Aceh (2004/2005) und einzelne                    staatliche Konflikte, regional und global agierende Terror-
Beiträge zu den Operationen Enduring Freedom und Ata-                 Organisationen, Piraterie, organisierte Kriminalität, die
lanta am Horn von Afrika. Dabei ist dieser Raum des Indo-             Auswirkungen von Naturkatastrophen sowie Migrations-
Pazifiks mit all seinen Herausforderungen von besonderer              bewegungen. Gerade die zuletzt genannten Aspekte, die
geostrategischer Bedeutung, auch für Deutschland. Dieses              eher zu den nicht-traditionellen Sicherheitsbedrohungen
mehrheitlich maritim geprägte Gebiet stellt derzeit eines             zählen, stehen bei den Anrainern des Indo-Pazifiks weit
der größten wirtschaftlichen Zentren dar und beheimatet               oben auf der sicherheitspolitischen Agenda.
den mit Abstand größten Anteil am globalen Seehandel.                      Das breite Spektrum an sicherheitspolitischen Bedro-
Im Mittelpunkt der indopazifischen Geografie, sowohl                  hungen steht in einem offensichtlichen Spannungsver-
kartografisch wie auch ökonomisch, befinden sich am                   hältnis zu der Bedeutung des Indo-Pazifiks für globale
Übergang vom Pazifik zum Indischen Ozean das Süd-                     Warenströme. Als Reaktion auf diese sicherheitspoliti-
chinesische Meer sowie die Meerengen der Straße von                   sche Lage und als wahrnehmbare Umsetzung der Leit-
Malakka, der Sundastraße und der Lombokstraße. Durch                  linien beabsichtigt die Bundesregierung, das deutsche
diese Meerengen wird jährlich nahezu ein Drittel des inter-           Engagement in der Region künftig auszuweiten. So will
nationalen Warenhandels geschifft.2 All diese Waren-                  sie die sicherheits- und verteidigungspolitische Koopera-
ströme sind nicht nur unabdingbare Voraussetzungen für                tion im Indo-Pazifik intensivieren, kontextabhängig mit
eine funktionierende und florierende Weltwirtschaft, sie              einzelnen Staaten oder Organisationen wie dem südost-
stellen gleichermaßen auch im Falle einer Störung oder                asiatischen Staatenverbund ASEAN und mit Akteuren,
Katastrophe auf See eine mögliche Bedrohung für die                   die ebenfalls Interessen in der Region haben. Das kann
maritime Umwelt, die Sicherheit der Küsten und Hafen-                 sowohl unilateral als auch im Rahmen von EU, Nato oder
städte sowie deren Bevölkerung dar. Darüber hinaus sind               Vereinten Nationen (VN) stattfinden.
maritime Ressourcen – ob fossile Lagerstätten (Öl und                      Inhaltlich will sich Deutschland in folgenden Berei-
Gas), Mineralien oder Fisch – und der Zugang zum Meer                 chen engagieren: Rüstungskontrolle, Nonproliferation,
und seinen Ressourcen zunehmend umstritten. Schließ-                  Cybersicherheit, humanitäre und Katastrophenhilfe,
lich besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Handel                   Piraterie- und Terrorismusbekämpfung, Konfliktbewälti-
und Wohlstand; Handel bedarf zu seiner vollen Entfaltung              gung sowie Prävention bis hin zum Erhalt der regelbasier-
sicherer und stabiler Handelsrouten. Wohlstand steht                  ten Ordnung inklusive der Durchsetzung internationaler
in direkter Abhängigkeit von Sicherheit. Deutschlands                 Rechtsnormen wie des Seerechtsübereinkommens (SRÜ)
Wohlstand und ökonomische Prosperität sind maßgeb-                    der VN. Die Instrumente, die die Bundesregierung dafür
lich abhängig von den sicheren Seewegen. Dies trifft im               einsetzen möchte, reichen von Ausbau und Vertiefung
besonderen Maße auf den Indo-Pazifik zu. So beläuft sich              von Kooperationen in der Region über zivile und militä-
der Anteil des Warenhandelsaustausch Deutschlands mit                 rische Diplomatie bis zu militärischer Anwesenheit im
den Ländern des Indo-Pazifiks, gemessen am Gesamtauf-                 Rahmen von Übungen oder anderen Formen der Präsenz
kommen, auf etwa 20 Prozent.3                                         vor Ort.
     Die potentiellen Bedrohungen in der Region sind viel-
schichtig: Neben der oftmals alles überlagernden stra-
tegischen, wirtschaftlichen und systemischen Rivalität
zwischen den USA und China gibt es im Indo-Pazifik drei
                                                                      3 D
                                                                         ie Fregatte BAYERN als Zeichen
Nuklearmächte (China, Indien, Pakistan) plus Nordkorea                  der Operationalisierung der
als schwer kalkulierbare De-facto-Nuklearmacht. Diese
bereits explosive Konstellation wird noch prekärer durch
                                                                        Leitlinien
ungeklärte Grenzstreitigkeiten, innere und zwischen-
                                                                      Seit nunmehr fast zwei Jahren plant die Deutsche Marine
                                                                      die Entsendung eines Schiffes in die Region des Indo-Pazi-
                                                                      fiks. Die für das Jahr 2020 vorgesehene Fahrt der Fregatte
2 Die Daten wurden den Veröffentlichungen des China Power Pro-
                                                                      HAMBURG musste kurzfristig zu Gunsten der Beteili-
ject vom Center for Strategic and International Studies entnommen.
Im Internet unter: https://chinapower.csis.org/much-trade-transits-   gung an der EU-geführten Operation IRINI vor der Küste
south-china-sea/.                                                     Libyens abgesagt werden. In ihrer ersten Grundsatzrede
3 Die Bundesregierung/Auswärtiges Amt: Leitlinien zum Indo-Pazi­      am 7. November 2019 formulierte Verteidigungsminis-
fik. Online verfügbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/blob     terin Annegret Kramp-Karrenbauer den damit verbun-
/2380500/33f978a9d4f511942c241eb4602086c1/200901-indo-pazifik-
                                                                      denen Anspruch dahingehend, dass die Bundesrepub-
leitlinien--1--data.pdf.
Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik ­zwischen Anspruch und Realität            263

Abb. 1: Die Fregatte BAYERN

lik gegenüber ihren Partnern ein „… Zeichen setzen …“                 In ihrer zweiten Grundsatzrede ein Jahr später, am
wolle, Deutschland könne „… nicht einfach nur am Rande           17. November 2020, stellte die Verteidigungsministerin
stehen und zuschauen …“ sondern wolle dazu beitragen,            ganz konkret die Entsendung einer Fregatte für das Jahr
„… die internationale Ordnung zu schützen …“.4 Gleich-           2021 in Aussicht und verband deren Reise direkt mit den
zeitig wurde die Beteiligung deutscher Kräfte und Einhei-        Anforderungen der jüngst herausgegebenen Leitlinien für
ten an der EU-Operation Atalanta am Horn von Afrika auf          den Indo-Pazifik: „Wir werden Flagge zeigen für unsere
Grund der technischen Verfügbarkeit geringer. Seither ist        Werte, Interessen und Partner.“5 Anfang März 2021 ver-
die Bundeswehr dort nur noch sporadisch an Seefernauf-           öffentlichten das Auswärtige Amt und das Bundesminis-
kläreroperationen beteiligt. Dieses Engagement der Betei-        terium der Verteidigung konkrete Details zu der anste-
ligung mit Einheiten an der Operation hat die Marine nun         henden Fahrt der Fregatte BAYERN. Ab August soll diese
vorübergehend eingestellt und hat im Mai 2021 auch damit         ihre etwa sechsmonatige Reise antreten und dabei mehr
begonnen, die unterstützende logistische Präsenz aus Dji-        als ein Dutzend Hafenbesuche zwischen dem Horn von
bouti abzuziehen. Das Mandat für diesen Einsatz wurde            Afrika, Australien und Japan im Indo-Pazifik absolvieren.
vorerst verlängert, die Marine hat jedoch keine Einheiten        Ganz im Zeichen der Leitlinien für den Indo-Pazifik soll
für eine dauerhafte Präsenz verfügbar. Der geostrategisch        das Schiff zunächst Präsenz in der Region zeigen und die
interessante Dreh- und Angelpunkt Djibouti, als mariti-          diplomatischen Beziehungen, auch durch Empfänge an
mer Durchgangsweg zwischen dem Suez Kanal und dem                Bord, vertiefen. Die deutsche Verteidigungsministerin for-
Indischen Ozean sowie als Tor nach Afrika, zum indopazi-         mulierte den Auftrag der Fregatte BAYERN vorrangig als
fischen Raum und zur arabischen Halbinsel, wird somit            „… Symbol – sie zeigt unsere Verbundenheit und unser
als möglicher Abstützpunkt und Pulsmesser am regiona-            Interesse an der Region.“6 Daneben sind bisher verschie-
len Geschehen nicht mehr zur Verfügung stehen. Möglich
bleibt eine zeitweise Beteiligung, wenn deutsche Schiffe
dieses Seegebiet passieren.                                      5 Kramp-Karrenbauer, Annegret: Zweite Grundsatzrede der Ver-
                                                                 teidigungsministerin, https://www.bmvg.de/de/aktuelles/zweite-
                                                                 grundsatzrede-verteidigungsministerin-akk-4482110.
                                                                 6 Interview mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karren-
4 Kramp-Karrenbauer, Annegret: Erste Grundsatzrede der Vertei-   bauer: Das Deutschland führen soll, macht vielen Angst, in: Internati-
digungsministerin: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/rede-der-    onale Politik, 28. April 2021, im Internet: https://internationalepolitik.
ministerin-an-der-universitaet-der-bundeswehr-muenchen-146670.   de/de/dass-deutschland-fuehren-soll-macht-vielen-angst.
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dene Manöver mit Marineeinheiten der Gaststaaten, wie                   gewesen, dass die BAYERN sich zeitweilig dem Kontin-
z. B. in Japan, sowie eine kurzzeitige Beteiligung an der               gent anschließt. Bereits seit der Bekanntgabe der Details
Operation Atalanta vorgesehen. Anliegen der deutschen                   zur Entsendung der Fregatte BAYERN im März 2021, wird
Beteiligung ist, „… wie wir mit den Demokratien und                     die Verteidigungsministerin nicht müde, die Bedeutung
Rechtsstaaten in der Region zusammenarbeiten und wie                    der Freiheit der Seefahrt sowie die Zusammenarbeit mit
wir in den Sicherheitsdialogen vor Ort engagiert sind.“7                Partnern in der Region als Kernelemente der Tour zu
Operativer Höhepunkt der Tour soll die etwa dreiwöchige                 betonen9. Der Trägerverband um die HMS Queen Eliza-
Teilnahme an den VN-Sanktionsmaßnahmen gegenüber                        beth soll nach bisheriger Planung zwar auch die Taiwan
Nordkorea darstellen. Insofern wird die Entsendung der                  Straße östlich umfahren,10 eine endgültige Entscheidung
Fregatte einem Auftrag gerecht, der sich aus den Leit-                  darüber hält sich London aber noch offen.11 Auch die
linien ableiten lässt. Deutlich achtsamer verhalten sich                britische Regierung vermeidet gegenüber China eine zu
dagegen Bundesregierung und Bundeswehr in Beziehung                     eskalatorische Haltung, gerade in der derzeitig sensitiven
zu China. Das Verhalten Pekings gegenüber regionalen                    Taiwan-Frage. Im Südchinesischen Meer soll der multi-
Anrainern steht nicht im Einklang mit dem Seerechtsüber-                nationale Verband jedoch die Freiheit der Seefahrt gegen-
einkommen. Peking erhebt strittige Territorialansprüche                 über den einseitigen chinesischen Territorialansprüchen
auf die von Japan verwalteten Senkaku-/Diaoyu-Inseln                    untermauern.12
im Ostchinesischen Meer und darüber hinaus auf den
Großteil des Südchinesischen Meeres – wobei das bean-
spruchte Gebiet auch die souveräne Republik Taiwan
umfasst. Der Internationale Schiedshof in Den Haag hat
                                                                        4 F azit: Enttäuschte Erwartungen
am 12. Juli 2016 festgestellt, dass die Ansprüche Pekings
                                                                        Die Anwesenheit der Fregatte BAYERN ist ein erstes sicht-
nicht mit dem Seerechtsübereinkommen übereinstimmen
                                                                        bares Zeichen deutscher Interessen im Indo-Pazifik, sie
und daher unwirksam sind.8 Dennoch meidet die Bundes-
                                                                        unterstützt aber nicht die in den Leitlinien für den Indo-
wehr bei der Routenplanung konfliktträchtige Seegebiete.
                                                                        Pazifik angemahnte Freiheit der Schifffahrt und deren
Die Fregatte BAYERN wird daher nicht durch die Taiwan-
                                                                        völkerrechtliche Untermauerung durch entsprechen-
Straße fahren, sondern Taiwan auf einer längeren Route
                                                                        des Befahren dieser freien und offenen internationalen
östlich umfahren. Ähnlich werden im Süd- und Ostchine-
                                                                        Seewege. Gerade diesen Beitrag zum Völkerrecht und
sischen Meer die von der Volkrepublik China beanspruch-
                                                                        der regionalen Ordnung hatten sich einige Anrainer von
ten Hoheitsgebiete umfahren und die Fregatte wird sich
                                                                        Deutschland als prominenter Vertreter des EU-Werteka-
entlang der internationalen Hauptverkehrs- und Handels-
                                                                        nons erhofft.13 Umso überraschter war man in der Region
routen bewegen.
                                                                        über die Ankündigung Deutschlands, auch China im
     Eine Interaktion mit dem Ende Mai gestarteten Flug-
                                                                        Rahmen der Tour anzulaufen. Zu Beginn ihrer Rückreise
zeugträgerverband um das neue Flaggschiff der Royal
                                                                        soll die Fregatte BAYERN von Japan durch das Ostchine-
Navy, die HMS Queen Elizabeth, ist ebenso nicht vor-
                                                                        sische Meer kommend einen offiziellen diplomatischen
gesehen. Auch wenn dieser britisch geführte Verband
mit amerikanischer, niederländischer und teilweise
australischer Beteiligung eine ähnliche Route bis nach
                                                                        9 Interview mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karren­
Japan abfährt, werden schon die Raum-Zeit Faktoren                      bauer, im Internet: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/verteidigungs
kaum Möglichkeit für ein Aufeinandertreffen zulassen.                   ministerin-akk-interview-multilateralismus-5049504.
Dies erscheint als eine versäumte Gelegenheit, wäre es                  10 UK Defence Journal: British Carrier Strike Group to sail through
doch bei entsprechend abgestimmter Planung möglich                      South China Sea, im Internet: https://ukdefencejournal.org.uk/bri
                                                                        tish-carrier-strike-group-to-sail-through-south-china-sea/.
                                                                        11 U. a. in The Times: New carrier heads for troubled waters,
                                                                        28.5.2021.
7 Ibd.                                                                  12 U. a. Tillett, Andrew: Australian navy to join UK carrier in regional
8 Permanent Court of Arbitration (PCA): PCA Case Nº 2013–19 in the      show of strength, in: Australian Financial Review, 11. Februar 2021,
Matter of the South China Sea Arbitration before an Arbitral Tribunal   im Internet: https://www.afr.com/politics/federal/australian-navy-
Constituted under Annex VII to the 1982 United Nations Convention       to-join-uk-carrier-in-regional-show-of-strength-20210210-p57150.
on the Law of the Sea between The Republic of the Philippines and       13 Vgl. Paul, Michael: “Europe and the South China Sea: challenges,
the People’s Republic of China. Award, 12.7.2016. Vgl. Paul, Michael:   constraints and options“, in: Biba, Sebastian/Wolf, Reinhard (Hg.):
Kriegsgefahr im Pazifik? Die maritime Bedeutung der sino-amerika-       Europe in an Era of Growing Sino-American Competition. Coping
nischen Rivalität. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2017,        with an Unstable Triangle. London und New York: Routledge, 2021,
S. 195–260.                                                             S. 92–106.
Deutsche Sicherheitspolitik im Indo-Pazifik ­zwischen Anspruch und Realität   265

Hafenbesuch in Shanghai durchführen. Über die Beweg-                 von Analysten geäußert wurde15. Am wahrscheinlichsten
gründe zu diesem Besuch, bevor die Fregatte in das Süd-              scheint daher eher folgende Erklärung: Eine Kooperation
chinesische Meer fährt, sowie über die nicht genutzte                im Indo-Pazifik oder gar im Südchinesischen Meer mit
Chance mit dem multinationalen Trägerverband um die                  einem multinationalen Trägerverband wäre aus deut-
HMS Queen Elizabeth gemeinsam ein Zeichen zu setzen,                 scher Sicht ein derart starkes Signal gen China gewesen,
wird international bereits viel spekuliert.14 Insbesondere           dass diese Option erst gar nicht in den Planungsprozess
hinsichtlich der Kooperation mit dem britisch geführten              berücksichtigt oder aufgenommen wurde.
Verband steht die Frage im Raum, ob Deutschland diese                    Deutschland tritt gerne außenwirtschaftspolitisch als
Option ignoriert, sie absichtlich vermieden hat oder ob es           global player auf, versteckt sich aber außen- und sicher-
einfach nur im deutschen Planungsprozess untergegan-                 heitspolitisch als Mittelmacht hinter begrenzten Fähig-
gen ist. Entlang der öffentlich zugänglichen Informatio-             keiten. Das hilft weder den Anrainern im Indo-Pazifik,
nen zur Planung der Tour der Fregatte BAYERN durch das               noch entspricht es der oft deklarierten Bereitschaft, mehr
Verteidigungsministerium oder das Auswärtige Amt gibt es             Verantwortung zu übernehmen. Die BAYERN signalisiert
keine Hinweise oder Widersprüche, die auf eine bewusste              keinen Aufbruch.
Vermeidung des Trägerverbands deuten, wie es bereits

14 U. a. Kundnani, Hans/Tsuruoka, Michito: Germany’s Indo-Paci-
fic frigate may send unclear message, Webseite vom Royal Institute
of International Affairs; https://www.chathamhouse.org/2021/05/
germanys-indo-pacific-frigate-may-send-unclear-message.              15 Ebd.
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